Der Baum muss weg!

Der Baum muss weg!

5 Tage vor Weihnachten fand eine unangemeldete Kundgebung im Polizeirevier Chemnitz-Erzgebirge am 19.12.2012 statt, weil ein dort stehender Weihnachtsbaum eine Diskriminierung für Atheist*innen darstellt. Zusätzlich verstößt das unserer Meinung nach gegen das Gleichbehandlungsgesetz von Religionen. Die Rede im Folgenden:

 

Hallo liebe Demonstrationsteilnehmerinnen und Demonstrationsteilnehmer, sehr geehrte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und einen schönen guten Abend an alle Menschen, die sich nicht in eine der beiden Kategorien einteilen lassen.

Wir, von der Initiative DBMW. stehen heute in der Polizeidirektion Chemnitz Erzgebirge, weil vor uns ein Weihnachtsbaum in diesem staatlichen Gebäude steht.
Dieses Dingsda verstößt aus unserer Sicht gegen den Neutralitätsgedanken der Polizei. Wir vertreten die Ansicht, dass mit diesem Baum ein positiver Bezug zum Christentum hergestellt werden soll. Da stellt sich uns die Frage, was ist mit den anderen Religionen? Dem Judentum, dem Islam, dem Hinduismus und dem Buddhismus? Findet da nicht eine Diskriminierung statt? Ja, ganz klar. Folglich könnten wir uns vorstellen, dass letztgenannte Religionsangehörige denken, hier sind alle Leute, außer sie sind Christen, nicht willkommen. Von den Atheistinnen und Atheisten mal ganz zu schweigen. Nur um ein aktuelles Beispiel bzgl. des Islams zu nennen: In Plauen im Vogtland gab es in den vergangenen Tagen wohl zwei rechtsextreme Anschläge auf Moscheen. Es wurde u.a. ein Schweinekopf hinterlassen, was im muslimischen Glauben als schwere Beleidigung gilt. Jetzt sollen die Opfer zur christlichen Polizei rennen, um Anzeige zu erstatten? Was meint der Staatsschutz? ein rechtsradikaler Hintergrund könne nicht ausgeschlossen werden. Sollte es nicht besser heißen, wie ein Zwickauer Polizeisprecher sagte: „Es handelt sich offenbar um eine politische Botschaft“

Die ganz klare Forderung des DBMW lautet daher, wie es sich vielleicht schon aus unserem Namen erraten lässt: „Der Baum muss weg!“.

Falls uns die Polizei erlaubt, den Gegenstand zu entsorgen, so würden wir dem gerne Folge leisten. Sollte wir dafür keine Erlaubnis bekommen, so fordern wir die Staatsmacht auf, jenes umgehend zu tun. Bitte kommen Sie uns jetzt nicht damit, ihnen würden dazu die Kapazitäten fehlen. Schließlich hatten sie auch für den Kauf, die Lieferung und die Aufstellung keine Kosten und Mühen gescheut.

Sehr geehrte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten , bitte rufen Sie jetzt ein Entsorgungsunternehmen an, aber kommen Sie uns bitte nicht mit der Ausrede, es fehlt an Geld. Bedenken Sie, dass der Baum mit einer Lichterkette ausgestattet ist und das diese Kosten für den Strom schon in ihrem Etat für 2012 eingeplant sind. Bei einem Verkauf der Lichterkette und der Stromersparnis dürften sie wohl sogar ein dickes Plus machen. Selbst wenn der Notservice des Entsorgungsunternehmens noch mehr Geld verlangt als sie Einsparen würden, so bedenken Sie auch, dass uns diese Kosten-Nutzen-Rechnungs-Ausrede nicht interessiert und wir folglich nicht von unserem Anliegen Abstand nehmen.

In Sachsen fallen viele Stellen bei der Polizei weg, aber hier wird nicht gespart? Wie passt das zusammen? Die potentiellen Täterinnen und Täter dürfen sich freuen.

