Gruselige NPD-Aktion am 17. Juni in Berlin

Karl-Liebknecht-Haus am 17

Und wieder erlaubte der rotrote Senat der NPD eine von den Neonazis bewußt auf Provokation und erhoffte Gewaltszenen mit Linken GegendemonstrantInnen angelegte Hetz-Kundgebung. Und wieder hat der rotrote Senat den Kundgebungsort bis zuletzt geheimgehalten obwohl nach den kürzlichen, wegen Unfähigkeit der örtlichen Polizeieinsatzleitung geschehenen Nazi-Gewaltexzessen in Kreuzberg von Innensenator Körting (SPD) versprochen wurde, die fatale, bevölkerungsgefährdende Geheimhaltungsstrategie zu überdenken. Besonders zynisch an der gestrigen NPD-Aktion ist, daß die dem Innensenator unterstehende Versammlungsbehörde die Kundgebung - ausgerechnet am Gedenktag des 17. Juni 1953 - zwar nicht direkt vor dem Karl-Liebknecht-Haus ( http://de.wikipedia.org/wiki/Karl-Liebknecht-Haus ) sondern keine hundert Meter weiter vor dem Gebäude der linken Tageszeitung "junge Welt" ( http://www.jungewelt.de/index.php ) abgehalten werden durfte. Und dies ekelhafterweise unter dem scheinheiligen Motto "Arbeiter wehrt euch - damals wie heute". Ein Polizist meinte gegenüber der jW ( http://www.jungewelt.de/2011/06-18/061.php ), die Erlaubnis für diesen geschichtsträchtigen, eng mit linkem Widerstand gegen Nationalismus und Faschismus verbundenen Ort sei eine "politische Entscheidung" (des Innensenators?) gewesen. Der Berliner Linkspartei wurde so jedenfalls drastisch vor Augen geführt, daß sie zwei Legislaturperioden hindurch nicht etwa gleichberechtigt teilhatte an der Macht sondern nur am Katzentisch die Entscheidungen der SPD bestenfalls abnicken durfte.

Zur Gegendemonstration ab 17:30 Uhr hatten Linkspartei und Antifa-Organisationen auf dem Rosa-Luxemburg-Platz vor dem Karl-Liebknecht-Haus aufgerufen. Als ich kurz vor 17:30 Uhr dort eintraf, war ich erschrocken, daß nur wenige hundert TeilnehmerInnen diesem Auruf gefolgt waren. Angesichts der rund 10.000 Mitglieder der PDL ( http://www.die-linke-berlin.de/partei/strukturen/ ) ist dies desaströs, insbesondere wo es doch um die, wenn auch nur symbolische Verteidigung des gerade für Linke so geschichtsmächtigen Karl-Liebknecht-Hauses gegen rechte Rattenfänger ging. Das läßt Schlimmes für die im September bevorstehende Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus erwarten.

Gegen 17:40 Uhr eröffnete der Berliner Landesvorsitzende Klaus Lederer ( http://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Lederer_%28Politiker%29 ) die Gegenkundgebung und hielt eine kurze, eher allgemein gehaltene Rede und wurde mit dünnem Beifall bedacht. Danach trat Gesine Lötzsch ( http://de.wikipedia.org/wiki/Gesine_L%C3%B6tzsch ), Parteivorsitzende der Linkspartei, vor's Mikro und sprach unter anderem von Provokation und Mißbrauch des Gedenktages zum 17. Juni 1953 durch die NPD-Aktion. Diese ziele klar auf Verunglimpfung der PDL und ihrem Widerstand gegen jede Form des Rechtextremismus. Sie verwies dabei auf den NPD-Vorstand Jörg Hähnel ( http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_H%C3%A4hnel ), der unter anderem die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknecht gerechtfertigt hatte (Hähnel wurde laut Wikipedia dafür zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt, weitere Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung seien anhängig). Gesine Lötzsch erhielt  schon während ihres Redebeitrages immer wieder verdienten Beifall.

