Aufstand und Produktion

soldier

Ein faktenhaltiges Gedankenspiel für die Debatte über Aufstandsstrategien der Arbeiter_innenklasse: Erste Schritte in einer sechsmonatigen revolutionären Übergangsperiode in Großbritannien


Liebe Reisegefährt_innen,

wir haben in der Vergangenheit ein paar Texte über revolutionäre Strategie geschrieben, in denen wir unser Augenmerk auf die Beziehung zwischen der Existenz der Arbeiter_innen innerhalb des sozialen Produktionsprozesses, Erfahrungen alltäglicher Kämpfe und der Möglichkeit einer größeren
Bewegung der Arbeiter_innenklasse gelegt haben – eine Strategie, die von anderen als “Sozialstreik” bezeichnet wird [1].

Obwohl wir daran festhalten, dass wir nur dann fruchtbare Organisierungsvorschläge machen können, wenn wir die täglichen Kämpfe unserer Klasse analysieren, denken wir doch auch, dass es nicht schaden kann, darüber zu diskutieren, wie eine revolutionäre Situation im 21. Jahrhundert aussehen könnte. Über morgen nachzudenken könnte unsere Sicht auf das Heute schärfen.

Wir sind damit nicht alleine. Seit den Aufständen von 2010/11 (Arabischer Frühling etc.) und der allgemeinen Intensivierung von Sozialen Bewegungen und globalen Streikwellen in den letzten zehn Jahren, hat die radikale und nicht so radikale Linke viel über Transition, Postkapitalismus, Sozialstreik diskutiert. In diesem Text werden wir kurz auf die wichtigsten Ideen eingehen, die in diesen neueren Analysen über Revolution und fundamentale soziale Veränderung formuliert worden sind. Wir machen das, um Grenzen dieser Theorien herauszuarbeiten, und um deren politische Implikationen aufzuzeigen. Die beiden Lager, die wir uns hier anschauen sind, nicht überraschend angesichts des Titels, erstens jene Leute im radikalen Milieu, die einen insurrektionistischen Zugang zu politischen Aktionen bevorzugen (Riots auf den Straßen, spontane proletarische Aktionen, oder solche die von marginalisierten Leuten vollbracht werden, der sogenannten surplus Bevölkerung) und zweitens jene Leute, die dazu tendieren, sich auf Arbeiter_innen in der Produktion und ihre kollektive Macht zu konzentrieren und das vielleicht nicht in Bezug setzen zu einem weiteren Blick auf proletarische Verarmung und andere Lebensbereiche und Kampffelder.

Wir nehmen eine Perspektive ein, die versucht, diese traditionellen insurrektionistischen und syndikalistischen Modelle hinter sich zu lassen, um in einer weniger abstrakten Art und Weise darüber nachzudenken, was eine kommunistische Revolution mit sich bringen würde.

 

Zu diesem Zweck besteht der Hauptteil des Textes in einer empirischen Studie über die von uns so genannten „Basisindustrien“ in der Region Großbritannien, die etwa 13 Millionen Arbeiter_innen umfassen. Wir denken, dass sie das Rückgrat unserer Stärke in der revolutionären Übergangszeit sein werden, um uns zu reproduzieren während die konterrevolutionären Kräfte versuchen uns fertigzumachen. Auch wenn dies wie ein Ausflug in eine ideale, unbekannte Zukunft erscheinen könnte, denken wir, dass die Neuvermessung der Beziehung zwischen proletarischer Gewalt, Aufstand und Produktion unter den Bedingungen der Klassenzusammensetzung im 21. Jahrhundert dabei helfen wird, unserer gegenwärtigen politische Praxis eine Grundlage zu geben.

Und dies in einer Zeit allgemeiner politischer Desorientierung, zu der die Niederlagen und die Einhegung der Aufstände geführt haben, die wir in den letzten Jahren überall auf dem Erdball miterlebt oder beobachtet haben.



a) Die Realität des Kampfes: ein kurzer Rückblick auf die Aufstände von 2010/11 aus einer revolutionären Perspektive

 

Die Kämpfe von 2010/11 brachten die Frage der Beziehung zwischen Aufständen und Streiks in einer revolutionären Situation zurück auf die Tagesordnung – ohne diese Tatsache würden die jetzt folgenden Überlegungen noch abstrakter anmuten als sie sind. Hier beziehen wir uns auf Platzbesetzungen, Straßenkämpfe und Streiks in deren fortgeschrittenster Form in Ägypten, aber auch in Griechenland, Spanien und in der Türkei. Von einer revolutionären Perspektive aus – bezüglich der Frage ob sie eine Gefahr für die Staatsgewalt dargestellt haben und was die Aneignung der Produktionsmittel angeht - hatten die Aufstände zwei Begrenzungen, die sich gegenseitig beeinflußt und determiniert haben.


a) der politische Fokus der Bewegungen war die Regierungsform: die Leute haben sich in der Öffentlichkeit getroffen, erlebten eine Massenbeteiligung und legten sich mit der Staatsgewalt an. An einem bestimmten Punkt wurde es schwierig, die Besetzung und die Bewegung aufrechtzuerhalten, sowohl in Hinsicht auf repressive Gewalt als auch in Hinsicht auf die materielle Reproduktion;

b) die Streiks blieben größtenteils auf die ökonomische Sphäre von Lohnkämpfen beschränkt und wurden nur insofern politisch, als das mit den Regierungsstrukturen verbundene Management herausgefordert wurde. Während die Streiks wesentlichen ökonomischen Druck aufbauten, z.B. der Streik der Eisenbahnarbeiter_innen oder der Hafenarbeiter_innen im Suez, entwickelte sich in ihnen keine Alternative sozialer Aneignung und Neuorganisation der Produktion. Dadurch blieben die Straßenproteste in einem politischen Vakuum.

Während des Aufstandes in Argentinien 2001 gab es eine ähnliche Situation. Piqueter@s und Demonstrationen waren in der Lage, Regierung um Regierung zu stürzen, aber der Fokus blieben die Regierungsgebäude als Symbole der Macht. Obwohl Unternehmen teilweise übernommen wurden, waren diese Übernahmen doch durch die ökonomische Lage der Unternehmen (ihren Bankrott) bestimmt und nicht durch ihre soziale Bedeutung. Viele Marktbeziehungen blieben bestehen, was bedeutete, dass die Fleischindustrie weiter arbeitete und exportierte, während Kindersterblichkeit und Mangelernährung in das am weitesten entwickelte Land Lateinamerikas zurückkamen.


Obwohl die Aufstände von 2010/11 besiegt wurden, führten sie dazu, dass in der Linken wieder über „soziale Transformation“ diskutiert wurde. Manche erklärten die Begrenzungen dieser Bewegungen mit der begr
enzten Perspektive ihrer Teilnehmer_innen, z.B. dem „Demokratie Fetisch“ der Platzbesetzer_innen, oder dem gewerkschaftlichen Bewußtsein der Streikenden, was uns etwas oberflächlich erscheint. Andere hingen einer deterministischen Sicht an, wenn sie darauf hinwiesen, dass die Aufstände nicht einer kapitalistischen Krise an sich entsprungen waren, sondern aus einem neoliberalen Niedergang, der den korrupten Charakter der politschen Elite geoffenbart hatte. Diese Position besagt, dass die Aufstände daher notwendigerweise begrenzt waren auf die Kritik einer bestimmten Regierungsform und Reichtumsverteilung. Obwohl wir zustimmen, dass diese Krise der „neoliberalen Regimes“ den regionalen und geographischen Fokus und die Begrenzungen der Aufstände teilweise erklären kann, denken wir auch, dass es keine Krise des Kapitalismus in einer „reinen Form“ geben wird, die der Gegenbewegung mechanischerweise das Ziel „Kommunismus“ eingeben wird. Die Kämpfe selbst werden unter den globalen Bedingungen industrieller Armut dieses Ziel auf die Tagesordnung setzen müssen.

Abgesehen von diesen eher kruden und deterministischen Interpretationen gibt es einige Positionen, die versuchen, den Charakter der Aufstände in Beziehung zu setzen zu tatsächlichen materiellen Veränderungen:

*** die arme surplus Bevölkerung (Kommunisierungstheorie, Insurrektionismus)
*** der Arbeiter integriert in einen größeren Produktionsprozess oder in eine Migrationswelle (Beverly Silver, Immanuel Ness etc.) [2]

b) Die revolutionäre Essenz des Kapitalismus - Kurze Bemerkungen zu einer Debatte über „surplus Bevölkerung“ (Riots) gegen „die Weltarbeiter_innenklasse“ (globale Produktion), um die Frage zu stellen, was die grundlegenden revolutionären Widersprüche des Kapitalismus sind;

Um auf eine ernsthaftere Weise zu versuchen, die revolutionäre Subjektivität und die Begrenzung der Aufstände zu verstehen, haben wir mit einer unproduktiven Trennung der Analysen umzugehen: manche Leute betonten die immer größer werdende Anzahl von Proletarier_innen, die aus dem unmittelbaren Produktionsprozess ausgeschlossen werden, (surplus Bevölkerung, Arbeitslose), andere legten ihren Fokus auf die kollektive Produktionsmacht von Arbeiter_innen in den sich ausbildenden globalen Zulieferketten. (Debatte um die Weltarbeiter_innenklasse). Andere entdeckten die „Ära der Riots“ [3] während die nächsten die „globale Streikwelle“ ausriefen. [4]. Beide Seiten können breit gestreute soziologische Beweise für ihre Position vorlegen – Zahlen über Slumbewohner_innen oder die weltweite Integration der Produktion.

Wir können uns fragen, wo diese Trennung von politischem Fokus herkommen mag. Obwohl es sicher etwas mit der sozialen Position, der regionalen Verortung und den politischen Vorlieben derer die analysieren zu tun hat, scheint der wichtigste materielle Grund doch die tatsächliche Trennung innerhalb der Existenzweise der Arbeiter_innenklasse zu sein: Wie Arbeiter_innen Verarmung und Produktionsmacht erleben ist strukturiert nach Region, Branche, nach Gender Aspekten etc. In diesem Sinn spiegelt die meiste theoretische Analyse und ihr einseitiger Fokus die Wirklichkeit lediglich, ohne sie in Frage zu stellen.


Bevor wir mit mehr empirischer Analyse weitermachen, lasst uns einen Schritt zurück machen und eine grundlegende politische Frage stellen, die sich hinter der Bevorzugung entweder des „surplus Proletariats“ oder der „produktiven Weltarbeiter_innenklasse“ steht: Was ist die revolutionäre Tendenz innerhalb des Kapitalismus? Wir wissen, dass Klassengesellschaften immer fragil gewesen sind, und der Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung ihr Hauptwiderspruch ist, aber was ist das Spezifische am Kapitalismus? Wir denken, dass der Kapitalismus zwei innere revolutionäre Dynamiken hat:

1) Steigende Produktivität führt zu größerer Ungleichheit und relativer Massenverarmung. Armut gibt es im Kapitalismus nicht, weil es einen Mangel an etwas gibt, oder in erster Linie deshalb, weil sich die Ausbeuter_innen einen grösseren Teil des gesellschaftlichen Kuchens aneignen - was Ausbeuter_innen seit Jahrtausenden tun -, sondern weil die Ausbeuter_innen sich einen größeren Teil des produzierten Reichtums aneignen.
Kapitalismus hängt von der Ausdehnung der Produktion ab, obwohl ein Zuwachs an gesellschaftlicher Produktivität zu einer wachsenden relativen Armut für den Großteil der Proletarier_innen führt. Die Verwendung von neuer Technologie oder neuem Wissen führt oft zum Verlust von Arbeitsplätzen und einem Ansteigen der Arbeitslosigkeit, v.a. durch die Proletarisierung von Handwerker_innen/individuellen Produzent_innen und bäuerlicher Bevölkerung. In der Industrie sind Arbeiter_innen entweder überarbeitet oder unterbeschäftigt. Dieser Widerspruch wird vor allem als objektive Tatsache sichtbar, als Resultat des Produktionsprozesses: Überproduktion und Überkapazitäten (Fabrikschließungen etc.) auf der einen Seite, die Entwicklung einer surplus Bevölkerung oder working poor auf der anderen. Das Anwachsen der Armut führt dazu, dass mehr von dem Mehrprodukt für den Repressionsapparat ausgegeben wird. Dies zeigt aber auch, dass das Potential eine bessere Zukunft zu schaffen, objektiv gegeben ist.

