RT: Stellungnahme der Galerie Zelle e.V. zu den geforderten Gesprächen mit der Polizei

kulturschock zelle

Sehr geehrte Damen und Herren,
wie in der aktuellen Pressemitteilung der SPD und zwei darauf folgenden Artikeln im Reutlingen Generalanzeiger zu entnehmen ist, erwarten die SPD und der Jugendgemeinderat von uns, Gespräche mit der Polizei zu führen. Im Folgenden versuchen wir die Situation um die Zelle herum darzustellen, nehmen Stellung dazu und fordern die Polizei auf sich in Zukunft zurück zu halten.


Beginnen möchten wir mit einer kurzen Übersicht zu Polizeieinsätzen bezüglich der Zelle:

Der erste Vorfall ist das bekannt gewordenen polizeilichen Fehlverhalten bei einer Tanzveranstaltung am 24.10.2009. Damals wurde unter dem Vorwand der Ruhestörung um 8 Uhr morgens (!) von ca. 15, teilweise mit Holzknüppeln bewaffneten Polizist*innen versucht das Gebäude zu stürmen. Im Verlauf dessen, konnten die Polizist*innen daran gehindert werden, die Anlage zu beschlagnahmen. Als die Situation eigentlich geklärt war und die Polizist*innen bereits auf Höhe des Eingangs waren, wurde von diesen Pfefferspray in die Gesichter der Gäste gesprüht. Auf der darauf folgenden Spontan-Demonstration von unbekannten Unterstützer*innen wurden diese ebenfalls von der Polizei angegriffen und zum Teil leicht verletzt.

Bei einer spontanen Zusammenkunft Zelle-solidarischer, tanzender Menschen am Karfreitag 2012, kam es ebenfalls ohne Vorwarnungen zum Einsatz körperlicher Gewalt seitens der Polizei, welche versuchten die Musik auf dem Marktplatz abzuschalten und das Tanzverbot (!) durch zu setzen.

Seit Beginn der Auseinandersetzungen um die Gaststättenkonzession, ist ein ständiger Anstieg der eingesetzten Zivilpolizist*innen auf und um das Zelle Gelände herum festzustellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es vor der Unterlassungsverfügung seitens der Stadt nicht zu solchen Einsätzen kam.

Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung durften unsere Gäste bei einer Drum and Bass Veranstaltung am 2.3.2013 am eigenen Leib erfahren, als 15-20 uniformierte und zivile Einsatzkräfte die Zelle umstellten und jede Person die auf das Zelle Gelände wollte umfassend kontrollierte und so unter Generalverdacht stellten. Diese schikanösen Kontrollen gipfelten darin das sich Menschen zum Teil bei um die 0°C ausziehen mussten.

Als wäre das noch nicht genug, wurde am 26.3.2013 die Arbeit der ehrenamtlichen Zellemitarbeiter*innen und Helfer*innen sowie die Tätigkeit des Jugendgemeinderats massiv eingeschränkt. (siehe Pressemitteilung vom 5.4.2013)

Dies ist nur eine unvollständige Chronik der überdimensioniertesten Polizeieinsätze in letzter Zeit gegen die Zelle. Hinzu kommen noch etliche Vorfälle mit racial profiling (Kontrollen die aufgrund von rassistischen Motiven durchgeführt werden) und anderen schikanösen Kontrollen durch die Reutlinger Polizei. Daraus lässt sich erahnen, dass der Vorfall mit dem JGR nicht der erste Fall von umfangreicher Repression ist. Umso verwunderlicher ist es, dass erst bei den Kontrollen des JGR ein öffentlicher Aufschrei stattfindet. Dies ist jedoch genau wie beim sog. Schwarzen Donnerstag im Zusammenhang mit den S21-Protesten kein bedauerlicher Einzelfall, sondern schon beinahe die Regel.

