Rede und Antwort

Quelle des Bildausschnittes (gespiegelt): http://www.edition-assemblage.de/kurze-geschichte-der-antisemitismusdebatte/

Noch einmal @ Bündnispolitik, Israel-Kritik und Antisemitismus

 

Jetzt, nach dem 1. Mai, wollen wir1 die Gele­genheit nutzen, Rede und Antwort zu stehen bzgl. der Einwände, die gegen unseren Artikel Sind die Grenzen des revolutionären Konsenses erst bei Antisemitismus überschritten? vom 28.4. gemacht worden sind, und auf die uns gestellten Fragen antworten. Zunächst einmal möchten wir uns aber für die Komplimente (1, 2 und 3), die es auch gab, bedanken.

 

Der Einfachheit halber gehen wir die Kom­mentare, die unter dem Artikel gepostet wur­den, der Reihe nach durch. Außerdem wer­den wir auf das Statement eines F.O.R. Pa­lestine-Mitgliedes im neuen deutschland vom 29.04. und auf ein Thema eingehen, das wir in unserem Artikel ausgeklammert hatten: Wo liegen die Grenzen des Konsenses, wenn es sich – nicht (wie am 1. Mai) um ein revolutio­näres, sondern – um ein breites (reformisti­sche Kräfte einschließendes) Bündnis han­delt? Schließlich veröffentlichen wir als Drein­gabe einen LeserInnenbrief, den wir an klassegegenklasse.org, der Webseite der Re­volutionären Internationalistischen Organisati­on (RIO), wo Ende April ein Interview mit F.O.R. Palestine erschien, schickten.


1 Peter Nowak, Achim Schill und Detlef Georgia Schulze.

 

I. Zu den Kommentaren unter unserem Ar­tikel

 

1. Biographie- und Motivforschung (Do, 28.04.2016 - 13:08)

 

Was war die Motivation eurer Abhandlung? Was ist eure persönlich soziale Positionie­rung? Denn ich glaube, dass ihr nicht neutral oder objektiv zu der Thematik schreiben könnt, oder? Spielt da nicht auch Eure per­sönliche Sozialisation mit rein?“

 

zu Frage 1: Weil wir eine annähernd gemein­same Position zur Kontroverse haben, und es uns wichtig war, sie zusammen mit unseren Gründen bekannt zu machen, da wir regelmäßige TeilnehmerInnen der revolutio­nären 1. Mai-Demo sind – uns also nicht egal ist, welche Kräfte an Bündnis und Demo be­teiligt sind.

 

zu Frage 2 - 4: Sozialisation dürfte in ziem­lich alles, was Menschen machen, hineinspie­len, und politische Positionen sind niemals objektiv, sondern immer parteilich.

Ob unsere faktischen Aussagen wahr und un­sere Positionen richtig sind, läßt sich freilich nur anhand von Beweisen und Argumenten und nicht anhand unserer Biographie klären.

Biographieforschung kann vielleicht erklären, warum sich Leute irren oder falsche politische Positionen vertreten, aber nicht, ob sie sich ir­ren bzw. falschliegen.

Wir möchten die Biographiefrage daher hier nicht weiter auswalzen, auch wenn wir einse­hen, daß eine bestimmte gesellschaftliche Position angeraten sein lassen kann, einen zurückhaltenderen Tonfall an den Tag zu le­gen, oder aber dazu berechtigen kann, for­scher aufzutreten.

 

2. Antizionismus in Deutschland? (Do, 28.04.2016 - 14:22)

 

es bleibt für mich die frage, warum man sich als deutscher ;und dieses deutschsein soll kein totschlagargument für irgendwas sein, aber trotzdem; als deutscher mit all dem ge­schichtlichen hintergrundwissen was einem so mitgeben wird, als antizionist einen namen machen muss?“

 

Die Position, für die Du nach einer Begrün­dung fragst, haben wir ja gar nicht vertreten. Wir haben nur gesagt, daß Antizionismus nicht zwangsläufig antisemitisch ist; und wir haben außerdem sogar gesagt: „Wir tendie­ren im übrigen dahin, ‚Zionismus’ nur als his­torischen Begriff zu verwenden und für die jetzige Zeit vielleicht ‚israelischer Nationalis­mus’.“

 

Solange die Gründung Israels noch ein (auf die Zukunft gerichtetes) Projekt war, hatte es Sinn, sich insbesondere von jüdischer Seite (= Kreis, der Menschen, die zu diesem Pro­jekt eingeladen waren) und von palästinensi­scher Seite (= diejenigen, die von diesem Projekt betroffen waren) für oder gegen die­ses Projekt zu positionieren.

 

Seitdem dieses Projekt durchgesetzt war (und das Resultat auch nicht „Zionistische Republik“, sondern „Israel“ heißt), hat es je­denfalls etwas Befremdliches, sich unter dem Schlagwort „Antizionismus“ – außerhalb einer kommunistischen Perspektive – für oder ge­gen die Existenz des Staates Israel auszu­sprechen (etwas Anderes ist, dessen Politik und Gesellschaftsordnung zu kritisieren, was von KommunistInnen für jeden heute existie­renden Staat zu machen ist1). Auch eine (re­volutionär-sozialistische oder konsensuell-bürgerliche) 1-Staaten-Lösung wäre keine Rückkehr zum status quo ante (zum Zustand vor Gründung Israels), sondern ein neues Projekt, in dem israelisch-jüdische und paläs­tinensische Interessen demokratisch zur Gel­tung kommen. Ein einseitig militärischer Sieg der palästinensischen Seite über Israel wäre dagegen nichts, was dem Begriff „Lösung“ gerecht werden würde.

 

Von daher haben wir unsererseits keinen Be­darf, unsere Befürwortung einer 1-Staaten-Lösung als „antizionistisch“ zu etikettieren. Wir halten allerdings daran fest, daß allein die Selbst- (oder Fremd-)bezeichnung einer Posi­tion als „antizionistisch“ nicht ausreichend ist, um sie als antisemitisch zu charakterisieren. Dessen unbeschadet halten auch wir es aller­dings für irritierend, wenn „Antizionismus“ für Nicht-Konfliktbeteiligte zu einem identitätsstif­tenden Schlagwort wird (wie das unseres Er­achtens für ‚Antiimps’ und ‚Anti-Deutsche’ zu­mindest tendenziell zutrifft, was die Diskussi­on um die ‚Sache’ nicht unbedingt rationaler macht2).

 

„‚Vor 15 Jahren war in Flugblättern von israel-solidarischen Gruppen bisweilen die Forde­rung zu lesen, es gelte alle Staaten weltweit abzuschaffen, Israel aber zuletzt.’ […]. wenn man [...] dieser forderung nicht wortwörtlich versteht, sondern als hinweis auf die aktuelle situation, dann hat sie durchaus wahrheitsge­halt. […]. so manch ein antisemit weltweit nur auf seine gelegenheit wartet um zuzu­schlagen.

 

Ja, aber wir sind weder überzeugt, daß Israel als hegemonial jüdischer Staat der einzige noch der beste (relative) Schutz gegen Anti­semitismus ist – zumal ohnehin nicht alle Ju­den und Jüdinnen in Israel leben (wollen). Wir sind vielmehr überzeugt, daß es prinzipiell möglich ist, eine 1-Staaten-Lösung auszuhandeln, die auch jüdisch-israelischen Interessen gerecht wird.

 

3. „Israel verübt einen Genozid an den Pa­lästinensern“ (Do, 28.04.2016 – 16:01)

 

„‚Israel verübt einen Genozid an den Palästi­nensern’ wieso soll den dieser Satz bitte­schön Antisemitsch sein! […]. Auch radikale Kritik am Staat Israel muss erlaubt sein!“

 

1. Wir haben gar nicht behauptet, daß der fragliche Satz antisemitisch ist; wir haben be­stritten, daß er wahr ist – und das bestätigst Du, indem du sagst, daß „diese Begrifflichkeit nicht weit von der Wirklichkeit entfernt ist“ (unsere Hv.).

Ob „nicht weit“ oder doch schon ziemlich weit – jedenfalls entspricht der Begriff nicht der Wirklichkeit.

 

2. Ebenfalls haben wir nicht vorgeschlagen oder gefordert, daß der fragliche Satz verbo­ten werden soll. Allenfalls stellt sich die Fra­ge, ob er in den Rahmen einer revolutionär-antikapitalistischen Demo gehört.

