Bo: Prozess gegen Antifaschisten gegen Sozialstunden eingestellt

Kundgebung in Bochum

Heute fand der vorerst letzte Prozess der Repressionswelle gegen Antifaschist_Innen statt, die sich letztes Jahr an einer Blockade gegen die rechten Hetzer von ProNRW in Bochum-Ehrenfeld beteiligt haben. Angeklagt war ein Antifaschist, dem u.a. Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Beamte vorgeworfen wurde.

 

Das Brisante an dem Fall ist, wie der Antifaschist nach der Blockade im März 2010 nach seiner Gewahrsamnahme auf der Wache behandelt worden ist. Nachdem die Polizei vor Ort einen großen Teil der Blockierer_Innen brutalst auf den Asphalt schmetterte und mit mehreren Einsatzkräften festigte (wir berichteten hier: http://ajb.blogsport.de/2010/03/28/bochum-polizeigewalt-ermoeglicht-pro-...), ging die Gewalt gegen Nazigegner_Innen auf der Wache weiter.
Der von der Staatsanwaltschaft angeklagte Antifa sollte auf der Wache erkennungsdienstlich behandelt werden, weil ihm Landfriedensbruch und Beamtenbeleidigung vorgeworfen wurden. Da er dies für unangemessen hielt, weigerte er sich seine Fingerabdrücke abzugeben, indem er seine Arme auf dem Rücken verschränkte. Die drei Polizisten, die mit ihm allein im Raum waren, berieten über die Anwendung von Gewalt – und so fixierte einer der Beamten den jungen Antifaschisten von hinten mit dem Unterarm und würgte ihn, bis dieser bewusstlos wurde. So konnten die Fingerabdrücke abgenommen und der Antifa wieder in seine Zelle zurückgeworfen werden.
Nach der Entlassung aus der Gefangenensammelstelle wurde sofort Anzeige gegen den diensthabenden Polizisten gestellt.

Nicht nur, dass die Anzeige des Antifaschisten ignoriert wurde, weil es ja „die Ermittlungen zum Tathergang“ gegen ihn selbst behindere – auch die Anklage gegen ihn strotze nur so vor bösem Zynismus. Neben der Schilderung der vorhergegangenen Teilnahme an der Blockade und der damit einhergehenden „brutalen Stürmung der Polizeikette“ war die Rede davon, dass der diensthabende Bulle ja nur einen „Haltegriff“ an ihm angewendet habe, der Antifaschist habe sich dann fallen lassen und sei quasi selbst für seine Ohnmacht verantwortlich.

Aus einem Vermerk der Ermittlungsakte:

„[…] Er wurde daher durch mich in einen Haltegriff genommen, wobei der linke Arm und der Kopf fixiert wurden. Die rechte Schulter des Beschuldigten wurde durch M. K. gestützt, so dass die Maßnahme durch T. R. weitergeführt werden konnte.
Durch Winden des Körpers und sich fallen lassen rutschte der Beschuldigte jedoch aus dem Haltegriff und geriet mit dem Halsbereich in meine Armbeuge. [sic!] Der Griff wurde daraufhin umgehend gelöst und der Beschuldigte durch Halten der Arme und Stützen der Schultern und Beine fixiert. Alle Anwesenden blieben unverletzt. […]“


Die Richterin fragte sich nach der Schilderung der Situation aus Sicht des Angeklagten, wo denn die Prellungen auf seiner Brust herkämen, sei es doch – Zitat – „NUR ein Würgen“ gewesen. Dass es eine Bescheinigung gibt, die bestätigt, dass der Antifa vor dem Aufenthalt in der GeSa frei davon war, scheint sie nicht sonderlich interessieren zu haben.
Aber sie hätte ja kein Problem damit, das Verfahren mit einer Einstellung gegen Sozialstunden zu beenden, ABER man müsse ja erst über die Rücknahme des Strafantrages gegen den diensthabenden Polizisten reden.

Die Jugendgerichtshilfe bestätigte hingegen die „ehrenwerte Absicht“ des Angeklagten und ordnete sich unter den Vorschlag der Richterin, das Verfahren gegen 50-60 Sozialstunden einzustellen. Stinkig gab auch der Staatsanwalt dem nach, „aber dann eher 60 Stunden“, er habe nämlich ursprünglich auf 100 bestanden.

