[LE] Wenn Worte nicht mehr reichen, müssen Taten folgen. #LE0901

Wenn Worte nicht mehr reichen. Seite 42/43

Wenn Worte nicht mehr reichen, müssen Taten folgen
Drei Leipzigerinnen und Leipziger erzählen darüber, wie es ist, zwei Jahre lang mit regelmäßigen Nazi-Aufmärschen zu leben. Und während Einigkeit darüber besteht, dass der PEGIDA-Ableger LEGIDA nicht in die Messestadt gehört, haben alle unterschiedliche Wege gefunden, damit umzugehen. Eine Reportage von Anna Arthur

 

Es ist ein kalter Tag Anfang Januar. Ich treffe Nina in ihrem Atelier in Leipzig-Plagwitz. Die Wahl-Leipzigerin ist vor drei Jahren aus Berlin hierher gezogen und genießt vor allem die Freiheit, Raum zu nutzen und gemeinsam zu gestalten. „Als vor zwei Jahren das erste Mal LEGIDA aufmarschierte, dachten viele, das wäre eine Eintagsfliege“, erzählt sie, „und auch als sich abzeichnete, dass sie mehr Durchhaltevermögen haben, gab es immer wieder Punkte, wo alle dachten ‚Mensch, das war‘s jetzt aber‘. Es kommen keine vierstelligen Zahlen völkischer Rassisten mehr auf die Straße, aber ein paar hundert sind eben auch ein paar hundert zu viel.“ Auf die Frage, ob sie noch regelmäßig zum Gegenprotest gehe, nippt Nina an ihrem Milchkaffee, eine Spur Scham liegt in ihrem Blick, als sie verneint. Doch dann sagt sie entschlossen: „Ich will Menschenrechte mit Handlungen verteidigen, nicht nur mit Worten oder mit Demonstrationen, die inhaltlich schwächeln und sich scheuen, offensiv die Ursachen der Probleme zu benennen und zu kritisieren. Mein Anspruch ist es, die Verhältnisse, die den Rassismus erst ermöglichen und anschließend reproduzieren, infrage zu stellen. Wenn wir über Rassismus reden, müssen wir auch die Ausbeutung und den kapitalistischen Verwertungsdruck in der Postdemokratie ansprechen, müssen wir über Verhältnisse reden, die die Menschen zu egoistischen Arschlöchern werden lassen.“


Leipzig ist eine schöne Stadt, voller Möglichkeiten, voller Leute, denen man nachsagt, aufgeschlossen, herzlich und freundlich zu sein. Doch auch in dieser immer wieder als „Leuchtturm“ bezeichneten Stadt treffe ich auf Menschen, die all das schwinden sehen.


Connewitz heißt der Stadtteil, in dem ich mich mit Tim verabredet habe. Der Mittdreißiger wohnt schon lange hier, kennt die Menschen im Viertel und weiß um die Frustration angesichts der aktuellen Politik: „Viele haben genug von der altbekannten Litanei: Rassismus und Sexismus nehmen immer weiter zu, die radikale Linke steckt in der Defensive fest und sämtliche Parteien vollführen einen Rechtsschwenk. Bei der CDU und SPD war das ja zu erwarten, über das Verhalten von Linken und Grünen bin ich mittelprächtig überrascht. Während Sahra Wagenknecht als designierte Spitzenkandidatin der Linken sich in Inhalt und Rhetorik kaum noch von der AfD unterscheiden lässt, verbünden die Grünen sich fleißig mit der CDU, fordern die Ausweitung sicherer Herkunftsländer und beginnen ihre Pressemitteilungen doch mittlerweile eh mit ‚Danke Polizei‘.“


„ACAB“ und „Antifa Area“ steht an Connewitzer Wänden und auch wenn der Stadtteil mit Verbalradikalität protzt, wissen die Menschen hier, dass ihr Leben in der linken emanzipatorischen Blase bedroht ist. Viele seiner Freunde hätten bereits Polizeigewalt erlebt, erzählt Tim. „Ob sie friedlich oder militant versucht haben, LEGIDA-Demos zu stören, war praktisch egal: Pfeffer oder Knüppel gab es immer, manche haben sogar Strafanzeigen für Sitzblockaden bekommen.“ Vor einem Jahr erschütterte schließlich ein organisierter Angriff von mehreren hundert Neonazis auf einen Straßenzug das gesamte Viertel.