 

4. „nicht mehr …, wie vor 10 Jahren“ (Fr, 29.04.2016 - 12:19)

 

die Verhältnisse in Israel und Palästina sind längst nicht mehr so, wie vor 10 Jahren. Nur in dem Licht kann man z.B. FOR richtig be­trachten.“

 

Ja, und noch weniger als vor rund 25 Jahren... – aber ein wichtiges Element dieser Veränderungen ist der Niedergang der paläs­tinensischen Linken (deren – wie jede – Volksfrontstrategie allerdings schon in den 1970er und 1980er Jahren falsch war) und der Aufstieg des Islamismus.

Daß wiederum ursächlich dafür – neben in­ner-muslimischen Umständen – auch globale Entwicklungen und die Weigerung Israels, auf die 2-Staaten-Offerte der PLO einzugehen, sind, ist unsererseits unbestritten.

 

5. „legitime Mittel des Widerstand“ (Fr, 29.04.2016 - 11:36)

 

Es wäre schön gewesen, wenn die Autor*in­nen sich auf die Frage legitimer Mittel des Widerstands in Palästina (und überhaupt) be­zogen hätten. Schließlich ist ein weiterer, wichtiger Kritikpunkt an ‚For Palestine’, dass von dieser Gruppe auch tödliche Angriffe ge­gen unbewaffnete jüdische Zivilist*innen in Is­rael explizit als legitim erklärt werden.“

 

Wir hatten dazu ja schon geschrieben:

 

„In einem anderen Text von F.O.R. Palestine, den wir weiter unten noch genauer zitieren, werden ‚Verhandlungen mit dem zionistischen Staat’ ausdrücklich abgelehnt. Demgegen­über sind wir der Ansicht, daß solange es um eine bürgerliche Abschaffung Israels geht, es einen Unterschied ums Ganze macht, ob die­se Abschaffung einseitig und mit ‚alle[n ...] Mittel[n]’ (F.O.R. Palestine) von der palästi­nensischen Seite durchgesetzt werden soll oder ob wohlkalkulierte (!) Militanz dazu die­nen soll, zu einer Friedenskonferenz zu kom­men, in der vereinbart wird, wie

  • sowohl die Sicherheitsinteressen der jüdischen Bevölkerung in Israel/Paläs­tina befriedigt werden

  • als auch die Lebensbedingungen der dortigen palästinensischen Bevölke­rung der jüdischen Bevölkerung ange­glichen werden können.“

 

Um unsere Position – auch über Israel/Paläs­tina hinaus – zumindest noch ein bißchen zu konkretisieren:

 

  • Erste Voraussetzung für legitime Mili­tanz ist, daß sie für einen richtigen Zweck eingesetzt wird. Der Zweck von F.O.R. Palestine (und zumal der von Hamas) ist ein falscher Zweck.

  • Zweite Voraussetzung ist, daß die Mili­tanz ein (d.h.: geeignetes!) Mittel ist – sich die (als Mittel gedachte) Militanz also nicht gegen den berechtigten Zweck, zu dessen Erreichung sie ein­gesetzt wird, verselbständigt.

    Auch wenn wir das Ideal ‚sauberer Kriegsführung’ für illusorisch halten, so sollte doch der Schutz von ZivilistIn­nen/Unbeteiligten eine hohe Priorität haben.

Abgesehen von diesen beiden – zugegebe­nermaßen: sehr abstrakten – Leitlinien sehen wir uns nicht in der Lage, ein überzeugendes, heutiges Militärprogramm der Revolution (S. 72 - 83) zu entwerfen (weder für hier noch – zumal – für anderswo).

 

6. Republikanischer und völkischer Volks­begriff (Fr, 29.04.2016 – 15:14)

 

Dieses Lautzeichen [Volk] hat je nach Kon­text sehr unterschiedliche Bedeutungen.

Wenn Ihr einen Franzosen fragt, wird gerade der bestreiten, dass es vor der Gründung ei­nes französischen Nationalstaates ein franzö­sisches Volk gab – und das mit Recht. Denn gerade von den Franzosen stammt doch die zumindest auch an Rhein und Ruhr gängige Auffassung, dass ‚Volk’ Staatsvolk meint, also den Träger eines Nationalstaates – und den gibt es nun mal vor dem Nationalstaat nicht. ‚Volk’ im ethnischen Sinne zu verstehen, wie es vor allem die Deutschen in Ermangelung eines Nationalstaates gerne verstanden, ist hingegen stets anrüchig, denn es bezieht sich auf Kategorien jenseits von demokratischer staatlicher Verfasstheit.“

 

Ja, dieser Unterschied ist uns bekannt. Und dieser Unterschied ist relevant in Bezug auf die Beurteilung unterschiedlicher bürgerlicher Staatskonzeptionen. Allerdings bestehen MarxistInnen auch gegenüber dem französi­schen Volks-Begriff darauf, daß das „Volk“ in Klassen gespalten ist (und Ähnliches sagen Feministinnen und AntirassistInnen in Bezug auf die „Sozialstrukturen“ Patriarchat und Rassismus).

 

Und jetzt messe man mal daran die Israel-Frage“

 

Und? Was ist das Ergebnis? Israel hat jüdi­sche und muslimische Staatsangehörige und die (in Israel geborenen?) Kinder dieser Staatsangehörigen – vielleicht sogar alle in Israel geborenen Kinder – sind ihrerseits is­raelische Staatsangehörige. Also alles in bes­ter, bürgerlich-demokratischer Ordnung.

Daß es trotzdem anti-palästinensischen Ras­sismus gibt, ist auch wahr – aber auch keine Abweichung von der bürgerlich-demokrati­schen Regel. Auch in Deutschland, Jordanien und anderen Ländern werden Palästinenser­Innen diskriminiert. Und in den amerikani­schen Staaten werden indigene und andere schwarze3 EinwohnerInnen diskriminiert.

 

Und selbst, wenn Du damit Recht hättest, daß der jüdisch-israelische Volksbegriff dem deutschen nähersteht als dem französischen, so wäre dadurch ja trotzdem nicht das Selbst­bestimmungsrecht Israels in Abrede gestellt (und damit auch das seiner Weiterexistenz).4

 

Dann hieß es, jüdischer Staat. Nicht in dem Sinne, dass verfolgte Juden dort im Falle ei­nes Falles eine Zuflucht haben sollten, son­dern in dem Sinne, dass es ein Staat einer Religionsgemeinschaft sein sollte. Das ist re­aktionär“

 

In Schweden war die evangelisch-lutherische Kirche bis 1999 – also einige Zeit nach Ende des „Mittelalters“ – Staatskirche. In Dänemark gilt immer noch: „Die Evangelisch-lutherische Kirche ist die dänische Volkskirche und wird als solche vom Staat unterstützt.“ (§ 4 der dänischen Verfassung) Noch deutlicher ist Art. 62 der isländischen Verfassung: „Die Evangelisch-lutherische Kirche ist Staatskir­che und wird als solche vom Staat unterstützt und geschützt.“ Auch die „Church of England […] ist noch immer eine Landeskirche im klassischen Sinne, da an ihrer Spitze der briti­sche Monarch mit dem Titel Supreme Governor of the Church of England steht. Auch sind die beiden Erzbischöfe sowie 24 weitere Bischöfe Mitglieder im House of Lords.“ (Wikipedia)

 

Auch in anderen, insbesondere muslimisch geprägten Ländern gibt es Staatskirchen (sie­he 1 und 2).

 

Israel hat aber keine Staatskirche.

 

Nun hoffe ich, wir sind uns einig, dass ge­genseitiges Umbringen keine Lösung des Problems ist. Wie also löst man das? Ver­handlungen? Siehe Oslo. Voll in die Hose ge­gangen. Kann man vergessen. Was also bleibt? Wirtschaftlicher Druck, Boykott, Isola­tion.“

 

Wir sagen ja gar nicht, daß es für eine Lö­sung keines Druckes auf den israelischen Staat / Nationalismus bedarf – die Frage ist unseres Erachtens: Für welches Ziel? Mit welcher Bündnispolitik? Und mit welchen Mit­teln?

 

7. Israelisches Eherecht (Fr, 29.04.2016 – 21:18 und Fr, 29.04.2016 - 21:46)

 

Es gibt im engeren Sinne kein ‚israelisches Eherecht’. Es gibt das Eherecht der verschi­enden staatlichen anerkannten jüdischen, christlichen und muslimischen Glaubensge­meinschaften und ausdrücklich keine Zi­vilehe.“

 

Es ist also in Ordnung, dass Bürger, die au­ßerhalb der von Rabbis festgelegten Grenzen heiraten wollen, dazu erst mal eine Auslands­reise machen müssen.

