Die linke Anwältin und der Neonazi

Tina Gröbmayr
Erstveröffentlicht: 
25.06.2012

Recht auf einen Verteidiger

 

von Christian Rath

 

Tina Gröbmayr ist erst seit wenigen Tagen als Anwältin zugelassen. Doch schon ist sie zum Freiburger Stadtgespräch geworden. Die linke Juristin beteiligt sich an der Verteidigung eines Neonazis und bekommt nun jede Menge Ärger von ihren politischen Freunden. Christian Rath schildert den turbulenten Berufseinstieg der jungen Strafverteidigerin.

Die Botschaft ist klar: Entweder Tina Gröbmayr beendet ihr Engagement für einen angeklagten Neonazi oder sie wird von Freiburger Antifa-Kreisen zur "persona non grata" erklärt. Die 27-Jährige ist aber entschlossen, ihr berufliches Selbstverständnis nicht zu opfern.

Anlass für die Kontroverse ist der Prozess gegen den 29-jährigen Florian S., der sich seit einer Woche vor dem Freiburger Landgericht (LG) verantworten muss. Die Anklage wirft ihm versuchten Totschlag vor. Er war im Oktober 2011 auf einem Parkplatz mit dem PKW in eine Gruppe vermummter Antifa-Aktivisten gefahren und hatte dabei einen 21-jährigen Auszubildenden schwer verletzt. S. beruft sich auf Notwehr, er habe sich angegriffen gefühlt. Die Nebenklage wirft ihm dagegen versuchten Mord vor. Denn wenige Tage vor der Tat hatte er auf Facebook über eine Notwehr-Situation fantasiert, die es ihm erlauben würde, straflos Linke zu töten.

Zunächst wurde Florian S. von Nicole Schneiders verteidigt, einer notorisch in der rechten Szene verankerten Anwältin. Kurz vor Beginn des Freiburger Prozesses entzog er ihr aber das Mandat. Möglicherweise will er damit symbolisch unterstreichen, dass er inzwischen aus der rechten Szene ausgestiegen sei. In anderen Verfahren wird er allerdings immer noch von Schneiders vertreten.

Da er keine anderen Anwälte kenne, bat er die Vorsitzende Richterin der für ihn zuständigen LG-Strafkammer, Eva Kleine-Cosack, ihm einen guten Strafverteidiger zu vermitteln. Die Richterin sprach dann Ulf Köpcke an, einen renommierten Freiburger Anwalt, auch er eher links, ehemaliges Vorstandsmitglied in der Strafverteidigervereinigung von Baden-Württemberg. Köpcke ist nun Pflichtverteidiger von S.


Von den Parteifreunden geschnitten

Und hier kommt jetzt auch Tina Gröbmayr ins Spiel. Sie hatte bei Köpcke die Anwaltsstation ihres Referendariats absolviert und wird am 1. Juli in die Bürogemeinschaft von Köpckes Kanzlei eintreten. Schon bisher hat er Gröbmayr immer wieder auf interessante Fälle hingewiesen, die sie aus persönlichem juristischem Interesse verfolgte und mit Köpcke in der Art eines informellen Praktikums diskutierte. Es lag daher nahe, dass er Gröbmayr auch ansprach, als er das Mandat von Florian S. übernahm. Nach etwas Bedenkzeit und nachdem sie an einem Mandantengespräch mit S. teilgenommen hatte, sagte Gröbmayr zu. Sie wird nun an den geplanten neun Verhandlungstagen den Prozess beobachten und mit Köpcke besprechen – um ihrem Kollegen zu helfen, aber auch um von ihm zu lernen.

Die Angriffe aus der Freiburger linken Szene richten sich bisher ausschließlich gegen Gröbmayr und nicht gegen Köpcke, denn Gröbmayr war Vorstandsmitglied der Grünen Alternative Freiburg (GAF). Die GAF ist eine links-alternative Wählervereinigung, die sich 2008 um zwei Gemeinderäte bildete, nachdem diese die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Streit verlassen hatten. Als Gröbmayr ihren GAF-Kollegen frühzeitig das heikle Engagement an der Seite von Köpcke mitteilte, traten bald zwei GAF-Vorstandsmitglieder zurück, "um keinesfalls in Zusammenhang mit der Verteidigung eines Neonazis zu kommen.". Auch die beiden Stadträte der GAF distanzierten sich von Gröbmayr. Es sei nicht vertretbar, "in einem politischen Verfahren Entscheidungen zugunsten eines Neonazis zu treffen und gleichzeitig eine Gruppe mit einer diametral anderen Politik zu vertreten."

Über die GAF-Kanäle wurde der Konflikt bekannt. Und er eskalierte noch weiter. In einem linksradikalen Internet-Forum wurde Gröbmayr von anonymen Personen aus dem autonomen Antifa-Spektrum frontal angegangen, als "Nazianwältin" und "rückgratloses Charakterschwein" beschimpft. Anders als bei der GAF wurde hier sogar das Recht auf Verteidigung für Rechtsextremisten generell in Frage gestellt. "Mit Nazis wird nicht geredet. Nazis wird geschadet, wo es nur geht", hieß es in einem Posting. Es gab allerdings auch Stimmen, die Gröbmeyer verteidigten.

Tina Gröbmayr ist inzwischen als GAF-Sprecherin ebenfalls zurückgetreten. Nach einem klärenden Gespräch in dieser Woche will sie entscheiden, ob sie GAF-Mitglied bleibt.