Nachdem die Richterin noch das übliche „Gewalt wird auf beiden Seiten geahndet“ Plädoyer gehalten hat, wurde der Prozess geschlossen, ohne dass die zahlreich erschienenen Polizeizeug_Innen aussagen konnten. Diese hätten es ja eh so schwer, da versuchen sie nur das demokratische Recht durchzusetzen und müssen dabei Beschimpfungen wie ACAB über sich ergehen lassen.


Es scheint skandalös, aber ist Routine, dass die Aussagen von betroffenen von Polizeigewalt vor Gericht nicht ernst genommen werden. Schnell wird dann auf andere Sachverhalte umgelenkt und die Gewalt, die widerfahren ist, relativiert, ignoriert und somit auch toleriert. So wird am Vorwurf des Landfriedensbruches festgehalten und ein Horrorszenario heraufbeschworen: die brutalen Antifas, die von der Polizei abgeschirmt werden, - Zitat – „...und dann wird richtig losgerannt!“ Dass dies allein für eine Anklage wegen Landfriedensbruchs ausreicht, ist schlichtweg lächerlich. Da versuchen die Gerichte ihre Polizeibeamte auch noch aus der Scheiße zu ziehen und möchten einen „Deal“ eingehen – Rücknahme der Strafanzeige gegen Einstellung des Verfahrens.

Das offensichtliche „Unter-den-Teppich-kehren“-Verhalten des Gerichts ist zu verurteilen. Dass dies aber zur gängigen Praxis geworden ist, liegt leider auf der Hand: so werden ein winziger Bruchteil der Anzeigen gegen Polizisten bearbeitet, eine Verurteilung findet extremst selten oder gar nicht statt.
Die Strafanzeige gegen den würgenden Polizeibeamten läuft jedenfalls weiter, abzuwarten bleibt jedoch, ob diese eingestellt oder ernsthaft aufgearbeitet wird.

P.S.: Der heutige Prozess wurde übrigens flankiert von einer recht erfolgreichen kleinen Protestkundgebung. Zu Beginn der Kundgebung stiefelte der "Reporter" für die WAZ-Ressorts "Polizei" und "Gericht" über den Gerichtsvorplatz. Weil seine Berichte gerade im letzten Jahr bei einigen der Antifa-Prozesse mit Desinteresse und erfundenen Zusammenhängen glänzten, riefen ihm Kundgebungsteilnehmer zu: "Du Provinzjournalist, lern mal schreiben". Darüber ärgerte er sich so sehr, dass er sich erstmal bei seinen FreundInnen bei der Polizei und später auf Twitter einkacken musste. Nichts desto trotz wurden auf der Kundgebung etwa 700 Flugblätter zu diesem skandalösen Prozess an Passant_Innen in der Fußgänger_Innen-Zone verteilt. Nicht wenige brachten dem Thema Aufmerksamkeit entgegen, einer spendete sogar 20 Euro für die Soli-Kasse! Vielen Dank dafür, auch an die 25 Prozessbeobachter_Innen, die gekommen waren.

 

 

Antifaschistische Jugend Bochum

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Die AJB hat sich und anderen Plessuren, Prozesse, Energie- und Geldverlust über eine schlecht geplante Aktion organisiert.

Leider ist in keiner Ihrer Stellungsnahmen eine Reflexion darüber oder auch eine Selbstkritik zu finden.

 

Stattdesssen eine diametrale Weltsicht mit hohem Opferstatus für sich.

Das schafft Identifikationsfelder für unverstandene Gleichaltrige und zieht natürlich im teenie-Milieu.

Die Würze liegt im "Wir gegen Die". Klare Feindbilder werden zur Identität benötigt: ACAB, all cops are bastards.

Von jugendlicher Identitätsfindung zur politischen Identitätsstiftung.

Es geht um Selbstinszenierung und Darstellung nach innen und außen.

Der Verstand wird ausgeschaltet. Und das soll er wohl auch.

Hierarisch organisierte pear groups müssen so handeln, um sich zu stabilisieren.

 

Was ist von den Aktionen gegen "Pro NRW" aus dem letzten Jahr übrig geblieben?

