Personen mit Keffiyeh Eintritt in die Berliner Party-Location ://about blank verweigert

Vom Club ://about blank in Friedrichshain wurde zwei Frauen der Zutritt zur Homopatik-Party im am 16.12.2011 verweigert. Beim Eintritt in den Club wurde zunächst die erste Person aufgefordert, ihre Jacke zu öffnen, sie wurde (von einer Frau) abgetastet und darauf hingewiesen, dass Videoaufnahmen und Photos im Club nicht erlaubt sind. Ihr (einer spanisch-/englischsprachigen Person) wurde mitgeteilt, sie müsse ihre Keffiyeh am Eingang abgeben. Als sie nachfragte, warum sie nicht die Jacke, sondern nur das Tuch abgeben sollte, wurde ihr nur kurz geantwortet, sie könne das Tuch später wieder abholen.

 

Das Tuch wurde in eine verschließbare Plastiktüte gepackt und zu einigen anderen Tüchern gelegt. Auch bei der zweiten Nachfrage bekam die Besucherin keine Antwort auf die Frage, warum sie das Tuch abgeben solle. Erst als ihre Freundin auf Deutsch nach dem Grund fragte, wurde ihr erklärt, dass „wir im ://about blank aufgrund unserer politischen Position keine Leute mit Palituch reinlassen“. Einer der Veranstalter_innen der Homopatik-Party, der daraufhin von einem Freund der Besucherinnen im Club wegen der Zutrittsverweigerung angesprochen wurde, kam nach vorn und distanzierte sich von dieser Praxis des ://about blank; er könne da aber leider nichts machen.

 

Warum wurde der nicht-deutschsprachigen Person keinerlei Erklärung über die Gründe gegegeben? Warum werden Leute beim Eintritt ähnlich wie am Flughafen kontrolliert? Was ist die politische Position im ://about blank, weshalb werden Leute mit einer Keffiyeh nicht reingelassen, die in ganz unterschiedlichen Teilen der Welt und in verschiedenen Kontexten getragen wird? Und warum gehen viele Leute aus der linken Szene weiterhin ins about blank, wenn dort eine solche Türpolitik stattfindet?

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Verabschiedung des Pali-Tuchs
Zu den Irrtümern über ein Kleidungsstück (Eine Neujahrsglosse)

Von Gerhard Hanloser    

01/08 - trend onlinezeitung

 

Jede Kritik ist ihrer Zeit verhaftet. Manchmal - gerade im Bestreben, nicht dem Zeitgeist zu folgen - liegt Kritik auch neben der Zeit, wird nostalgisch und romantisch. So auch meine launische Polemik "Verteidigung eines Kleidungsstücks", geschrieben zur Zeit der heißen Vorbereitungsphase des Irakkriegs 2003.[1] Die ungleichzeitigen Gedanken, die mich damals bewegten, diesen Stoffetzen zu verteidigen, folgten einer richtigen Intention: der Verteidigung linker Geschichte, sie erfolgten allerdings unter Zuhilfenahme mittlerweile überholter Argumente.

Um was gehts? Das Palituch war in den 70ern und 80ern ein Erkennungszeichen der Militanten, später dann der Friedensonkel und Friedenstanten. Gegen den hirnrissig-affirmativen Pro-Bellizismus der falschen und richtig falschen Amerika- und Israel-Freunde, die vollkommen unhistorisch das Tragen eines Palituchs als antisemitische Tat ahnden wollen, musste dieser (zugegebenermaßen: unästhetische) Stoffetzen und vor allem die Leute, die ihn damals trugen, verteidigt werden. Allerdings tat ich es in Erinnerung an die 80er: Militante aus (meist) bürgerlichem Elternhaus verlumpen sich selbst und verweigern sich der aalglatten Yuppiemaskerade - und sind (ja klar, so war das damals!) mehr antiimperialistisch gestimmt als pro-westlich. Im steineschmeissenden Pali-Kid wollen sie eine Schwester im Geiste und der Tat im weltweiten Riot gegen die globale Unterdrückungs- und Ausbeutungsmaschine sehen. "Boah, wie primitiv", denkt der heutige Yuppielinke und ist sich darin mit Springers Welt und Reemtsmas Kraushaar und der jungle World und anderen Konsens-Liberalen einig, ”- außerdem antisemitisch!” schnauzen die dümmsten von ihnen.