2) Die Auswirkungen steigender Produktivität auf die Kooperation der Arbeiter_innen und die Untergrabung der Macht des Kapitals;
Während die oben beschriebene erste Ebene des Widerspruchs vor allem als ein materielles Ergebnis des [Re]produktionsprozesses erscheint, wirkt sich die zweite Seite des Widerspruchs auf die Art und Weise aus, wie der Produktionsprozess organisiert ist. In anderen Worten: das Kapital muss die Produktivität erhöhen, nicht zuletzt um die Arbeiter_innen mit ein paar Krümeln des anwachsenden Kuchens ruhig zu stellen. Die Hauptquelle kapitalistischer Produktivitätssteigerung ist die Konzentration von Arbeit und Maschinerie (Großindustrie), die auf einer engen Kooperation von Arbeiter_innen beruht. Historisch gesehen führt dies zu Kollektivität und Unruhe unter Arbeiter_innen, die angesichts der erfahrbaren massenhaften Zusammenarbeit nicht nur um die Krümel im Angebot kämpfen, sondern auch um die Kontrolle über den Produktionsprozess als solchen. Je enger die Arbeiter_innen zusammenarbeiten, desto weniger ist das Kapital (und seine Repräsentant_innen in Form des Managements) in der Lage, als Voraussetzung und notwendiger Organisator sozialer Produktion zu erscheinen.

Dieser Anschein, der notwendige Organisator der Produktion zu sein, ist die wichtigste soziale Legitimierung und Macht des Kapitals – nicht die Armee, nicht seine Medienmanipulation, nicht seine Gefängnisse. Das Kapital ist daher gezwungen, den Produktionsprozess „politisch“ aufzuteilen (durch Outsourcen und Verlagerung von Unternehmen durch Trennung der intellektuellen Arbeit vom Produktionsprozess, durch die Reproduktion der Trennung zwischen Produktion und dem häuslichen Bereich etc.), was dann dazu führt, dass die gesellschaftliche Produktivität untergraben wird.

Für Arbeiter_innen sieht diese Segmentierung zunächst wie das unlogisches Vorgehen eines „schlechten Managements“ oder schlechter Bürokratie aus („Sie wollen, dass wir kooperieren, aber sie lassen uns nicht“) oder als neutrale Marktoperation („Kleine ökonomische Einheiten sind effizienter“ etc.) Dieser Widerspruch sitzt im Zentrum dessen, was Kapital ist: die Verkehrung von sozialer Kooperation, dessen Produkt eine unabhängige Macht über uns zu haben scheint; oder, um es positiv zu wenden: die Fähigkeit der Arbeiter_innen ihre globale Kooperation zu erkennen und sie zu nutzen, um zu kämpfen und eine bessere Welt zu schaffen.

Dieser Hauptwiderspruch des Kapitals erscheint gleichzeitig als eine innere Eigenschaft der Produktion (abgetrennte Kooperation) und als ihr Ergebnis (relative Verarmung). Die Bevorzugung von entweder „surplus Bevölkerung“ oder der Produktionsmacht der Arbeiter_innen trennt diese beiden Dynamiken, anstatt zu analysieren, wie in der Realität die Erfahrungen von Verarmung und kollektiver Produktivität innerhalb der globalen Arbeiter_innenklasse zusammenfallen oder getrennt sind. Die Trennung führt auch zu einem anderen Verständnis von Revolution und daraus folgend, der eigenen Rolle.

 

Wenn wir uns nur auf den ersten Aspekt des Widerspruches fokussieren – die Erschaffung einer verarmten surplus Bevölkerung – werden wir den sozialen Prozess v.a. als automatische Tendenz wahrnehmen: Kapital akkumuliert sich selbst und spuckt eine steigende Anzahl von unzufriedenen Arbeitslosen aus. Während dies auf der einen Seite zu einer ziemlich deterministischien Sicht auf soziale Entwicklungen führt, - die wir nur beobachten können und die wenig zu tun hat mit dem Handeln der Ausgebeuteten – führt es auch zu einer ziemlich oberflächlichen und mechanischen Sicht von Revolution als Aufstand und Bruch: an irgendeinem Punkt wird es einfach zu viele arme Leute geben, als dass man sie kontrollieren könnte. Stattdessen sollten wir analysieren, wie sich die Erfahrung der Kooperation und kollektiven Produktivität und Kämpfe von Arbeiter_innen zu der Erfahrung der Verarmung verhalten: Wie verhalten sich die Kämpfe von neuen Fabrikarbeiter_innen zu denen verarmter Bäuerinnen/Landarbeiter_innen, oder Kämpfe von IT-Arbeiter_innen zu denen unterbeschäftigter Proleten der städtischen Armut?


Leider blieben bisher die meisten Versuche, diese Trennung der Analyse (Lohn/Industriearbeiter_innen gegen andere Formen proletarischer Existenz) zu überwinden, pluralistisch in einem schlechten Sinn, z.B. die „Global Labour History“ Diskussion, die es vermeidet, über revolutionäre Tendenzen zu sprechen und stattdessen ein „zueinander in Wechselbeziehungen stehendes Patchwork“ von industrieller Arbeit/Lohnarbeit und Eigenproduktion auf kleiner Stufenleiter/nicht-Lohnarbeit zusammenstoppeln. [5]

Um eine deterministische Sichtweise auf kapitalistische Entwicklung und Kämpfe zu vermeiden,

geben sie es auf, nach Tendenzen zu suchen, die das Kommando des Kapitals schwächen und über es hinaus weisen.

In diesem Sinn wird es nicht ausreichen, diese Trennung empirisch abzubilden, indem man der surplus Fraktion beweist, dass Slumbewohner_innen in den globalen Produktionsprozess integriert sind, oder indem man der „Zulieferketten Gang“ beweist, wie dominierend das ländliche Hinterland und die Ghetto Ökonomie in vielen Regionen tatsächlich ist.

 

Ein ernsthafter Versuch, die globale Arbeiter_innenklasse abzubilden – nicht einfach als Collage, sondern mit der Frage der Tendenzen zur sozialen Transformation in verschiedenen Formen – wurde von unseren Genoss_innen der Gruppe „Wildcat“ in deren Artikel über die „Globale Arbeiterklasse“ unternommen [6]. Wir ermutigen dazu, diesen Text zu lesen und zu diskutieren und ihn weiterzuentwickeln anhand der folgenden Fragen:

* die Auswirkung von ungleicher Entwicklung innerhalb der Arbeiter_innenklasse und ihre politischen Auswirkungen: die Beziehung zwischen unmittelbarer Erfahrung (z.B. Teil der sozialen Kooperation in der Großindustrie zu sein bzw. von schlechten Jobs und staatlichen Leistungen abhängig zu sein) und politische Segmentierung oder deren Aufhebung im Klassenkampf;
* die besondere Rolle der „produktiven Arbeiter_innenklasse“ ein soziales Programm zu entwickeln unter dem Druck der marginalisierten Proletarier_innen;
* die Frage des revolutionären Übergangs, die Beziehung zwischen Aufstand (den Staat umstürzen) und Aneignung (die Produktionsmittel übernehmen)
* bezugnehmend auf die drei vorausgegangenen Fragen: die Rolle politischer Klassenorganisationen

 

 

c) Das regionale Rückgrat des Aufstandes: empirisches Material über die Struktur von Basisindustrien in der Region Großbritannien



In der zweiten Hälfte dieses Artikels versuchen wir die Debatte über Aufstand und Revolution und die Frage der regionalen Entwicklung in einen konkreten Kontext zu übersetzen – die Region Großbritannien und ihre industrielle Zusammensetzung.

Was ist das politische Ziel einer solchen soziologischen Fleißarbeit? Sie kann einige Mythen innerhalb der vornehmlich aus der Mittelklasse kommenden Linken entkräften, deren Ideologie eines Revolutionären Übergangs auf der Annahme beruht, dass Produktion heutzutage hauptsächlich immateriell sei, oder dass alles automatisiert werden wird, oder dass Arbeit oder der Arbeitsplatz im allgemeinen keine große Rolle mehr spiele in der proletarischen Vergesellschaftung.

Dank dieser empirischen Übung können wir uns einen groben Überblick über Zahlen verschaffen: Wie viele Menschen sind damit beschäftigt, unser physisches Überleben zu sichern? Im Kontrast dazu und wichtiger können uns diese Zahlen als Grundlage dienen für Propaganda in der Arbeiter_innenklasse: Wie weit können wir die sozial notwendige Arbeitszeit reduzieren, wenn alle sich an sozial notwendiger Arbeit beteiligen?

Die empirische Zusammenfassung weiter unten umreißt die materiellen Rahmenbedingungen, innerhalb derer ein regionaler Aufstand samt Übernahme der Produktionsmittel stattfinden würde sowie die grundlegenden Herausforderungen, denen sich das aufständische Proletariat gegenübersehen würde:

* Wie viel Essen gibt es, das verteilt werden kann, bevor die Scheiße am Dampfen ist und Knappheit dazu führt, dass alle sich gegenseitig die Köpfe einschlagen?
* Was würde sofort fehlen, wenn unsere Region von den großen Handelsflüssen oder der Energieversorgung abgeschnitten würde?

* Wie viele Arbeiter_innen sind in den Basisindustrien beschäftigt und wie ist ihre Zusammensetzung nach Qualifikation, Herkunft, Geschlecht?
* Wo sind die Basisindustrien geographisch gelegen?
* Wir groß ist die Mittelklasse vorort?
* Wie ist die Zusammensetzung der Bauernschaft vorort?
* Wie reproduziert sich die Armee und die Polizei materiell? (Wer putzt die Baracken, wer kocht für die Armee, wer repariert die Polizeiwannen?)

[Disclaimer: Uns ist klar, dass in diesem Fall die Zugänglichkeit von bürgerlichen Statistiken (der Region Großbritannien) und vielleicht ein gewisses Brexit Trauma den gewählten Rahmen bedingt haben. Das ist natürlich gefährlich, aber wir werden weiter unten mehr dazu erklären.]



* Gesamtbevölkerung Großbritannien: 64 Millionen

Lohnarbeitende Bevölkerung: 31,58 Millionen (23,12 Millionen arbeiten Vollzeit)
Arbeitslos: 1,69 Millionen (offizielle Zahlen)
Arbeiter_innen in den Basisindustrien: ca. 13-16 Millionen
migrantische (in einem anderen Land geborene) Bevölkerung, vor allem aus der Arbeiter_innenklasse und in größeren Städten lebend: 8 Millionen

Bevölkerung nach Größe der Städte (2011):

London: 8 Millionen
Birmingham: 1 Millionen
Städte zwischen 200.000 und 600.000 Einwohner: 25
Städte zwischen 100.000 und 200.000 Einwohner: 51
Städte zwischen 50.000 und 100.000 Einwohner: 108
Städte zwischen 50.000 und 10.000 Einwohner: 817
Städte zwischen 10.000 und 5.000 Einwohner: 522
Städte unter 5.000 Einwohnern: 6.300

Besiedelte Gebiete mit einer Bevölkerung von 10.000 oder mehr Einwohner_innen werden als städtisch definiert. 2011 haben 81,5 % (45,7 Millionen) der einheimischen Bevölkerung Englands und Wales in städtischen Gebieten gelebt, und 18,5 % (10,3 Millionen) auf dem Land. Einwohner_innen ländlicher Gebiete sind öfter in Großbritannien geboren (94,9 % gegenüber 84,7 % in Städten), gehören öfter „weiße Brit_innen“ (95,0 % verglichen mit 77,2 % in städtischen Gebieten). Was die Existenz von über 6.300 Kleinstädten für einen Aufstand bedeuten mag, ist eine Herausforderung für die Zukunft.


* Größe von Unternehmen in Großbritannien (2015):

Privatunternehmen gesamt: 5,4 Millionen
Beschäftigte: 25,8 Millionen

Unternehmen ohne Beschäftigte: 4 Millionen
Unternehmen mit 1 – 9 Beschäftigten: 1 Million (4 Millionen Beschäftigte)
Unternehmen mit 10 – 49 Beschäftigten: 200.000 (4 Millionen Beschäftigte)
Unternehmen mit 50 – 250 Beschäftigten: 32.555 (3,2 Millionen Beschäftigte)
Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten: 7.000 (10,2 Millionen Beschäftigte)

Wenn wir davon reden dass 13 – 16 Millionen Arbeiter_innen in den Basisindustrien beschäftigt sind, meinen wir damit Industrien, die direkt relevant sind für Reproduktion unter den Bedingungen eines Aufstandes, für einen längeren Zeitraum: was brauchen wir für unser materielles Überleben und die Selbstverteidigung gegen den Klassenfeind? Diese Zahlen aus kapitalistischen Statistiken zu extrapolieren, bedeutet ein Stück weit, zu raten. Die obigen Zahlen schließen Lehrer_innen und lokale Beamte nicht mit ein, auch wenn das die Beschäftigten der öffentlichen Schwimmbäder einschließt – wesentlich! Sie schließt ein alle Arten von irrelevanten Branchen, wie Waffen und Autoproduktion – wegen ihrer Bedeutung für Technologie- und Wissenstransfer. Hier eine Aufgliederung dieser Zahl der Arbeiter_innen in den wesentlichen - oder Basisindustrien mit einigen branchenspezifischen Eigenheiten.