Kurz vor 18 Uhr gelangte ich mit Hilfe meines Presseausweises durch die Polizeiabsperrung zum NPD-Kundgebungsort Linienstraße Ecke Weydingerstraße, direkt vor der jW-Redaktion mit dem Rosa-Luxemburg-Denkmal. Gerade mal ein einziger Neonazi, in seinen schwarzen Klamotten das Antifa-Outfit nachäffend,  hockte etwas verloren auf einem Rasen-Absperrgitter. Nach etwa 10 Minuten rauschte die NPD-Vorhut mit den berüchtigten Udo Voigt und dem AN-Kader Sebastian Schmidtke samt einigen Handlangern mit zwei Pkw's via Linienstraße aus Richtung U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz heran. Alle Zufahrten zum NPD-Aktionsort waren zuvor von der Polizei mit sogenannten Hamburger Gittern abgeriegelt. Sowohl an der entfernteren Absperrung Linienstraße/U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz als auch an den nahen Torstraße/Weydingerstraße und Linienstraße/Karl-Liebknecht-Straße hatten sich linke GegendemonstrantInnen versammelt, um den Nazis ihre Hetz-Kundgebung nach Kräften zu vermiesen. Auf der Dachterrasse im 6. Stock des jW-Hauses hatte sich die Redaktionsmannschaft mit Lautsprecheranlage  und Kochgeschirr zu lautstarkem Protest gegen die Neonazis direkt unter ihnen versammelt. Deren Lauti, ein blauer VW-Bus, wurde nach vorheriger gründlicher Überpfüfung durch die Polizei rundum mit Plakaten voller rechter Hetzparolen ausstaffiert sowie ein Rednerpult mit Mikro aufgestellt. Gut erreichbar für kühles Naß von oben, später mehr dazu.

Die jW-Mannschaft hatte von der Dachterrasse die beste Aussicht auf den Anmarsch der Nazis, die aus Richtung U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz kommend die Linienstraße zum Kundgebungsort von starken Polizeikräften eskortiert wurden, und bereitete uns Fotografen auf die Ankunft der gruseligen Gestalten vor. Mit den obskuren Insassen der beiden Pkw's waren es nun an die 36 Neonazis, die von rund 500 PolizistInnen "geschützt" wurden. Bald darauf eröffnete der NPD-Landesvize, Sebastian Schmidtke ( http://www.antifa-berlin.de/fight-back/kreuzberg.html ) offiziell die Neonazi-Aktion und kündigte als ersten Redner den NPD-Bundesparteivorsitzenden Udo Voigt ( http://de.wikipedia.org/wiki/Udo_Voigt ) an. Lautstarker Protest schallte immer wieder vom Dach des jW-Redaktionshauses, dem nahen Karl-Liebknecht-Haus sowie den GegendemonstrantInnen hinter den nahen Polizei-Absperrungsgittern an der Tor- und der Karl-Liebknecht-Straße. NPD-Voigt kreischte von linkem Mob und kommunistischer Gewalt, seine paar, offenbar einem Hitchcock-Film entsprungenen AnhängerInnen klatschten frenetisch Beifall und reckten drohend ihre oft martialisch tätowierten Ärmchen gen Dachterrasse und jW-Mannschaft. Daraufhin folgten von nun ab viele abkühlende Wasserbeutel-Grüße vom Dach aus. Der NPD-Haufen war nach einiger Zeit darüber not amused und wollte, begleitet vom Hohn- und Spott-Gelächter der jW-Mannschaft, später sogar in lächerlichem Drohgehabe das Gebäude stürmen. Angesichts des massiven Polizeiriegels traten sie kleinlaut den Rückzug in wasserbombengeschützte Bereiche hinter dem Lauti an.

Zuvor gab es einen kurzen Zwischenfall auf der ebenerdigen Terrasse der jW-Redaktionsräume. Mehrere Antifas sind irgendwie in die Büroräume gelangt und drängten durch die Terrassentüre hinaus zu den Neonazis auf der Linienstraße. Sie kammen nicht weit sondern wurden recht schnell von Polizeikräften zurückgedrängt. Drei Antifas wurden im Handgemenge überwältigt, zu Boden geworfen und anschließend nach Fragen des Einsatzleiters, ob jemand verletzt sei, abgeführt. Weitere gewaltsame Vorfälle konnte ich nicht beobachten. Die Terrassentüre wurde anschließend von der Polizei mit Keilen verrammelt und vorsorglich weiter bewacht, ebenso die Ausfahrt aus der Tiefgarage dieses Gebäudes.