Isabell möchte sich von alldem nicht entmutigen lassen. Die BWL-Studentin sieht Demonstrationen und Lichterketten als wichtiges Zeichen gegen Rassismus. „Bei LEGIDA treffen sich organisierte Neonazis von ‚Wir lieben Sachsen/Thügida‘, NPD und ‚Die Rechte‘, Verschwörungstheoretiker und Reichsbürger und versuchen, Menschen aus dem bürgerlichen Spektrum für die hässliche Fratze der Menschenfeindlichkeit zu gewinnen“, erzählt sie. Sie ist froh, dass Gewerkschaften, Vereine, Kirchen und Parteien eine Möglichkeit bieten, sich zu engagieren. „Das ist gut für Leute, die vielleicht Angst haben, eine Anzeige zu kassieren, oder die sich gar nicht immerzu mit dem Thema beschäftigen wollen. Die können dann trotzdem zeigen, dass sie ohne LEGIDA leben wollen. Das wird von vielen oft als zu bürgerlich und systemaffirmativ abgetan, manchmal werden wir sogar beschimpft, weil wir nicht militanter auftreten, aber viele von uns haben einfach Angst vor Konsequenzen oder kommen allein zur Demo und haben dann gar keine Leute, mit denen sie irgendwelche Aktionen starten können. Da halte ich dann lieber eine Kerze und protestiere mit meiner Stimme, anstatt zuhause zu bleiben.“


Was Leipzig am 9. Januar 2017 erwartet, da sind sich alle drei unsicher. Die Demonstration von LEGIDA wurde kurzfristig in das Waldstraßenviertel verlegt, wo sie vor zwei Jahren schon einmal war, wo eine fünfstellige Zahl von Menschen dagegen protestierte. Dass sich ein großer Teil der Stadtgesellschaft, auch Fangruppen von „RB-Leipzig“, vor dessen Stadion LEGIDA stehen soll, bereits dagegen positioniert hat, lässt hoffen, dass die Nazis danach aus Leipzig verschwinden.

 

Der Test: Was für ein Demonstrant bist du?


Welcher Satz könnte von dir stammen?
a) Make Antifa Great again. (3 Punkte)
b) Zuhause ist‘s am schönsten. (1 Punkt)
c) Haben wir eigentlich die Kerzen eingepackt? (2 Punkte)


Welche Schuhe ziehst du an, wenn du zu einer Demonstration gehst?
a) Meine neuesten, schließlich will ich gut aussehen. (1 Punkt)
b) Die, die ich im Alltag immer trage. (2 Punkte)
c) Unauffällige, bequeme Turnschuhe, falls ich mal rennen muss. (3 Punkte)


Wie sprichst du einen Polizisten an?
a) „Tach, Sie hinterfotziges Schattenwesen!“ (3 Punkte)
b) Gar nicht, die machen mir Angst. (1 Punkt)
c) Höflich, aber bestimmt. (2 Punkte)


Was versteht man unter der Fingertaktik?
a) Jetzt werde ich aber rot. (1 Punkt)
b) Das ist eine Taktik, um Polizeiketten zu durchfließen. Ich habe so einen Finger schon mal angeführt. (3 Punkte)
c) Davon habe ich beim Demo-Training schon mal gehört, aber ich traue mich nicht, da mitzumachen. (2 Punkte)

 

Die Auswertung: Was für ein Demonstrant bist du?


4 bis 7 Punkte
Du bist sehr ängstlich und würdest am liebsten zuhause bleiben, weißt aber, dass das nicht die Antwort auf Nazi-Aufmärsche ist. Such dir liebe Menschen, mit denen du zusammen demonstrieren gehst, informiert euch und werdet sicherer. Dann könnt ihr super als Kleingruppe unterwegs sein!


8 bis 11 Punkte
Du haderst oft mit dir, denn eigentlich würdest du auf Demonstrationen gerne mehr erreichen, lässt es dann aber doch sein. Verabrede dich mit deinen Freunden doch mal nicht nur zum Transpihalten, sondern als Bezugsgruppe und schaut, wie weit ihr auf die Straßen kommt. Als Kleingruppe könnt ihr viel erreichen!


12 bis 16 Punkte
Dir macht keiner so leicht was vor: Von der Sitzblockade aus bindest du Polizisten die Schnürsenkel zusammen und Pfefferspray würzt schon zum Frühstück deine Cornflakes. Werde aber nicht übermütig und besinne dich mit deiner Bezugsgruppe auf das Ziel: Nazi-Aufmärsche verhindern! 

 

Was ist die Kleingruppentaktik?

 
Oft ist es im Demonstrationsgeschehen besser, als Kleingruppe oder Bezugsgruppe unterwegs zu sein. In dieser Gruppe habt ihr Vertrauen zueinander und vor der Aktion abgesprochen, wie weit ihr gehen und was ihr euch zumuten wollt. Als Kleingruppe kann man oft selbstbestimmter und agiler handeln als aus einer großen Demonstration heraus und ist dabei effektiver als als Einzelperson. Wer aufpasst, landet auch nicht so leicht auf dem Radar der Polizei. Am 9. Januar könnte das entschlossene und solidarische Agieren vieler Kleingruppen bedeuten, dass der LEGIDA-Aufmarsch verhindert wird. In Ansätzen ist es bereits am 12. Januar 2015 gelungen, zu verhindern, dass die völkischen Rassisten zu ihrem Kundgebungsort gelangen. Es kann gar nicht so viel Polizei unterwegs sein als dass es möglich wäre, das Einsickern in das Waldstraßenviertel zu verhindern. Tauscht euch aus wo die bessten Straßen sind. Oft sind das eher die kleinen Wege, beispielsweise aus dem Norden. Bedenkt aber auch, dass sich einige der Nazi-Hooligans im Viertel am Stadion gut auskennen.