Und es ist gar nicht problematisch, wenn auch überzeugte Atheisten in Israel nicht hei­raten können, egal, ob sie jüdischstämmig sind oder nicht.“

 

Also – wir wissen unsererseits nichts über das israelische Eherecht. Wenn wir von Eu­ren faktischen Behauptungen ausgehen, dann würden wir sagen:

 

  • (da wir gegen die Institution Ehe sind:) in Israel ist alles bestens, wenn es da keine Zivilehe gibt.

  • und die, die gläubig sind, heiraten hal­ten nach den Regeln ihrer jeweiligen Religionsgemeinschaft.

 

Kritikwürdig wäre unseres Erachtens nur, wenn der Staat (unterschiedliche) – z.B. steu­errechtliche – Schlußfolgerungen an die reli­giös geschlossenen Ehen knüpfen würde.

 

8. „alternative Produzenten“ außerhalb des Kapitalismus (Fr, 29.04.2016 - 21:44 und Sa, 30.04.2016 - 18:55 sowie Sa, 30.04.2016 - 21:00)

 

Ihr seid da wohl dem linksliberalen Abstrakti­onsmythos verfallen, nachdem im Kapitalis­mus die sog. ‚Sachzwänge’ alles und jeden beherrschen. Falsch verstandener Marx kann ich da nur sagen, schaut euch einfach mal Kollektivbetriebe oder alternative Produzen­ten an und erklärt, wo die im Rahmen irgend­welcher Marktkonkurrenz produzieren.“

 

auch der tausch gebrauchter waren, sharing oder selbstbestimmte dienstleistungen kön­nen außerhalb des kapitalismus stattfinden.“ (unsere Hv.)

 

1. Im Kommunismus gibt es keine Waren.

 

2. Tauschen die in diesen Kollektivbetrieben Arbeitenden ihre Arbeitskraft gegen Geld (Lohn)? Sicherlich: Denn diese Betriebe sind – auf einem halbwegs entwickelten technolo­gischen Niveau und Lebensstandard – keine Subsistenzeinheiten; die dort Arbeitenden müssen also nicht in dem jeweiligen Betrieb produzierte Güter (auf dem Markt gegen Geld) kaufen; benötigen also Lohn.

 

3. Folglich müssen auch die Produkte eines solchen Betriebs gegen Geld abgegeben, d.h.: verkauft, werden. Anderenfalls (d.h.: ohne Geldeinnahmen) könnten dieser Betrieb keine Löhne zahlen.

 

4. Verkaufen kann ein solcher Betrieb seine Produkte aber nur, wenn er gegenüber den anderen MarktakteurInnen konkurrenzfähig ist – es sei denn, die KundInnen sind bereit einen politischen Mehrpreis zu zahlen. Aber auch dies können sie nur, wenn sie ihrerseits Geldeinnahmen auf dem kapitalistischen Markt erzielen.

 

Steht ein solcher Betrieb also außerhalb der Marktkonkurrenz / außerhalb der Kapitalis­mus?

 

Besser ist aber die Idee mit den Spenden für Konzerte. Da erklär mal, inwieweit die Spen­der, welche ja den Preis selbst bestimmen, oder die Empfänger, denen es scheinbar scheißegal ist was dabei rauskommt, irgend­welchen kapitalistischen Sachzwängen unter­liegen?“

 

Wie kommen die SpenderInnen zu dem Geld, das sie spenden? Wovon leben die Musike­rInnen, falls nicht genug Spenden zusam­menkommen?

 

9. Kommunistische Warenproduktion (So, 01.05.2016 - 03:12 und So, 01.05.2016 - 13:52)?

 

auch im Kommunismus wird Geld gegen Ware getauscht und Ware gegen Geld, ge­nauso wie jeder kommunistische Betrieb Geld/Rohstoffe/Material in neue Produktions­stätten investieren wird“

 

In jedem realexistierenden Kommunismus wurde bisher mit Geld bezahlt, warum bloß?“

 

Nein, der Kommunismus zeichnet sich u.a. dadurch aus aus, daß es kein Geld und keine Waren mehr gibt (die Güter keine Warenform mehr haben), und eben deshalb war der sog. real existierende Sozialismus kein Kommu­nismus, und hat er auch nicht beansprucht, bereits Kommunismus zu sein. Vielmehr han­delte es sich um ein – mehr schlechtes als rechtes – Beispiel für eine nicht-kapitalisti­sche Übergangsgesellschaft, die viele alte Formen (u.a. Geld, Waren und Staat) noch nicht überwunden hatte (oder noch gar nicht die volle ‚bürgerliche’ Entwicklung durch­schritten hatte).

 

 

II. Zu dem Statement eines Mitgliedes von F.O.R. Palestine im neuen deutschland vom 29.04.2016

 

Dror Dayan, Gründer der Gruppe FOR, kann diese Aufregung nicht nachvollziehen. Der Satz wurde missverstanden, beteuerte er ge­genüber ‚nd’. ‚In der neuen, demokratischen Gesellschaft sollen alle leben: Juden wie Pa­lästinenser.’ Es ginge ihm um eine Abschaf­fung der ‚zionistischen Ideologie’, worunter er die Privilegierung von Israelis gegenüber Pa­lästinensern verstehe. Nicht um eine Vertrei­bung. ‚In einer Gesellschaft nach dem Patri­archat gibt es ja auch keine sexistischen Männer mehr. Da geht es um eine Dekon­struktion des Sexismus, und genau so wollen wir eine Entkolonialisierung Palästinas als geistigen Prozess’, erklärte Dayan.“

 

1. Wir haben keine gemeinsame Position zur de-konstruktivistischen Philosophie und dem de-konstruktivistischen Feminismus.

 

Aber de-konstruktivistischer Feminismus be­deutet – jedenfalls nach Auffassung von DGS und P.N.gerade nicht zu glauben, daß es nicht-sexistische Männer geben könne.5 Der de-konstruktivistischen Feminismus gibt die Unterscheidung des älteren Feminismus zwi­schen sex und gender (biologischem und so­zialen Geschlecht) auf und wendet sich ge­gen die zweigeschlechtliche Ordnung als sol­che, indem er bestreitet, daß die Individuen paßgenau entweder in die Gruppe der Frauen oder die Gruppen der Männer einsortiert wer­den können.

Das, was der Marxismus für die Klassen sagt, sagt der de-konstruktivistische Feminismus über die Geschlechter: Ihre Gleichheit ist illu­sorisch, es gehe um deren Abschaffung.

 

2. Jedenfalls ist die Überwindung von Sexis­mus nicht nur ein „geistige[r] Prozess“, son­dern er erfordert die Veränderung der materi­ellen Praxen, mit denen er gelebt wird (ge­schlechtshierarchische Arbeitsteilung, sexuel­le Gewalt, stereotype Verhaltensweisen, …).

 

3. Die Sexismus-Analogie gibt also nichts da­für her, glaubhaft zu machen, mit der „Ab­schaffung des Staates Israel“ und der Be­grenzung des Lebensrechts in einem neuen Staat auf „Exilpalästinenser_innen und nicht-zionistische Jüd_innen“ sei ein rein „geisti­ge[r] Prozess“ gemeint. Und tatsächlich hält F.O.R. Palestine im Kampf gegen die „zionis­tische Besatzung“ auch „alle andere[n] Mittel“ als die BDS-Kampange für „legitim“; im übri­gen ist auch ökonomischer Boykott nicht (nur) ein „geistige[r] Prozess“6.

 

4. Das Verhältnis von Juden und Jüdinnen zum Zionismus ist nicht analog zu dem Ver­hältnis von Männern zum Patriarchat: Wäh­rend Juden und Jüdinnen sehr wohl eine anti­zionistische Haltung einnehmen und eine nichtzio­nistische Praxis haben können, ist das Patri­archat eine objektive gesellschaftliche Struk­tur, von der Männer – auch bei subjektiv bes­tem antisexistischen Bewußtsein – profitieren.

 

5. Auch ist das Verhältnis von Patriarchat und Zionismus zu Kapitalismus nicht analog: Während das Patriarchat älter als der Kapita­lismus ist, ist der Zionismus eine von vielen nationalistischen Ideologien und Bewegun­gen, die zur Gründung bürgerlicher National­staaten an Stelle von feudalen Reichen führ­te.