Daß Fotografen den NPD-Haufen aus allen möglichen Blickwinkeln fotografiert haben, paßte denen gar nicht. Als ich einige der Gruselgestalten nochmals dicht vor der Linse hatte, meinte ein junger und doch schon verfetteter Hilfsordner, mich endlich davonscheuchen zu müssen. Mutig verlangte er meinen Presseausweis, denn sonst hätte ich nichts auf "ihrem" Kundgebungsplatz verloren. Dabei versuchte er, mich mit seinem Bauch wegzudrücken. Ich grinste ihn an, hielt dagegen und drückte den rot angelaufenden Burschi zurück. Das ging so ein, zwei Minuten, dann kam ein behelmter Polizist amüsiert hinzu und belehrte den Hilfsordner, der mich permanent an einen Dorftrottel aus dem Bayerischen erinnerte, daß ich sehr wohl einen Presseausweis und damit die Berechtigung habe, auf dem Platz zu sein und fotografieren zu können. Enttäuscht, weil er sein Mütchen nicht an mir hat kühlen können, trat er vor sich hinbrabbelnd den Rückzug an. Der Polizist gab mir noch den freundlichen Rat, besser nicht mehr zu dicht an den Neonazi-Haufen heranzugehen. Ich hätte eh schon genug Fotos von diesem Geschwaddel, gab ich ihm grinsend zurück.

Von mißgünstigen Blicken des Hilfsordners und der um ihn herumlungernden, mit fetten Teleobjektiven bewaffneten Gestalten begleitet, machte ich noch einige Aufnahmen und begab mich so gegen 19:30 Uhr zu wenigen, noch ausharrendenden GegendemonstrantInnen am Karl-Liebknecht-Haus. Auf dem Weg dorthin kam es mit einem Polizeibeamten, den ich schon oft auf Demos getroffen hatte, zu einem sehr offenen Gespräch in guter Atmosphäre. Obwohl er meine sehr kritischen und engagierten Berichte bezüglich Polizeigewalt kannte,  begegneten wir einander mit heiterem Respekt und akzeptierten die jeweiligen Erfahrungen des anderen. Nicht einig wurden wir, was kriminalisierte Sitzblockaden zur Verhinderung von Neonazi-Demos  angeht, auch sympathisiere ich durchaus mit Aktionen wie die vorhin geschilderten Wasserbeutelwürfe von der Dachterrasse aus mit Ziel auf die Neonazis, von denen aber leider kein einziger direkt eine Dumpfbacke erreicht habe. Die Polizei müsse nun mal die ordnungsgemäße Durchführung aller auch von der NPD angemeldeten Demos gewährleisten, war sein Standpunkt. Immerhin konnten wir uns darauf einigen, daß hier die Politik gefragt ist, eine entsprechende Gesetzgebung, zum Beispiel endlich ein Verbot der NPD, auf den Weg zu bringen.

Am Karl-Liebknecht-Haus warteten die hinter den Polizei-Absperrgittern ausharrenden GegendemonstrantInnen begierig auf Neuigkeiten bezüglich der schändlichen NPD-Aktion, die sie ja leider nicht ganz verhindern konnten. Begeistert waren sie von den Naziabwehraktionen mittels Wasserbeutelwürfen und Kochgeschirr-Lärmaktionen durch die jW-Mannschaft und auch die vielen Störaktionen mit einer Lautsprecheranlage aus der obersten, der Linienstraße zugewandten Etage des Karl-Liebknecht-Haus wurden bejubelt. Alles in Allem ist aber leider zu konstatieren, die Linkspartei hat viel zu wenige MitstreiterInnen, insbesondere aus ihren Mitgliedern, zur Verteidigung eines geschichtsmächtigen linken Ortes gegen den braunen Spuk mobilisieren können. Das sollte nicht nur Gysi, Lederer und friends sondern auch den sogenannten Reformern um Bartsch schwer zu denken geben.

Alle 110 Fotoimpressionen sind unter http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/27982136#27982136 eingestellt. Sämtliche Demo-Fotos dürfen bei namentlicher Nennung des Knipsers und Angabe der Quelle für nichtkommerzielle Zwecke gerne heruntergeladen, gespeichert und weiterverbreitet werden.