Schlechte Presse gegenüber den protestierenden Antifaschisten.

Die Polizei konnte mal wieder das tun, was sie am besten kann: zuschlagen.

Politischer Polizei und Staatsanwaltschaft wurde ein Einblick in antifaschistische Strukturen gewährt.

"Pro NRW" hat genau das erzielt, was sie wollte. Sie konnte sich als "Opfer" von "Autonomen" und "Linksfaschisten" iniziieren.

 

Für die verantwortliche Antifagruppe bleibt da nur noch die Selbstiniziirung als Opfer.

Sie kommt einem vor wie der Typ, der aus der 10. Reihe einer von Bullen umzingelten Demo einen Stein schmeißt.

Die erste Reihe verzeichnet Verletzte und Inhaftierte. Nach der Demo ist unser Steineschmeißer der Held, denn er hat ja Widerstand geleistet, die "Scheißbullen", wir sind Opfer des "Schweinesystems", etc.. Das kennt das zu genüge. Oft schafft der Typ  durch sein Auftreten noch, seine Rolle bei dem Vorfall zu kaschieren und sich feiern zu lassen.

In solchen Situationen wird auf Solidarisierungseffekte gesetzt. Und wer in Zeiten der Repression Kritik an eigenen Strukturen äußert ist "einer von denen". (Auf Grund dessen wird die Diskursion über stattliche Repression auch so diametral "Opfer - Täter" geführt. Nicht, dass das nicht stimmt. Aber die Art der Diskussion soll Szenehierarchien stabilisieren. Inklusion und Exklusion, Ein- und Ausschluss, wird geführt. Neuerdings wird Kritikern außerhalb und innerhalb der Antifaszene auch vorgeworfen, sie würden die Totalitarismus-Theorie vertreten. Hier macht sich der Bock zum Gärtner.)

 

Die AJB hat, nicht nur im letzten Jahr, dem Repressionsapparat sehr viele Einblicke in antifaschistische Strukturen verschafft.

Ihr Demoniveau und öffentliches Auftreten stark Richtung riot-kids gesenkt.

Ihr Antifaschismus ist von einer früheren inhaltlichen Arbeit massiv zur Frage der Selbstdarstellung geworden.

 

Leider ist davon auszugehen, dass sie diesen Trend fortsetzt.



 
   
Verfasst von: Sybille. Verfasst am: Di, 14.09.2010 - 19:58.

Antifaschismus ist kein Verbrechen - aber auch kein Abenteuerspielplatz!

 

 

Man sieht das Ihr euch Mühe gebt. Die Blockade war erfolgreich.

Die Pro-NRW-Autos konnten nicht zu ihrem Kundgebungsplatz und drehten ab.

 

Obwohl erfolgreich, machtet ihr dann eine abenteuerliche und selbstgefährdende Aktion,

die schlechte Presse und Repression einbrachte.

Ihr habt unsinniger Weise mit Wenigen die Hauptverkehrsstraße gestürmt, die selbst mit einer wesentlich größeren Gruppe nicht hätte blockiert werden können. Und wozu auch, den Erfolg hattet ihr bis dahin in der Tasche.

Eine unnötige und abenteuerliche Aktion. Ihr habt den agressiven Bullen somit einen Vorwand zum Einschreiten geliefert.

Das war nicht sehr schlau.

 

Trotzdem viel Glück die Einstellung der Verfahren zu erreichen.

Wer Gewalt gegen den Staat oder wen auch immer einsetzt, muss damit rechnen, mit Gegengewalt konfrontiert zu werden.

Traurig, dass es Leute gibt, die Linksunten dazu nutzen, sich hier einfach mal auszukotzen und die gesamte Arbeit einer Gruppe diffamieren.
"Was ist von den Aktionen gegen "Pro NRW" aus dem letzten Jahr übrig geblieben? Schlechte Presse gegenüber den protestierenden Antifaschisten."
Es kann doch nicht das Ziel protestierender Antifaschist*innen sein, gut in der Presse bewertet zu werden. Wichtig ist es, erfolgreiche Aktionen zu machen und das ist am 26.03. geschehen. Der Einsatz der Polizei war unverhältnismäßig und auf der Wache folterähnlich.
Dass du das hier relativierst und mit dem schlechten Planen der Aktion entschuldigst, ist echt irgendwie zynisch.
"Und wer in Zeiten der Repression Kritik an eigenen Strukturen äußert ist 'einer von denen' " - Gut, dass du dich da so auskennst......
Im Endeffekt muss ich sagen, dass so eine Art von Kritik am Ende nur dem Staat nutzt.
Wer findet, eine Gruppe müsste sich dafür im Internet rechtfertigen, dass Antifa's nach einer organisierten Blockade zusammengeknüppelt wurden.... hat glaub ich so einiges noch nich verstanden.