Die 80er sind lange her und 2003 war nicht auszumachen, was 2007 geschehen sollte. Mittlerweile wickelt sich das alte, längst verschwunden geglaubte Tuch um den Hals von 12jährigen Mädchen, die wir mit unserer linken bildungsbürgerlichen Mittelschichtgesinnung in den 80er Jahren als "angepasste Tussis" bezeichnet hätten (Auch unsere Freundinnen hätten es getan, der Sexismusvorwurf muss nicht aktiviert werden, auch hier: es ist eher eine Klassenfrage, denn meist waren wir die Bürgerkinder und die ”Tussis” die Kinder der Proles in der ”eindimensionalen Gesellschaft”, die damals alles, nur keine Palitücher getragen hätten).

Aber: Warum und wieso immer wieder und ausgerechnet jetzt das Palituch? Gibt es etwa ein Revival linker Geschichte? Weit gefehlt!

Mode, so erklärte mir eine gute Bekannte, die meint, es zu wissen, wäre vollkommen inhaltsleer und bedeutungslos. Walter Benjamin sagte dahingegen, dass Mode eine "Witterung für das Aktuelle" hat. Gehen wir dem nach: In den 80ern gings um Subversion. Das Tragen des Palituchs war der Wahrnehmung in der linken Szene geschuldet, dass die Palästinenser irgendwas mit Befreiung und Subversion am Hut haben. Dass diese Wahrnehmung in bestimmten Zeiten, in Bezug auf bestimmte Gruppen, Klassen und Fraktionen ”der Palästinenser” völlig falsch war, verheerend falsch, kann man sich über die Lektüre der selbstkritischen Texte der RZ erschließen; dass diese Wahrnehmung nicht völlig hirnrissig war, kann erkennen, wer sich mit den Einschätzungen des sozialrevolutionären Gehalts der Intifada 87/88 auseinandersetzt, die damals unter Radikalen zirkulierten.

Die heutige Zeit steht aber im Zeichen des Konformismus. Jeder ist gegen Bush, fast mehr als gegen Bin Laden, alle halten es für falsch, dass die Bundeswehr in Afghanistan ist, doch Antimilitarismus ist von vorgestern. Tritt die Bundeswehr rekrutierend im Arbeitsamt auf, hört die deutsche Jugend brav und etwas bang zu, ob es womöglich Karrierechancen bei den Kameraden gibt. Auch mit Palituch. Die Stimmung ist indifferent gegenüber Antisemitismus und Kriegseinsätzen gleichermaßen, am liebsten will man seine Ruhe. Seine Träger heute wollen sich nicht mehr mit irgendwelchen als Sozialrebellen Wahrgenommenen identifizieren - und selbst rebellieren!, sondern ... ja was eigentlich?

Sollte man wirklich in schein-psychologischer Manier das Tuch als Kapitulationserklärung und Identifikation mit dem islamistischen Aggressor und seinem Hass auf den ”dekadenten Westen” interpretieren? Sind wir umgeben von Pro-Islamisten? Jeder Palituch-Träger ein Antisemit? Quatsch! Im Sommer 2008 steht wieder eine andere Mode an, die sicherlich peppiger sein , und damit in den Augen der Islamisten genau die "westliche Dekadenz" darstellen wird, die wir als Kritiker der kapitalistischen Produktionsweise und gleichzeitige Liebhaber einiger kapitalistischer Überbauphänomene so schätzen! Herrschaft, Unterdrückung, Ausbeutung, Kriege und kapitalistischer Alltag werden bleiben.

