Statement der ehemaligen Vorbereitungsgruppe des Antikapitalistischen Camps

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Als Vorbereitungsgruppe für ein Antikapitalistisches Camp hatten wir von Anfang an gegen eine Mauer aus Politik, Behörden und Polizei zu kämpfen. Zuerst spielte die Gegenseite auf Zeit, indem sie unsere Anmeldung ignorierte und Gespräche verweigerte. Dann begann eine öffentliche Hetzjagd, in der sie die absurdesten Gefahren heraufbeschwor: Von Wildpinkeln über offene Feuer bis zu mangelnder Erfahrung der Organisator*innen.  

 

Politischen Projekten wurde sogar indirekt der Geldentzug angedroht, sollten sie Flächen für dezentrale Camps zur Verfügung stellen. Als wir schließlich ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht erhielten, welches feststellte, dass uns auch das Übernachten zu gestatten sei, wurde dieses Urteil von der obersten Polizeiführung schlichtweg ignoriert. Vom Senat geduldet, fand ein Polizeieinsatz statt, der mit mehreren Hundertschaften Verletzte verursachte und gewaltsam das Duzend Schlafzelte entfernte. Und selbst dann war noch nicht Schluss: Diejenigen, die trotzdem in Entenwerder blieben um Workshops anzubieten, wurden rund um die Uhr so sehr belästigt und schikaniert, dass schließlich klar wurde, dass ein Camp, so wie wir uns das vorgestellt hatten, schlichtweg nicht möglich sein würde – selbst als das OVG uns noch einmal Recht gab und ganz explizit das Verbot von Schlafzelten verwarf.


Begründet wurde das krasse Vorgehen wieder und wieder mit dem angeblichen Gefährdungspotential, das von uns als Anmeldegruppe ausgehe. Sowohl gegenüber den Medien als auch gegenüber den Gerichten wurden falsche Behauptungen aufgestellt, mal dass wir diejenigen seien, die auch die Demos am 1. Mai organisierten, mal, dass das Camp eigentlich von der Roten Flora aus organisiert werde. Wir haben kein Problem mit diesen Gruppen, wohl aber mit einem Staatsschutz, dem offenbar jedes Mittel der Verleumdung recht ist. Ohne irgendwelche erkennbaren Anhaltspunkte wurde das Camp einzig und allein zu einem Rückzugsraum für vermeintliche Straftäter verklärt. Eine Einschätzung, die so haltlos war, dass selbst das Verwaltungsgericht sich genötigt sah diese im – von uns gewonnen – Verfahren gegen die blaue Zone zu kritisieren.


Folgen für die Polizeiführung für den illegalen Polizeieinsatz oder die Verleumdungsstrategie? Fehlanzeige. Und auch im Nachhinein noch polemisiert Grote weiter gegen die Camps. Ohne irgendwelche Ermittlungen abzuwarten, glaubt er zu wissen, dass die Menschen, die in Altona Autos angezündet haben, vom Camp in Altona gestartet seien. Dieser Verleumdungskampagne stellen wir uns ebenso entschieden wie solidarisch entgegen. Das Kalkül von Innenbehörde und Polizei war leicht durchschaubar,wurde teils ja sogar offen kommuniziert: Wenn es kein Camp gibt, so die Hoffnung, kämen viele Menschen erst gar nicht nach Hamburg. In der Öffentlichkeit bezog man sich zwar immer vorrangig auf die „bösen“ Demonstrant*innen, die es abzuschrecken gelte, doch muss allen Beteiligten klar gewesen sein, dass diese Taktik vor allem unorganisierte Menschen treffen und von Protesten fernhalten würde. Gerade das Protestcamp im Stadtpark sollte einen niedrigschwelligen Zugang abseits der zu erwartenden Polizeigewalt in der Innenstadt bieten.

 

Leider müssen wir zugeben, dass diese Taktik wohl auch ein Stück weit funktioniert hat. Das lange Hin und Her hat viele Menschen verunsichert. Umso begeisterter sind wir von der großen Hilfsbereitschaft, v.a. weil diese eben nicht nur aus der linksradikalen Szene kam. Roter Punkt, die Kampagne „Schlaflos in Hamburg“, Bettenbörse, Kirchen, solidarische Anwohner*innen, die uns Duschen oder die Mitnahme von Müll anboten und viele Soliaktionen haben dazu geführt, dass letztendlich Grotes Plan nach hinten losging. Statt zu spalten war der Protest dadurch mitten in der Stadt angekommen und sogar noch besser in der Bevölkerung verankert.

 

Dass wir neben weiteren von uns unterstützten Fläche auch auf zwei kirchlichen Flächen gelandet sind, finden wir ob der durchaus vorhandenen Kritik an der Institution Kirche zwar etwas ironisch,dennoch freuen wir uns sehr über das Vertrauen, die Unterstützung und das klare Zeichen der Gemeinden und Anwohner*innen. Ebenso dankbar sind wir über die vielen Spenden, die wir vor und während des Camps bekamen.

 

Trotz geringerer Anzahl an Teilnehmer*innen als geplant konnte dank Privatpersonen und Projekten ein finanzielles Desaster verhindert werden.