Sehr geehrte Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, sind Sie schon auf den Gedanken gekommen, dass für 2013 dann überhaupt keine Kosten mehr anfallen oder möchten Sie, dass wir in 12 Monaten wieder da sind, um erneut mit der Forderung „Der Baum muss weg“ daherkommen. Sie können sich dann ja denken, dass mehr Leute von unserem Anliegen erfahren haben und folglich mehr Personen sich hoffentlich hier versammeln werden. Nicht zu vergessen, dass so etwas auch an anderen Polizeiwachen stattfinden kann. Selbst wenn wir dann im Knast sind, so können sich bis dahin schon andere Gruppen gegründet haben.

Jetzt ein ganz neuer Punkt: Vielleicht konnten Sie ja bislang nichts mit unseren Argumenten anfangen. Im Folgenden geht es nun um die Ökologie und Tierrechte.

Weihnachtsbäume werden extra für Weihnachten gezüchtet. Logisch. Das ist unnatürlich, da extra Flächen für den Anbau dieser Bäume angelegt werden. Viele Menschen hungern. Ein wütender und lauter Appell an die Abholzerinnen und Abholzer, damit sie uns vielleicht doch hören: Baut auf euren Flächen lieber Getreide an, wenn ihr sie schon besitzt.

Doch warum werden sich nicht alle Menschen aus Umweltschutzgründen unserer Forderung vermutlich Folge leisten ? Die eine Sache ist der sehr starke positive Bezug zum Christentum und das Zweite das Profitstreben der Verkäuferinnen und Verkäufer. Ihre Religionszugehörigkeit dürften sie unserer Meinung dann wegbekommen, wenn sie sich mal daran erinnern, dass bei der Erderstehung es noch keine Religionen gab. Sie wurde von manchen Menschen erschaffen.

Natürlich respektieren wie die Religionsfreiheit, aber Kritik aufgrund der massiven Zerstörung der Natur muss auch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein.

Der bereits zweite angesprochene Punkt, auf den ich jetzt zu sprechen kommen, sind die Tierrechte. Viele kleine Lebewesen haben auf den Bäumen ein Ort zum Verweilen gefunden. Natürlich ist dieser Zustand immernoch schlechter, als wenn dort gar nichts von Menschenhand gemacht worden wäre. Nun gut. Wir kritisieren aber vor allem, dass bei der Abholzung, die Tiere, welche dort verweilen, einfach entführt werden. Sie müssen sich einer neuen Umgebung anpassen. Manche sterben während der Deportation. Das ist mindestens Totschlag!

Nun können sie ja umweltschädlich, tierverabscheuend, christlich und vermögend sein, doch denken Sie bitte spätestens mal an sich selbst. Haben Sie bei der Polizei schon mal ein Plenum gemacht und zwar darüber, was bei einem Kurzschluss passieren könnte? Ihre Lichterkette fackelt kurz und sehr schnell schlägt das Feuer evtl. auf den Baum über. Danach aufs Gebäude und den Rest kann mensch sich ja hoffentlich jetzt schon denken. Polizei und Feuerwehr sollten sie doch auch eine Vorbildfunktion inne haben. Gehen Sie mit dem Brandschutz nicht so locker um!

Aus diesem Grunde verzichten wir auch auf eine Verhüllung dieses grünen Objekts, weil Brandgefahr besteht.

Deshalb unserer ausdrücklicher Appell an die Polizei Chemnitz: Geben Sie den Baum der Natur zurück. Sofort! Jede Sekunde länger bedeutet auch Werbung für die völlig sinnlose Abholzung von Wäldern!

Danach: Lautstarke und lachende Rufe mit geballter Faust: „Der Baum muss weg“ (Wdh.)

Die gut 10minütige Rede (17.55 Uhr-18.05 Uhr), welche durch Lachflashs mehrmals unterbrochen wurde, bekam kaum Aufmerksamkeit von der Staatsmacht. Wir haben immerhin eine Polizistin gesehen, welche aber uns kaum zuhörte, sondern lieber mit jemand anderes quatschte. Ob das jetzt unhöflich oder alternativlos war?

Wir (Ich) finde_n diese Respektlosigkeiten nicht toll.