 

* Landwirtschaft – 500.000 Menschen

Ca. 53% des Essens, das in Großbritannien konsumiert wird, ist lokal produziert, der Rest ist importiert. Obst und Gemüse machen den größten Teil der Importe aus (in Geld gemessen!): die führenden Zulieferer sind die Niederlande (5,6%), Spanien (5,1%), Frankreich (3,1%), Deutschland (3,1%) und Irland (3,0%). Drei Länder liefern 90% der importierten Milchprodukte und Eier (Großbritannien Bauernhöfe liefern 86% der totalen Konsumption.). Drei Länder lieferten 90% der Fleisch und Fleischzubereitungen (Großbritannien produzierte 84%).12 Länder lieferten 90% der Getreides und der Getreideprodukte (Reis eingeschlossen). Großbritannien produzierte 56% des Getreides. Import oder Export von Grundnahrungsmitteln (Kartoffeln, Weizen, Reis) ist zum Teil eine Frage der Preise und nicht nur der Produktionskapazitäten, z.B. wurden 2015 etwa 1.250.000 Tonnen Weizen von der EU importiert, aber gleichzeitig hat Großbritannien 61.000 Tonnen lokal produzierten Weizen in die USA exportiert. Anders ist das mit den 100g Reis, die pro Kopf in der Woche in Großbritannien konsumiert werden: 30% ist aus EU Ländern importiert, der Rest aus dem Globalen Süden.

24 Länder haben 90% des Obst und Gemüse Importe geliefert (Großbritannien hat 23% geliefert). Daraus folgt, wenn keine direkten Beziehungen zu spanischen und niederländischen Gewächshäusern etabliert werden können, wird es schwierig die „5 Stücke am Tag“ Regel einzuhalten! Aber für ein Land, das in Punkto Ernährungssicherheit schlechter dasteht, sieht es nicht bedrohlich aus, was die Abhängigkeit vom globalen Markt angeht – zumindest nicht so schlecht wie für Ägypten, wo 60% des konsumierten Weizens importiert werden muss. Die EU hat ein Verhältnis von Essensproduktion zu Importen von ca. 90%.

Was ist mit der Konzentration der Branche? Zunächst ist es interessant, dass von 2 Millionen Tonnen Vorrat an Weizen (jährliche Produktion: 15 Millionen Tonnen, 65% der gesamten Getreideproduktion) 38% der Vorräte auf den Bauernhöfen, und 62% in Häfen, Kooperativen, und Händlern, - d.h. nicht bei den einzelnen Besitzern bevorratet ist. Im Vergleich dazu ist das globale Verhältnis zwischen bevorratetem Weizen und jährlichem Konsum 30% und 20% für Reis. In Großbritannien ist der meisten Weizen, der in Bauernhöfen lagert für die Ernährung der Tiere vorgesehen. Nicht nur der Weizenvorrat ist konzentriert, die Weizenmühlen sind auch ziemlich monopolisiert: 2011 wurden in Großbritannien 5 Millionen Tonnen Weizen in nur 56 Weizenmühlen gemahlen. Die zwei größten Unternehmen produzieren etwa 40% des britischen Weizens.

Wie sind die Bauernhöfe zusammengesetzt? Sie befinden sich auf fast 235.000 Landbesitzen, deren kultivierbare Fläche etwa 54 Hektar beträgt (130 Acres). Etwa 70% der Bauernhöfe werden vom Besitzer betrieben und der Rest von Pacht zahlenden Bauern. Etwa 41.000 Bauernhöfe (ca. 14% aller Bauernhöfe) sind größer als 100 Hektar und machen über 65% der landwirtschaftlichen Fläche aus. Während „Getreidehöfe“ tendenziell eher Familienunternehmen sind, ist die Fleischindustrie eher industriell organisiert: Etwa 930 Millionen Fleischhühnchen wurden in Großbritannien 2012 produziert, auf 25.000 Höfen und in 30 Schlachtanlagen. Unternehmen wie Lower Farm produzieren über 1,3 Millionen Hühnchen im Jahr. Großbritanniens Geflügelindustrie beschäftigt ca. 55.000 Menschen überall im Land, auf Höfen, in Brutanstalten, Tiernahrungsmühlen, weiterverarbeitenden Fabriken, und im Transport.

Trotz der kapitalistischen Natur der britischen Landwirtschaft (die Bauernfrage hat sich erledigt) können wir sehen, dass wir mit 200.000 Eigentümer-betriebenen Unternehmen zu tun haben, die von Saisonarbeiter_innen abhängen, außerhalb der städtischen Gebiete – was bedeutet, dass dass hier nicht eine Übernahme durch Arbeiter_innen, sondern eine komplexere soziale Dynamik zu erwarten sein wird.

 

* Essensverarbeitung und -produktion – 2,2 Millionen Menschen

Hier springt die kapitalistische Dynamik ins Auge: von 2.2 Millionen Arbeiter_innen in der Branche arbeiten nur 0,5 Millionen in der Essensherstellung und 1,6 Millionen in Kantinen und Restaurants. Obwohl nicht alle Restaurantarbeit sozial überflüssig ist, ist es doch vor allem Verpflegung für individuellen Konsumtionsmuster – aber das Essen muss gekocht und zubereitet werden und der Produktionsprozess in einem Restaurant wird nicht mehr oder weniger produktiv sein als eine Kollektivküche in einer Hausgemeinschaft von 200 bis 250 Menschen. Produktivitätsraten von Restaurants können nicht mit denen in Fabriken verglichen werden, z.B. produzieren vier Fabriken in Noon Foods in Southall 2,4 Millionen Essen in der Woche, indem sie 3.000 Arbeiter_innen beschäftigen, incl. Manager und Verwaltungsangestellte und Arbeiter_innen, die Snacks produzieren. Das sind etwa 200 Essen am Tag pro Arbeiterin. Es ist auch interessant zu wissen, dass diese Fabriken nicht besonders automatisiert sind, sondern eher arbeitsintensiv.

Für unsere insurrektionistischen die-Ökonomie-blockieren-und-plündern-Freunde: aufgrund unserer persönlichen Arbeitserfahrung in einer Supermarktkette und in der Lebensmittel verarbeitenden Industrie können wir sagen, dass der durchschnittliche Vorrat eines Supermarktes in London für etwa 24 bis 48 Stunden reicht. Die wichtigsten Warenlager befinden sich außerhalb der Stadt und lagern einen Vorrat für maximal zwei bis fünf Tage. Die Ware für die wichtigsten Essensverarbeitungsfabriken kommt aus dem landwirtschaftlichen Hinterland (Hühnchenfarmen, Weizenmühlen, Kartoffelhöfe) und aus dem Ausland (frisches Obst und Gemüse). Der Kommunisierungsspaß würde also maximal drei Tage dauern!

 

* Wasserversorgung und -aufbereitung und Müllmanagement und Straßenreinigung / allgemeine Reinigung: 166.500 und 145.000 bzw. 480.000 Menschen

Das Müllmanagement sind nicht aufgeschlüsselt, z.B. wie viel davon mit der Großindustrie zusammenhängt und wie viel mit individueller Konsumption. Ähnlich ist es nicht klar, wie viele von den 400.000 Reinigungskräften in Haushalten arbeiten, aber aus einer Quelle geht hervor, dass derzeit über 6 Millionen Menschen in Großbritannien eine Putzhilfe beschäftigen!

 

* Energieversorgung insgesamt: ca. 680.000 Menschen

Wegen des heftigen Lobbyismus in dieser Branche (Kohleindustrie, aber auch erneuerbare Energien) könnten diese Zahlen weniger vertrauenswürdig sein:

Gasindustrie: 142.000
Stromerzeugung: 87.000
Kohle: 6.000
Erdöl: 150.000 (ca. 50.000 Arbeiter_innen sollen off-shore in der Öl- und Gasproduktion arbeiten)
Atomkraft: 44.000 - 60.000
Erneuerbare Energien: 112.000
Sonstige Instandhaltung des Netzes und Verwaltung: ungefähr 130.000

2014 lag die Stromproduktion bei insgesamt 335 TWh (Terawattstunden) (weniger als die Höchstmenge von 385 TWh 2005), aus den folgenden Quellen:

Gas: 30,2% (1990 waren es 0,05%) – andere Quellen sagen 54% für 2016
Kohle: 29,1% (1990 waren es 67%) – andere Quellen sagen 6% für 2016
Nuklear: 19.0% (1990 waren es 19%)
Wind: 9,4% (1990 waren es 0%)
Bio-Energie: 6,8% (1990 waren es 0%)
Wasser: 1.8% (1990 waren es 2,6%)
Sonne: 1,2% (1990 waren es 0%)
Öl und andere: 2,5% (1990 waren es 12%)
Importiert: 7,69%

Die alte Frage Bordigas sollte abgewandelt werden: „Überimm' die Macht oder übernimm die Fabrik“ … oder übernimm das Kraftwerk? Diese Branche ist die konzentrierteste in ihrer industriellen Form, aber auch was ihre gesellschaftliche Bedeutung betrifft und sie ist auch eine der am besten staatlich bewachten. In Großbritannien gibt es 10 Kernkraftwerke, 16 große Kohlekraftwerke, 33 Gaskraftwerke und 7 Ölkraftwerke. Der Staat wird seine militärische und ideologische Macht gegen diese Arbeiter_innen einsetzen und sie können offensichtlich nicht einfach ersetzt werden. Die Streikwelle in Frankreich vom Juni 2016 zeigte die zentrale Bedeutung dieser Branche. Auch in Großbritannien wurde die Zahl der Raffinerien und großen Rohöl- und Benzindepots drastisch reduziert: es gibt nur noch sechs Haupt Ölraffinerien an der Küste, verbunden durch die Haupt Pipelines der „United Kingdom Oil Pipeline“ (UKOP) – die durch Helikopter überwacht werden.

Es ist interessant zu sehen, dass es neben den wischiwaschi-Menschen der Ernährungssicherheitsbrigade die „Klimawandel“-Linke ist, die den Produktionsprozess im Energiesektor untersucht – zwar vom der Perspektive des Ökologischen Umbaus aus, aber zumindest setzen sie sich mit den konkreten Gegebenheiten auseinander! Die radikale Linke hat weitgehend einen gewerkschaftlichen Blick auf die Arbeitsplatzverluste in der Branche.

 

* Transport insgesamt: 1,4 Millionen Menschen

Teile dieser Arbeit werden weit weniger relevant werden (Flughäfen und Bodenpersonal machen 433.000 Jobs aus und Fluggesellschaften 200.000 Jobs). Manche Produktionsmittel und Transportmittel sind nicht schwer zu bedienen (285.000 LKW Fahrer_innen), aber ein guter Teil hängt immer noch von sehr spezialisierter Zusammenarbeit und spezialisiertem Wissen ab, z.B. Eisenbahnen, die 200.000 Menschen beschäftigen, – S- und und U-Bahn nicht eingeschlossen.

Auch Hafenmanöver setzen hochspezialisiertes Wissen voraus, 2014 wurden über 500 Millionen Tonnen in englischen Häfen gelöscht und verladen, etwa 380 Millionen Tonnen gelöscht und 180 Millionen Tonnen geladen. Es wird geschätzt, dass der britische Hafensektor direkt etwa 118.200 Menschen beschäftigt. Über 95% der Importe und Exporte nach Volumen und 75% nach Wert kommen über Seehäfen.

Die Hafenschifffahrt ist hochkonzentriert, es gibt 51 große Häfen die 98 % des Gesamtverkehrs bewältigen. Die 10 größten Häfen bearbeiten 340 Millionen von 500 Millionen Tonnen. Grimsby & Immingham in Nord-Ost Lincolnshire ist immer noch Großbritanniens wichtiger Hafen, mit einem Marktanteil von 12% in 2014. Der neue ‘London Gateway/ Dubai Hafen’ wird einen großen Teil des Verkehrs nach Ostlondon ziehen. Etwa 80 Millionen Tonnen waren Rohöl und Ölprodukte, 40 Millionen Tonnen Kohleimporte. Einen anderen großen Teil der Trockengüter machen Brennstoffe aus Biomasse, typischerweise Holzpellets oder Holzspäne, für Drax&Lynemouth Kraftwerke in Nordengland aus.

Häfen sind spezialisiert: Milford Haven ist für Flüssigware, Grimsby für Trockenware, Felixstow für Container (41% aller Containerbewegungen) und Dover für Fahrzeugverladung (27% des Gesamtaufkommens). 2014 sind 204,1 Millionen Tonnen zwischen Großbritanniens größten Häfen und EU Ländern (42 % des Hafenverkehrs). 2014 gab es 54,8 Millionen Tonnen Fracht die von den Niederlanden kam oder dorthin ging, 14 % des gesamten internationalen Verkehrs.