Noch eine Nachbemerkung für Antifaschisten: Im Gemeindeblatt ”Jüdisches Berlin” im Dezember 2007 findet sich ein begeisterter Bericht, dass "Jugendlichen, die solche Tücher in letzter Zeit sehr häufig als modisches Accessoire tragen, der Zutritt in das Informationszentrum (des Mahnmals für die ermordeten Juden, G.H.) verwehrt wird". Von "Feingefühl" und "politischem Engagement der Einrichtung" ist dann die Rede. Das ist dann doch ein schallendes Gelächter wert! Die unpolitisch-konformistischen heutigen Pali-Kids werden nicht mehr über den Holocaust informiert? Die staatlichen Antifa-Pädagogen machen das, was die ”antideutschen” Publizisten immer forderten: ”Raus mit den Pali-Kids!”? Wäre man nicht ohnehin skeptisch gegenüber dem pädagogisch-staatsverordneten Erinnerungs-Zinnober besonders rund um das Berliner Mahnmal, man müsste ein glattes pädagogisches Versagen konstatieren. Denn - Ironie der Geschichte - die 80er-Jahre Pali-Militanten wussten über den Faschismus, den Antisemitismus, Auschwitz und IG Farben ziemlich gut Bescheid. Geschichte konnte sich noch subversiv angeeignet werden, gerade weil der Geschichtsunterricht in der Institution Schule damals erbärmlich schlecht und faschismusblind war, die 2007er-Pali-Träger dahingegen hören beim moralinsauer-zerknirschten Gedenk-Geschichtsunterricht zum "Zweiten Weltkrieg", der meist immer noch erbärmlich schlecht, wenn auch anders ist, ohnehin weg. Und das war‘s. Ins Informationszentrum dürfen sie mit ihrer Schulklasse jetzt auch nicht - bleibt nur noch, in der ohnehin von Langeweile ausgefüllten Zeit ins Schaufenster zu glotzen.

Hoffentlich ändert sich die Mode bald. Und ”die Linke” auch. Der Kampf gegen Konformismus und für die Subversion findet nicht auf dem Marktplatz der Eitelkeiten statt.

Fußnoten:

[1] Warum coole Kids doch manchmal Palitücher tragen. Zur Verteidigung eines Kleidungsstückes http://www.trend.infopartisan.net/trd0203/t150203.html

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.

Warum coole Kids doch manchmal Palitücher tragen
Zur Verteidigung eines Kleidungsstückes

Von Gerhard Hanloser    
02/03 - trend onlinezeitung

 

„Coole Kids tragen keine Palästinensertücher“ gibt eine antideutsche Sekte als Parole aus und meint über diese Ästhetisierung von Politik eine so autoritäre wie lifestylegierige Jungszene an sich binden zu können. Doch im Zuge der Demonstrationen gegen den drohenden Irak-Krieg drängt wieder der ein oder andere Schüler auf die Straße, der der antideutschen Fashion-Beratung noch nicht Folge geleistet hat.

Im Berliner Hauptquartier der Wächter über den Anti-Antisemitismus wird solches Tragen des Pali-Tuches sogleich als Solidaritätsbekundung mit den palästinensischen Terrorbanden interpretiert werden, als Beispiel deutsch-arabischer Seelenverwandtschaft, die auf den intendierten Judenmord hinauslaufe.

Die Kefije mag feudalen Hintergrund haben und auch judenhassenden Palästinenser den Kopf verhüllen. Doch die sich in unbewusster Vergangenheitsbewältigung verzehrende antideutsche „Linke“ vergisst, dass das „Palituch“ nun mal Outfit der Radikalen war: ein solches wirkte als Vermummung auf einer militanten Demo in den 80ern freundlicher als die vielbeschriebene Hasskappe und es versprühte - im Gegensatz zu der kalten Motorradhaube, die sich dann ins Werbesortiment postmoderner Modeartikel integrieren ließ - den Charme des Internationalismus.
Zwar drängten schon in den 70er und 80er Jahren viele Palästinenser auf die Selbst-Verstaatlichung, aber für einen nicht unbedeutenden Teil der radikalen Linken verkörperten sie das staatenlose Proletariat par excellence - nicht nur für die bundesrepublikanischen Autonomen auch für poststrukturalistische Denker wie Deleuze und Guatteri. Auf Grund ihrer Existenz in Flüchtlingslagern standen die Palästinenser für das „nackte Leben“ (Agamben) und wer sich in das Palituch schmiss, wollte Solidarität mit den staatenlosen Völkern üben, sich wahrscheinlich auch mit ihnen und ihren Kämpfen identifizieren - eine Tatsache über die man heutzutage im Zeitalter der Gleichgültigkeit sich mokieren möchte... andere Zeiten, andere Ideologien.