In unseren Augen ist die Forderung nach Löschung der gesammelten Daten der JGR-Mitglieder schon eine Farce. Wieso sollte nur der parlamentarische Flügel der Jugendlichen von der Unschuldsvermutung profitieren, wie es die SPD in ihrer Stellungnahme fordert? So ist anzunehmen, dass es von Seiten der Partei für legitim erachtet wird, Zellemitarbeiter*innen auf diese Weise zu diskriminieren. Gegen die Kontrollen vom 26.3. sind im Übrigen bereits juristische Schritte eingeleitet worden.

Weniger überrascht sind wir hingegen von der Aussage des Reutlinger Revierleiters Michael Simmendinger, die JGR-Vertreter*innen seien zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Denn diese passt genau in die Meinungsmache der Polizei. Trotzdem fragen wir uns wo denn Jugendliche besser aufgehoben sind, als in einem selbstverwalteten Jugendzentrum, in welchem sie sich frei entfalten und wertvolle Lebenserfahrungen sammeln können?

Diese freie Entfaltung wird durch das Auftreten der Polizei massiv eingeschränkt. So ist es ein Wunschdenken, dass sich Menschen unter ständigen Kontrollen und Überwachung gleich verhalten wie jene, die diesen Schikanen nicht ausgesetzt sind. Man fühlt sich in der Zelle oft wie in einer belagerten Festung im Mittelalter. Der allgemeine Zustand lädt also nicht gerade dazu ein, sich der Zelle auch nur zu nähern, geschweige denn sich dort zu engagieren.

Dass die Zelle der Polizei ein Dorn im Auge ist, ist ein offenes Geheimnis. Dies erkennt man nicht nur an den geschilderten Zuständen vor Ort, sondern auch an deren täglichen Pressemitteilungen. So wird man dort niemals auf die Namen „M-Park“; „sixfeetunder“ oder „hausbar“ stoßen. Kommt es dort zu vermeintlichen Straftaten, so wird lediglich die ungefähre Ortsbezeichnung genannt. Die Zelle hingegen wird immer namentlich in den Presseberichten erwähnt. Auch die häufigen, vermeintlichen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sind nicht auf den Konsum sondern auf die übermäßigen Polizeikontrollen zurück zu führen. Denn wo viel kontrolliert wird, ist die Wahrscheinlichkeit auch größer, etwas zu finden. So würde man vor anderen Etablissements genau so viel oder sogar mehr Illegale Substanzen sicherstellen wenn man die Kontrollen dort so intensiv betreiben würde wie bei der Zelle.

Kann also von Mitarbeiter*innen der Zelle ernsthaft erwartet werden, auf Polizist*innen einzugehen die sich der Zelle gegenüber dauerhaft unkooperativ verhalten? Bittet man ein Opfer von psychischer und physischer Gewalt denn auch mit seinen Peiniger*innen an einen Verhandlungstisch zu sitzen? Und gibt man jenen auch die Schuld für die erfahrene Gewalt?

Wir sehen in einem Gespräch mit jenen Polizist*innen keinen Weg der Verbesserung. Vor allem nicht unter dem Umstand das Herr Simmendinger selbst vorgibt Ansprechpartner*innen und somit Verantwortliche für die Zelle bei diesem Gespräch zu suchen. Denn durch Namentliche Nennung von „Verantwortlichen“ werden wieder Tor und Tür für die oben beschriebene Repression geöffnet. Nicht mit den Cops zu reden ist für uns also keine Modeerscheinung sondern einfach nur eine nötige (stumme) Antwort auf das Verhalten eben dieser.

Zur Schreibweise:
–(!): soll auf die Absurdität der Sache hinweisen
–*innen: Da die deutsche Sprache sexistisch geprägt ist, wird mit *innen die Frau und alle
anderen Geschlechterorientierungen wie Trans oder Intersexuell mit aufgenommen.

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sehr schöner und starker artikel! gut erklärt was sache ist!

 

der kampf geht weiter.

Eure Entscheidung freut mich und viele andere Menschen!!!

Kämpferische und solidarische Grüße in die Zelle!

 

No Justice, no Peace!

Meine Solidarität habt ihr! Macht weiter, die Zelle ist wichtig!