Bleibt besonnen, passt aufeinander auf und legt das Konzept des antifaschistischen Selbstschutzes offensiv aus: Handeln heißt halt auch zu handeln, bevor Faschos angreifen. Nazi sein heißt immer noch Stress zu kriegen!

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  1. Bist du schon mal bei einer Anti-Nazi-Demo in der ersten Reihe gelaufen?

  • Ja, weil mittendrin ist im Rolli echt kacke (2 Blume)

  • Nein, mein Golfschläger ist zu sperrig (4 Mollis)

  • biste beim VS oder was? (1 TKP, 1 Blume, 1 Molli)

 

    2. Hast du schon mal für mehr als 50 Leute gekocht?

  • Ja, wegen der Muckis und dem Fame (1TKP)

  • Hä, Kochen? Tiefkühlpizza (TKP), ja das kann ich (3 TKP)

  • Essen? Ich hab doch Kaffee und Speed (Espresso)

   3. Bist du schon mal vor einer Aktion ne halbe Stunde früher aufgestanden um für alle Kaffee zu kochen und Brote zu schmieren?

  • Ja (2mollis, 3 Blume)

  • Nein, weil ich am Vorabend immer noch ultra wichtige Dinge zu tun habe (TKP)

  • Zählt durchgemachthaben auch? (1Molli)

 

   4. Warst du schon mal plakatieren?

  • Ja (Kaktus)

  • Nein, ist mir zu plakativ (3 TKP)

  • Nur mit Mehlkleister. Das schimmelt. Ist aber öko (Blumenstauß)

 

   5. Hast du schon mal Mollis, Farbbomben etc. geworfen oder Graffitis gemalt?

  • Ja, aber ich wusst nicht worum es geht ( 2 Blumen)

  • Nein, der Wein war noch nicht alle (*NIX)

  • Klar werf ich immer mal Mollis, sprühen ist mir zu militant (1 Blume, 1TKP)

  • Ist das eine standard Telefonumfrage? (2Mollis 2 TKP)

 

   6. Hast du schon mal n Flyer layoutet oder ne Pressemitteilung geschrieben?

  • Ja, das dürfen in unserer Gruppe nur Leute mit Abi (*NIX)

  • Nein, ich weiß ja gar nicht wie das geht (½ TKP)

  • schreiben tu ich nur in der Kommentarspalte bei Indy (1Molli)

  • Vermittlung? Wozu das denn? Lesen muss mensch eh nur :(TKP)

        • das Kapital (2 Blumen)
        • Bakunin (Blume)

        • die Bild (3TKP)

        • diesen Kalender (5TKP, 5Mollis, 5Blumen)

 

   7. Weißt du, was du tust, wenn du oder deine Mitmenschen Pfefferspray abbekommen haben?

  • Molli werfen (-1Molli)

  • Polizei rufen (3 Blumen)

  • Augenausspühlen (-3 Blumen, mit irgendwas muss mensch ja die augenausspüheln)

  • Steht doch im Kapital, oder? (*NIX, guck doch im Kapital)

 

    8. Hast du schon mal an einem DA-Kalender mitarbeitet?

  • Ja (1 TKP, 2 Mollis)

  • Ja (1 Molli, 1 Blume)

  • Ne, aber hab ich nächstes Jahr vor (Schick uns ne mail und wir erzählen dir was du bekommst)

 

Nun zähle alle Pizzen, Mollis und Blumen zusammen und berechne das Ergebnis anhand von folgender Formel ((2xPizza x 3xMolli)² + 1,5 x Blumen) / (Pi* Pizza)².

 

 

Am meisten Blumen / Formel 0-3:

Falls du dich bisher nicht mit der Schnittblumenproduktion auseinander gesetzt hast hol es nach und mach (am besten am nächsten Valentinstag) eine Aktion gegen den nächstbesten Blumenladen.

 

Am meisten Mollis / Formel 4 bis 6:

Wirf die Anzahl deines Zählergebnisses oder der Quersumme auf ein Ziel deiner Wahl.

 

Am meisten Tiefkühlpizzen / Formel mehr als 7:

Wenn dir (im Gegensatz zu uns) was schlaues einfällt, was mensch subversives mit oder gegen Tiefkühlpizza machen kann, schreib uns ne Mail (tiefkuehlpizza@nirgendwo.info). Unter allen Einsendenen verlosen wir ein Universaltransparent mit der Aufschrift „Hallo, geht’s noch?“ und eine Flasche Wein. Einsendeschluss ist der 31.12.2017

 

Was soll der ganze Quark?

Widerstand lebt nicht von Cookies, sondern von Solidarität, Vielfältigkeit und sich ergänzenden Fähigkeiten etx. Die Frage wer cool und wer uncool ist, ist eher bekloppt (so wie dieser Test aus dem Direct Action Kalender 2017 halt auch...)

Da war jemensch schneller mit abtippen…