1. Mai Berlin: Licht und Schatten

Der Vortag

Nach Kollwitzplatz, Mauerpark, Boxi (sowie einigen "Eintagsfliegen" wie Wismarplatz) ist die "Walpuirgisnacht" also in 65 angekommen.

Die übliche Hetze in der Presse im Vorfeld, inszenierte "Anwohnerängste- und- stimmen" inbegriffen.
Der Ort für das Konzert den bösesten Albträumen entsprungen. War schon der Boxi mit seinen Bullenfluchtlichtmasten und Bullenhunden auf der abgesperrten Grünfläche in der Platzmitte zum Kotzen, hier also die ultimative Steigerung.
Eine 300 Meter lange Stichstrasse. völlig ohne Mietshäuser, rechts Friedhofsmauer in ganzer Länge, hinter der die Bullenköter kläfften, auf der anderen Seite ein Absperrgitter in ganzer Länge, hinter der gelangweilte Bullen mit Ohrenstöpseln den Betrunkenden bei der Pogoimitation zuschauten. Zugang nur an massiven Absperrungen und natürlich mit Taschenkontrolle.
Punkkonzert als Hofgang mit Musik und Bier aus Plastikbechern, die Knastgesellschaft lässt grüssen. Warum sich immer wieder Leute finden, die sich das antun, ein Rätsel....
Warum so etwas von Leuten organisiert wird, von denen wir annehmen, dass sie sich noch nicht ihren letzten Verstand weggesoffen haben, unbegreiflich...

Der Auftaktort der Demo dann von den Bullen zugeschissen, vor dem Arbeitsamt, vor der SPD, vorne, hinten, überall.
Zum Glück gehts nach ner Stunde Warten endlich los, runter von der Müllerstrasse, links in die Wohnviertel.


Zum Glück auch ohne Palifahne im Frontblock, danke an die Demospitze, dass sie den Verzicht auf Nationalfahnen zumindestens vorne durchgesetzt hat, insbesondere Danke nach der ZK Nummer am letzten Samstag in Neukölln.
Im Wohnviertel dann keine Bullenbegleitung, alle schauen sich um, wir sind viele (unsere Schätzung weit über 3000), verdammt gute Stimmung, es wird gerufen und geklatscht. Viele Leute an den Festern und auf den Balkonen, einige winken, Kiddies laufen mit.


Vereinzelt Vermummung und Steinaufnahme, grosse Show auf dem Dach mit 10 Minuten Pyro und güldenen Fahnen, halt grosses Kino.
Die Bullen tauchen an der einen oder anderen Kreuzung auf, damit wir nicht vergessen, dass sie noch da sind, kassieren vereinzelt nen Stein oder ne Flasche.
Ab der Seestrasse dann ist Schluss mit lustig, breite Strasse, zunehmend Spalier, die Demo reagiert darauf mit lähmenden Schweigen, Stimmung im Keller.
Die Bullen stoppen die Demo dann auf der Müllerstrasse, halber Kessel, einige Gruppen weichen in die offenen Seitenstrassen aus, aber zu wenige und zu zögerlich, werden von herbeieilenden Bullen gestoppt.
Am Ende trotten dann alle unter der Kontrolle der Bullen zum S- Bahnhof.

Der 1. Mai

Das Myfest kotzt alle an: Schubsende, dumpfe Parygänger, Touris und alkgeile Männerhorden, soviel Sexismus gibts hier auch nur an diesem Tag offen ausgelebt.
Aber es finden sich ja immer noch reichlich politische Zusammenhänge, die das Aufstandsbekämpfungsspektakel mit ihrem Beitrag (Mariannenplatz, Barrio) "links aufwerten".

