Im Ausnahmezustand

Gambia, gelegen an der Kueste Westafrikas, umgeben vom Senegal

Am 18. Jaenner 2017 haette Diktator und abgewaehlte President Yahya Jammeh sein Amt zuruecklegen sollen, doch er entschied sich dagegen. Er gibt vor, ein "Mann des Friedens" zu sein, doch provoziert er mit seiner Haltung eine militaerische Intervention. Der neue Praesident Adama Barrow wird indessen in der Botschaft Gambias im benachbarten Senegal angelobt werden. Truppen des Westafrikanischen Wirtschaftsbundes ECOWAS stehen an den Grenzen bereit, um den Transfer der Macht sicher zu stellen.


Auf den Strassen Gambias herrscht Ruhe, die Leute warten ab. Viele lauschen die Nachrichten aus den diversen Radiosendern, insbesondere jenen die unabhaengige Informationen verbreiten. Fast alle Geschaefte haben geschlossen. Heute ist - im Gegensatz zum Vortag - verhaeltnismaessig wenig Militaer auf den Strassen zu sehen.

Gambia befindet sich zweifelsohne in einem Ausnahmezustand, den der abgewaehlte President Jammeh vergangenen Dienstag ausgerufen hat. Doch in Wirklichkeit dauert der Ausnahmezustand schon mindestens 2 Monate. In den Wochen vor den Wahlen gingen 100.000e (!) Menschen auf die Strassen und forderten ein Ende der 22 Jahre andauernden Militaerdiktatur. Am 1. Dezember war es dann soweit: Die aus sieben Parteien bestehende "Coalition 2016" mit ihrem gemeinsamen Kanditaten Adama Barrow gewann die Wahlen. Es dauerte bis am kommenden Tag um 14:00, bis das Ergebnis der Wahlen bekannt gegeben wurde. In der Folge fuellten sich die Strassen und ueberall wurde das Ende der Militaerdiktatur gefeiert - nicht nur in Gambia, sondern auch von den zahlreichen im Exil lebenden Menschen, die in den vergangenen Jahren flohen, da sie entweder in Gambia politisch verfolgt werden und sich ihres Lebens nicht mehr sicher fuehlten, oder einfach, weil sie in diesem von Korruption beherrschten Land keine Perspektive sehen. Doch nun schien ein Traum in Erfuellung zu gehen. Der Traum von einem "Neuen Gambia", in dem Meinungsfreiheit und demokratische Rechte garantiert werden, brachte ein ganzes Land zum Tanzen. Ueberall waren strahlende Gesichter zu sehen. Es war wohl die groesste Party und gleichzeitig die beeindruckenste Kundgebung die Gambia je erlebte.

Etwas, was sich wenige Monate zuvor wohl kaum wer haette vorstellen koennen, da in Gambia Proteste meist vom Militaer aufgeloest wurden, oder Menschen, die sich zu kritisch aeuserten, von zu Hause abgeholt wurden - und oft nicht mehr zurueckkehrten. Zehntausende Menschen wurden in den vergangenen 2 Jahrzehnten von Jammehs Schergen verschleppt, ohne Gerichtsverfahren fuer Monate eingesperrt, gefoltert oder ermordert. Alles ohne dass es je irgendwelche Konsequenzen gegeben haette. Dies ist wohl der wesentliche Grund, warum der Diktator nicht abdanken will, da klar ist, dass er fuer seine Machenschaften zur Verantwortung gezogen wird. Doch nicht nur Jammeh, auch Teile des Militaers und die APRC, die Partei Jammehs, haben kein Interesse an einem Machtwechsel in Gambia, denn viele Menschen profitierten unter dem Regime Jammehs. Dazu kommt, dass Jammeh von der relativ kleinen Gruppe der Jollas kommt, die etwa 10 Prozent der Bevoelkerung Gambias ausmachen. Viele von ihnen wollen nicht wahrhaben, dass "ihr" President ausgedient hat. Geschuert wird das ganze durch einen "Tribalism", mit dem die verschiedenen Bevoelkerungsgruppen aufeinander gehetzt werden.

Jammeh akzeptierte das Wahlergebnis anfangs, doch schon in den kommenden Tagen waren mehr und mehr Soldaten auf den Strassen zu sehen. Sie bildeten auf allen wichtigen Kreuzungen im Land Stellungen mit Sandsaecken, aus denen seither Gewaehrlaeufe zielen. Redeten sich anfangs noch viele Leute ein, dies diene der sicheren Uebergabe der Regierung, war eine Woche nach den Wahlen klar, was Jammeh bezweckte: In einer seiner oeffentlichen Ansprachen im staatlichen Fernsehen (GRTS) gab er bekannt, dass das Wahlergebnis ungueltig sei und er es nicht akzeptieren koenne. Er sei betrogen worden, ein Opfer der unabhaengigen Wahlkomission (IEC), die das Wahlergebnis manipuliert haette. Doch selbst wenn die vorbebrachten Unregelmaessigkeiten beim Ergebnis korrigiert wurden, wie Jammeh angab: Adama Barrow hatte nach wie vor mehr Stimmen als der Diktator. Eine beim Obersten Gerichtshof eingebrachte Wahlanfechtung konnte nicht behandelt werden, da nicht genuegend Richter zur Verfuegung stehen, weshalb Richter aus den benachbarten Laendern zugezogen werden muessen.

Klar ist, dass Jammeh alles versucht, um an der Macht zu bleiben bzw. die Amtsuebergabe zu verzoegern. Er gibt vor, ein Mann des Friedens zu sein, ohne dem Gambia nicht regiert werden koenne, doch alles was er tut, zielt auf eine militaerische Intervention hin. Die Menschen in Gambia sind muede von den Machenschaften in ihrem Land, sie wollen eine Veraenderung, wenn noetig mittels militaerischer Intervention aus dem benachbarten Ausland, in welches in den vergangenen Wochen 10.000e Menschen geflohen sind. All diese Entwicklungen fuehrten dazu, dass der Ausnahmezustand, der offiziell vor zwei Tagen erklaert wurde, schon mehrere Wochen andauert.

Die momentane Situation ist unklar und es ist schwer zu sagen, was in den kommenden Stunden und Tagen geschehen wird. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die von Senegal angefuehrten ECOWAS-Truppen, die sich an den Grenzen Gambias sammeln, einmarschieren, um Diktator Jammeh zum Abdanken zu zwingen und den neuen Presidenten Barrow bei der Amtuebernahme unterstuetzen. Fuehrende Militaers haben gesagt, dass sie keinen Widerstand leisten wollen, erst vergangene Nacht hat ein hoher Militaer die Soldat_innen dazu aufgerufen, den neuen Praesidenten zu unterstuetzen - wozu sie nach dem Gesetz verpflichtet sind. Doch Jammeh ist selbst Militaer und kam im Jahr 1994 mittels Militaerputsch an die Macht. Danach liess er sich immer wieder zum Presidenten waehlen, doch nun ist seine Zeit abgelaufen, was dieser aber nicht wahrhaben will.

Ob es zu einer militaerischen Intervention kommt und wie die Streitkraefte in Gambia darauf reagieren, ist derzeit unklar. Jammeh hat jedenfalls mehrmals angekuendigt, dass er "bis zum letzten Mann" kaempfen wird. Und ein Teil seiner Soldat_innen ist wohl bereit dazu. Fuer die Menschen in Gambia gilt es vorerst abzuwarten, wie lange es dauert, bis der Traum eines "New Gambia" wahr wird. Doch die meisten gehen davon aus, dass es nicht mehr lange dauert...

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Die senegalesischen Truppen sind einmarschiert, laut Spiegel.