Wer "bio" kauft, fühlt sich besser. Gutes tut er nicht

Erstveröffentlicht: 
08.08.2016

Die ökologische Produktion benötigt mehr Land und bringt weniger Ertrag. Und weder die Erzeugnisse noch die Tiere sind gesünder. Warum eine Ausweitung der "grünen Revolution" fatal wäre.


Wir beschäftigen uns immer mehr mit unserer Ernährung. Und der Druck, auf "bio" umzustellen, nimmt zu. Immer öfter heißt es, dass das für uns gesünder und für Tiere und Umwelt besser sei. Doch stimmt das wirklich, oder ist es nicht nur ein Marketing-Hype?

Das Zentrum für Gesundheitspolitik der Stanford University jedenfalls hat 2012 in der bislang größten Studie ökologische mit konventionellen Lebensmitteln verglichen und keine belastbaren Beweise gefunden, dass "bio" besser sei.

Eine neue Studie bestätigt diese Ergebnisse: "Die Erkenntnisse wissenschaftlicher Untersuchungen zeigen nicht, dass Bio-Produkte nahrhafter und sicherer sind als konventionelle Nahrungsmittel."

Auch Tiere von Biobauernhöfen sind nicht grundsätzlich gesünder. Eine fünfjährige Studie in den USA ergab, dass "der Gesundheitszustand von Kühen in ökologisch und in traditionell geführten Milcherzeugungsbetrieben praktisch gleich ist".

Das wissenschaftliche Komitee für Lebensmittelsicherheit in Norwegen fand "keinen Unterschied bei der Infektionshäufigkeit". Schweine und Geflügel haben in Ökobetrieben meist mehr Auslauf im Freigelände, aber dadurch auch eine höhere Belastung mit Parasiten und Krankheitserregern.

Vorschriften für Bioerzeuger, was die Fütterung von Bienenvölkern mit Ergänzungsmitteln in Zeiten niedriger Pollenvorkommen und Desinfektionsverbote anbelangt, haben das Bienenwohl sogar deutlich gemindert.

Ökobetriebe brauchen mehr Anbaufläche

Oft wird behauptet, dass die ökologische Landwirtschaft gut für die Umwelt sei. Das mag für eine einzelne Anbaufläche stimmen: Ein Ökobetrieb verbraucht weniger Energie, emittiert weniger Treibhausgase, Stickstoffoxid und Ammoniak und verursacht weniger Bodenversauerung.Aber der Ernteertrag fällt auch sehr viel geringer aus. Um dieselbe Menge Weizen, Spinat oder Erdbeeren zu ernten, braucht es viel mehr Ackerland. Im Endeffekt produziert der ökologische Anbau genauso viel Klimagase wie die konventionelle Landwirtschaft – aber zehn Prozent mehr Stickoxid, Ammoniak und Bodenversauerung.

Was aber schwerer wiegt: Um die gleiche Menge an Produkten zu erzeugen, benötigen Ökobetriebe 84 Prozent mehr Fläche – Land, auf dem es Wälder oder Naturschutzgebiete geben könnte.

Wenn man die Gesamtmenge an Lebensmitteln, die in den Vereinigten Staaten jeden Tag konsumiert werden, ökologisch produzieren würde, müsste die landwirtschaftliche Nutzfläche um die Gesamtfläche Deutschlands und Österreichs vergrößert werden.

Pestizide auch beim Anbau von Bioprodukten eingesetzt

Wird beim ökologischen Anbau der Einsatz von Pestiziden vermieden? Auch das muss verneint werden. In der Ökolandwirtschaft können alle Schädlingsbekämpfungsmittel eingesetzt werden, die als "natürlich" gelten. Das schließt beispielsweise Kupfersulfate ein, die bei Sprayern in Weinbergen in Frankreich Leberkrebs verursacht haben.

Ein weiteres ökologisches Pflanzenschutzmittel sind Pyrethrine. Studien haben bei Landwirten, die entsprechende Mittel eingesetzt haben, im Vergleich zu Bauern, die diese nicht verwendet haben, einen 3,7-fachen Anstieg von Leukämie festgestellt.

Sind konventionelle Lebensmittel stärker mit Pflanzenschutzmitteln belastet? Das ist tatsächlich ein – wenn auch kleiner – Vorteil von Biowaren. Nach einer Schätzung der Abteilung für Toxikologie der US-Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) dürfte es durch alle Rückstände zusammen im schlechtesten Fall 20 Krebstote pro Jahr mehr geben.