Bernd Kudanek alias bjk
http://freies-politikforum.carookee.com

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Guter, sachlicher Artikel. Nur die Aussagen zu Lederer und Lötsch, sowie zur L. - Partei solltest du etwas besser reflektieren.

 

Die Rede Lederers war ein gestammeltes, inhaltsleeres Gewäsch. Halt das, was die Berliner L. - Partei hier momentan zu sagen, oder besser nicht zu sagen, hat. Deshalb die schwache Resonanz - wenn man nichts in den Wald hineinruft, schallt halt auch nichts hinaus.

Gesine L. Redebeitrag begann recht forsch und produktiv, endete aber in einer mehrminütige Anbiederei an die "liebe Polizei" - ganz so als hätte es weder die Übergriffe am 1. Mai oder vor 14 Tagen in Kreuzberg (Stichwort: Zusammenarbeit Polizei - Nazis) gegeben.

 

Das die L. - Partei in den "Neuen Bundesländern" und auch gerade in Berlin keine Mobilisierungskraft mehr auf die Strasse besitzt, dürfte auch dir nicht entgangen sein. Warum also die Verwunderung?

 

L. - Partei und die sich längst im Schosse des Parlamentarismus schläfrig, breitgemachten Ex - WASGler in Berlin haben weder etwas mit den aktuellen Kämpfen gegen Gentrifizierung und Umstrukturierung (Spreeufer, 1. Mai, Friedrichshainer Nordkiez...), noch mit den Demonstrationen nach Fukushima zu tun, noch mit sonst einer momentanen Thematik der Ausserparlamentarischen Opposition und den Neuen Sozialen Bewegungen . Das aber nicht erst seit gestern.

 

Hier in Berlin sind sie schon länger nicht mehr Teil irgendwelcher Lösungen, sondern Teil des Problems. Wenn sie sich heute noch nach Massenprivatisierung als Verteidiger der Mieterinteressen aufblähen, ernten sie nur noch höhnisches Gelächter.

 

Voll auf Sozialdemokratisierung und liberale Kapitalismusstrategien setzen und dann noch zu hoffen, ein Mobilisierungspotential auf der Strasse zu haben, ist lächerlich.

 

Heute zieht in Berlin nicht mal mehr ihr flehentliches: "Wir sind doch das kleinere Übel". Zu sehr erinnert es an die Karikatur im ersten "Werner" - Comic: "Welchen Haufen Scheisse würden sie essen?"

 

"Hunderte mit den Fahnen ihrer Partei", sahen nur noch die Macher von "Red Globe" (und hier fragt sich, was die rauchen?).

 

Dass die L. - Partei in ihrem Bericht nichteinmal die "Junge Welt" und die Aktionen drumherum erwähnt spricht Bände.

 

Danke an all  die anderen, die da waren!

"Gruseln" ist eigentlich etwas schönes, gegruselt habe ich mich als Kind bei spannenden Büchern oder Filmen. Die Umdeutung dieses Begriffes zur Negativ-Deklaration gesellschaftspolitischer Ereignisse stammt von Antideutschen, früheste Datierung ca. 2001 im Raum Leipzig. Es folgten weitere Begriffe wie z.B. "ekelhaft" oder "widerwärtig", als Bezeichnung für Menschen auch schon von Goebbels praktiziert.

"Die Antideutschen in Trier am Rhein benutzen das Wort "Gemüse". Früheste Datierung eine Party 1999. Hitler benutzte weiterhin Wörter wie "vegan" und "vegetarisch"." So, what?

 

Und was sagt uns das? Dir ist langweilig und du weisst nicht, was du zum Thema schreiben sollst. Das du das Ganze noch mit "Germanist" verfasst, lässt höchstens böses über den Zustand unserer Unis erahnen.

 

Ernsthaft. Viele haben aufgehört auf Indymedia "Open Posting" zu schreiben. Grund war sinnloses Gespame als "Ergänzung" (gerade jetzt ist "Open Posting" wieder voller sinnloser; sexistischer. rassistischer, faschistischer Kommentare) . Bitte unterlasst das hier.