Impressionen vom Occupy-Day in Berlin

do legst di nieda

Mein Eindruck war, die haben hier in Berlin noch nicht mal eine geschlossene, einheitliche Demo hinbekommen, zumindest nicht ab Brandenburger Tor. Im Vertrauen auf den Zeit- und Ablaufplan war ich gegen 15:20 Uhr am touristenproppenvollen Brandenburger Tor - - - und suchte die Demo, die ja hier eigentlich ab 15 Uhr eine (Zwischen-)Kundgebung abhalten und dann um 16 Uhr zum Kanzleramt starten wollte/sollte. Mit mir suchten noch einige andere MitstreiterInnen vergeblich. Also latschten wir weiter zum Reichstag, weil von ferne in Höhe der Scheidemannstraße zwischen den Touristenmassen wenigstens vereinzelt Transpis zu erkennen waren.


Auf der Scheidemannstraße am Reichstag angekommen, war tatsächlich so etwas wie ein kleiner Demozug zu erkennen. Weit vorne führte oder besser raste mit gefühlten 20 kmh ein Bespaßungsmobil mit ein paar hundert erkennbaren DemonstrantInnen über die Heinrich-von-Gagern-Straße zum Kanzleramt. Mit vielen MitstreiterInnen, die wegen des konfusen Ablaufes ebenso ratlos wie ich waren, latschten wir nicht den Umweg hinter dem viel zu schnellen karnevalesken Bespaßungsmobil her sondern quer über die Reichstagswiese direkt zum Bundeskanzleramt. Enthusiamus, Aufbruchstimmung oder gar Demoparolen waren in diesem vorderen Teil der Demo bei den TeilnehmerInnen Fehlanzeige. Natürlich gab es die üblichen Plakate und Transpis, einige davon sogar witzig wie z. B. in Foto 19 zu sehen, wo ein BVG-Angestellter lieber Banken als Fahrgäste kontrollieren wollte. Mahnende Plakate mit sozialem Hintergrund wie in Foto 22 wurden von eventhungrigen Touries wie auch von ziellos umherirrenden Mit-DemonstrantInnen leider kaum zur Kenntnis genommen. Und schon gar nicht von den Bankengeschädigten wie in den Fotos 05,07,17 und 18, die vermutlich angelegte Gelder verloren hatten. Genervt wie ich mittlerweile war, wollte ich bei den sich augenscheinlich nur um Spekulation, Zinseszinsen, raffendem Kapital, also nur um sich selbst kümmernden "ProtestlerInnen" nicht nachfragen.

Direkt vor dem Kanzleramt war bis auf ein paar mutige Antikriegs-AktivistInnen tote Hose (Foto 8). Weil sie sich offenbar mit ihrem Transpi zu dicht am bundespolizeibewachtem Kanzlerinnen-Tor postiert hatten, mußten sie sich, als die Polizeigruppe A1 die Bundespolizisten hinter dem Tor verstärkten (Fotos 10 + 11), mit ihrem Transpi und dem Cannonball-Press-Rollcontainer (Fotos 12 + 13) ein paar Meter entfernt neu aufstellen. Das Bespaßungsmobil hatte in der Heinrich-von-Gagern-Straße Ecke Paul-Löbe-Allee gegenüber dem Kanzleramt seinen Standplatz gefunden (Foto 15 + 16). Am Mikro wurde das übliche Finanzkrisen-Blabla gelabert aber einen Hinweis, daß die Demo geteilt sei, konnte ich nicht vernehmen. Offenbar war der von den Herrschaftsmedien tagsdarauf als "konstruktiv" bezeichnete Demokopf (attac, campact) ganz froh darüber, daß der eher "radikale" hintere (Antifa-)Teil abhanden gekommen war. Von den DemonstrantInnen am Kanzleramt haben nach meinen Beobachtungen wohl die wenigsten die Abtrennung mitbekommen. Aus den heutigen Medien und aus indymedia ist zu entnehmen, daß dieser hintere über tausend TeilnehmerInnen starke Demoteil direkt auf der Wiese vor dem Reichstag eine Art Vollversammlung, eine Asamblea, bis in die späten Abendstunden abgehalten hat und es zum üblichen brutalen Streß durch Polizeikräfte gekommen ist.