Allerdings verliert diese Zahl angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung auf Biolebensmittel an Bedeutung. Wenn alle landwirtschaftlichen Betriebe in den USA auf ökologische Bewirtschaftung umstellen würden, entstünden dadurch aufgrund der niedrigeren Produktivität Kosten in Höhe von 200 Milliarden US-Dollar – Geld, das für Krankenhäuser, Senioren, Schulen und Infrastruktur fehlen würde.

Bei weltweiter Ökolandwirtschaft würden Milliarden hungern

Welche Auswirkungen diese hohe Summe auf die Mortalität haben würde, zeigt eine andere Untersuchung. Sie belegt, dass der Rückgang des Vermögens einer Nation um 15 Millionen US-Dollar statistisch gesehen ein Leben kostet.

Denn die Bevölkerung hat dadurch weniger Finanzmittel für die Gesundheitsvorsorge und für gesunde Nahrungsmittel zur Verfügung. Die Ökologisierung der Landwirtschaft in den USA würde also jedes Jahr mehr als 13.000 Menschen das Leben kosten.

Ökolandbau ist ein Phänomen der reichen Länder. 90 Prozent des Umsatzes mit Biowaren finden in Nordamerika und in Europa statt. Auch wenn sich der Absatz in den vergangenen 15 Jahren verfünffacht hat, wird gerade mal ein Prozent des Ackerlands weltweit ökologisch bewirtschaftet.

Denn fast die Hälfte der Menschheit ist von Lebensmitteln abhängig, die mit Kunstdünger erzeugt werden. Norman Borlaug, der als Initiator der "Grünen Revolution" den Nobelpreis erhielt, wies wiederholt darauf hin, dass eine weltweit betriebene Ökolandwirtschaft Milliarden Menschen in den Hunger treiben würde. Es seien derzeit schon zwei Milliarden Menschen zu viel auf dem Planeten. "So viele Freiwillige wird es nicht geben", meinte er sarkastisch.

Biowaren sind nicht gesünder oder besser für Tiere

Biolebensmittel eignen sich vor allem für wohlhabende Menschen, die sich mit dem Kauf gut fühlen wollen. Das ist natürlich genauso legitim, wie sein überschüssiges Geld für den Urlaub auszugeben. Doch sollte sich kein Gefühl der moralischen Überlegenheit einstellen.

Biowaren sind nicht gesünder oder besser für Tiere. Die Produktion im großen Stil würde Milliarden Euro und Tausende von Menschenleben kosten. Mit der Ausweitung der "grünen" Revolution würden die Schäden an der Umwelt größer und die globalen Waldflächen kleiner.

Berühmt geworden ist der Ausspruch von Vivienne Westwood, dass Menschen, die sich Biolebensmittel nicht leisten können, "weniger essen" sollten. Die Modedesignerin hat das sicherlich in bester Absicht gesagt, aber das hat nichts mit der Realität zu tun.

So wie kurz vor der französischen Revolution Marie Antoinette meinte, wer kein Brot habe, könne ja Kuchen essen. Ein Großteil der Weltbevölkerung braucht mehr und günstigere Lebensmittel. Das geht nicht mit der ökologischen Landwirtschaft.

Von Björn Lomborg. Übersetzt aus dem Englischen von Elwine Happ-Frank.

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jaja, genau. bio ist scheiße, windräder auch und vegetarier sowieso.

 

wir sollten auch alle mehr autos kaufen, weil fahrradfahren auch nichts bringt.

 

kohle und atom sind sichere energieträger. und palmöl schmeckt lecker.

 

plastik ist geil, scheiß jute.

 

(schade des es auf indymedia idioten gibt, die so scheiß-welt-artikel posten!)

Bio-Bashing: Branche kontert „Welt“-Artikel

 

Zu einem Rundumschlag gegen Bio hat vergangene Woche der dänische Politikwissenschaftler Björn Lomborg ausgeholt. In seinem in der Welt unter der Überschrift „Wer bio kauft, fühlt sich besser. Gutes tut er nicht“ erschienenen Essay lässt er kein gutes Haar an der ökologischen Lebensmittelwirtschaft. Und zeichnet stattdessen ein düsteres Bild: Bio-Anbau benötige mehr Land als der konventionelle, bringe weniger Ertrag und die Tiere seien auch nicht gesünder. Sein Beitrag gipfelt in der These, dass eine Bio-Umstellung aller US-Landwirte das dortige Volksvermögen schmälern und jährlich 13.000 Menschen das Leben kosten würde. Eine Ausweitung der grünen Revolution wäre seinen Worten zufolge „fatal“.