Ein großer Teil des Frachtverkehrs ist relativ sinnlos. Z.B. fast ein Viertel (23 %) der verschifften Einzeleinheiten (Containers und andere Einzeleinheiten) bestanden aus dem Import und Export von Personenwagen. 2014 wurden 4,1 Millionen Kraftfahrzeuge durch britische Häfen importiert und exportiert.

 

* Handel gesamt – 2,7 Millionen / Logistik gesamt: 1,8 Millionen / Warenlager gesamt: 360.000

Dies ist weniger eine Frage danach, wie viele Menschen damit beschäftigt sind Dinge zu verkaufen. Sondern mehr danach, wie viele Menschen in der Warenzirkulation beschäftigt sind. Die gesamte Handelsbranche umfasst 2,7 Millionen, die meisten von ihnen im Ladenverkauf. Der Logistiksektor soll 1,8 Millionen Arbeiter_innen umfassen, aber das schließt die LKW Fahrer_innen ein, die schon in der Transportbranche gezählt wurden und manche der Paketzusteller_innen, die zu den Postdiensten gezählt werden. Kühlhäuser, zentrale Verteilzentren und lokale Lagerung werden immer noch nützlich sein, mit Arbeiter_innen, die weniger Spezialwissen brauchen, um sie am Laufen zu halten.

 

* IT/Kommunikation gesamt: 1,2 Millionen Menschen

Sicher eine sehr unbestimmte Zahl. Andere Quelle sagen, dass 280.000 Menschen in der Kommunikation arbeiten, von der Wartung der Kommunikationshardware (Internetkabel) zu Admin Arbeit. Andere Quellen sagen, dass es in Großbritannien 350.000 ’Software Spezialisten’ gibt, aber das schließt offensichtlich Programmierer_innen von Zugsignalsystemen ein, so wie auch Programmierer_innen für online Aktienhandel. Die größte Herausforderung wird es sein, in kurzer Zeit ein Intranet Kommunikationssystem zwischen Haushaltseinheiten und Arbeitsplätzen aufzubauen, das nicht leicht vom Internet Empire abgeschaltet werden kann. Wir haben zu wenig technisches Wissen und Verständnis dafür, welche Anstrengungen nötig wären, aber es gibt eine ziemlich große und gut organisierte alternative ‘Netzwerk’ Szene. [7] Wir konnten keine weitere zuverlässigen Informationen finden, über die materielle Struktur von Internetverbindungen in Großbritannien, z.B. größere Server Stationen und Knoten, obwohl diese bei jedem Aufstand für beide Seiten von entscheidender Bedeutung sein werden.

 

* Pflege: 3,2 bis 3,5 Millionen Menschen

Obwohl viel von dieser Arbeit aus der sozialen Isolation herausgenommen und in größere Haushaltseinheiten eingebracht werden könnte, ist das Wissen der Arbeiter_innen, die in dieser Branche arbeiten wesentlich und es wird nötig sein, es zu transkribieren und zu sozialisieren.
Erwachsenenpflege: 1,55 Millionen
Kinderbetreuung: 426.500
Krankenversicherung: 1,2 bis 1,5 Millionen
2015 hat die Nationale Krankenversicherung (NHS) mit Hospital und Community Healthcare Services (HCHS) und Allgemeine Arztpraxen, 149.808 Ärzte, 314.966 qualifizierte Pflegekräfte und mobile medizinische Betreuung (HCHS), 25.418 Hebammen, 23.066 GP Krankenpflegeschüler_innen, 146.792 qualifiziertes wissenschaftliches Personal, Therapeut_innen, und Techniker_innen, 18.862 qualifiziertes Rettungspersonal und 30.952 Manager, die in einem Zeitraum von 36 Stunden eine Million Patient_innen behandeln. (2010, gab es in ganz England über 1000 NHS Kliniken mit mehr als einem Bett. Mehr als die Hälfte waren Kliniken in kleinen Gemeinden oder Einrichtungen für psychisch Kranke mit durchschnittlich 35 bzw. 68 Betten. Nur sieben von zehn Kliniken hatten 2010 weniger als 100 Betten. Es gibt 7.800 Allgemeine Arztpraxen.

 

* Bau: 1 bis 2,1 Millionen Menschen

Auch hier sind die Zahlen nicht zuverlässig, sie reichen von selbständigen Küchenbauer_innen zu Ingenieursfirmen die Flughäfen bauen. Obwohl die Frage naheliegend ist, weshalb das Bauwesen in einer revolutionären Zeitabschnitt relevant sein soll, können wir voraussehen, dass der kurzfristige Umbau von vormaligen Büroräumen in Sozialwohnungen oder Verwandlung von Raum in Haushaltseinheiten eine bedeutende Zahl ausgebildeter Arbeiter_innen beschäftigen wird.

 

* Ingenieurswesen/Produktion gesamt: ca. 3 Millionen Menschen

Das umfasst alle möglichen Formen sozial nicht notwendiger Arbeit, allen voran die Waffenindustrie, oder die Herstellung von Personenkraftwagen. Leider haben genau diese Industrien oft das komplexeste kollektive Produktionswissen und den höchsten technologischen Standard, während z.B. Essensproduktion, Erntearbeit, Textilindustrie von grausamer Arbeitsintensität gekennzeichnet ist. Es kann mit Technologie und Wissenstransfer begonnen werden, auch als politische Maßnahme, um zu zeigen, dass der ‘Kommunismus’ kommt und dass wir viel weniger Arbeit haben werden, wenn wir den Aufstand hinter uns haben. Andere Produktion wird unmittelbarer gebraucht werden, von Verpackungsmaterial zur Produktion von Maschinenwerkzeugen für Ersatzteile, Baumaterial, Medikamente etc.

Auto: 250.000 Zulieferkette eingeschlossen
Stahl: 30.000
Luftfahrt: 111.000 direkt / 120.000 indirekt
Waffenindustrie: 146.000
Elektronik: 800.000 (Centerprise hat in Wales eine der größten PC Fabriken in Großbritannien; 10% der in Großbritannien hergestellten Computer, keine Informationen über Beistellteile; es gibt eine NXP Halbleiter Fabrik in Manchester)
Plastik: 300.000
Möbel: 115.000
Chemische/Pharmazeutische Industrie: 105.000 (Chemie) und 53.000 (Arzneimittel) direkte Beschäftigte, 500.000 indirekt Beschäftigte
Textilindustrie gesamt : 150.000 bis 300.000 (20.000 Designer)

Es ist vielleicht eine buchhalterische Art von Revolutionärer Mentalität anzunehmen, dass z.B. Möbelherstellung irgendeine soziale Relevanz haben könnte innerhalb einer 6 Monate langen Aufstandsperiode. Andererseits kämpfen Menschen nicht unbegrenzt lange wenn sie nicht wissen, wie sich die Gesellschaft neu organisieren wird.

 

* Medien – ca. 310.000 Menschen

In Printmedien arbeiten ca. 167.000 Menschen, für das Radio etwa 22.000, Fernsehen ca. 30.000 und in der Filmindustrie ca. 70.000 – allein die BBC beschäftigt 35.000 Menschen, eingeschlossen Befristete, und Beschäftigte mit kurzen Verträge. Der Großteil ihrer Sendungen, sowohl TV als auch Radio, wird von ihrem Hauptquartier in Portland Place, London ausgestrahlt.

 

* Post – über 200.000

2015 hat die Royal Mail allein noch 160,000 Menschen beschäftigt. Es ist schwierig Zahlen zu finden über private Zustelldienste, Kuriere etc. DHL beschäftigt 18.000. Auch hier geht es nicht um individuelle Briefzustellung, sondern um revolutionäre Logistik.

 

* Öffentlicher Sektor gesamt: 5,1 Millionen Menschen

Wir haben den öffentlichen Sektor nicht in die Gesamtzahl der Beschäftigten in den Basisindustrien hinzugezählt, obwohl es unter den in der lokalen Regierung Beschäftigten sicher Arbeiter_innen mit wichtigem sozialem Wissen gibt, z.B. die 27.000 Bibliothekar_innen. Zudem ist nicht alles bürgerliche Wissen, das von den 1,5 Millionen im öffentlichen Bildungssektor Beschäftigten gekehrt wird reine Ideologie, ein großer Teil davon könnte sich als nützlich erweisen.

Lokale Regierung: 2,3 Millionen
Zentralregierung: 2,9 Millionen
Bildung: 1,5 Millionen
Öffentliche Verwaltung: 1,1 Millionen
Bau: 150.000
Polizei: 250.000
Feuerwehr: 45.000


* Armee: 180.000 Menschen

Wie hatten nicht viel Zeit und Quellen um uns die Zusammensetzung der Armee genauer anzuschauen. Was sind die wichtigsten Klassenspaltungen innerhalb der Armee und wie reproduziert sich der Apparat materiell? Wir können nur Blitzlichter anbieten:
a) Während nahezu die Hälfte aller Offiziere in Privatschulen gegangen sind, (nur 10% des Gesamtbevölkerung geht in Eliteschulen), waren 2009 von den 14.000 Rekruten 31% unter 18 Jahre alt, was darauf hindeutet dass sie aus Arbeiter_innenklassebedingungen kommen. Die Armee rekrutiert Soldaten v.a. aus „Benachteiligtenschulen“.
b) Der Armeeapparat ist wird großteils von Privatunternehmen unterhalten, d.h. von Arbeiter_innen die weder die Bedingungen noch die Jobsicherheit der im Öffentlichen Dienst Beschäftigten haben. Unternehmen wie Sodhexo oder ESS (Compass) organisieren die Essensversorgung, Handel und Freizeitaktivitäten für Armeeangestellte. Sie beschäftigen zwischen 6.000 und 9.000 Menschen. Amey/Carillion organisiert die Instandhaltung von 280 Armeebasen und 49.000 Armeewohnungen.



d) Can anyone say communism?”


Bevor wir versuchen uns auf der Grundlage des oben vorgestellten Materials zur industrielle Struktur die Voraussetzungen für einen Aufstand der Arbeiter_innenklasse in der Region Großbritannien vorstellen, möchten wir einige kurze politische Schlussfolgerungen ziehen: „Kommunismus“ ist ein ein Modebegriff geworden, der von einer Reihe von Menschen mit einander widersprechenden Positionen verwendet wird – dasselbe gilt für „Revolution“. Wir sind also damit einverstanden, die Frage “Kann irgendjemand Kommunismus sagen?” zu erheben, so wie es die Genoss_innen um wildcat [8] getan haben. Ausgehend von unserem kurzen Blick auf die Begrenzungen der Aufstände von 2010/11, unseren Gedanken zum revolutionären Hauptwiderspruch innerhalb des Kapitalismus und dem empirischen Blick auf die materielle Struktur sozialer Produktion in Großbritannien, kommen wir zu den folgenden Schlüssen:

* Wie wir in Frankreich 1936 [9], Chile 1973 [10] oder Griechenland 2014, schaffen die parlamentarische Beteiligung und Nationalisierungspolitik keinen Raum für proletarische Bewegungen, sondern kanalisieren den revolutionären Impetus innerhalb eines „demokratischen“ Rahmens, der immer gegen uns verkehrt wird (oder auch ganz offen ignoriert wird, um die Macht der herrschenden Klassen aufrechtzuerhalten). Beides bereitet die Arbeiter_innen auch nicht auf die schwierige Aufgabe vor, die Produktionsmittel zu übernehmen und sie gegen den Klassenfeind zu verteidigen – es hindert sie daran das zu tun indem sie Illusionen schafft in einen (graduellen und oft friedlichen) Reformprozess, der am Ende den reaktionären Kräften Zeit gibt, sich für auf ihren Gegenangriff vorzubereiten.

* Die Hoffnung, dass Automatisierung (Akzelerationisten) [11] oder andere technologische Fortschritte (Negristen, Paul Mason Jünger) [12] die materielle Grundlage bilden werden für „Kommunismus ohne Revolution“ oder „Revolution ohne die Arbeiter_innenklasse“ ist im wesentlichen eine bürgerliche Utopie, die auf Elitismus beruht. Letztlich stützt sich diese Vorstellung auf den Staat als „Agenten der Transformation“, z.B. in der Form einer Forderung nach einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ oder der Hoffnung, dass der Staat Innovation implementieren wird gegen die widerstrebenden „Monopolkapitalisten“.

