Am Dienstagmorgen, den 15.08.2017, wurde die seit mehreren Monaten besetzte Alte Teppichfabrik in Alt-Stralau durch ein Sondereinsatzkommando geräumt. Das macht uns verdammt wütend! Während die Wohnungsnot, unbezahlbare Mieten und Wohnungslosigkeit für immer mehr Menschen in Berlin bittere Realität sind, haben sich mehrere Genoss_innen offenbar dazu entschieden, nicht länger zuzuschauen wie ein wunderschönes Objekt in Berlin zur Bauruine und zum Spekulationsobjekt verkommt.
Das alte Industriegebäude wurde so in den letzten Monaten für mehrere Genoss_innen und wohnungslose Menschen Wohnraum und ein Ort des Widerstands. Ein Ort an dem der Traum eines selbstverwalteten Lebens inmitten der Mietenhölle Berlin greifbar wurde. Neben täglichen Sportangeboten war „die Platte“ ein Ort, um Kollektivität erlebbar zu machen. Ein Zitat aus einem Text der Besetzer_innen:
„Wir organisieren unser Leben selbst, gestalten ein Netzwerk gegenseitiger Unterstützung und ermöglichen Orte in denen ein Kampf und Widerstand gemeinsam möglich sind. Für all das besteht die Notwendigkeit unsere eigenen Räume zu schaffen, in denen Solidarität, Selbstorganisation und direkte Aktionen die Basis für eine kollektives Leben sein können. Wir glauben, dass es wichtig ist, Raum für Diskussionen zu haben und um eine Atmosphäre zu schaffen, die das Kämpfen ermöglicht.“
Verliefen die ersten Monate ruhig, tauchten Ende Juli 2017 das erste Mal die Berliner Bullen vor dem besetzen Gebäude auf. Bereits ein paar Tage vorher erschien der sogenannte Eigentümer in Begleitung von schmierigen Schlägern, um die Genoss_innen einzuschüchtern. Aufgrund der aktuellen Rechtslage war es ihnen damals allerdings nicht möglich, die Menschen im Haus räumen zu lassen, da dort bereits "wohnähnliche Zustände" existierten. Die letzten Wochen waren nun eine Einsatzhundertschaft, ein Dutzend Securities der Firma Kuhr-Security, ein Doppelter Bauzaun und alle möglichen Firmen vor Ort, um den Bewohner_innen des Gebäudes das Leben so unerträglich wie möglich zu machen.
Seit dem 10. August 2017 war das Projekt räumungsbedroht. Bernd Freier, Besitzer der Fabrik, Milliardär und Gründer des Bekleidungsherstellers S.Oliver - übrigens einer der reichsten Menschen in Deutschland - hat vor einem Berliner Gericht einen Räumungstitel erwirkt. Das erlaubte es den Berliner Bullen ab diesem Tag, das Gebäude zu räumen - was sie nun am Morgen des 15.08.2017 auch taten.
Hass und Spott den Parlamenten. Gegenmacht von unten aufbauen!
So wirklich glaubt wohl inzwischen niemand mehr an die Lügen der Parteien, wenn sie von der sozialen Stadt sprechen. Auch zur anstehenden Bundestagswahl tönen die üblichen Verdächtigen von SPD, Grüne bis zu den Linken von der sozialeren und bezahlbaren Stadt. Dass die letzte Senatswahl, genau wie die vorherigen, nichts verändert hat, wird jeden Tag deutlicher. Wir haben den Ausverkauf des sozialen Wohnungsbaus unter dem rot-roten Senat, die alltäglichen Zwangsräumungen, die Zerstörung unserer Kieze, die Zwangsräumung der Friedel54 und die regelmäßigen Angriffe auf unsere Genoss_innen in der Rigaerstraße nicht vergessen. Wir vertrauen euch schon lange nicht mehr.
Wir fordern nicht die sozialere Stadt, wir fordern keine bezahlbaren Mieten. Was wir wollen, ist die revolutionäre Umwälzung der ganzen bestehenden Scheiße. Wir wollen die Enteignung von Bernd Freier und die Kollektivierung seiner Fabriken durch die von ihm ausgebeuteten Arbeiter_innen. Wir wollen Konsequenzen für die widerlichen Schläger - ob in Uniform oder nicht - die die Leute in der Teppichfabrik über Wochen drangsalierten und ihnen letztendlich ihr Zuhause nahmen.
Wir haben keinen Bock auf eine Stadt der Reichen. Wir wollen eine Stadt der widerständigen Kieze, in der nicht das Einkommen entscheidet wo wir leben, und in der nicht der Profit bestimmt welche Läden, Projekte oder Menschen es in einem Haus gibt, sondern wir selber.
Die Möglichkeiten von Widerstand gegen sozialen Kahlschlag, Gentrifizierung, Verdrängung und Bullengewalt sind vielfältig. Von Solifotos, Besuche bei profitierenden Firmen und Personen, Kundgebungen, Demos oder klandestine Aktionen.
Es gilt: Jede Räumung hat ihren Preis!
Tragen wir unsere Wut auf die Straße, genau wie bei Räumungen oder Räumungsversuchen in der Vergangenheit: Jede Form des Widerstands ist berechtigt, die Räumungen für die Bullen, Politiker_innen, und Immobilienspekulant_innen so teuer wie möglich macht.
Holen wir uns die Platte zurück! Die Häuser denen, die sie brauchen! Enteignet die Profiteur_innen der Gentrifizierung!
radikale linke | berlin im August 2017