Weil ich nicht wußte, was sich auf der Reichstagswiese tat und auch vor den vielen, die Sicht versperrenden Touristen, keinen Einblick dorthin hatte, machte ich mich wieder auf den Heimweg, denn das Gelaber aus dem Bespaßungsmobil wollte ich mir nicht antun. Vielen MitstreiterInnen ging es ebenso. Auf dem Weg zur nahen U-Bahnstation Bundestag mußte ich an einer Gruppe bunter free-nature-AktivistInnen vorbei, die es sich neben einer erst vor wenigen Minuten ausgeschalteten Bodenfontäne bequem gemacht hatten (Foto 27 ). Einer jungen Frau im (Kunst-)Pelz und oberum nix darunter wurde es offenbar zu warm in der Oktobersonne und sie ließ ihren Plüsch bis zum Bauchnabel ungezwungen herunterrutschen. Was zum Vorschein kam, war formvollendet und brachte die in der Nähe stehende Männerwelt dazu, betont gelassen zu tun und trotzdem wie unabsichtlich einen oder mehrere Blicke zu riskieren (Foto 28) - tja, Männer!

Wie auch immer, attac bejubelt verständlicherweise den "Erfolg", weil bundesweit an die 40.000 Menschen in 50 Städten am weltweiten occupy-day teilgenommen haben sollen, allein in Berlin zwischen 8.000 - 10.000 Empörte. Allerdings hat nach meinen Beobachtungen die erhoffte Vernetzung der unterschiedlichen BürgerInnenschichten als einem starken Gegenpart zu den Herrschaftseliten aus Banken, Konzernen und Politik wohl eher nicht stattgefunden. Die betont wohlwollenden Kommentare in den Lohnschreiber-Medien und ebensolche Sympathiebekundungen der Politkaste sollten besonders uns Linke äußerst mißtrauisch machen. Daß die Veranstalter als da sind attac, campact oder ähnlich die Abschaffung des Kapitalismus wollen, dürfte nicht nur vor diesem Hintergrund auch weiterhin sehr fraglich sein. Und wenn ich gar in einem indymedia-Kommentarbericht lese: " Viele LinksextremistInnen und VerbalradikalistInnen sind davon abgeschreckt bis peinlich beührt. Dennoch bleibt es ein interessanter Ansatz, die Springer-Presse ausnahmsweise mal nicht(!) mit den gewohnten/gewöhnlichen Bildern zu vesorgen und damit deren Arbeit zu machen. Wir können gespannt sein, ob sich dieser Ansatz in der ersten Nacht bewähren wird", dann krieg ich nen Hals ähnlich wie ein/e indy-LeserIn  dazu formuliert hat: "...die verdammten "Linksextremist_innen und Verbalradikalist_innen wollen mal wieder alles kaputt machen", weil sie sich einfach nicht gerne verprügeln lassen wollen. Das nervt volle. Menno!"

Ich möchte mich ja gerne irren und hoffe, die occupy-Bewegung wird tatsächlich zu einer neuen längst überfälligen basisdemokratischen Urgewalt, die den Kapitalismus hinwegfegt und Platz für eine andere gerechtere Welt schafft.

29 Fotoimpressionen sind unter http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/4/28377014#28377014 eingestellt. Sämtliche Demo-Fotos dürfen bei namentlicher Nennung des Knipsers und Angabe der Quelle für nichtkommerzielle Zwecke gerne heruntergeladen, gespeichert und weiterverbreitet werden.

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Auf dem Transpi steht:

11. September Untersuchung... wieso zieht diese occupy-Scheiße soviele Verschwörungsfreaks an?

frag ich mich auch! aber viele in dieser bewegung sehen ja auch die bösen "bankerELITEN","finanzELITEN" oder verallgemeinert "die da oben" als ursache dieser krise. ihrer meinung nach gibt es auch einen sozialen kapitalismus mit menschlichen antlitz...kotz... und nur die eliten haben dieses im grunde genommen ach so wunderbare system verhundst. deswegen bin ich auch der meinung das die antiautoritäre linke vorsichtig im umgang mit dieser bewegung sein muss. spätestens wenn merkel den kommunismus ausruft  sollten wir stutzig werden. ii viva autonomia!!

So wie du redest, warst du nicht da.  Die Bewegung ist, was die Menschen draus machen. Und wenn du lieber zuhause "auf die revolution warten" willst, kannste auch keinen input bringen. vorsichtig sein....das war mensch schon viel zu lange. Jetzt könnten die Menschen von den Erfahrungen der antiautoritären linken mit horizontaler Organisation etc was lernen. Geh hin und gib Impulse anstatt hier rumzumeckern.

gehe zum R. in berlin da kannst du zuhören.

Bilder aus Karlsruhe gibts hier:

http://www.flickr.com/photos/agfreiburg/sets/72157627902655990/

 

War eine der besten Demos seit langem in Ba-WÜ und vor allem auch einer der besten Aufrufe.

kommt da hin ca. 200 leute da.