Nun ist selbst ehemaligen Trägern dieses Symbols die Schülerin mit dem altbekannten Behänge fremd geworden, doch weniger, weil in ihr eine verkappte Antisemitin oder zumindest eine bornierte Freundin der nationalen Befreiung zu erblicken ist. Dem Betrachter selbst ist die nicht-metropolitane Ästhetik fremd geworden. Das Tuch ist anachronistisch und verstört den Betrachter, der schließlich mit der Zeit gehen will. Diesen symbolhaften Versuch, einen fremden Sex-Appeal aufzunehmen und sich zu eigen zu machen, dem der Schriftsteller Jean Genet bei den Fedajin so sentimental verfallen ist, kann er nicht mehr verstehen. Das Palituch ist nach Bloch eine Ungleichzeitigkeit und nach Walter Benjamin ein Zitat, das partisanenhaft in den drögen Jetzt-Zustand einbricht, von einer anderen Zeit, gar einer Zeit des Kampfes und der Staatenlosigkeit erzählt. Und Arafat...? Ach je, wäre Arafat Staatsmann, er würde einen Hut tragen, genau wie die Bolschewiki die Mützen gegen die Hüte umtauschten als sie Staatsmänner wurden.

Was trägt der und die Antideutsche? Man mag es nicht glauben, aber mit der US-Fahne bedruckte Kleidungsstücke finden sich tatsächlich neben ca ira-Büchern als Devotionalien in dieser Szene. Dabei ist es nur ein Treppenwitz, dass diesem Abfeiern der US-Kulturindustrie gerade die beiden Autoritäten der Antideutschen absolut kein Verständnis hätten entgegenbringen können. In Adorno und Horkheimers beißende Kritik des Spätkapitalismus mischte sich nicht selten das großbürgerliche Ressentiment. So verzweifelten die Frankfurter Exilanten in Los Angeles angesichts der amerikanischen Kulturindustrie, die antideutsche Adorno-Liebhaber am Anfang des 21.Jahrhunderts für sich entdeckt haben.

Die US-Fliegerjacke scheint ein klassenneutrales Kleidungsstück zu sein, doch es sind heutzutage gerade die Proles, die im Amerika-Outfit herumspazieren. In der Wahl der Kleidung spiegelt sich die Spaltung von Revolt-Bewegung und Arbeiterklasse wider. Der Aggressivität und Angriff symbolisierende Adler, die wehenden Stars-and-Stripes - wer mit diesen Aufdrucken auf Jacke und Pullover herumspaziert, kommt meist nicht aus den höheren Schichten. Ganz im Gegensatz dazu kommen die demonstrierenden Palituch-Kids meist aus gutbürgerlichen Elternhäusern, von denen sie sich abzusetzen trachten. Bei ihnen ist es unbewusste Selbstproletarisierung unter internationalistischem Vorzeichen.

Bei den Amijacken-Kids wirkt die Identifizierung mit dem mächtigsten Nationalstaat der Erde: die Ami-Fahne als Ich-Verstärker. Wenn in einer Welt des Chaos und des Kampfes aller gegen alle die USA mit purer Waffengewalt ihre Hegemonie behaupten und sich über die Marktmechanismen hinwegsetzen können, bei denen man eh nur den Kürzeren ziehen kann, dann hat der autoritäre Charakter seinen Bündnispartner gefunden, dem er auch äußerlich Tribut zollen will. Dieser Prozess ist tragisch, denn die Identifikation mit dem vermeintlich Starken ist Ergebnis des permanenten Scheiterns des Aufstandes proletarisierter Armer.

Die antideutschen „Linken“ sind keine Proles, auch wenn sie sich der gleichen Ästhetik bedienen. Das macht ihre US-Identifikation noch viel schlimmer. Als universitär gebildete und gleichsam verhinderte Elite spiegelt sich darin eine aggressive Selbstverlumpung wider: der Individualismus preisende Antideutsche mit Amifähnchen am Revers will damit signalisieren, dass er reif ist für das Bündnis aus Mob und Elite, dass heutzutage vom amerikanischen „Empire“ Vernunft sei Dank nur unzureichend verkörpert wird, wie die dortigen Anti-Kriegsdemonstrationen zeigen.

Editorische Anmerkungen

Gerhard Hanloser schickte uns im Februar seinen Artikel zur Veröffentlichung. Der Autor hat sich in der jungle World und den blättern des iz3w als Kritiker der antideutschen Ideologie betätigt.