"Eine höchstpersönliche Entscheidung"

Die Anwältin will auch künftig bereit sein, grundsätzlich jeden Angeklagten zu verteidigen, unabhängig von seiner Straftat oder politischen Position. Ob ihr dies auch bei Nazis gelingt, wollte sie in diesem Fall gerade herausfinden und kann es jetzt bejahen. "Auch in einem Nazi kann ich den Menschen sehen und nicht nur ein Monster", ist ihre radikal-humanistische Maxime. Auch für einen Nazi gelte im Übrigen die Unschuldsvermutung.

Die Juristin wundert sich immer noch über die Diskussion, die über sie herein gebrochen ist und die kaum zwischen anwaltlicher Aufgabe und persönlicher Haltung unterscheide. "Ich habe mich auch schon für Straftäter eingesetzt, die schrecklichere Verbrechen begangen haben als Florian S. und auch da habe ich immer noch den Menschen gesehen", sagt sie.

Tatsächlich hat Gröbmayr ein beeindruckendes Engagement vorzuweisen. Seit sieben Jahren arbeitet sie ehrenamtlich in der Freiburger Anlaufstelle für Haftentlassene mit. Inzwischen geht sie auch ins Gefängnis – alle 14 Tage nimmt sie an einer Freizeitgruppe für Sicherungsverwahrte teil.

Gröbmayr ist in ihrer Haltung nicht missionarisch. "Ich akzeptiere es, wenn andere sagen, ich kann oder will keinen Nazi oder keinen Vergewaltiger verteidigen." Das sei eine höchstpersönliche Entscheidung. "Man sollte mir dann aber auch nicht ankreiden, dass ich es kann."

Dr. Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent, u.a. für die tageszeitung (taz).

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Ihre Haltung ist vertretbar und sollte ihr nicht angelastet werden.

Rechtsanwalt Jansen (Vertreter der Nebenkläger): Ich habe da eine relativ klare Meinung. Es ist überhaupt keine Frage – und das habe ich immer zum Ausdruck gebracht und werde es immer so zum Ausdruck bringen –, dass jeder das Recht auf Verteidigung hat. Das gilt für Tötungsdelikte, für BTM-Delikte, das gilt für Sexual-Delikte, das ist völlig unbestritten.
Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite es ist doch geradezu schizophren wenn ich sage, ich befinde mich, wenn ich den Vorgang richtig verstanden habe, bei einem Bündnis gegen oder für etwas und dann versuche, in einem Verfahren sozusagen die Seiten zu wechseln. Wobei die Rolle, die die angehende Kollegin da einnimmt, mir überhaupt nicht klar ist.
Sie ist persönlich wahrscheinlich ein hochanständiger Mensch, aber wenn man es mal hart formulieren will, dann würde man sagen, sich in diesen Konflikt rein zu begeben, ist ein Stück weit naiv.
Denn kein Mensch kann sich aufspalten in zwei Teile. Ich würde mir das für mich selbst auch niemals zutrauen, in der Öffentlichkeit [die] eine Meinung zu vertreten und im Prozess ein andere.
Das eine hängt immer mit dem anderen zusammen und färbt immer auf das andere ab. Auch Verteidiger sind Menschen.

 

Quelle RDL

Dann haben sie offensichtlich den Beruf verfehlt, denn ihre Einlassung impliziert eine politisch-parteiische Entscheidungsfindung in ihrem beruflichen Handeln. Und schizophren ist es, wenn Sie zwar abstrakt jedem Angeklagten das Recht auf Verteidigung zugestehen, die Wahrnehmung dieser Aufgabe durch ihre Kollegin unabhängig von politischen Haltungen aber mit Vorwürfen verbinden. Es gibt in der Bundesrepublik eben keine politischen Prozesse sondern wie hier Strafprozesse.

ist es nicht gerade die aufgabe von (pflicht)-verteidigern meinungen zu vertreten, die (einfach gesagt) nicht die eigenen sind? nach ihrer logik dürfte dann also der pflichtverteidiger eines vergewaltigers sich nicht aktiv gegen vergewaltigungen aussprechen, oder?

Tina Gröbmayr war nicht die Pflichtverteidigerin von Florian Stech.

Dieser Versuch einer (unberechtigten) Analogisierung zwei sich gänzlich unterscheidener Tatbestände und dessen moralische und ethische Gleichstellung ist nicht vertretbar. Ein Sexualstraftäter hat gänzlich andere Motive. Die Straftaten eines Neonazis sind politisch motiviert und entstehen aus einer geistigen Überzeugung heraus. Ein sexualstraftäter handelt in erster Linie seiner sexuellen Vorstellung dominierend gegenüber anderen Menschen die dieser als Objekt seiner sexuellen Triebhaftigkeit bewusst oder pathologisch bewusst gewalttätig begegnet. Die politische Motivation eines Neonazis befindet sich demenstprechend auch nicht auf der Ebene eines triebhaft gesteuerten Menschen, sondern auf einem rein kognitiv strategisch agierenden politischen Menschen der sich bewusst für einen linken Anwalt entscheidet, da dieser um die Wirkung seiner Wahl im Gericht genau weiß. Ein Sexualstraftäter hat in erster Linie kein interesse sich bewusst einen linken Anwalt zu nehmen, um eine politische Strategie dahiner aufzubauen und strukturen dieser linken Kanzlei zu missbrauchen. Das ist nur ein kleines Beispiel und an dieser Stelle ließen sich noch abere aufführen, warum diese Analogiesierung grotesk falsch ist!