* Die Idee der Übergangsforderungen oder gerichteten Forderungen an den Staat als Trick, um politisches Bewusstsein zu erzeugen ist in der „radikalen Linken“ tief verankert. Bewusst oder nicht machen sie weiter mit den alten linken Rezepten für Übergangsprogramme als bevormundende Politik, um den Widerspruch zwischen der Reife der objektiven revolutionären Bedingungen und der „Unreife des Proletariats und seiner Avantgarde“ (Trotzki) zu überwinden. Für uns bedeutet Übergang die Zeit, die man braucht, um die (Re-)Produktionsmittel zu übernehmen und sie umzuwandeln in Mittel, um nicht nur materielle Bedürfnisse zu befriedigen, sondern auch, um unsere soziale Isolation aufzubrechen, unsere Degradierung zu Anhängsel der Maschinen, die Langeweile in den Vorstädten und auf dem Land, die räumliche Konzentration wesentlicher Infrastruktur und ihre Trennung vom Rest der Gesellschaft (von Universitäten zu Kraftwerken) zu überwinden. Diese Transformation braucht Zeit, sie ist nicht getrennt vom Kampf. Sie ist nicht Kommunismus, aber auf dem Weg dahin. Diese Transformation kann nicht unter kapitalistischer Herrschaft stattfinden oder unter dem Kommando hierarchischer Strukturen wie dem Staat. Keine Forderungen oder Dekrete bereiten Arbeiter_innen darauf vor. Kein elitistischer Insurrektionist kann die Infrastruktur übernehmen, ohne dass die Arbeiter_innen daran beteiligt sind [13]. Es gibt eine qualitative Verschiebung und der einzige Prozess hin zu dieser Verschiebung sind die wachsende Erfahrung und organisatorischen Fähigkeiten der Arbeiter_innenklasse, die sie durch ihre Erfahrungen in der kapitalistischen Produktion und in den Kämpfen erwerben.

* Die Kehrseite davon, unsere politischen Hoffnungen an einen „neutralen technologischen Fortschritt“ zu setzen, ist die Hoffnung, dass die halbautomatische Herstellung einer surplus Bevölkerung (verarmte Menschen, die aus dem Produktionsprozess ausgeschlossen sind) die Grundlagen legen werden für die Revolution als Aufstand und Bruch (vulgäre Kommunisationstheorien) [14]. Jeder genauerer Blick auf den gegenwärtigen Produktionsprozess und die Arbeiter_innenklasse wird uns zeigen, dass „Aufstand ohne Produktion“ - Ideologien vor allem romantische Träume sind und wenig mit der Möglichkeit von Kommunismus zu tun haben.

* Die Analyse der weltweiten Zusammensetzung der Arbeiter_innenklasse wird auch zeigen, dass viele traditionelle (anarcho-)syndikalistische Revolutionsmodelle (als schrittweise Ausweitung von Organisation, Generalstreik und Übernahme der Produktionsmittel) sowohl Fragen der Spaltungen der Arbeiter_innenklasse durch die Industrie und den Arbeitsmarkt außer acht lassen als auch die unvorhersehbare Tatsache kapitalistischer Krisen und die vorhersehbare Tatsache staatlicher Gewalt.

* In ähnlicher Weise sind Experimente mit gemeinsamen Räumen, Übergangsstädten (Transition Towns), Selbstverwaltung oder Versuche das Urheberrecht anzuschaffen potenziell fruchtbare Element im Klassenkampf, aber wenn sie isoliert von der Frage gesellschaftlicher Macht bleiben, degenerieren sie zu Kreativblasen des Kapitalismus.

* Wir erkennen den Beitrag der Debatten um Reproduktionsarbeit und die „Care-Revolution“ an: jede fundamentale Veränderung muss die Vergesellschaftung der Haus- und Pflegearbeit in ihrem Zentrum haben. Dennoch gibt es die Gefahr, dass die debatte zurückfällt in eine eurozentrishce Mittelklasse Perspektive, wenn wir die hergestellte Materialität von Reproduktions- und Pflegebeziehungen nicht berücksichtigen [15] Es geht hier nicht nur um 'Affekte' und direkte Zwischenmenschlichkeit, sondern um die Frage wer uns warm hält und wer unsere Kleidung herstellt, unsere Nahrungsmittel erntet oder uns ein Dach über den Kopf baut - diese Arbeit iost unsichtbar, aber Teil unserer Reproduktion, geliestet in erster Linie von schlecht bezahlten handarbeiter_innen rund um den Globus. 

* Zuletzt müssen wir auch unsere eigenen Prämissen des traditionellen Operaismo in Frage stellen [16]: während die Weigerung zu arbeiten von Fließbandarbeiter_innen in den 1960ern und 1970ern der radikalste Ausdruck der Arbeiter_innenklasse jener Zeit war, hat die Fetischisierung dieses Ausdrucks uns daran gehindert, die Herausforderung anzunehmen, darüber zu diskutieren, wie wir uns eine Übernahme und Transformation der Produktionsmittel heute vorstellen können.


e) Die grundlegenden Schritte, um eine Revolution zu organisieren: was würde eine Revolution der Arbeiter_innenklasse in den ersten 6 Monaten ihrer Existenz erreichen müssen?

 

Was bedeutet also Revolution im 21. Jahrhundert? Wir stimmen unseren Genoss_innen von wildcat zu, wenn sie sagen, dass die täglichen Kämpfe und das Verhalten der proletarischen Massen die Gesellschaft ständig „revolutioniert“: “Wie werden Arbeiter_innen Kämpfe revolutionär? Revolution lässt sich nicht aus objektiven Bedingungen ableiten. Wenn in einer Gesellschaft, die durch patriarchale Beziehungen charakterisiert ist, Arbeiterinnen kollektiv für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen kämpfen, wenn sie im Kampf Risiken eingehen, Grenzen überwinden, neue Möglichkeiten entdecken und mehr über die Welt herausfinden wollen, dann ist dieser Prozess wahrscheinlich revolutionär.” (wildcat 98 – Weltarbeiterklasse) Dennoch müssen wir uns die Frage stellen, was ein qualitativer Bruch mit kapitalistischen sozialen Beziehungen bedeuten könnte.

Im Text unten setzen wir diese Kämpfe und die Bildung einer politischen Arbeiter_innen Koordination von substantieller Größe, die sich in den Kämpfen gebildet hat und durch ihre Verankerung in der Lage ist, den Bruch vorzuschlagen voraus. Ihre Kämpfe haben die Gesellschaft an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, durch die Ergebnisse ihrer Streiks und Unruhe haben sie gesehen, wie ihre Zusammenarbeit über den unmittelbaren Arbeitsplatz hinaus unter der Herrschaft des Kapitals strukturiert ist: Blockaden und Streiks haben unerwartete gesellschaftliche Engpässe und Auswirkungen erzeugt. Ein „Plan“ für die Übernahme der Produktion ist nicht nur eine gute Idee, sondern ein notwendiger Akt um zu Überleben, einerseits materiell zu überleben, andererseits, um die soziale Vorherrschaft zu erlangen. Wir unterstreichen nicht, dass der Hauptwesenszug des Übergangs zum Kommunismus die Etablierung emanzipierter Beziehungen sein muss, obwohl das natürlich richtig ist. Wir setzen an einem Punkt ein, wo der globale Klassenkampf die Kontrolle des Kapitals und des Staates in eine Krise gebracht hat, und die Arbeiter_innenklasse in bestimmten Regionen den Sprung ins Unbekannte machen werden wird, und nicht das Privileg haben wird, zu warten, bis der Rest der globalen Klasse diesen Schritt mit ihnen zusammen machen wird.

Wir setzen nicht voraus, dass die Arbeiter_innenklasse in Großbritannien die erste sein wird, die diesen Schritt macht, noch dass die Region, um die es geht, begrenzt sein wird durch diese englischsprachigen Inseln. In Zusammenhang mit den oben skizzierten Problemen, – die (regionale) Ungleichheit von Produktionsmacht und Verarmung innerhalb der Arbeiter_innenklasse – ist dies weder eine Skizze allgemeiner „Prinzipien kommunistischer Produktion und Verteilung“ im Stile der Gruppe Internationaler Kommunisten [17] noch ein links-kommunistischer Essay über die Beziehung zwischen Staat, Partei, Gewerkschaften in der Phase „proletarischer Diktatur“. Wir schätzen frühere Bemühungen wie z.B. die von Insurgent Notes, ein „revolutionäres Anfangsprogramm“ zu diskutieren [18], aber wir hoffen, konkreter zu sein. Am Ende ist es ein etwas beschämender Versuch über die Beziehung zwischen lokalem Aufstand und der Übernahme der Produktionsmittel innerhalb eines ersten Zeitraums von etwa 6 Monaten proletarischer Revolution – ein Grundgerüst der notwendigen Veränderungen und des Überlebens.

Wir wissen nicht genau, was eine Situation revolutionärer Unruhe auslösen würde und wir wissen nicht, was passieren wird, wenn Menschen die Straßen übernehmen. Wir wissen aber, wie soziale Produktion und Reproduktion heute organisiert sind und wie die Zusammensetzung der Arbeiter_innen ist, die daran beteiligt sind. Wir wissen was uns trennt, was die Grundlage für Expertentum und Gender-Hierarchien sind. Wir können uns ein minimales materielles Rückgrat der Revolution vorstellen, etwas, was die Arbeiter_innenklasse innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erreichen müsste, um die Vorherrschaft der Geldökonomie, des Profimanagements und der Kontrolle durch den Staat abzustreifen – und um Spaltungen zu verhindern. Man kann das mit einigem Recht abstrakt oder hypothetisch finden, aber andererseits haben in den letzten Jahren Menschen ihr Leben riskiert, um einen Platz zu verteidigen oder ein Parlament zu stürmen – es gibt nicht zu wenig Revolutionär_innen – aber in diesem Moment könnte es nötig sein, über soziale Macht zu verfügen mit a) Wurzeln in den Basisindustrien und unter den Armen und b) einem konkreten Plan: das sind die Kraftwerke, Logistikzentren, Weizenmühlen, Internetknotenpunkte, die wesentlich sind für den Versuch, die Dinge grundlegend zu ändern. Soldat_innen, die auf dich als „rebellierendem Mob auf der Straße“ schießen würden, würden das vielleicht nicht machen, wenn sie wüssten, dass du Arbeiter_innen verteidigst, die sich mit der Produktion auskennen und die das Kraftwerk oder die Essensverarbeitungsfabrik für alle betreiben wollen. Was sind also diese nackten Notwendigkeiten?


*** Was sind die Potentiale und Herausforderungen für einen Aufstand auf britischem Territorium?

Aufbauend auf den obigen Überlegungen präsentieren wir zwölf grundlegende Thesen über die wichtigsten Eigenschaften und Voraussetzungen und die ersten Schritte einer proletarischen Revolution.


1) Regionale Herausforderung
Ein Aufstand wird von seiner Fähigkeit abhängen, sich regional zu halten. Obwohl wir über eine globale Revolution reden, wird der Prozess nicht notwendigerweise synchron laufen; wir werden es mit regionalen Aufständen zu tun haben, die sich für einen gewissen Zeitraum selbst reproduzieren werden müssen, während sie zeitweise und teilweise vom Weltmarkt abgeschnitten sein werden.

 

2) Emanzipation und Not
Sie wird außerdem von ihrer Fähigkeit abhängen, die Bedingungen für alle zu verbessern: eine kommunistische Revolution muss in der Lage sein, die Lebensbedingungen für die Mehrheit innerhalb kurzer Zeit zu verbessern, sie muss die materielle Reproduktion der Bevölkerung auf einem hohen Standard garantieren, und gleichzeitig Zeit haben für die Neuorganisierung der Gesellschaft, die Zerschlagung von Hierarchien, während sie noch die Schlacht schlägt. Ihr größter Pluspunkt werden die gleicheren und befreienden Beziehungen sein, die im Kampf entstanden sind, aber innerhalb kurzer Zeit wird materielle Not diese Beziehungen untergraben, egal wie sehr die Leute willens sind, die Auswirkungen der Knappheit auszuhalten.

 

3) Übernahme der Basisindustrien als Aufstand in der Produktion
Große Teile der Arbeiter_innenklasse müssen darauf vorbereitet sein, eine organisierte Antwort auf eine spontane Krisensituation zu geben: das wird weitgehend von der Kooperation zwischen den Arbeiter_innen, die in den Basisindustrien beschäftigt sind, und der organisierten Kraft der größeren proletarischen Klasse abhängen, bei dem Unterfangen die Basisindustrien zu übernehmen, zu verteidigen und zu transformieren. Diese Übernahme wird nicht schrittweise vor sich gehen, sondern sie wird von einer „aktiven Minderheit/Avantgarde“ von 30 bis 40 % der Arbeiter_innenklasse, die sich in vorausgehenden Kämpfen herausgebildet hat, abhängen. Diese Übernahme ist das produktive und materielle Herzstück des Aufstandes, die Aktion, die den Rest der Bevölkerung mitnehmen und umstimmen kann, v.a. wenn den Armen populistische Maßnahmen (Umverteilung von Wohnraum, Gesundheitsversorgung etc.) angeboten werden und wenn sie einbezogen werden in praktische Umbau- und Sanierungsarbeiten. Wie man den empirischen Splittern entnehmen kann, ist das anfängliche Herzstück der Produktion und Zirkulation, das übernommen und verteidigt werden muss wesentlich kleiner (nicht alle Supermärkte, aber die Haupt-Güterzirkulation; nicht die gesamte Fertigungsindustrie, sondern v.a. flexible Maschinenfabriken für die Produktion von (Ersatz-)teilen und Baumaterial etc.)