Um 17.00 soll die unangemeldete Demo gegen Aufwertung und Vertreibung am Mariannenplatz anfangen, ein paar Zivigruppen haben sich schon eingefunden, allerdings nicht in der zahlenmässigen Stärke wie letztes Jahr, als ne gute Hundertschaft aus extra zusammen gesuchten "Schränken" erfolgreich Einschüchterung betrieb.
Dieses Jahr setzt sich die Demo gut organisiert und schnell in Bewegung. Wo sich eben noch scheinbar einige dutzend Leute im Festgetümmel verloren, setzt sich nun aus dem Nichts eine Menge von über 2000 Leute durch die Strassen des Viertels in Bewegung.

Einige Gruppen sind mit bunten Tüchern vermummt http://de.indymedia.org/2012/04/328686.shtml
es gibt erfreulich viele Transparente und Schilder, die vermitteln, warum wir durchs Viertel ziehen.
Nach dem Stress und Chaos des Vorjahres, bei dem sich die Demo in viele Teile verlor, weil sie sich mitten durchs Myfest pflügte, wird dieses Jahr selbstbewusst durch die Strassen jenseits des Festes gezogen. die Bullen verzichten darauf, ihre Hundersschaften zu schicken, die Zivis zeigen auch wenig Engagement.

Die Ankündigung, gemeinsam und unkontrolliert zum Lause zu ziehen, wo die 18.00 Uhr Demo startet , kann leider aufgrund mangelnder "Aufklärung" nicht umgestzt werden.
Die Demospitze wählt den Weg zum Kotti, wo sie den dort für die 18.00 Demo aufgestellten Hunderschaften in die Arme läuft, ein letzes Schlenker endet in einem kurzzeitigen Kessel der Spitze.

18:00: Der Zugang zum Lause ist massiv von den Bullen besetzt, die Vorkontrollen finden aber nur an einigen Ecken und auch dort nur sporadisch statt.
Von den Ecken tönt nerviges Bummbumm aus den Partylautsprechern, dass man lange über sich ergehen lassen muss, weil die Demo erst mit über 90 Minuten Verspätung loszieht.
Im Frontblock und dahinter wird sich teilweise offensiv vermummt, schnelles Schritttempo, erste Steine werden beschafft.
Am Kotti wird die ungesicherte Rückfront der Sparkasse zerlegt, erste auftauchende Bulleneinheiten werden mit eingen Steinen, Flachen, Pyro und Farbe bedacht, aber eher vereinzelt.

Bis auf den organisierten Frontblock von ca. 300 Leuten herrscht das Chaos und das Grauen.
Es ist unmöglich, Ketten gegen mögliche Reaktionen der Bullen zu organisieren, mitten zwischen organisierten Bezugsgruppen massig Idioten mit Pulle in der Hand, die möglichst "nah an der action" sein wollen. Etliche schiebt man beiseite, schmeisst auch mal nen "Trinker" raus, findet GenossInnen, versucht Kerne zu bilden, ein aussichtloses Unterfangen...
Immer wieder massig Idioten, die im Weg stehen, pöbeln, während die Bullenpräsenz weiter zunimmt.

 
Ab Moritzplatz dann das erwartete Szenaro https://linksunten.indymedia.org/de/node/57290,
aus den Bereitstellungsräumen strömen die Hunderschaften herbei, Spalier auf beiden Seiten, die Zugänge Richtung 36 sind geblockt.
Die Demo kommt noch knapp einen Kilometer weiter, wird dann im unbewohnten Terrain zerschlagen. Die Bullen schaffen es locker, ein gemeinsames zurück nach 36 zu verhindern.
Dort werden die Kleingruppen von Absperrungen an allen Seitenstrassen empfangen, alles läuft planlos durch die Gegend, grössere Zusammenhänge bekommen sofort Begleitung.
Im Kiez bleibt es bis auf ein unbedeutendes Scharmützel gegen 23.oo in der Adalbert ruhig, die traditionelle "Kottiparty" muss wegen eines gigantischen Wagenlagers von Bullenwagen dieses Jahr ausfallen.