Um Sicherheit zu haben, dass unser Anliegen wirklich ankam, ließen wir eine Kopie der Rede vor Ort. Außerdem fand eines von zwei Demopappen mit der Aufschrift: „Der Baum muss weg“ einen neuen Platz und zwar vor den Briefkästen jenes Reviers.


Draußen dann konnte Demonstrant_in (insg. 7) einen VW-Bus mit Aufdruck „Polizei“ sehen, doch dessen Personal widmete sich nur einem Radfahrer, welcher wohl kein Rücklicht angeschaltet hatte. Folglich war unsere Aktion absolut friedlich.
Ein Foto von Heute, dem 24.12. zeigt, dass der Baum traurigerweise immer noch da ist. Selbst unsere Sicherheitshinweise wurden ignoriert.


DBMW Chemnitz
Email: dbmw-chemnitz[at]hushmail.me

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habt ihr eigentlich nichts besseres zu tun? Ist das wirklich euer ernst, das ihr rumheult weil nen weihnachtsbaum im bullenrevier ist? Gibt es nicht wichtigere Sachen zu tun? Zum Beispiel die Bullen und den Staat im allgemeinen zu kritisieren und anzugreifen. Und euer Engagement für Umwelt und Tierrecht schön und gut, aber wenn ihr nen Problem mit den derzeitigen zuständen habt, macht lieber direkte aktionen als so eine schwachsinnige aktion die null bringt und einfach nur sinnlos ist.

Ja, da kann ich nur zustimmen. Außerdem ist der deutsche Staat nicht neutral den Religionen gegenüber. Selbst im Grundgesetz und vielen Länderverfassungen wird sich auf den christlchen Gott bezogen, dir christlichen Kirchen haben eine Sonderstellung, der Staat treibt die Kirchensteuer ein, Kirchen dürfen ihre Arbeiter_innen wesentlich härter ausbeuten als andere Unternehmen, usw.

Der einzige nicht negative Kommentar? wow!Schön, dass auch andere keine Religionsgleichberechtigung in Deutschland erkennen.

Bzgl. Militante Aktionen: Da die Polizei evtl. Videomaterialvon uns besitzt, werden wir keine Bewertung abgeben.

Eines sollte aber klar sein: Für krassere Aktionen sind im Allgemeinen weniger Leute bereit.

Da bist du schon froh, wenn sich 6 weitere Personen entschließen, bei so etwas dabei zu sein. Das ist Chemnitz, nur mal so.

Außerdem fehlt da auch die Nennung der Alternativen Aktion.

Die Kundgebung fanden übrigens alle Teilnehmer*innen irre lustig und teils informativ! Spaß ist nicht verboten und warum nicht mit einer verrückten, friedlichen Aktion auf Missstände aufmerksam machen? Ohne Repression.

Die "Militanz" bzgl. wohl der geballten Faust sehe ich als sehr sehr niedrig an, weil es aufgrund der angesprochenen Atmosphäre und des zuvor vereinbarten Aktionskonsens, nur eine Form des kraftvolleren Ausdrucks jener Forderung sein soll. Wenn sich folglich alle kennen, dann weiß auch jeder, was eine kurze Faust hier nur bedeutet.

Der Spruch "Der Baum muss weg" könnte evtl. von "Die (DDR-) Mauer muss weg" abgekupfert worden sein.

Die Admins von linksunten haben den Artikel in die Mittelspalte gesetzt. Dann dürften jene es kaum als "kontraproduktiv" ansehen.

 

Vielen Dank für die tollen Ausführungen zum Thema Wald. Uns ging es auch mehr darum zu sagen, ohne Essen ist keine Religionsausübung möglich. Sorry, wenn das bei der "lustigen" Rede falsch verstanden wurde.

 

Wie auch immer: Schon mind. 9 Kommentare. Danke für die kritischen Meinungen

 

Ist da Neid bei den negativen Kommentaren rauszulesen? Hoffentlich nicht, denn Kopieren der Aktion ist erwünscht.