Kapitulation, theoretisch und konkret. Die antideutsche Linke und ihr Desaster im Kosovo-Krieg. Disco-Beitrag in der jungle World 26/1999

www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world_/_99/26/06a.htm

Nihilismus und Bombe. Zur Geschichtsphilosophie des Bellizismus. Disco-Beitrag in der jungle World 45/2002

www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2002/45/05a.htm

Last Exit USA? Kommentar in der iz3w 266/2003

www.linksnet.de/artikel.php?id=829

Selbstbestimmung, haha! Wo bleibt die Stellungsnahme der imperialistischen Partygemeinschaft? "Coole Kids tragen kein Palituch", oh ha, da bekommt mensch schon richtig Angst: die Antideutschen versuchen theoretische Arbeit zu leisten! Fail, nicht mit den Damen und Heeren der Antideutschen-Widerstandsfront. Ok, vielleicht haben sie es versucht, vielleicht hatten sie einfach keine Lust mehr, oder vielleicht lügen sie gern in ihren Pampheten und machen ein internationales Symbol nieder welches für Solidarität einsteht. Die Großstadtkiddies von den Antideutschen Electropartys, welche im vermeintlichen linken Zentrum stattfinden, können sich halt politisch nur durch das geile boom-boom von "E123" oder "Ultra Violent Kitten", weiterbilden. Samstags eben bisschen im AZ relaxen und am nächsten Freitag bisschen in der Kneipe Deutschland abfeiern, year! Na Leute, alle in den Antideutschen-Antikriegsblock: "Was wir wollen ist nicht viel - Waffen, Waffen, für Israel!"

Und apropos: Die Geschichte des Palituchs gibts hier nachzulesen, ohne Lügen-Propaganda-Geschichten der "Antideutschen".

http://eisberg.blogsport.de/2008/11/04/eine-kritik-der-palituch-kritik

 

Die Linke in der Bundesrepublik scheint sich gerne mal auf kleinen Nebenpfaden ins Nirgendwo zu verirren.

Mindestens ein halbes Dutzend kritische Flyer zum Pali-Tuch oder Kaffiyah existieren zurzeit. Sie tragen einprägsame Headliner wie „Ist Dir kalt oder hast Du was gegen Juden?“ oder „Coole Kids tragen kein Pali-Tuch!“.
Inhaltlich geht es um die Kritik am Pali-Tuch als politisches Symbol:

Es handelt sich beim Pali-Tuch nicht um ein stinknormales Modeaccesoire, sondern um ein politisches Statement mit langer Geschichte.

(aus dem Flyer „Das PaliTuch. Geschichte und Bedeutung“, ViSdP: Hamburger Adresse)

Dann gibt den obligatorischen Hinweis auf den Mufti von Jerusalem:

Als Abwehr gegen die als westlichen Einfluss verstandene Moderne […] setzte der damalige Großmufti von Jerusalem […] durch, dass die Kaffiyah von allen Männern im britischen Mandatsgebiet Palästina getragen werden musste, […].

(aus dem Flyer „Das PaliTuch. Geschichte und Bedeutung“, ViSdP: Hamburger Adresse)
Weiter berichtet der Flyer davon, dass Großmufti dafür sorgte, dass Nichtträger der Kaffiyah getötet wurden. Die mit Repressionen bis hin zur Todes-Strafe durchgesetzte Kleidungs-Norm ist aber nicht nur in traditionalistischen-antimodernistischen Regimen vorgekommen, sondern auch in Modernisierungs-Diktaturen. Hier war es umgedreht. Kleidungsstücke, die als altertümlich und unmodern galten, wurden mit Strafen belegt. Beispiele wären das China unter Mao oder die Türkei unter Atatürk, der das Tragen des traditionellen Fez verbot.

Das Fazit fast aller Flyer lautet dann:

Das Pali-Tuch steht also für Nationalismus, Frauenunterdrückung, Antisemitismus, Islamismus und Rassismus.

(aus dem Flyer „Das PaliTuch. Geschichte und Bedeutung“, ViSdP: Hamburger Adresse)

Stand am Anfang des Flyers oft noch ein Konjunktiv, so fällt dieser am Ende immer weg. Das Pali-Tuch könnte nicht nur sein, sondern es IST ein politisches Symbol.