Der Innensenator feixt sich einen, der "Pressesprecher" der ARAB vertönt Erfolgmeldungen im Kampf gegen das Kapital und nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

 

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Habt Ihr gut beschrieben.Bin gerade zu Hause angekommen und hatte jetzt genügend Zeit den 25-Jährigen Revolutionären 1.Mai in Berlin ,Revue passieren zu lassen.Ich fand es Schade,daß ein paar "übermotivierte"GenossInnen es in der Nähe vom Axel Springer zu früh haben krachen lassen.Mir persönlich wär es lieber gewesen,wenn wir es in Sichtweite vom Bundestag geschafft hätten,bzw. Friedrichsstrasse Luxus Hype,...nun gut,als Auswertiger erfuhr ich ,daß es eh in den Vorbereitungen massive Kritik an dem Demokonzept gab und so schien die Aktion eher geplant gewesen zu sein,als daß Mensch dann wirklich weiter wollte als einen "Steinwurf" von Kreuzberg entfernt.Mein Eindruck von der Demo am 01.Mai war übrigens,daß wir als Linksradikale Bewegung wenig in Erscheinung getreten sind.(Wobei es ja in Berlin im Vorfeld einige lobenswerte Aktiönchen gab)Den Großteil hat wirklich ein eher "Szenefremder"Teil an Leuten ausgemacht(was ich nicht als Bedauerlich empfinden,den wir sind schließlich auch nicht als Revolutionäre geboren worden!).Das mit dem Alk und anderen Drogen hätte man auch öfters über den Lauti mal durchgeben sollen,aber von dem habe ich lediglich am Lausi-platz was mitbekommen,ansonsten schien es mir,als das er sich viel zu weit hinten befand.Dadurch war es auch zu regelrechter Panik gekommen,als es auf Höhe des jüd.Museums dann krachte.Die Leute weiter in der Mitte und Hinten konnten den Rückzug (von geordnetem kann man hier wahrlich nicht sprechen)nicht einordnen.Die Festnahmeeinheiten hatten übrigens mal wieder leichtes Spiel...wenn Action gemacht...Wechselklamotten und erst mal weiträumig verpieseln...und dran denken,daß die ihre Bilder sofort! untereinander austauschen und für sie beginnt dann die Jagd.Soweit mein Eindruck.Trotzdem Danke an alle die sich auch in diesem Jahr auf die Strasse getraut haben.Wir sehn uns in Frankfurt..16-19.05.EZB lahmlegen....

...ich weiß nicht ob dies hier zu Genüge bekannt ist: aus einem Wohnhaus in der Markgrafenstr. an der Gabelung vor dem jüdischen Museum wurde die Spitze der 1.Mai-Demo aus einem Fenster heraus mit osteuropäischen Feuerwerkskörpern beworfen. Einer davon explodierte genau im Nacken eines Genossen. Den Moment, als sich die Wut der Anderen begann gegen die vermutlich im Haus befindlichen Nazis zu entladen, nutzten die Bullen zum Angriff und zum Zurückdrängen der Demo.

 

Kennt jemand Einzelheiten und gibt es Hinweise darauf, außer simpler Logik, dass das Ganze irgendwie von der Gegenseite koordiniert war?

wie oft wurde die Sparkasse am Kotti schon entglast? Wäre es nicht einmal taktisch sinnvoll gewesen sich die militante Energie für später zu sparen? Die Bullen hatten auf der Hochbahn ein halbes Filmstudio aufgebaut, weil sie offensichtlich genau darauf gewartet hatten!

die GenossInnen von ZK Berlin haben ebenfalls nen kurzes Resümee zum 1.Mai ´12 in B veröffentlicht:

http://zk-berlin.bplaced.net/?p=1020

Das sind definitiv keine "Genoss*innen". Innerlinke Gewalt unmöglich machen: ZK und ARAB raus aus unseren Strukturen!