Mobilfunkanbieter speichern länger als sie dürfen

Wer hat wann und wo mit wem telefoniert? Zeitungsberichten zufolge führen einige Handynetzbetreiber darüber detailliert Buch, speichern ihre Aufzeichnungen monatelang - einem anderslautenden Verfassungsgerichtsurteil zum Trotz.

Berlin/München - Deutsche Mobilfunkanbieter speichern sensible Daten ihrer Kunden deutlich länger und in höherem Maße als bislang bekannt. Das berichten übereinstimmend die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Große Anbieter wie T-Mobile, Vodafone und E-Plus speichern demnach mindestens einen, maximal sechs Monate lang, welcher Mobilfunkkunde wann aus welcher Funkzelle wie lange mit wem telefoniert hat.

 

Die Blätter beruften sich bei ihren Ausführungen auf eine vertrauliche Aufstellung der Münchner Generalstaatsanwaltschaft, die auch SPIEGEL ONLINE vorliegt. Das Dokument mit dem Titel "Leitfaden für den Datenzugriff" ist auf den Juni 2011 datiert und schlüsselt auf, wie lange die vier Netzbetreiber welche Daten speichern.

Nach Darstellung von Datenschützern würden die Unternehmen damit gegen die Vorgaben eines Verfassungsgerichts-Urteils zur Vorratsdatenspeicherung verstoßen.

 

Den Berichten zufolge sind die sogenannten Verkehrsdaten bei mehreren großen Anbietern für 90 Tage vollständig verfügbar. Einzig der Anbieter O2 lösche das Gros der Daten bereits nach sieben Tagen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2010 geurteilt, dass die Unternehmen lediglich jene Daten erfassen und speichern dürfen, die sie für Abrechnungszwecke dringend benötigen. Alle anderen Daten müssten unverzüglich gelöscht werden.

 

Nach Ansicht von Datenschützern ist es deshalb unzulässig, den Standort eines Telefonteilnehmers oder die ankommenden Gespräche zu speichern, weil sie bei Inlandstelefonaten niemals berechnet würden. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung - ein Bündnis von Datenschützern, das sich seit Jahren gegen die anlasslose Speicherung der Telefondaten wehrt - bezeichnete die Praxis der Telefonanbieter als illegal.

 

"Das bringt Millionen von Menschen in die Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen, weil sie zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sind oder mit der falschen Person telefoniert haben", kritisierte Ulrich Breuer vom AK Vorratsdatenspeicherung in der Zeitung. Völlig unverhältnismäßig nannte der Grünen-Netzpolitiker Malte Spitz die Speicherpraxis der Firmen. "Ich fordere alle betroffenen Unternehmen auf, diese Praxis schleunigst zu beenden", verlangte er. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hingegen will sich nicht auf die Provider verlassen und "fordert die Verantwortlichen auf, unverzüglich gegen die skandalösen Rechtsverstöße einzuschreiten."

 

mak/dpa

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