 

Am Freitag hat die Welt eine Replik auf Lomborgs Thesen durch den Bundesverband Ökologische Lebensmittelwirtschaft  (BÖLW) veröffentlicht. Darin verweist BÖLW-Vorstand Felix Prinz zu Löwenstein unter anderem auf eine viel beachtete Studie der Universität Berkeley, nach der der Ertragsunterschied zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft bei lediglich 10 bis 20 Prozent liegt. Lomborg hingegen schreibt in seinem Essay, um die gleiche Menge an Produkten zu erzeugen, benötigten Ökobetriebe 84 Prozent mehr Fläche. Eine wissenschaftliche Grundlage dieser These lässt er allerdings vermissen.

 

BNN zieht nach

 

Mitte dieser Woche wird der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) im selben Blatt mit einer Gegenargumentation nachlegen. Diese liegt Bio-Markt.info vor. Keine noch so konstruierte Zusammenstellung von Zahlenmaterial könne die evidenten Vorteile von Bio gegenüber der konventionellen Lebensmittelindustrie von der Hand weisen, heißt es darin.

 

So bemängelt der Verband unter anderem, dass Blomberg die negativen Effekte der konventionellen Landwirtschaft vollkommen außer Acht lässt. Etwa, dass Agrar-Großkonzerne die Armut fördern, weil sie weltweit Kleinbauern verdrängen, die lokale Märkte versorgen. Die Konzerne selbst würden aber auf Profit und Export setzen. Als Beispiel nennt der Verband unter anderem Palmöl, das für den motorisierten Individualverkehr genutzt wird.

 

Auch die externen Kosten konventioneller Landwirtschaft sucht man bei dem in der Umweltbranche als Skeptiker bekannten Wissenschaftler vergeblich. So verschlinge allein die Reinigung des Trinkwassers von Pestiziden und Nitraten in Frankreich 1,5 Milliarden Euro jährlich, schreiben BÖLW und BNN unisono. Betrachte man zusätzlich die staatlichen Subventionen für die konventionelle Lebensmittelindustrie breche das Bild einer teuren Bio-Landwirtschaft, so wie sie der Wissenschaftler darstellt, zusammen wie ein Kartenhaus. Klar ist: Würden diese externen Kosten auf den Ladenpreis umgelegt werden, wäre das heutige Preisgefälle zwischen Bio und Konventionell ein deutlich geringeres, erklärt der BNN weiter. Die negativen Folgen der konventionellen Lebensmittelindustrie für Umwelt, Tier und Mensch blieben aber die gleichen.

 

Auch in Sachen Tierwohl äußert sich Lomborg. Und schreibt, dass "der Gesundheitszustand von Kühen in ökologisch und in traditionell geführten Milcherzeugungsbetrieben praktisch gleich ist".  Was sicher stimmt, aber für sich alleine stehend ein verzerrtes Bild von der Tierhaltung im Bio-Landbau hinterlässt. Dass Nutzvieh auf Bio-Höfen erheblich artgerechter gehalten werden, erwähnt der dänische Wissenschaftler mit keinem Wort. Dabei seien „die Lebensqualitäten doch ganz andere“, so der BNN. Auf Bio-Höfen dürften die Tiere in der Regel ins Freie, und es steht ihnen deutlich mehr Platz zu als ihren konventionellen Artgenossen.

 

Die konventionelle Land- und Lebensmittelwirtschaft schade, statt zu erhalten, bilanziert der BNN. In Deutschland würden sich die Akteure der Naturkostbranche seit fast 40 Jahren für einen Wandel einsetzen. Sie hätten durch ihre Arbeit ein Umdenken bewirkt und seien in vielen Bereichen Vorreiter: vegane und vegetarische Ernährung, regionale Wirtschaftskreisläufe und die Idee eines sozialverträglichen Wirtschaftens gehörten dazu. Das Fazit des Verbands klingt daher ganz anders als Lomborgs Essay-Titel: „Im Bio-Laden kauft man sich kein gutes Gefühl – man wird Teil der Lösung."

 

http://bio-markt.info/kurzmeldungen/bio-bashing-branche-kontert-welt-art...