Sexismus kann unabhängig vom Kampf ge­gen den Kapitalismus bekämpft werden, da die Einzelkapitale den existierenden Sexis­mus zwar nutzen, aber es für die kapitalisti­sche Produktionsweise als solche nicht auf das Geschlecht der Individuen ankommt, son­dern darauf, daß sie freie und gleiche Wa­renbesitzerInnen sind, die ihre Arbeitskraft auf dem Markt als Waren tauschen.

Dagegen ist der Nationalismus eine bürgerli­che Ideologie sowie Bewegung/Praxis: An Stelle von Reichen und Fürstentümern mit Untertanen des jeweiligen Herrschers oder der jeweiligen Herrscherin (= personale Herr­schaft) traten Territorialstaaten mit Staatsbür­gerInnen (= versachlichte Herrschaft).

Der Marxismus zielt auf die Abschaffung der Staatsform überhaupt, nicht auf die unfreiwilli­ge Ersetzung der einen bürgerlichen Staaten durch andere bürgerlichen Staaten. In natio­nalen Konflikten ergreift er nicht für einen der verschiedenen Nationalismen Partei, sondern gegen jede nationale Unterdrückung. Das Verhältnis des Marxismus zum Nationalismus ist in diesem Sinne ein negatives und keine positives – auch wenn der Marxismus die Schaffung großer Märkte mit einheitlicher Rechtsordnung und Staaten mit Volkssouve­ränität (statt lokaler Marktordnungen und feu­dalem Gottesgnadentum) als historischen Fortschritt ansieht. Diese marxistische Präfe­renz für größere Gebietseinheiten führt aber nicht dazu, daß der Marxismus den Sieg des einen Nationalismus über den anderen (hier des palästinensischen über den jüdisch-israe­lischen) propagieren würde.

 

Zu einer Zeit, als die us-amerikanische Spartacist League7 noch anders drauf war als in den letzten Jahrzehnten ihres sektiere­risch-missionarischen Gehabes, schrieb diese über den Nordirland-Konflikt:

 

„Die Protestanten fühlen sich berechtig­terweise durch den Vorschlag eines vereinigten (bürgerlichen) Irlands be­droht, d. h. durch die Zwangsintegration in eine vergrößerte Version des reaktio­när-klerikalen Staates Eire. [...]. Ein ver­einigtes bürgerliches Irland wäre keine demokratische Lösung für die Erfüllung ihrer Ansprüche, und deshalb müssen wir eine solche Lösung zurückweisen. Solch ein Staat wäre zwangsläufig konfessionell-sektiererisch, und die Protestanten werden einem solchen Bund nicht freiwillig beitreten.“

„In dieser Situation gelten die gleichen allgemeinen Erwägungen, nämlich un­sere Opposition gegen jede Form natio­naler Unterdrückung und Privilegien“. Die Interpretation des irischen Rechts auf Selbstbestimmung im Sinne einer Zwangsvereinigung der irischen Insel würde bedeutet, „dieses Recht dem an­deren Volk“, den Ulster-ProtestantIn­nen, vorzuenthalten. „Unter dem Kapi­talismus wäre dies einfach eine Formel für die Umkehrung des Unter­drückungsverhältnisses, für gewaltsa­me Umsiedlungen der Bevölkerung, für Vertreibungen und schließlich für Völ­kermord.“8

 

Auch wenn wir auch in diesem Zusammen­hang zu Vorsicht bzgl. des Begriffs „Völker­mord“ mahnen wollen, so halten wir den grundsätzlichen Gedankengang für richtig und auf den Israel/Palästina-Konflikt zu über­tragen: Die Forderung nach einer bürgerli­chen Zwangsvereinigung ist zurückzuweisen. MarxistInnen sprechen sich gegen jeden Na­tionalismus und für den gemeinsamen Kampf der jüdisch-israelischen und palästinensi­schen Lohnabhängigen für eine sozialistische 1-Staaten-Lösung aus.

 

Von der Internationalen Bolschewistischen Tendenz (IBT), einer Abspaltung der Sparta­cist Tendenz, wird diese Schlußfolgerung ausdrücklich gezogen:

 

„In den komplizierteren Fällen von zwei innerhalb eines geographischen Gebie­tes ‚vermischt’ lebenden Völkern (Zy­pern, Nord-Irland, Palästina/Israel), kann das abstrakte Recht der Selbstbe­stimmung auf der Grundlage kapitalisti­scher Eigentumsformen nicht gerecht realisiert werden. In keinem dieser Fälle kann das Unterdrücker-Volk jedoch gleichgesetzt werden mit den Weißen in Südafrika oder den französischen Kolonialherren in Algerien, d.h. einer priviligierten Siedlerkaste/Arbeiteraristo­kratie, die von der Extra-Ausbeutung der nicht-weißen Arbeiter abhängig ist, um einen qualitativ höheren Lebens­standard beizubehalten als die unter­drückte Bevölkerung.

Sowohl die irischen Protestanten als auch die Hebräisch-sprechende Bevöl­kerung Israels gehören verschiedenen Klassen ihrer Völker an. Jedes dieser Völker hat eine Bourgeoisie, ein Klein­bürgertum und eine Arbeiterklasse. Im Gegensatz zu kleinbürgerlichen Mora­listen mit ihren Schuldgefühlen unter­stützen Leninisten nicht einfach den Nationalismus der Unterdrückten (oder die kleinbürgerlichen politischen Forma­tionen, die ihn ausdrücken). Eine sol­che Unterstützung schließt die Möglich­keit aus, die realen Klassenwidersprü­che in den Reihen des Unterdrückervol­kes auszunutzen und verfestigt damit noch die Macht der Nationalisten über die Unterdrückten. Die Proletarier des herrschenden Volkes können niemals zu einer nationalistischen Perspektive gewonnen werden, die die augenblickli­che ungleiche Beziehung einfach um­kehrt. Ein bedeutender Teil von ihnen kann zu einer anti-sektiererischen Klasse-gegen-Klasse Perspektive ge­wonnen werden, weil dies in ihrem ei­genen objektiven Interesse ist.“9

 

Wir möchten dazu nur drei Anmerkungen ma­chen:

 

1. Uns ist nicht ganz klar, warum IBT „Hebrä­isch-sprechende Bevölkerung Israels“ (statt „jüdischen Israelis“) schreibt (vielleicht, um nicht religiöse Hebräisch-Sprechende einzu­beziehen, oder weil gemeinsame Sprache für eine ausschlaggebendes Kriterium für „Nati­on“ gehalten wird, was aber nicht dazu paßt, daß das Volk der Schweiz vier Sprachgrup­pen umfaßt und die Englisch-, Französisch-, Kastlisch-, … -Sprechende auf zahlreiche Nationen verteilt sind).

 

2. Statt, „weil dies in ihrem eigenen objektiven Interesse ist“, würden wir unsererseits vor­sichtiger formulieren: „weil dies für sie objek­tiv vorteilhaft wäre, was wiederum die Grund­lage für die Herausbildung gemeinsamer In­teressen sein kann“ (objektiv sind nur die Vor­teile; ein Interesse an ihnen zu haben, ist da­gegen ein subjektives Verhältnis, daß sich nicht automatisch einstellt, sondern nur im – gut geführten – politischen Kampf herausbil­den kann).

 

3. Weiter unten heißt es in dem IBT-Text:

 

„Die Logik der Kapitulation gegenüber dem kleinbürgerlichen Nationalismus verleitete einen großen Teil der Linken die arabischen Herrscher (die Verkör­perung der sogenannten ‚Arabischen Revolution’) gegen die Israelis in den Kriegen des Mittleren Ostens von 1948, 1967 und 1973 zu unterstützen. Dies waren Kriege zwischen kapitalistischen Ländern, in denen die Arbeiter und Un­terdrückten dieser Region durch den Sieg der einen oder anderen Seite nichts zu gewinnen hatten. Die leninisti­sche Position war deshalb die des De­fätismus auf beiden Seiten. Für die ara­bischen wie auch die hebräischen Ar­beiter stand der Hauptfeind im eigenen Land. Im Krieg 1956 lag der Fall dage­gen anders; hier musste die Arbeiter­klasse Seite beziehen: Mit Nasser ge­gen die Versuche des französischen und britischen Imperialismus (mit israe­lischer Hilfe), den kurz zuvor nationali­sierten Suez-Kanal wiederzugewinnen.