 

4) Bildung von größeren Haushaltseinheiten
Der Aufstand und die Übernahme der Basisindustrien muss Hand in Hand gehen mit der Bildung von Haushaltseinheiten von 200 bis 250 Menschen, von Gemeinschaftsräumen (ehemalige Hotels, Schulen, Bürogebäuden etc.) als zentrale Orte für die Verteilung, Hausarbeit und lokale Entscheidungsfindung. Die schnelle Bildung solcher Haushaltseinheiten ist genauso wichtig wie die Übernahme der Basisindustrien. Vor allem um die Isolation von Haushaltsarbeit und Gender Hierarchien aufzubrechen, aber auch, um eine Gegendynamik zu schaffen gegen Zentralisierung in den Basisindustrien: eine Dezentralisierung bestimmter sozialer Aufgaben und Entscheidungsfindung. Die Haushaltseinheiten und deren Erfahrung wird den Fokus von der „Produktion für die Produktion“ hin zu einer Situation umlenken, wo zusammen zu leben und die Subsistenzmittel zu schaffen ein weniger segregierter Prozess sein wird. 250 ist eine ziemlich zufällige Zahl, aber sie scheint klein genug, um familiäre Beziehungen zu Menschen zu haben, mit denen wir den Alltagskram organisieren (Kinderbetreuung, Kochen, Kleider waschen etc.) und groß genug, um die Verteilung von Gütern durchführbar zu machen. Diese Größe würde auch jene Nähe herstellen, die nötig ist, um einen gewissen revolutionären Respekt und eine gewisse Verbindlichkeit zwischen den einzelnen Mitgliedern zu garantieren im Fall von Streitigkeiten.

 

5) Proletarisierung der Kontrolle über die landwirtschaftliche Produktion
Eine größerer Teil der urbanen Arbeiter_innenklasse wird zu den Eigentümer-betriebenen Bauernhöfen gehen müssen, um sie davon zu überzeugen, dass sie ihre Arbeitslast beim Bearbeiten des Bodens teilen und direkte, nicht marktabhängige Beziehungen zwischen Stadt und Land herstellen sollen. Während urbane Arbeiter_innen in die ländlichen Gebiete gehen, um die dortigen Saisonarbeiter_innen zu unterstützen, (die meisten von ihnen werden sowieso zwischen Stadt und Landwirtschaft pendeln), können manche Teile der Landwirtschaft und der Ausrüstung hingegen näher an die Stadt herangebracht werden – hier könnten wir möglicherweise etwas von Kuba lernen (bedeutende Erfahrung mit urban gardening und schnelle Konversion von erdölbasierter Landwirtschaft hin zu einer, die weniger auf fossile Brennstoffen angewiesen ist.). Diese beiden Bewegungen von der Stadt zum Land und vice versa wird ein erster organischer Schritt sein hin zu der Auflösung einer kapitalistischen geographischen Arbeitsteilung. Macht die ersten Schritte, um die erodierende Natur der industriellen Landwirtschaft zu untergraben, indem ihr Permakultur Leute einbezieht!

 

6) Beteiligung der marginalisierten Proletarier_innen
Im Zentrum müssen die Basisindustrien sowohl von innen als auch von außen übernommen werden. Dass dies gelingt, wird von der Fähigkeit der Proletarier_innen in weniger zentralen Sektoren abhängen, v.a. durch Teilnahme an der Produktion und Organisation ihrer militärischen Verteidigung dafür zu sorgen, dass die Arbeiter_innen in den Basisindustrien die Produktion und freie Zirkulation der Güter vergesellschaften, anstatt die früheren Unternehmen und Produkte als ihr Eigentum zu betrachten. Nur die Massenbeteiligung von ärmeren und marginalisierten Teilen der Arbeiter_innenklasse wird den ganzen Bereich sozialer Bedürfnisse sichtbar machen. Ihre vorangegangenen Erfahrungen mit der Staatsgewalt und ihr Wissen um städtische Improvisation (von Selbstverteidigung bis hin zu ökonomischen Netzwerken) wird dringend gebraucht werden. Ein sofortiges „populistisches“ Programm muss angeschoben werden, das jene Segmente des Proletariats anspricht, die an den Rändern der Basisproduktion sind – dieses Segment kann als „städtische Arme“ bezeichnet werden, oder als surplus Proletariat. Dieses Segment ist in Großbritannien nicht so bedeutend, wohl aber in anderen Ländern. Um einen Keil zwischen sie und die Schichten der Mittelklasse zu treiben, die die finanziellen Potenz hat, sie „zu kaufen“, muss es eine koordinierte Aktion zur Aneignung von Wohnraum geben. In diesem Sinne könnte „Bauwesen“ sogar in der Phase des Aufstandes wesentlich sein: wenn Bauarbeiter_innen und die städtischen Armen nutzlose Bürogebäude, leere Hotels etc. besetzen und sie gemeinsam verändern, würde dies eine Verbindung schaffen, um Menschen dazu zu gewinnen, auch den Rest der bedrohten Basisindustrien zu verteidigen.

 

7) Beteiligung von Arbeiter_innen in den fortgeschritten Industrien
Wir vorhin beschrieben, sind weite Teile der fortgeschrittensten Industrien (fortgeschritten im Sinne von Konzentration, Wissen und Maschinerie) nicht notwendigerweise wesentlich für materielles Überleben. Abgesehen davon, dass die fortgeschrittenen Industrien potentielle Zentren kollektiver Kämpfe und sich entwickelnder Arbeiter_innenorganisationen sind, besteht die Rolle von Arbeiter_innen in den am weitesten entwickelten Industrien (Automobilindustrie, Maschinenbau) darin, Technologie und Wissen zugänglich zu machen für eine Verbesserung der Basisindustrien und Haushaltseinheiten. Nicht die Roboter oder Künstliche Intelligenz werden uns vom Schuften befreien, sondern die Zusammenarbeit zwischen Arbeiter_innen in den fortgeschrittenen und in den Basisindustrien und in den Haushaltseinheiten wird zeigen, wie wir notwendige Arbeitszeit drastisch reduzieren können.

 

8) Das geheime Einverständnis der Wissensarbeiter_innen brechen
Eine schnelle und koordinierte Aneignung wird nur dann möglich sein, wenn sie unterstützt wird von einer bedeutenden Minderheit der „Techniker_innen“ und intellektuellen Arbeiter_innen (Ingenieur_innen, Doktor_innen etc.), die in den Zentren der sozialen Produktion beschäftigt sind. Es wird von den kollektiv organisierten Maßnahmen der drei Hauptsektoren der Arbeiter_innenklasse abhängen (die Basisindustrien, die fortgeschrittenen Sektoren, die Marginalisierten), das geheime Einverständnis der ‘intellektuellen Arbeiter_innen’ (Ingenieur_innen, manche Forschungsbereiche) mit dem kapitalistischen Management und dem Staatsapparat aufzubrechen und einen erheblichen Teil von ihnen zu kommunistischen Bedingungen zu gewinnen, also die Trennung zwischen intellektueller und Handarbeit aufzuheben. Um dieses Einverständnis zu erlangen, muss die kämpfende Arbeiter_innenklasse mit organisatorischem Wissen über die Produktion, mit befreiten menschlichen Beziehungen und sozialer Verantwortung für die Umwelt Punkte machen.

 

9) Ein kommunistisches Internet und eine Produktionsdatenbank aufbauen
Die Übernahme braucht soziale Kommunikation und elaborierte Entscheidungsfindungsprozesse, die von einer parallelen IT Kommunikationsstruktur im Internet erleichtert werden, die in der Lage ist, die Haushaltseinheiten, die Basisindustrien, die verbleibenden Arbeitsplätze und ‘proletarische Milizen’ miteinander zu verbinden. Von der Produktion, die während des Aufstandes gebraucht wird, wird dieser Teil eine der großen Herausforderungen sein: Es muss eine Struktur sein, die Kommunikation zwischen Produktion und Konsumption sicherstellt, stabil genug, um Angriffe abzuwehren. Sie muss außerdem in der Lage sein, dieses Kommunikationsnetzwerk mit übernommenen Print- Film und TV Medien zu verbinden (Nachbarschafts/Branchen TV) und parallel dazu eine analoge Delegiertenstruktur aufzubauen für den Fall eines Kommunikationskollapses.

 

10) Den Einfluß der Mittelklasse eindämmen
In Großbritannien ist der ‘Mittelklasse’ Block immer noch eine erheblicher Faktor – es gibt 4,4 Millionen Geschäftsinhaber_innen ohne Angestellte (Selbständige), die meisten von ihnen können als getarnte Proletarier_innen angesehen werden; es gibt mindestens 1,2 Millionen Arbeitgeber (wenn wir einen einzelnen Arbeitgeber annehmen), die zwischen 1 und 50 Menschen anstellen, diese können als ausbeutende Mittelklasse bezeichnet werden; 1,75 Millionen Menschen verdienen Geld als Vermieter_innen – viele von ihnen werden wohl auch der vorigen Kategorie angehören; 1,1 Millionen Menschen verdienen Geld, indem sie im Finanzdienstleistungssektor angestellt sind (manche von ihnen arbeiten als Dateneingeber_innen oder Putzkräfte). Es gibt 120.000 Rechtsanwält_innen und Notare in Großbritannien, die einen wohl ausgebildeten Teil der Mittelklasse ausmachen, die nicht verbunden sind mit dem sozialen Produktionsprozess. Es gibt immer noch rund 50.000 kleine Läden, von denen die Mehrzahl von den einzelnen Besitzern geführt werden, die einen Teil der unteren Mittelklasse ausmachen. Diese Menschen haben ein politisches Gewicht und einen repressiven Apparat zur Verfügung. Wir sprechen hier nicht von dem mysteriösen 1%, sondern von einem harten Kern von 15%, - Menschen, die nicht nur Geld zu verlieren haben, sondern auch Einfluss und Ansehen. Der beste Weg, ihren Einfluss zu minimieren ist, sie von der Basisgüterproduktion und Zirkulation fern zu halten und sie zu zwingen, zu erkennen, dass ihre privilegierte soziale Position weitgehend unproduktiv war – und dass sie willkommen sind als Gleiche unter Gleichen konstruktiv teilzunehmen.

 

11) Die Streitkräfte entlang der Klassenlinien spalten
Historisch war keine Revolution erfolgreich ohne eine Spaltung innerhalb der Armee, in den meisten Fällen als Resultat eines vorangehenden Bürgerkrieges oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Die wichtigste Chance einer kommunistische Revolution, die Armee entlang der Klassenlinien zu spalten, ist daher determiniert durch objektive Bedingungen (Soldaten, die keine Lust haben, für die Kriege ihrer „Herren“ zu sterben) und durch ihre subjektive Fähigkeit, Soldat_innen aus der Arbeiter_innenklasse anzuziehen: die organisierte Bewegung der Arbeiter_innenklasse kann uns von hierarchischen Beziehungen befreien und weiß, wie alle genährt, gekleidet und betreut werden können. Dennoch, eine Revolution muss ihr eigenes materielles Gewaltpotential haben, indem sie den militärischen Apparat schwächt (die Zusammenarbeit verweigert, d.h. der Armee keine grundlegenden Güter und Dienstleistungen liefert) und durch bewaffneten Widerstand der wesentlichen Produktionseinheiten. Das schließt ein die Sabotage durch das (Klein-) Bürgertum und Teile des Lumpenproletariats einzudämmen. (In Chile während der sozialen Unruhen 1973 organisierten z.B. die Besitzer von Bus- und LKW Flotten einen ‘Streik’ oder Boykott, um ökonomisches Chaos herzustellen.)

 

12) Die regionale Isolation überwinden, indem wir übernommene Produktionskapazitäten nutzen
Wie haben keine Illusionen: kein regional begrenzter Aufstand wird sich über einen längeren Zeitraum materiell und ‘militärisch’ über Wasser halten. Wir haben die Fallstricke der Bolschewistischen Außenpolitik, [21] und des anarchistischen Regionalismus gesehen. Die Herausforderung für jede lokale Arbeiter_innenklasse ist es, die eigenen globalen Abhängigkeiten wahrzunehmen, und extra Anstrengungen zu unternehmen um sich nicht nur selbst zu erhalten, sondern auch die Anziehungskraft ihrer Erfahrungen und ihrer angeeigneten Produktionsmittel strategisch zu nutzen um ihre geographische Isolation zu brechen. Wir wissen nicht wie das gehen wird, abgesehen davon, dass man Menschen und Material ausschickt, um von ihren Kampferfahrungen zu berichten. Das wird bedeuten, die globale Situation zu beobachten und eventuell proletarische Milizen mit produktivem Wissen und Produktionsmitteln auszusenden, um andernorts Arbeiter_innen Aufstände zu unterstützen – indem man die globale Logistik-Infrastruktur nutzt, die der Kapitalismus gezwungen war zu entwickeln.