 

Viele Politiker*innen müssen ziemlich erleichtert gewesen sein, als durch die Auseinandersetzungen in der Schanze Freitagnacht medial endlich die Bilder von Feuer und Steinwürfen dominierten und nicht mehr die von durchdrehenden Robocops und illegalen Polizeieinsätzen. Nun überschlagen sie sich geradezu mit Forderungen nach Konsequenzen, beharren auf Falschaussagen, die längst als solche entlarvt sind oder bringen menschenverachtende Vergleiche mit dem NSU, Terror und Bürgerkriegen.

 

Von dieser einseitigen Berichterstattung profitieren nicht nur diejenigen, für die brennende Autos und abgerissene Wahlplakate schon immer so schlimm waren wie brennende Wohnheime und verprügelte Menschen. Auch die Teilnehmer*innen des Gipfels können sich freuen: Wer interessiert sich angesichts der Bilder von brennenden Barrikaden noch dafür, dass der Gipfel den selbstgesteckten Ziele mal wieder nicht einen einzigen Schritt näher kam und mit welchen Einschränkungen der demokratischen Grundrechte das „Festival der Demokratie“ einherging?

 

Man sollte meinen, das Zeitfenster, in denen solche absurden Forderungen und Vergleiche erfolgen können sei längst geschlossen, seit immer mehr Videos veröffentlicht werden, die zeigen, was wirklich passiert ist und was nur erfunden wurde. Während Olaf Scholz trotz Videos, die das Gegenteil beweisen, davon fabuliert, es habe keine Polizeigewalt gegeben, werden noch immer die rote Flora und einzelne Akteur*innen ohne Beweise öffentlich an den Pranger gestellt. Weitere Projekte haben Sorge, nach dem B5 als nächstes durchsucht zu werden. Wieder andere, Projekte müssen derzeit um öffentliche Gelder fürchten – öffentlich gemacht wurde es bereits vom Gängeviertel, dem offen mit dem Entzug von Förderungen gedroht wird, sollten sie sich nicht von Gewalt distanzieren, aber wer weiß, was noch folgen wird.

 

Vor Ort sieht die Lage ganz anders aus. Gerade die Menschen direkt am Ort des Geschehens in der Schanze haben sehr wohl erkannt haben, was für ein politisches Spiel gerade gespielt wird: Hier sollen mal wieder alte Feindbilder hochstilisiert und für die Profilierung im nächsten Wahlkampf genutzt werden. Wenn irgendjemand Konsequenzen gegen die Flora fordern dürfte, dann sie. Doch hier kommen so viele Solidaritätsbekundungen, dass selbst die Springerpresse es nicht vermeiden kann, sie abzudrucken.

 

Auch wir glauben, dass es eine Debatte darüber geben muss, was bei diesen Auseinandersetzungen Freitagnacht taktisch sinnvoll war und was der autonomen und linksradikalen Bewegung eher geschadet hat oder Menschen unnötig in Gefahr gebracht hat. Aber diese Debatte werden wir selbstbestimmt führen und uns dabei weder von der Boullevard-Presse noch von Distanzierungsaufforderungen treiben lassen.

 

Bei allem, was an an den Auseinandersetzungen in der Schanze zu kritisieren sein mag: Mehr als die dortigen Geschehnisse beunruhigt uns die Entwicklung einer Polizeipraxis, wie sie beim Gipfel zu beobachten war. Ein polizeiliches Handeln, das selbst in ruhigen Situationen wie bei Sitzblockaden oder wegen kleinster Delikte wie Vermummung Wasserwerfereinsätze, Gasgranaten und Schlagstockprügeleien zur Folge hatte, erinntert eher an Aufstandsbekämpfung. Wenn das Aushebeln der Gewaltenteilung von Politiker*innen ignoriert, die Fahndung nach angeblichen Straftäter*innen durch die Bildzeitung sogar ausdrücklich begrüßt wird und am Ende Cops, die vor ein paar Tagen noch Journalist*innen und Sanitäter genauso wie Schaulustige oder am Boden liegende Demonstrant*innen verprügelt haben, plötzlich zu Held*innen hochstilisiert werden, haben wir Angst davor, was die nächsten Monate bringen werden. Wenn Journalist*innen den Unterschied zwischen brennenden Autos und Bürgerkrieg sowie den zwischen Aggression gegenüber gepanzerten Cops und rechtsradikalem Terror nicht begreifen oder verschweigen, während ihnen nicht auffällt, dass jetzt fast 45mal soviel Geld für die Opfer der Sachbeschädigungen bereitgestellt wird, als es den Opfern des NSU-Terrors ausgezahlt wurde, wollen wir gar nicht wissen, wohin das noch führen wird.

 

Für uns als Teil der linksradikalen Szene ist klar: wir werden zusammenhalten und uns nicht spalten lassen oder voneinander distanzieren. Ob in direkter Aktion oder Großdemo, mit Gesicht oder vermummt, militant oder pazifistisch. Wir werden uns – wo immer nötig – solidarisch unterstützen und unsere Kämpfe auch in Zukunft gemeinsam führen.

 

Die ehemalige Vorbereitungsgruppe des Antikapitalistischen Camps

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Seit dem G20-Gipfel wird über Gewalt debattiert. Aber die Frage ist: Für wen ist was wann Gewalt? Die meiste Gewalt ist für uns unsichtbar.

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