Während Leninisten prinzipiell gegen den Nationalismus sind, bleiben sie nicht neutral in Konflikten zwischen un­terdrücktem Volk und Staatsapparat der Unterdrücker. In Nord-Irland verlangen wir den sofortigen und bedingungslosen Abzug der britischen Truppen und ver­teidigen die Aktionen der Irish Republi­can Army gegen solche imperialisti­schen Ziele wie die Royal Ulster Con­stabulary, die britische Armee oder das Hotel in Brighton, das mit konservativen Ministern des Kabinetts gefüllt war. Ebenso beziehen wir eine militärische Seite mit der Palestinian Liberation Organization gegen die Kräfte des israelischen Staates. In keinem Fall unterstützen wir terroristische Aktionen gegen die Zivilbevölkerung.“

 

Wir stimmen zu, was die arabischen Staaten anbelangt. Wir sind aber, was IRA und PLO anbelangt, skeptisch, ob sich „politische“ Un­terstützung (die nicht gewährt wird) und „mili­tärische“ Unterstützung (die auf dem Papier gewährt wird; in Wirklichkeit ist die IBT eine legale, nicht-klandestine Organisation, die keinerlei militärische Kräfte hat) – in diesen Fällen – so einfach zu unterscheiden ist:

 

Die Unterscheidung zwischen „politischer“ und „militärische“ Unterstützung wurde von Trotzki in Bezug auf die stalinistische Sowjet­union entwickelt: Für den Fall eines imperia­listischen Angriff sei die stalinistische SU – genauer: seien die dort herrschenden nicht-privatkapitalistischen Eigentumsformen – mili­tärisch zu verteidigen (d.h.: eine Niederlage des Imperialismus zu wünschen), aber nicht politisch für den Stalinismus (in trotzkistischer Terminologie: „die Bürokratie“) Partei zu er­greifen.

 

Während wir diese Unterscheidung für eine solche defensive Konstellation einleuchtend finden, finden wir sie deutlich problemati­scher, wenn die Seite, die in einem Konflikt „militärisch“ unterstützt werden soll, in dem fraglichen Konflikt nicht nur defensive Ziele (Ab­wehr des imperialistische Angriffs; gegen „natio­nale Unterdrückung“; etc.), sondern offensive Ziele hat (z.B. eine nicht-konsensuelle, bürgerli­che 1-Staaten-Lösung in Fällen wie Nordirland10 und Israel/Palästina11).

 

 

III. LeserInnenbrief an klassegegenklasse.org (RIO)

 

 

Liebe GenossInnen,

 

wir möchten uns wegen Eures Interviews mit der Gruppe F.O.R. Palestine an Euch wen­den.

 

Grundsätzliches

 

Wir wundern uns, daß ein unseres Erachtens grundlegender Unterschied in dem Interview gar nicht zur Sprache kommt. – In Eurem in­ternationalen Manifest heißt es:


„Gegen die falsche Zwei-Staaten-Lösung und die reaktionäre Strategie der islamischen Führungen, die einen theokratischen Staat zu etablieren suchen, kämpfen wir für die Zer­schlagung des Staates Israel als proimperia­listische und koloniale Enklave und für einen einheitlichen palästinensischen Staat auf dem gesamten historischen Territorium: ein sozia­listisches Palästina der ArbeiterInnen, wo Ara­berInnen und Juden/Jüdinnen in Frieden zusammenleben können.“

 

TaP hatte an dieser Formulierung ja kürzlich schon kritisiert, daß in ihr die Zerschlagung der semi-staatlichen, palästinensischen Strukturen (die ja auch keine sozialistischen sind) und des bewaffneten Islamismus fehlt (S. 21).

 

Im übrigen benennt Eure Formulierung aber zwei unseres Erachtens zentrale Vorausset­zung linker Propagandierung einer 1-Staaten-Lösung:

 

1. eine eindeutige Absage an „die reaktionäre Strategie der islamischen Führungen, die einen theokratischen Staat zu etablieren su­chen“

 

2. die Benennung des zu schaffenden Staa­tes als sozialistisch. Nur in diesem Kontext ist für MarxistInnen die Verwendung des Begriffs „Zerschlagung“ angemessen.

 

Nun wären wir zwar bereit – in Revision des klassischen Marxismus – in Erwägung zu zie­hen, daß sich nicht nur die kapitalistischen Klassenverhältnisse, sondern auch das patri­archale Geschlechterverhältnis und der Ras­sismus im Staatsapparat materialisieren, so­daß also auch unter diesen Gesichtspunkten Zerschlagungen der bestehenden Staatsap­parate notwendig sind, um auf dem Weg zu einer Gesellschaft ohne Herrschaft und Aus­beutung voranzukommen. Aber dieser Ge­danke müßte dann ja erst einmal theoretisch entwickelt werden – und er widerspricht dem Aufruf zur 1. Mai-Demo, der den Kampf ge­gen Rassismus und Patriarchat ausschließ­lich als „Teil des Klassenkampfs für die Ab­schaffung des Kapitalismus“ wahrnimmt bzw. anerkennt.

 

Aber selbst falls wir die These akzeptieren, daß zur Überwindung von anti-palästinensi­schem Rassismus eine Zerschlagung des jet­zigen israelischen Staatsapparates notwendig ist, so führt – vor-kommunistisch – trotzdem kein marxistischer Weg daran vorbeiführt, auch das Recht der israelischen Juden und Jüdinnen auf Selbstbestimmung, also – falls gewünscht – auf Eigenstaatlichkeit, anzuer­kennen.

 

An dieser Stelle ist unseres Erachtens eine weitere Unterscheidung wichtig: Anders als es viele PalästinenserInnen und Unterstütze­rInnen des palästinensischen Nationalismus machen, ist es unseres Erachtens notwendig, zwischen Zionismus und anti-palästinensi­schem Rassismus zu unterscheiden. Zionis­mus ist ein Nationalismus wie jeder andere Nationalismus auch – eine bürgerliche Ideolo­gie, die auf die Gründung eines Nationalstaa­tes zielte und dessen Fortexistenz verteidigt. Wie jeder andere Nationalismus geht auch der Zionismus – mal subtiler, mal deutlicher –, insbesondere im Konflikt mit anderen Natio­nalismen, mit Rassismus einher. Vielleicht lie­ße sich schlagwortartig sagen: ‚Rassismus ist ein Kitt, der eine Nation im Krisenfalle zusam­menhält.’

 

Trotz der Verwandtschaft von Nationalismus und Rassismus ist es unseres Erachtens not­wendig, beides analytisch und begrifflich zu unterscheiden:

 

  • Rassismus ist von MarxistInnen bedin­gungslos zu bekämpfen.

     

  • Nationalstaaten werden dagegen von MarxistInnen als unter der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise typische Form der Organisierung von Gesellschaften anerkannt12.

Solange wir es mit bürgerlichen Verhältnissen zu tun haben, ist der Kampf gegen anti-paläs­tinensischen Rassismus unter Anerkennung des israelisch-jüdischen Rechts auf Selbstbe­stimmung zu führen; eine 1-Staaten-Lösung, die auch wir sowohl einer 2-Staaten-Lösung als auch dem jetzigen Zustand vorziehen würden, kann nur dann funktionieren, wenn sie auf Konsens beruht13; anderenfalls würde der künftige neue Staat dem Wort „Lösung“ nicht gerecht.

 

Um zu einer demokratischen, möglichst auch sozialistischen Lösung gelangen zu können, müßten schon jetzt die nationalen Loyalitäten sowohl in der jüdischen als auch palästinensi­schen community untergraben werden – also die Klassen- und Geschlechterwidersprüche in beiden Gesellschaften in den Vordergrund gerückt werden, und müßte schon jetzt mit bi-nationaler politischer Organisierung begon­nen werden.

 

Statt dessen nimmt die Gruppe F.O.R. Pales­tine, obwohl sie beansprucht, antikapitalis­tisch zu sein, die gesellschaftliche Lage in Is­rael/Palästina ausschließlich unter dem natio­nalen Gesichtspunkt wahr; weder Geschlech­ter- noch Klassen- noch politische Widersprü­che innerhalb von PalästinenserInnen und Is­raelis werden in dem Selbstverständnis-Text der Gruppe angesprochen.