 

Was werden die Zentren für die Koordination und die Debatten sein, um all dies zu erreichen? Was die soziale Produktion und Entscheidungsfindungsstrukturen angeht, werden viele unvorhersehbare Dinge passieren, Menschen werden neue Wünsche entdecken und Wissen wie man sich horizontal organisieren kann und all das – aber wir denken, dass in der Phase des Aufstandes neben „Straßen, Plätzen und Barrikaden“ die folgenden drei Orte während eines Aufstandes von zentraler Bedeutung sein werden für Produktion und Entscheidungsfindung:

a) die Arbeitsplätze der Basisindustrien, um soziale Produktion zu garantieren und um die Hauptinstanz für soziale Entscheidungsfindung zu etablieren;
b) die neuen Haushaltseinheiten, um die Reproduktion zu vergesellschaften und um die zweite Hauptinstanz für Entscheidungsfindung zu etablieren;
c) die früheren Arbeitsplätze in den nicht-wesentlichen Industrien, um Wissen und Ausrüstung zu überführen;

Zuteilung von Arbeit geschieht abhängig von den Bedürfnissen und Kapazitäten in den Einheiten der Basisindustrien und entsprechend den persönlichen Fähigkeiten, grob wie folgt:

 

a) Vier Stunden in den Basisindustrien
Das bedeutet eine massive Übertragung von Arbeitszeit und Arbeitskraft an die Basisindustrien, um in der Lage zu sein, die individuelle Arbeitszeit zu senken während gleichzeitig das Produktionsniveau erhalten bleibt – für ein kontrolliertes Herunterkommen vom Exzess. Beteiligung jedem und jeder (die bisher Arbeitslosen wie z.B. unbezahlte Hausarbeiterinnen, aber auch frühere Banker und andere ehemals „Privilegierte“) ist wesentlich, um Erfahrungen und Entscheidungsfindung zu vergesellschaften: ‘Räte’ in den Basisindustrien und Haushaltseinheiten sind dabei die wichtigsten „produktiven und politischen Einheiten“. Industrie-interne Hierarchien zwischen Hand- und Kopfarbeit müssen sofort angegangen werden. Bedarf an einer Anzahl Arbeiter_innen muss an die Haushaltseinheiten und die anderen Arbeitsplätze kommuniziert werden – je schneller und transparenter die Bedürfnisse der Industrie kommuniziert werden, desto einfacher ist die Versorgung. Zulieferketten müssen neu strukturiert werden, in Abhängigkeit von der globalen Ausdehnung des Aufstandes.

 

b) Drei Stunden in der Haushaltseinheit und dem umliegenden Gebiet
Das Gegenstück ist die Beteiligung an den Haushaltseinheiten, das Einrichten von Küchen, von Orten für Austausch, Zusammenkommen, Betreuung und Pflege, „kommunistisches Intranet“ und das Kommunizieren von neuen sozialen Bedürfnissen an Entscheidungsfindungsinstanzen in den Basisindustrien. Doppelte Beteiligung an den oft zentralisierten Basisindustrien und de-zentralisierten Haushaltseinheiten ist von eminenter Bedeutung, etwa um eine soziale Arbeitsteilung und (z.B. Gender-) Hierarchien zu verhindern. Nur durch doppelte Beteiligung und Kommunikation werden wir in der Lage sein, zu verstehen, welche Elemente sozialer Produktion in zusammengeschlossenen Haushaltseinheiten dezentralisiert werden können und welche besser in zentralisierten industriellen Setups belassen werden.

 

c) Zwei Stunden am früheren Arbeitsplatz
Kontrolle über die nicht wesentlichen Arbeitsplätze zu behalten und Kontakt zu halten mit den ehemaligen Kolleg_innen ist wichtig. Soziale Entwicklungen können diskutiert und eine Bestandsaufnahme gemacht werden: welches Wissen und welche Produktionsmittel stehen zur Verfügung? Wozu wurden sie bisher verwendet? Wozu könnten sie möglicherweise genutzt werden? Wer waren die Zulieferer oder wen hat die Firma/der Arbeitsplatz beliefert? Diese Informationen müssen dem allgemeinen Produktions-Informationspool hinzugefügt werden. Vor allem die höher entwickelten Industrien (Waffen, Autos) werden die Verantwortung für einen Technologie und Wissenstransfer haben.

Wir werden nicht darüber spekulieren, ob es zusätzliche regionale Räte oder Nachbarschaftsversammlungen geben wird etc. Wir denken, dass die Hauptentscheidungen nicht als „Bürger_innen“ oder als „Mitglieder von Versammlungen“ getroffen werden sollten, sondern als Mitglieder eines neuen sozialen (Re-)Produktionsprozesses. Debatten und Entscheidungen, die Themen betreffen, die über die unmittelbare Reichweite der Basisindustrien und der Haushaltseinheiten hinausgehen (die globale Situation, Bewegungen des Klassenfeindes, Fragen die größere Infrastruktur betreffend etc.) sollten sich aus den neuen Beziehungen entwickeln, die sich aus der alltäglichen Kooperation ergeben – nicht in einer separaten Repräsentations-Sphäre.

 

*** Wie unterscheidet sich die Region Großbritannien von und wie verhält sie sich zu der größeren globalen Situation?

Es wäre nötig, ähnliches empirisches Material zu analysieren für andere Weltregionen, aber es ist ziemlich klar, dass innerhalb von Großbritannien/Westeuropa ein Aufstand nicht vor so großen Herausforderungen stehen würde wie in vielen anderen Regionen der Welt, z.B. solche mit in einem großen ländlichen Hinterland mit wenigen fragilen Verbindungen zu den urbanen Zentren; mit verzweifelterer massenhafter Armut, die weniger Spielraum und Zeit lässt zwischen Aneignung von Ressourcen und Übernahme der Produktionsmittel; War-Lord oder Mafia Strukturen, die mehr integriert sind in das Leben und die Reproduktion des Proletariats; bedeutende Größe einer Klasse von mittelgroßen Bauern oder kleinen Händlern, bei denen es weniger wahrscheinlich ist, dass sie sich mit einer proletarischen Revolution identifizieren; Mangel an wesentlichen Energieressourcen – um nur ein paar zu nennen. Es ist ziemlich klar, dass in der Region Großbritannien kein Aufstand stattfinden würde, wenn nicht der ganze Globus im Aufruhr wäre, – in diesem Sinn liegt die grundlegende Verbindung zwischen regionaler und globaler Revolution auf der Hand. Hier können wir nur ein paar allgemeine Zusammenhänge anreißen:

 

* Kämpfe finden weltweit in sich mehr und mehr ähnelnden industriellen und sozialen Situationen statt – was bedeutet, dass der Haupteinfluss auf den globalen Charakter der Arbeiter_innenklasse sich aus dem Austausch von Erfahrungen und Inspirationen ergeben wird, v.a. durch die Kanäle der Arbeitsmigration: migrantische Arbeiter_innen in Großbritannien stehen in Verbindung mit ihren Herkunftsregionen und werden in der Lage sein, Erfahrungen auszutauschen v.a. in den größeren Städten. Wir haben den Einfluss des sogenannten Arabischen Frühlings auf migrantische Arbeiter_innen in der Logistikbranche in Italien gesehen oder den Einfluss von Kämpfen in Südamerika auf das Klassen-Selbstbewusstsein von lateinamerikanischen Arbeiter_innen in den USA. Das sind nur kleine Ausblicke darauf, wie die Klasse in der Lage sein wird, von ihren globalen Kämpfen zu lernen.

 

* Von einem regionalen Standpunkt aus ist der Mangel an manchen wichtigen Gütern in dem Fall, dass man von der Außenwelt abgeschnitten wird offensichtlich, besonders was Essensversorgung angeht, aber wahrscheinlich auch für manche Rohstoffe, die in der Herstellung von Elektronik gebraucht wird etc. Hier werden die Arbeiter_innen in den Basisindustrien ihre Zulieferketten „politisch“ umstrukturieren, indem sie die globalen Kämpfe und aufkommende Arbeiter_innen Organisationen weltweit analysieren, die ihnen helfen könnten, den Nachschub wiederherzustellen. Auch hier werden migrantische Arbeiter_innen eine entscheidende Rolle spielen beim Einschätzen der Situation und dem Herstellen direkter Verbindungen.

 

* Der letzte Punkt ist keine Einbahnstraße: Großbritannien und große Teile von Westeuropa sind angeblich deindustrialisiert, aber als kapitalistische Zentren haben sie immer noch bedeutende Fertigungskapazitäten im Vergleich zu vielen Ländern des globalen Südens. Der Transfer von Produktionskapazitäten wird ein Teil der Ausweitung des Aufstandes sein: Unterstützung von Arbeiter_innenkämpfen und proletarischen Kämpfen und Organisationen in anderen Regionen durch die Lieferung von überschüssigen Produktionsmitteln – mit der Unterstützung der globalen Transportarbeiter_innen. Während die ökonomische Seite eines solchen Transfers common sense zu sein scheint, (regionale Ungleichheiten einebnen, “wir bekommen Reis, sie bekommen Ersatzteile für Wasserpumpen“), ist der politische Aspekt wichtig und könnte möglicherweise kontroverser sein: zeitweilige Produktionsanstrengungen, die über die unmittelbaren lokalen Bedürfnisse hinausgehen, sind nötig, um Aufstände anderswo zu unterstützen. Der Transfer von Produktionsmitteln (oder der Mittel um sie herzustellen) wird eine der wichtigsten Waffen sein, die Vorherrschaft der reaktionären Kräfte in weniger entwickelten Regionen zu brechen.



f) Die Revolutionäre Organisation: zuletzt schlagen wir vor, dass diese Perspektive auf eine Revolution morgen uns heute nicht unberührt lässt. Sie drängt nach einer gewissen organisatorischen Anstrengung im Hier und Jetzt.


Wir verstehen alle, die Zweifel haben: „Wir verhält sich dieser imaginierte Aufstand in irgendeiner Weise zur gegenwärtigen Situation?! Wollt ihr auf der Straße irgendwelche Menschen ansprechen und ihnen sagen, wo das nächste strategisch wichtige Kraftwerk, Armeelager oder die nächste Weizenmühle steht?“ Wir stimmen zu. In der gegenwärtigen Situation wird dieser Text vor allem – hoffentlich! - zu einer Diskussion innerhalb des linken Milieus beitragen, zu der Frage wie eine revolutionäre Bewegung aussehen könnte, oder mit welchem allgemeinen Rahmenbedingungen für soziale Transformation wir es zu tun haben. Wir denken, dass die grundlegenden Vorschläge, die wir in diesem Text umrissen haben, unseren politischen Fokus heute bestimmen: nehmen wir „Arbeiter_innen“ oder „Arbeit“ als eine Identitätskategorie unter vielen wahr? Kann die Beteiligung an parlamentarischer Politik ein Schritt hin zur Transformation sein oder lenkt es Proletarier_innen möglicherweise ab von den wahren Herausforderungen, die sich ihnen stellen? Gibt es eine Rolle für politische Arbeiter_innen Organisationen, jetzt und im revolutionären Prozess und wenn ja, worin besteht sie? Wir denken, dass es bestimmte Kontinuitäten von Arbeiter_innen Organisation gibt, die vom Hier und Jetzt zu einer potentiellen Aufstandssituation führen – was nicht bedeutet, dass der Aufstand oder sein Erfolg notwendigerweise von dieser Organisation abhängen wird. Es sind wir, die uns die Frage stellen, wie wir zu diesem Prozess beitragen können – offen für Diskussion und Zusammenarbeit.



*** Gegenwärtige Lage

* Historische Klarheit: wichtiger als empirische Übungen wie oben umrissen sind historische Reflexionen über vorangegangene Momente von Aufstand und die Beziehung zwischen Revolutionären Arbeiter_innen und dem Staat im besonderen. Vom Generalstreik in Seattle 1919 [20], zum Spanischen Bürgerkrieg 936 [21], von Oaxaca 2006 [22] zu Rojava 2016.