Das Problem ist aber, dass der Konjunktiv in Realität bestehen bleibt. Sogar bei eher tendenziell linken Leuten. Der Antisemitismus steckt im Kopf. AntisemitInnen erkennt mensch nun mal nur in Ausnahmefällen (Demo-Transparente, Aufnäher, Tattoos) an ihren Äußeren. Auch am Pali-Tuch kann mensch keine AntisemitInnen erkennen. Sicher, der Nazi auf einer „Keine-Waffen-für-Israel“-Demonstration mit Pali-Tuch ist ein Antisemit und der linke Demonstrant auf der „Schluss-mit-der-israelischen-Besatzung“-Kundgebung ist vermutlich mindestens ein Antizionist. Aber beide wissen ja was sie sind und brauchen keine Aufklärungs-Flyer dafür. Die Mehrheit der Palit-Tuch-TrägerInnen heutzutage sind H&M-Kidz und unpolitische Punks. Die tragen das Pali-Tuch aus Mode-Gründen und – so seltsam das klingt – ästhetischen Gründen. Dass die TrägerInnen trotzdem oft über das Böse israelische „Besatzungsregime“ schimpfen dürfte dem deutschen Durchschnitt entsprechen, ist also dem Durchschnitt der Nicht-Palituch-TrägerInnen vergleichbar.

 

Arafat-Graffiti

+++ War auch ohne Pali-Tuch ein Israelfeind und korrupter Autokrat +++

 

Es dürfte von dem Pali-Tuch in der Bundesrepublik vermutlich kein Bedrohungsgefühl für Juden und Jüdinnen ausgehen. Es ist kaum zu glauben, dass die H&M-Werbung etwas Bedrohliches für Mitglieder der jüdischen Gemeinde hat.
Im Gegensatz zu Esoterikern, die sich bemühen das Hakenkreuz als angebliches Glücks-Symbol wiederzubeleben, ist also auch hier kein echter Handlungsbedarf zu finden.

Unzweifelhaft ist das Pali-Tuch aus der linken politischen Szene vielerorts verschwunden. Aber das dürfte kaum mit einem Wandel vom Antizionisten-Saulus zum Israelfreund-Paulus zusammen hängen. Die linken Pali-Tuch-Trägerinnen von einst waren wohl meist schon vorher keine Israelhasser und haben das Pali-Tuch lediglich deswegen abgelegt um nicht dafür gehalten zu werden.

Die Debatte ums Pali-Tuch ist ein Zug, der 20 Jahre zu spät eintrifft. Vor 20 Jahren, zu den Hoch-Zeiten der Solidarisierung mit palästinensischen „Befreiungs“bewegung wäre sie sinnvoll und angebracht gewesen.

Stellt sich nun die Frage nach dem Warum?
Bei vielen Träger der Pali-Tuch-Kritik hat mensch die Vermutung, dass diese vor allem der Befriedigung des link(sdeutsch)en Gewissens, aber kaum der Bekämpfung des real existierenden Antisemitismus und Antizionismus, dient.
Auch die Überbewertung der Person des Mufti von Jerusalem im israelsolidarischen Milieu mutet manchmal seltsam an. Der Mufti war ein Antisemit und half mit den NS-Antisemitismus in den arabischen Raum zu transportieren. Aber als Kollaborateur und Machthaber in einem britisch kontrollierten Gebiet war er recht machtlos. Die TäterInnen der Shoah sind nicht im Bereich der arabischen Kollaborateure zu suchen, sondern in Deutschland und Österreich.

Statt die 13. Version des Anti-Palituch-Flyers zu produzieren und zu verteilen, sollten lieber die Israel-Hasser in der nächsten Verwandt- und Nachbarschaft aufgeklärt und belehrt werden. Dafür muss mensch schon mal seinem Professor ins Wort fallen, wenn er mal wieder gegen die israelische „Apartheit-Mauer“ wettert oder wenn die Tante über die „völkermordenden“ Israelis herzieht.
Oder investiert das Flyer-Druck-Geld in die Fahrkarte zu der Demonstration gegen den alljährlichen Al-Quds-Aufmarsch in Berlin.

wesen Homebase das da ist. Aber dazu sollte mensch dann auch die Gruppe Cafe Morgenland kennen.

Schon irgendwie ein bisschen naiv mit ner Kufiya in nen AntiD - Schuppen zu wollen.

 

Also vorher erkundigen, bessere Auswahl treffen und nen netten Abend haben.

 

Wie auf OPEN POSTING zu lesen war (z.T. geloescht), haettet ihr dort ob euerer Kufiya eh nur Leute mit Schaum vorm Mund angetroffen.