 

Folglich wird von F.O.R. Palestine die vorge­brachte Kritik inhaltlich gar nicht zur Kenntnis genommen, sondern als Teil einer Kampagne der israelischen Regierung dargestellt:

 

„Für Ditfurth hat Antisemitismus nichts mit Hass auf Juden*Jüdinnen zu tun – vielmehr verstehen sie unter Antisemitismus eine anti­koloniale Haltung gegen den Staat Israel. Sie meinen einfach Antizionismus. Das ist ein großes Problem unserer Zeit – die israelische Regierung und ihre Lobby-Gruppen, auch Anhänger*innen wie die ÖkoLi, versuchen gegen die Erfolge der internationalen Solidaritätskampagne für die Palästinen­ser*innen zu kämpfen, indem sie jeglichen Antizionismus als Antisemitismus abzustem­peln versuchen.“

 

Das ist von vorne bis hinten Unsinn:

 

1. Wir wissen nicht, ob Jutta Ditfurth bei an­derer Gelegenheit mal Antizionismus mit Anti­semitismus gleichgesetzt hat. In der aktuellen Diskussion benennt sie jedenfalls drei konkre­te Kritikpunkte: „F.O.R. Palestine […] fordert ausdrücklich die ‚Abschaffung’ des Staates Israel, die ‚Rückkehr’ aller (Millionen) Nachfahren aller Palästinenser*innen (Israel ist etwa so klein wie Hessen). In einem – nach Auffassung der antizionistischen Antise­mit*innen – neu zu schaffenden palästinensi­schen Staat dürfen Juden und Jüdinnen über­haupt nur noch leben, sofern sie ‚nicht-zionis­tische Juden’ sind.“

 

Wir teilen diese Kritik in ihrer grundsätzlichen Stoßrichtung:

 

In dem Selbstverständnis-Text von F.O.R. Pa­lestine heißt es in der Tat: „Die Rückkehr der Vertriebenen geht einher mit der Abschaffung der zionistischen Kontrolle, sprich die Ab­schaffung des Staates Israel […] und der Wiedergründung eines gleichberechtigten, freien und demokratischen Staates vom Jor­dan bis zum Mittelmeer, in dem Exilpalästi­nenser_innen und nicht-zionistische Jüd_in­nen in einer gerechten Gesellschaft leben können. […]. Das Problem des Zionismus kann nur durch die Rückkehr aller 1948 Ver­triebenen und ihrer Nachkommen in das Land, aus dem sie vertrieben wurden, gelöst werden – das ganze historische Palästina.“ (fette Hv. von uns; kursive Hv. i.O.)

 

a) Ein solcher Ausschluß aus dem Staat auf der Grundlage von unerwünschter politischer Gesinnung ist keine Grundlage für eine de­mokratische Lösung (weder für eine bürgerli­che, noch für eine sozialistische); ihm steht in dem Text von F.O.R. Palestine bezeichnen­derweise auch kein Ausschluß von antisemiti­schen PalästinenserInnen zur Seite (wobei wir betonen wollen, daß Zionismus nicht per se rassistisch ist, also nicht einmal auf glei­cher Ebene wie Antisemitismus angesiedelt ist).

 

b) Ein umfassendes Rückkehrrecht (und noch dazu: nicht nur für die damals Vertriebenen, sondern auch noch deren Nachfahren) wäre keine Lösung dieses Konflikts, in dem zwei sich als „Volk“ verstehende Gruppen das glei­che geographische Gebiet als ihr „histori­sches“ Land ansehen, sondern nur eine neue Runde in der Eskalation des Konflikts. – Bei Zugrundlegung eines Prinzips der umfassen­den Rückkehr müßte praktisch die ganze Weltgeschichte rückgängig gemacht werden. Geschichte läßt sich aber nicht rückgängig machen, sondern nur in Zukunft anders ma­chen als in der Vergangenheit; kommunisti­sche Politik ist keine Zeitmaschine.

 

c) Wir wissen nicht, ob Jutta Ditfurth auch eine konsensuelle 1-Staaten-Lösung ableh­nen würde; aber jedenfalls geht es F.O.R. Pa­lestine weder um eine 1-Staaten-Lösung im Rahmen einer sozialistischen Revolution, die sowohl von den palästinensischen als auch den jüdischen Lohnabhängigen getragen sein müßte, noch um eine demokratische, bi-natio­nale 1-Staaten-Lösung als Kompromiß auf bürgerlicher Grundlage, sondern um die einseitige militärische „Abschaffung“ Israels durch die palästinensische Seite14: „Keine Verhandlungen mit dem zionistischen Staat, keine Kompromisse mit dem Besatzer, kein Frieden, bis Palästina frei ist. Kein Ende dem Kampf, bis zur Abschaffung des Zionismus“ (http://for-palestine.org/de/for-palestine-ruft-fur-den-palastinensischen-block-auf-der-ll-demo-auf/)

 

2. Wir teilen die Kritik, daß von einigen zu weit gefaßte Begriffe von Antisemitismus ver­wendet werden, denen es an Trennschärfe und Ausdruckskraft fehlt. Aber auch das wei­teste Verständnis mit Antisemitismus hat inso­fern mit Juden und Jüdinnen zu tun, als es um Israel als Staat, in dem zu rund 80 % Ju­den und Jüdinnen leben, und/oder um das Wiederaufleben von ursprünglich antisemiti­schen Stereotypen in neuen Kontexten geht.

 

3. Eines dieser Stereotypen ist das der „jüdi­schen Weltverschwörung“. Und dieses Ste­reotyp scheint auch in Eurem Interview durch. Die vorgebrachte Kritik wird in ihrer Konkret­heit und Spezifität gar nicht erst zur Kenntnis genommen, sondern in eine Reihe mit der „israelische[n] Regierung und ihre[n] Lobby-Gruppen“ gestellt und, ohne auf Argumente einzugehen, zu „ein[em] groß[en] Problem unserer Zeit“ erklärt. Die ÖkoLi mag alles Mögliche sein; aber auf alle Fälle ist sie nicht groß. Und eine konturlose Verwendung des Wortes „Antisemitismus“ mag für die ideologische Seite des Kampfes von palästi­nensischen NationalistInnen ein erhebliches Problem sein, aber „ein großes Problem un­serer Zeit“ ist das nun sicherlich nicht. Da gibt es sowohl auf materieller als auch ideologi­scher Ebene einige Auseinandersetzungen, die weit bedeutender sind.

 

Zu einigen Details

 

1. Des weiteren wird der ÖkoLi in hanebüche­ner Logik Rassismus vorgeworfen

 

„Der Rassismus der ÖkoLi lässt sich an Dit­furths Statement gut erkennen – nicht um­sonst haben sie ‚Sexismus, Homophobie und Nationalismus’ mit hinein geschrieben. Damit bedienen sie anti-muslimische Stereotypen, nämlich dass Palästinenser*innen sexistisch, anti-LGBT* und nationalistisch seien.“

 

Wir wissen nicht, welches Statement gemeint ist. Die fraglichen Wörter finden sich jeden­falls nicht in dem nach dem Austritt aus dem Bündnis bei linksunten.indymedia veröffentlichten Text und auch nicht in dem Facebook-Statement von Jutta Ditfurth vom 22.4.

 

Aber wie dem auch sei: Falls die Wörter „Se­xismus, Homophobie und Nationalismus“ in einem der einschlägigen ÖkoLi-Texte stehen, stehen sie da vermutlich, weil

 

a) im Demo-Aufruf „Kampf gegen Antisemitis­mus, Rassismus, antimuslimischen Rassis­mus, Sexismus und gegen die Diskriminie­rung von LGBTQI (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Questioning and Intersex)“ steht (das also der einschlägige Maßstab ist, an dem die Gruppen im Bündnis zu messen sind)

 

und

 

weil b) ohne Abgrenzung von der palästinen­sischen Reaktion, die BDS und F.O.R. Pales­tine aber nicht vornehmen, dieser Maßstab nicht einzuhalten ist.

 

2. Des weitere sagt F.O.R. Palestine in dem Interview:

 

„Wir fordern die Abschaffung des zionisti­schen Kolonialsystems. Den Staat Israel möchten wir durch einen einzigen Staat erset­zen, in dem alle Einwohner*innen des Landes gleichberechtigt leben können, egal welcher Herkunft, Ethnizität oder Religion.

Die Ökolis verstehen nicht den Unterschied zwischen der Abschaffung eines rassistischen Staates und der ‚Zerstörung’ von Menschen. Diese Rhetorik wird auch oft von Zionist*in­nen verwendet, deshalb ist es wichtig darüber zu reden. Wenn wir von der Abschaffung des Kapitalismus reden, meinen wir nicht Genozid an allen Eigentümer*innen. Wenn wir von der Abschaffung des Patriarchats reden, bedeutet das nicht die Hinrichtung aller Männer. Wenn wir von der Abschaffung des zionistischen Staates reden, reden wir selbstverständlich von einer Entkolonisierung Palästinas – also der Errichtung eines Staates für alle.