Schließe mich Deiner Ansicht an und möchte ergänzen, daß solche Aktionen genau eines bewirken: Seht her, "die Linken" sind nur auf Krawall aus! Und morgen fehlen uns genau die Leute, die trotz Atheistseins Weihnachten feiern, bei Demonstrationen zu wichtigen Themen - zum Beispiel bei der Blockade von Naziaufmärschen. Ferner stellt sich die Frage, wieviele % der Menschen Weihnachten einfach nur so familiär für ihre Kinder feiern und nicht wegen irgend eines Glaubens, der das angeblich vorschreibt.

 

Laßt den Menschen ihre Freude, sonst werden sie zu unseren Feinden!

(Das Vermiesen von Freude macht übrigens der Staat jeden Tag...)

 

Atheistische Weihnachtsgrüße!

Als Atheist fühle ich mich leicht genervt von so einer Aktion. Intoleranz gegenüber Andersdenkenden kenne ich sonst nur von Religionen. Ich dachte eigentlich bisher immer, dass wir Atheisten uns durch ein Mindestmaß an Toleranz auszeichnen. Wieder was gelernt.

 

"Weihnachtsbäume werden extra für Weihnachten gezüchtet. Logisch. Das ist unnatürlich, da extra Flächen für den Anbau dieser Bäume angelegt werden. Viele Menschen hungern."

 

Nach Kyrill - die Älteren werden sich noch erinnern - haben nicht zuletzt Weihnachtsbaumplantagen das Überleben vieler Waldbauern gesichert.

 

Apropos hungernde Menschen: In der Zeit, die man für diese sinnlose Aktion verplempert hat, hätte man genausogut ein paar Euro für hungernde Kinder sammeln können. Denn ihr sagt ja richtig: Viele Menschen hungern. Warum also eine so nichtssagende Aktion statt wirklichem Engagement?

 

"Baut auf euren Flächen lieber Getreide an, wenn ihr sie schon besitzt."

 

Schicke Forderung, die aber ökologisch wenig Sinn macht. Weihnachtsbaumplantagen findet man meist in waldreichen Regionen. Die kann man nicht so einfach zu Getreidefeldern umwidmen, weil das z.T. alleine schon der Boden nicht hergibt. Außerdem bleibt bei Weihnachtsbaumplantagen die Gesamtfläche eines Waldes immer nahezu gleich, da an anderer Stelle bereits wieder die kahlgeschlagenen Stellen aufgeforstet werden. Ich hoffe, ich musse jetzt hier echt nicht noch den Sinn von "Wald" erklären, um euer "Argument" endgültig zu widerlegen.

oder nicht? hä?

aber wird nicht unbedingt von allen verstanden

"Wir haben immerhin eine Polizistin gesehen, welche aber uns kaum zuhörte, sondern lieber mit jemand anderes quatschte. Ob das jetzt unhöflich oder alternativlos war? Wir (Ich) finde_n diese Respektlosigkeiten nicht toll." Hahaaha, wir kriegen uns nicht mehr ein --

lächerlich, einfach lächerlich

Unter dem Motto "Der Baum muß weg!" gab es schon erfolgreichere Kampagnen als dieses Bullenankumpeln, z.B.:

>>[Berlin] Für relativ viel Aufmerksamkeit sorgte die von Doris Engel betriebene Kneipe Baum in der Libauer Straße, die Anfang 1999 eröffnet wurde. Die rechte Klientel bestand auch dort aus organisierten Kameradschaftlern,was zu einiger Gegenwehr seitens der AnwohnerInnen und der Antifa führte. Der Wirt Manfred Reisinger aus Pankow und sein neonazistischer Kollege Thomas Barutta aus Friedrichshain schenkten das Bier aus. Barutta wurde zu der Zeit öfters auf Naziaufmärschen im „Kameradschaft Germania“ Block gesehen und war an einem Angriff am 21. Juli 2001 auf Linke an der Frankfurter Allee beteiligt. Die Wirtin distanzierte sich nie von ihrem Personal oder der Kundschaft und legte vielmehr ihre schützende Hand über sie. Nach zwei Jahren musste die Kneipe wegen antifaschistischer Aktionen und des schlechten Images schließen.<<

http://www.scribd.com/doc/30807453/fight-back-03 (S.31)