Erfolgreich wäre die Blockade gewesen, wenn die AJB nicht Held gespielt hätte. Sie hat den Nazis die show geboten, die diese provozieren wollten.

Darum ging es bei der "Pro NRW" tour mit 2-3 Bullis. Aber für soviel politischer Analyse hat es wohl nicht gereicht.

Und keine Blockade scheint in den Augen dieser people erfolgreich, wenn es nicht auch einen action-event gibt.

Den Nazis und dem Staat auf den Leim zu gehen, die bürgerlichen Pressehansels mit der gewünschten extremisten-story zu bedienen, die eigenen Leute für ne show zu verheizen und das alles nur dafür, weil man den action-fact bedienen will? Erfolg zu haben reicht nicht aus. Der richtige Erfolg liegt halt in der Selbstdarstellung, das ist identitärer Antifaschismus.

Gut das der Beitrag deinen traurigen Difamierungscomment schon vorweg als das bezeichnet hat was er ist: Verkürzte Wahrnehmung und Lagerdenken.

Sorry, das mußte mal gesagt werden.

man immer schlauer, was?

Interessant, dass sich die ganzen schlauen Leute immer erst im Nachhinein zu Wort melden, wenn es für sie nichts von Erheblichkeit zu verlieren gibt. Ihre Kritik erhält aber nicht allein dadurch mehr Substanz, indem mit ihr immer wieder gebetsmühlenartig die selben Allgemeinplätze vertreten werden. Es entspricht viel mehr einem identitären Antifaschismus, seine Zeit als "KritikerIn der Bewegung" zu vergeuden, anstatt selbst etwas auf die Beine zu stellen. oder sich zur Abwechslung in kritischer (-> praktischer) Solidarität zu üben. Und wo bitteschön wurden Leute verheizt? Kennst du irgendwen, den diese schlimme Gewalt-Erfahrung zur Resignation gebracht hat?

Ich möchte dir inhaltlich gar nicht antworten. Das liegt daran, dass ich glaube, dass du hier eigentlich etwas projizierst. Anti-AJB-Hetze war in Bochum schon immer en vogue und wird es auch wohl noch lange bleiben.

 

Ich möchte auf etwas anderes eingehen. Ich finde es erschreckend, dass du in keinem Wort darauf eingehst, was die Polizeibeamten hier mit Menschen gemacht haben und zwar vollkommen ohne jede Notwendigkeit. Hier wurde ein Mensch, der sich vollkommen friedlich verhalten hat auf der Wache gewürgt bis er ohnmächtig wurde. Nicht mal um die Fingerabdrücke abzunehmen, wäre dies notwendig gewesen. In einem anderen Beitag, wo ein Genosse zu sehen war, der einen Tonfa auf den Kopf bekam fragtest du die AJB, ob sie aus Zucker sei.

Es scheint dir nur um Hetze zu gehen. Deine Kritik ist keineswegs Kritik an einer Aktion. Darüber ließe sich jederzeit reden. Deine Kritik ist eine Generalabrechnung mit der AJB. Und so lange dies so bleibt, werde zumindest ich in keiner Weise auf deine Inhalte eingehen.

 

P.S.: Das, was du hier an Halbwissen über die AJB veröffentlichst, ist übrigens beträchtlich. Aber wem du damit (de facto größtenteils falsche, aber deiner Einschätzung nach - und darauf kommt es an - richtige) Infos und Einschätzungen über die AJB verschaffst, scheint dir ja egal zu sein. Immer drauf...

bestätigst die Schreiberin. Keine Argumente und Opferhaltung einnehmen. Gemerkt?