Die Ökolis haben uns trotzdem vorgeworfen, wir würden alle Juden*Jüdinnen ins Meer trei­ben wollen – ein altbekanntes anti-palästinen­sisches Stereotyp.“

 

a) Was den Zerstörungs-Begriff anbelangt, so ist dies eine reine Ausflucht! Denn die ÖkoLi spricht nicht von „Zerstörung“ (oder „Ermor­dung“) von Menschen, sondern von Vertrei­bung von Menschen, die mit dem Ausschluß von zionistischen Juden und Jüdinnen aus dem von F.O.R. Palestine gewünschten Staat verbunden wären.

Im übrigen zeigt diese Passage noch mal, daß die Gruppe von einer grundlegenden Ille­gimität Israels ausgeht, und es ihr auch nicht darum geht, auch einen eigenen palästinensi­schen Staat haben zu wollen (was der UN-Teilungsplan ja von Anfang an vorsah) und auch nicht nur darum, eine bestimmte Politik Israels gegenüber PalästinenserInnen zu be­enden.

Soweit es um das Absterben des Staates überhaupt im Übergang zum Kommunismus geht, halten wir auch Israel (wie jeden ande­ren Staat) für illegitim. Aber Kommunismus setzt auch die Überwindung des Antisemitis­mus voraus.

Dagegen will F.O.R. Palestine schon lange vor etwaigem Kommunismus und einer etwai­gen sozialistischen Revolution Israel einseitig abschaffen. Wir halten Israel unter bürgerli­chen Verhältnissen für genauso viel oder we­nig legitim wie alle anderen existierenden Staaten; und eine bürgerliche Abschaffung Is­raels fände deshalb nur im Wege einer Selbst-Abschaffung Israels als Teil eines Kompromisses zwischen beiden Konfliktpar­teien Unterstützung.

 

Schließlich sagt F.O.R. Palestine:

 

„Viele linke Aktivist*innen haben keine mar­xistische oder auch nur linke Analyse der na­tionalen Frage, vor allem in Bezug auf Paläs­tina. Denn im Bündnis haben viele eine euro­zentristische Perspektive.“

 

„Der 1. Mai ist unser Kampftag – er gehört nicht nur deutschen linken Intellektuellen.“

 

„Viele unserer Genoss*innen, die sich nicht viel mit den Pop-Ikonen der deutschen Linken auseinandersetzen,“

 

Die Ausführungen zeigen vor allem, daß F.O.R. Palestine einige Leute nicht mag, aber enthalten keinerlei Argument. Statt Ressenti­ments zu kultivieren, wäre es ja wohl an F.O.R. Palestine ihren nationalistischen Selbstverständnistext durch eine „marxistische oder auch nur linke Analyse“ des Nahostkonfliktes zu ersetzen, wenn sie die an der Gruppe vorgebrachte Kritik ausräumen wollen.

 

Ergänzend möchten wir diesbzgl. auf unseren ausführlicheren – bei linksunten.indymedia, scharf-links und trend erschienen – Text zum gleichen Thema hinweisen.

 

Mit revolutionären Grüßen

 

Achim Schill, Peter Nowak, Detlef Georgia Schulze

 

 

IV. Grenzen breiter Bündnispolitik

 

1. Wir haben in unserem vorhergehenden Ar­tikel unsere Auffassung, daß BDS und F.O.R. Palestine im revolutionären 1. Mai-Bündnis fehl am Platze sind, vor allem damit begrün­det, daß sie keine revolutionär-antikapitalisti­schen Gruppen sind.

 

2. Außerdem hatten wir gesagt, daß sie es je­denfalls an Abgrenzung von Antisemitismus und insofern jedenfalls an dem im Demo-Auf­ruf postulierten „Kampf gegen Antisemitis­mus“ (unsere Hv.) fehlen lassen.

 

3. Wir hatten offengelassen, ob die Gruppen selbst oder zumindest einige ihrer Positionen antisemitisch sind.

Wir hatten darauf hingewiesen, daß F.O.R. Palestine postuliert, nicht antisemitisch zu sein. Wir hatten aber auch gesagt, daß die Verwendung von „Doppelstandards“ bei der Kritik an Israel „wegen dieser ‚Sonder-Behandlung’ (wegen dieses besonderen Maßstabes ausgerechnet gegenüber Israel) als antisemitisch gelten“ muß.

  • Wir hatten gesagt, daß den israeli­schen Juden und Jüdinnen ihr Selbst­bestimmungsrecht zu bestreiten, Na­tionalismus ist; „ein Nationalismus der – wenn es ganz schlecht läuft – auch tatsächlich eine antisemitische Schlag­seite bekommen kann“.

  • Wir hatten in Bezug darauf, daß die BDS-Kampagne nicht nur einen öko­nomischen, sondern auch einen kultu­rellen und akademischen Boykott ge­gen Israel fordert und diese Forderung nicht nur an VerbraucherInnen, son­dern auch an Unternehmen und Staa­ten richtet (die dadurch als potentielle Bündnispartner gegen Israel, also als ‚weniger schlimm’ als Israel angese­hen werden), gesagt: „Wiederum sind wir uns nicht sicher, ob jede Dämoni­sierung Israels automatisch antisemi­tisch ist; auffällig ist, der Versuch, aus­gerechnet Israel als ‚Exzess’ des kapi­talistisch-nationalstaatlichen Normal­zustandes darzustellen, schon“. (Hin­sichtlich des Antisemitismus-Vorwurf sind wir unsicher, da es auch vor­kommt, daß andere AkteurInnen andere Staaten als Israel dämonisie­ren.)

  • Des weiteren hieß es in unserem Text: „Darüber hinaus tendiert jedenfalls DGS dahin, den Wunsch nach Vorab-Abschaffung Israels (vor allen anderen Staaten) nicht nur als falsch, sondern auch als antisemitisch zu charakteri­sieren. Zwar ist nicht jede Kritik an Is­rael und auch nicht jede falsche Kritik an Israel antisemitisch, aber es ist nicht ersichtlich, wie eine Position, die ausschließlich den sich als ‚Jewish people’ verstehenden Menschen, das Recht auf einen eigenen Staat ab­spricht, sich überzeugend von Antise­mitismus distanzieren könnte; und je­denfalls in den von uns gelesenen Texten von F.O.R. Palestine ist ein sol­ches Argument nicht zu finden.“

  • Schließlich hatten wir es als „Apologie des status quo“, als „Apologie des auch in arabischen Gesellschaften vorhandenen Antisemitismus“, be­zeichnet, daß F.O.R. Palestine Antise­mitismus als etwas rein Europäisches, und Antisemitismus-Vorwürfe gegen arabische Menschen und Organisatio­nen als bloße Projektion des europäi­schen Antisemitismus auf diese Men­schen und Organisationen ansieht. Zu bestreiten, daß etwas das ist, was es ist, ist auch eine Form der Apologie (Verteidigung) – insofern sind diejeni­gen, die Antisemitismus (in dieser indi­rekten Form verteidigen) nicht notwen­digerweise selbst antisemitisch.

 

4. Es könnte gut sein, daß wenn wir uns noch intensiver mit den Veröffentlichungen der BDS-Kampagne und von F.O.R. Palestine be­schäftigen würden, am Ende (bzgl. einiger Positionen der Gruppen oder auch bzgl. der Gruppen als solches) zu dem Urteil „Antisemitismus“ (und nicht nur dem Urteil: „Anhäufung ohnehin falscher und im Sinne von Antisemitismus mißverstehbarer Äußerungen“) gelangen würden.

 

5. Was heißt alldies nun für Bündnisse, die weder revolutionär-antikapitalistisch sind, noch sich explizit den Kampf gegen Antisemi­tismus auf die Fahnen schreiben? (Und daß sich anlaß-/themen-bezogene Bündnisse ausschließlich zu ‚ihrem Anlaß/Thema’ posi­tionieren und nicht versuchen, eine volles, gemeinsames politisches Programm zu schreiben, halten wir für richtig).

 

6. Nehmen wir an, es handelt sich um ein Bündnis, wie gegen Stuttgart 21 oder die Ver­längerung der A 100 in Berlin. Vielleicht ist in diesem Bündnis auch einE VertreterIn eines Ortsverbandes der CDU: Dieser Ortsverband ist mehr oder minder explizit pro-kapitalistisch (allenfalls übertüncht mit Rhetorik über die „soziale Marktwirtschaft“) und mindestens im­plizit sexistisch und rassistisch. Wir wären da­für, daß dieser Ortsverband – trotz alldieser Dissenspunkte – bei dem Bündnis mitmachen kann, solange er den Bündniskonsens zu dem Bündnis-Anlaß mitträgt (und dieser Bündniskonsens wiederum für uns tragbar ist15).

