Warum starb Ousman Sey?

Dortmunder Antifa Bündnis

Dortmunder Antifa-Bündnis kritisiert Behörden im Todesfall Ousman Sey

Am Morgen des 7. Juli 2012 starb der aus Gambia stammende Ousman Sey im Dortmunder Polizeigewahrsam. Das Dortmunder Antifa-Bündnis kritisiert den Umgang von Polizei und Behörden mit dem Fall. Zuvor hatte Sey zwei Mal vergebens einen Krankenwagen gerufen, weil er sich schlecht gefühlt hatte. Nach dem ersten Eintreffen diagnostizierten die Rettungskräfte ein Herzrasen und attestierten ihm, noch kein Fall für das Krankenhaus zu sein. Als Sey eine halbe Stunde später erneut einen Krankenwagen rief, litt er Angaben seines Bruders zufolge bereits unter Krampfanfällen. Außerdem begann er angeblich in seiner Wohnung zu „randalieren“, weshalb Einsatzkräfte der Polizei gleichzeitig mit den Rettungskräften eintrafen. Diese attestierten Sey erneut, nicht ins Krankenhaus zu müssen – eine Untersuchung durch den Polizeiarzt in Gewahrsam reiche aus.

 

In Polizeigewahrsam angekommen, brach Ousman Sey jedoch sofort zusammen und starb laut Angaben der Behörden an einem Atemstillstand. Angehörige und Freunde des Toten äußerten in der Lokalpresse den Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung durch die Rettungssanitäter_innen und Polizist_innen aus rassistischen Motiven. Die Leiter von Polizei und Feuerwehr, Norbert Wesseler und Dirk Aschenbrenner, weisen dies erwartungsgemäß strikt zurück. Rassismus habe weder im Rettungsdienst noch in der Polizei einen Platz und beeinflusse keineswegs die Handlungen der Einsatzkräfte.

 

„Ob die unterlassene Hilfeleistung aus Inkompetenz oder rassistischen Motiven erfolgte – es bleibt dabei, dass hier falsch reagiert wurde", so Hannah Piehl, Pressesprecherin des Dortmunder Antifa-Bündnisses. “Es muss geklärt werden, was die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr zu einem Vorgehen bewogen hat, dem ein Mensch zum Opfer gefallen ist”.

 

“Die Aussagen, in Rettungsdienst und Polizei gäbe es keinen Rassismus, können wir jedoch nur als Schutzbehauptungen abtun”, erklärt die Pressesprecherin. "Deutsche Polizist_innen handeln täglich rassistisch. Durch die gängige Praxis des sogenannten ‘Racial Profiling’ rücken Schwarze unabhängig von ihrem Verhalten in den Fokus von Polizeikontrollen und erfahren so immer wiederkehrende institutionelle Diskriminierung. Diese ist nicht nur für die ständig wegen ihrer Hautfarbe kontrollierten Menschen diskriminierend, sondern sie verfälscht zudem durch höhere Überwachung dieser Personengruppe die statistische Häufigkeit von Straftaten in dieser. Darüber hinaus ist der Fall des 2005 im Dessauer Polizeigewahrsam verstorbenen Oury Jalloh ein bundesweit bekanntes Beispiel für den tödlichen Rassismus in den deutschen Polizeibehörden.“

 

Hannah Piehl weiterhin: „Auch wie Feuerwehrchef Aschenbrenner auf die Idee kommt, in seiner Behörde gebe es keinen Rassismus, erscheint uns fragwürdig. Nicht nur, dass sein Vorgänger Klaus Schäfer aufgrund seiner Kontakte zu den Dortmunder Neonazis seinen Posten als Leiter des städtischen Instituts für Feuerwehr- und Rettungstechnologie verloren hat. Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Ihn gibt es nicht nur in der extremen Rechten und auch nicht nur in angeblich ‘bildungsfernen Schichten’. Wer behauptet, in der sogenannten ‘Mitte der Gesellschaft’ und den staatlichen Behörden gebe es keinen Rassismus, der verschließt seine Augen vor jeglichen empirischen Untersuchungen zu diesem Thema.“

 

Das Dortmunder Antifa-Bündnis schließt sich dem geäußerten Verdacht der Freunde und Angehörigen Ousman Seys an. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung der Todesumstände, auch wenn dies vor dem Hintergrund des institutionellen Rassismus der Behörden unwahrscheinlich ist.

 

Wir fragen:


- Wie kann ein Mensch, der offensichtlich ärztliche Hilfe benötigt, in Handschellen(!) in Polizeigewahrsam genommen werden?

- Warum haben die Sanitäter trotz offensichtlich drohendem Herzinfarkt keine Anstalten unternommen, Ousman Sey in ärztliche Behandlung zu bringen?

- Wie kann es sein, dass Polizei und Presse, trotz der offensichtlich lebensbedrohlichen Umstände, in denen sich Ousman befand, ihn als ‘Randalierer’ und Täter pathologisieren?

- Wäre der Polizeipräsident Norbert Wesseler, der bestreitet, dass sich hier um rassistisch motivierte Unterlassung von Hilfe handle, auch erst in Polizeigewahrsam gekommen, wenn er den Rettungsdienst wegen Herzrasens kontaktiert hätte? Bliebe er ruhig sitzen, wenn er Todesangst litt und ihm Hilfe verwehrt blieb?

 

Außerdem weisen wir auf eine Mahnwache für Ousman Sey hin, die die Initiative Christy Schwundeck für den kommenden Dienstag, 17.07. in Frankfurt am Main angemeldet hat. 

 

Unsere Solidarität gilt den Freunden und Angehörigen Ousman Seys sowie allen von Rassismus Betroffenen!

 

http://fsk-hh.org/blog/2012/07/12/wir_dokumentieren_tod_im_polizeigewahr...

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...nirgendwo, vor allem nicht bei Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei. Ich arbeite selbst im Rettungsdienst einer größeren Stadt und erlebe da täglich Rassismus und Sozialchauvinismus sowie Sexismus jeglicher Couleur. Wenn es dann zu einem Notfall ins Flüchtlingsheim oder in "soziale Brennpunkte" geht, ahne ich schon was da wieder für menschenverachtendes Gewäsch kommen wird. Sich dagegen offen auszusprechen führt dann schnell zu relativer sozialer Isolation/Mobbing; es hilft auch nicht, wenn die Bossetage Teil des ganzen Sumpfes ist.

Mensch darf halt nicht vergessen, dass diese Arbeit auch ganz bestimmte Leute anzieht. Und das sind nunmal in erster Linie Leute mit autoritären Zügen, BILD LeserInnen und (Ex)-SoldatInnen oder Justizangestellte. Ich würde keinen großen Unterschied zwischen Bullen und Rettungsdienst-/Feuerwehrleuten machen von der Mentalität bzw. vom Menschenschlag her.

 

Zum Geschehen selber kann ich nicht viel sagen. Jeder Pat. kommt nach nem Krampfanfall ins Krankenhaus, _eigentlich_. Aber im Zweifel, wenn bald Feierabend ist oder mensch wieder schlafen will oder einfach nur kein Bock hat, wird sich die Arbeit erspart.

 

Skandalisiert das weiter.