* Weitverbreitetes Verständnis von Klassenzusammensetzung: Statt fauler Annahmen („alles wird automatisiert“ oder „wir sind jetzt alle prekär“) brauchen wir präzisere Analysen bestimmter Prozesse innerhalb der Produktion, die heute ideologisch als „Vollautomatisierung“ oder „immaterielle Arbeit“ oder „Allgemeiner Intellekt“ apostrophiert werden. Das bedeutet eine Analyse der gegenwärtigen Trennung und Hierarchie zwischen Kopf- und Handarbeit in den Basisindustrien („Was weiß der durchschnittliche Arbeiter?“), als auch die Analyse aktueller Formen globaler Produktionsketten, Agroindustrie, etc., unter Berücksichtigung der Frage möglicher Kontrolle durch die Arbeiter_innenklasse.

* Sich verwurzeln unter den Arbeiter_innen in den Basisindustrien, im Ingenieurssektor und unter den Armen. Wir sprechen hier von einem politischen Fokus, nicht von Exklusivität! Innerhalb der täglichen Konflikte sollten wir über Formen von Wissenstransfer nachdenken, so wie zum Beispiel das Lehrmaterial der alten IWW, das sie verwendet haben, um das „Ingenieurswissen“ einer bestimmten Branche einem in derselben Branche beschäftigten normalen ungelernten Arbeiter zu erklären.

* Zu dem Problem der ungleichen Entwicklung: wir haben versucht verschiedene proletarische Entwicklungsstufen und Segmente von Klassenzusammensetzung zu verstehen und sie zueinander in Beziehung zu setzen. Z.B. die Revolutionary Black Workers in den USA in den späten 1960/frühen 1970er Jahren hatten es geschafft, Wurzeln zu schlagen in den armen Gegenden (Anti-Polizei Gewalt, rassistische Schulpolitik, sexuelle Gesundheit), unter Stundent_innen, innerhalb der größten Autofabriken, in den „Communities“ (Krankenhäusern, Wohnungsmarkt) – und versucht, diese mit Erfahrungen von Migrant_innen aus der „Dritten Welt“ in ihrer Gegend in Beziehung zu setzen („Araber in Detroit“). In dieser allgemeinen sozialen Situation waren sie in der Lage, nicht nur Allianzen herzustellen zwischen diesen verschiedenen Segmenten, sondern auch Formen von Organisation aufzubauen, die die Gesamtheit des proletarischen Lebens umfassten.

* Netzwerke schaffen von kampferfahrenen Arbeiter_innen: Während wir aktiv Streiks und Kämpfe unterstützen, sollten wir auch nach Arbeiter_innen Ausschau halten, die den Wunsch und die Fähigkeit entwickelt haben, an politischen Aktivitäten teilzunehmen, die über individuelle Konflikte hinausgehen – nicht als Rekrutierungsmaterial, sondern als verwurzelte Genoss_innen. Zusammen mit ihnen könnten wir schon damit experimentieren, während der alltäglichen Kämpfe auf eine konkretere Art und Weise die Notwendigkeit einer sozialen Übernahme der Produktionsmittel anzudeuten. Dazu werden wir eine neue und konkretere Sprache brauchen.

* Sich informiert halten über andere Formen von ‘kooperativen’ Bemühungen oder Erfahrungen von Selbstverwaltung (von „Arbeiter_innenkontrolle“ zu urban gardening zu transition towns zu „Treffen zu alternativer Heilkunde“ zu „Wissenschaftskritik“) und zum Engagement im weiter gefassten Klassenkampf ermutigen. Erfahrungsaustausch herstellen zwischen „Arbeiter_innen Selbstverwaltung“ und Streiks [23], zwischen Pflegekooperativen und Kämpfen gegen Krankenhausschließungen.

* Die eigenen Kämpfe und Bemühungen für andere dokumentieren. Wir ermutigen lokale Gruppen, die ebenfalls nach der Möglichkeit für einen Aufstand suchen und zur gleichen Zeit versuchen, sich in ihrer Arbeiter_innenklasse Nachbarschaft zu verwurzeln (von Arbeitsplätzen zu Universitäten zu Gruppen, die sich mit proletarischen Fragen beschäftigen) um ihren Standpunkt und ihre Erfahrungen für andere diskutierbar zu machen, ohne dass sie das Gefühl haben, sich für ihre eigene Organisation rechtfertigen zu müssen. Aufbauend auf diesem Austausch und dieser Diskussion, sollen Schritte entwickelt werden zu koordinierteren Anstrengungen.

*** Revolutionäre Stufe

* Entwickelt innerhalb eines Netzwerkes von Arbeiter_innen – geformt durch verschiedene Kampfzyklen und deren gemeinsame Reflektion – ein klares Programm für den gekommenen Moment des Aufstandes: was sind die zentralen Anlagen und Einrichtungen? Wie kann ein „populistischer“ Aneignungsprozess koordiniert werden? Wie können die proletarischen Segmente innerhalb der Armee erreicht werden? Dies muss innerhalb eines realistischen Zeitraums formuliert werden, überzeugend mehr durch das Wissen über industrielle Organisation und konkrete Kontakte als durch mitreißende politische Reden.

* Eine Organisation von Arbeiter_innen wird eine Rolle spielen müssen bei der Aufgabe, eine Klassenperspektive nach vorne zu bringen gegen die Tendenz zur Arbeiter_innenkontrolle nach der Übernahme einzelner Unternehmen. Die Belegschaften von größeren Industrien könnten versuchen ihre Position für ihre eigenen Privilegien zu missbrauchen; erfahrene Arbeiter_innen Milizen werden ihre kollektive Stärke ausüben müssen gegen ein allgemeineres Interesse. Eine Organisation von Arbeiter_innen sollte darauf vorbereitet sein, möglichen Regionalismus zu überwinden (von natürlich reicheren Gegenden, Gegenden mit fruchtbareren Böden, schöneren Stränden etc.)

* Vor dem Hintergrund eines längerfristigen Austauschs und einer breiteren politischen Perspektive sollte eine Organisation von Arbeiter_innen den Überschuss an Maschinerie/Produktion und Patenten/unternehmensspezifischem Wissen für die Unterstützung von proletarischen Kämpfen in anderen Ländern zur Verfügung stellen; zu extra Arbeit über das lokal benötigte Maß hinaus ermutigen wenn nötig; diese Position gegen ‘lokalistische’ Tendenzen innerhalb der Arbeiter_innenklasse verteidigen. Diese internationalistische Perspektive kann nicht durch ein politisches Programm oder als Armee (des Arbeiter_innen Staates) durchgesetzt werden, sondern durch die Verwurzelung unter und das Gewinnen von Arbeiter_innen in den globalen Zulieferketten und durch die Ermöglichung eines direkten Austausches – indem man die globale Abhängigkeit voneinander herausstreicht.

——

Nach mehreren längeren Diskussionen mit Arbeitskolleg_innen und Nachbar_innen über die Frage „Was ist der Charakter des gegenwärtigen Systems?“ und „Ist eine andere Gesellschaft möglich?“ wollen wir eine Serie in unserer Arbeiter_innen Zeitung WorkersWildWest schreiben [24], in denen wir auch versuchen werden, einen Teil des Materials und der Gedanken, die oben präsentiert sind zu verwenden. Es wird eine Herausforderung sein, die Dinge kurz und präzise zu formulieren, wir sind neugierig zu sehen, ob solche Artikel zu unseren täglichen Interaktionen beitragen werden.

Wir sind neugierig auf Eure Gedanken!


AngryWorkers, September 2016

angryworkersworld@gmail.com



[1]
AngryWorkers:
https://angryworkersworld.wordpress.com/2015/05/26/contribution-to-debate-on-social-strikes-and-directional-demands/
https://angryworkersworld.wordpress.com/2015/09/11/on-the-social-strike-contribution-for-the-plan-c-fast-forward-festival-september-2015/
https://angryworkersworld.wordpress.com/2014/07/30/general-thoughts-on-relation-between-capitalist-development-class-struggle-and-communist-organisation/

[2]
Beverly Silver: Forces of Labor
https://libcom.org/files/Beverly_J._Silver-Forces_of_Labor__Workers’_Movements_and_Globalization_Since_1870_(Cambridge_Studies_in_Comparative_Politics)__-Cambridge_University_Press(2003).pdf

[3]
Era of Riots
https://libcom.org/library/era-riots-update

[4]
Steven Colatrella: Global Strike Wave
https://libcom.org/library/worldwide-strike-wave-austerity-political-crisis-global-governance-steven-colatrella

[5]
Global Labour History:
http://www.iisg.nl/publications/globallabourhistory.pdf

[6]
Wildcat: Global Working Class
https://libcom.org/library/global-working-class-wildcat-germany

[7]
Beispiele für Experimente mit alternativen Kommunikationsnetzwerken:
http://awmn.net/content.php?r=288-AWMN&s=c5217ebf903e411769286b4cefb4b80c

[8]
Can anyone say communism?
http://www.wildcat-www.de/en/wildcat/86/w88_communism_en.html

[9]
Über die Front Populaire in Frankreich, 1936:
https://libcom.org/library/1914-1946-third-camp-internationalists-france-during-world-war-ii

[10]
Über Chile, 1973: <iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/b5GeEzBKGsQ" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>

[11]
Über “Inventing the Future” und die Kritik am Universellen Grundeinkommen:
I
m November 2015 schickte Verso Books eine Kopie von “Inventing the Future” von Nick Srnicek und Alex Williams zu jedem Mitglied des britischen Labour Schattenkabinetts, mit der Bitte, der Staat solle helfen, den technischen Fortschritt zu beschleunigen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Inventing_the_Future:_Postcapitalism_and_a_World_Without_Work
https://libcom.org/library/aufheben/pamphlets-articles/stop-the-clock-critiques-of-the-new-social-workhouse/reforming-the-welfare-state-in-order-to

[12]
Über Paul Masons Post-Kapitalismus:
https://peopleandnature.wordpress.com/2016/04/04/i-have-seen-the-techno-future-and-im-not-so-sure-it-works/

[13]
Das Unsichtbare Komitee: An unsere Freunde
https://linksunten.indymedia.org/de/system/files/data/2015/04/1995515656.pdf

[14]
Über gegenwärtige Kommunisierungstheorien:
http://libcom.org/library/communisation-its-theorists-friends-classless-society

[15]
Plan C
über Reproduktion:
http://www.weareplanc.org/blog/a-syndicalism-of-everyday-life-a-conversation-on-the-social-strike/

[16]
Operaismo: Refusal of Work
https://libcom.org/library/refusal-work-workers-committee-porto-marghera-1970

[17]
Grup
pe Internationaler Kommunisten:
https://www.marxists.org/subject/left-wing/gik/1930/

[18]
Goldner über Übergangsprogramme:
Was daraus folgt ist ein Programm für die “ersten hundert Tage” einer erfolgreichen proletarischen Revolution in Schlüsselländern, und hoffentlich sehr schnell überall auf der Welt. Es ist dafür gedacht, das Potential für schnellen Abbau von 'Wert'produktion im Marx'schen Sinne zu veranschaulichen.”

[19]
Bolche
wistische Außenpolitik:
https://www.marxists.org/archive/mattick-paul/1947/germany.htm

[20]
Seattle 1919:
https://libcom.org/history/1919-the-seattle-general-strike

[21]
Spani
scher Bürgerkrieg:
https://libcom.org/library/workers-against-work-michael-seidman

[22]
Oaxaca 2006:
https://libcom.org/history/looking-back-oaxaca-rebellion

[23]
Arbeiter_innenkontrolle:
http://www.workerscontrol.net

[24]
WorkersWildWest:
http://www.workerswildwest.wordpress.com

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Ihr seid ja sowas von fertig. Zu mehr als einer Sekte führt das nicht.

kannst du das begründen? oder ist das jetzt nur wieder pöbelei?

 

ein paar fragen tun sich dennoch auf: was soll das sein "aktive avantgarde"? ein zk? warum nicht alle gleichermaßen an entscheidungsprozessen einbinden?

 

und wozu die übertragung von arbeit in den basisbetrieben? das hört sich nach zwangsarbeit an a la rote khmer. muss das sein?

 

absoluter fail: "eine kommunistische Revolution muss in der Lage sein, die Lebensbedingungen für die Mehrheit innerhalb kurzer Zeit zu verbessern, sie muss die materielle Reproduktion der Bevölkerung auf einem hohen Standard garantieren" das ist quatsch und unrealistisch dazu. wenn wir unseren lebensstandard halten wollen, dann doch nur auf kosten der umwelt und der weniger priveligierten. rate daher dringend sichg damit zu beschjäftigen, den lebensstandard auf die hälfte zu reduzieren.

 

verbleibe: für freiheit und solidarität!

viele der in den fußnoten genannten texte gibt es auch in deutscher sprache, z.b. die wildcat-texte (wildcat-www.de).

ein versuch von loren goldner zum übergangsprogramm findet sich in der beilage zur wildcat nr. 88.