Die Grenze würden wir ziehen, wo (auf der Form-Ebene) die bürgerliche Demokratie von rechts abgelehnt wird (weil uns ein Erfolg die­ser Position darin behindern würde, weiter auf der Inhalts-Ebene zu streiten).

Und wir würden die Grenze bei explizitem und impliziten Antisemitismus ziehen (wobei wir – wie oben zu lesen war – vorsichtig sind, impliziten Antisemitismus zu diagnostizieren, wenn auch andere Lesarten möglich sind). Wir würden expliziten Antisemitismus anders behandeln als expliziten Pro-Kapitalismus, weil Antisemitismus das einzige Herrschafts­verhältnis ist, daß bisher industriell-eliminato­rischen Charakter angenommen hat (was den Antisemitismus auch von den Völkermorden des europäischen Kolonialismus, insb. in Amerika, unterscheidet), und wir daher in Sachen Antisemitismus besondere Wachsamkeit und Abgrenzung für notwendig halten.

 

7. Gemessen an diesem Maßstab wären wir bereit, in einem Bündnis der beschriebenen Art (oder auch einem Soli-Komitee für irgend­einen Streik) mit der BDS-Kampagne und F.O.R. Palestine zusammenzuarbeiten, weil wir jedenfalls bisher nicht zu dem Urteil „Anti­semitismus“ gelangt sind.

Allerdings würden wir von diesen Gruppen als Bündnisbedingung verlangen, daß sie sich auf Transparenten, in Redebeiträgen und Sprechchören bei Bündnisaktionen der Propaganda zum Nah Ost-Konflikt enthalten (oder sie ihre diesbzgl. Programmatik ändern), was sie bei einem Ökologie- oder Streik-Soli-Bündnis (falls sie denn daran überhaupt teilnehmen wollen würden) viel­leicht akzeptieren würden, denn auch wir se­hen keinen Grund, bei derartig thematisch bestimmten Demos plakativ mit unserer Posi­tion zum Nah Ost-Konflikt hausieren zu ge­hen. (Hinsichtlich des Feilbietens und Verkau­fens von Zeitungen und Broschüren sehen wir dagegen keinen Grund zur Beschränkung, sofern es sich nicht um antisemitische Inhalte handelt.)

 

8. Wir würden also bei unserem gegenwärti­gen Erkenntnis- und Überzeugungsstand sa­gen: Bei den beiden Gruppen handelt es sich um Fälle von regressiver Israel-Kritik („regressiv“, weil selbst von einer nationalisti­schen statt emanzipatorischen Position aus­gehend), mit der – jede nach konkreten Bünd­nisumständen – noch eine Zusammen­arbeit möglich ist, wenn es sich nicht um ein revolutionäres, sondern breites (reformisti­sche Kräfte einschließendes) Bündnis han­delt.

Nationalistisch sind auch viele Gewerkschaf­terInnen und Linkspartei-PolitikerInnen, mit denen wir ja auch zu Bündnissen bereit sind, wenn es hinsichtlich des konkreten Bündnisthemas Konsens gibt.

 

9. Nehmen wir nun an, es handelt sich nicht um ein Ökologie- oder ein Streik-Soli-Bünd­nis, sondern um ein Anti-Rassismus-Bündnis (und diesen Fall gab es vor ein paar Wochen tatsächlich [siehe: https://linksunten.indymedia.org/de/comment/view/189316 [ab Absatz 3]).

Der Fall scheint uns problematischer zu sein, weil PalästinenserInnen sowohl in Deutsch­land als auch in Israel von Rassismus betrof­fen sind. Trotzdem (oder vielmehr gerade we­gen eines klaren Begriffs von Rassismus) würden wir eine Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus auf einer solchen Demo nicht haben wollen und auch nicht die Behauptung, „Solidarität mit Geflüchteten setzt Solidarität mit Palästina voraus.“

Wir halten unsere Position für richtig, weil es auch für PalästinenserInnen nicht notwendig ist, die Positionen von BDS und F.O.R. Pales­tine zu vertreten. Es ist möglich, sich auf ei­ner nicht-nationalistischen Weise gegen (is­raelischen) Rassismus und Nationalismus zu positionieren.

Nicht verkehrt wäre die Parole: „Solidarität mit Geflüchteten schließt auch Solidarität mit ge­flüchteten PalästinenserInnen ein.“ – Aber dies bestreitet ohnehin keineR.

Abgesehen von dem Logik-Fehler, der in der Parole „Solidarität mit Geflüchteten setzt Soli­darität mit Palästina voraus.“ liegt (es wird von einer Haltung zu Individuen auf eine Hal­tung zu einem Staat oder staatsähnlichem Gebilde geschlossen), halten wir pauschale Solidaritätsbekundungen – jedenfalls für nicht-sozialistische – Staaten für falsch. (Al­lein dies wäre freilich kein Grund für einen Bündnisausschluß oder eine Untersagung dieser Parole bei einer Bündnisaktion.16)

 

10. Nehmen wir schließlich den Fall einer Nah Ost-Demo oder eher -Veranstaltung. Wir denken nicht, daß wir uns mit BDS und F.O.R. Palestine auf einen gemeinsamen Auf­ruf-Text einigen könnten, da für uns eine ein­seitige Parteiergreifung gegen Israel ohne Analyse der gesamten Konfliktdynamik und ohne Verurteilung des Islamismus nicht in Be­tracht käme.

Bliebe die Frage, ob wir für eine Beteiligung der Gruppen an der Demo oder Veranstaltung wären, ohne daß sie Mit-VeranstalterInnen (Bündnisbeteiligte) sind.

 

  • Wir würden auch und gerade bei einer Nah Ost-Demo, die wir mitorganisie­ren (falls wir das denn überhaupt ma­chen würden), nicht wollen, daß diese Demo mit den nationalistisch und re­gressiv-israel-kritischen Positionen von BDS und F.O.R. Palestine identifi­ziert wird.

  • Bei einer Veranstaltung, die einen bes­seren Rahmen bietet, kontroverse Po­sitionen darzustellen, wären wir dage­gen zu einer Diskussion bereit.

1 Und dies schließt so relativ ‚nette’ Exemplare wie Bolivien und Kuba und den ‚Staat im Werden’ Roja­va mit ein.

 

2 Vgl. dazu: Anarchistische Gruppe/Rätekommunis­ten (AG/R), Szeneperistaltik. Gegen linken Konser­vatismus – zum ständigen Gezänk zwischen Anti­deutschen und Antiimps [Jan. 2010]; https://www.nadir.org/nadir/initiativ/agr/szeneperistaltik.html.

 

3 „Schwarz“ hier zu verstehen als rassistisch be­herrscht und/oder ausgebeutet.

 

4 Wir hatten in unserem Text geschrieben: „Lenin scheint das Recht auf ‚nationale Lostrennung’ zwar ausschließlich ‚unterdrückten Nationen’ zuzuspre­chen [...]. Im Falle Israels geht es aber nicht um das Recht auf Lostrennung, sondern um die Weiterexis­tenz eines seit mehr als 65 Jahren existierenden Staates. Jedenfalls Lenin hat weder die Entstehung von Staaten noch deren Fortexistenz daran gemes­sen oder überprüft, ob sie nach ihrer Gründung ‚un­terdrückerisch’ wurden. [...]. Im übrigen mag darüber gestritten werden, ob Juden und Jüdinnen vor der Gründung Israels ein ‚Volk’ oder ausschließlich eine Religionsgemeinschaft waren (und ob antisemitische Verfolgung ‚nationale Unterdrückung’ im Sinne Len­ins ist), aber genauso kann auch darüber gestritten werden, ob es ein deutsches, französisches usw. ‚Volk’ vor Gründung des jeweiligen Nationalstaates gab.“

Dagegen sind Deine Ausführungen kein Einwand, denn auch Du bestreitest ja nicht, daß es seit der jeweiligen Staatsgründung ein deutsches, jüdisch-israelisches usw. Volk gibt.

 

5 A.S. zieht – im Gegensatz zur oben dargestellten Position – die Formulierung vor, „daß, es unter den jetzigen Bedingungen keine nicht-sexistische Män­ner geben kann“.

DGS und P.N. merken dazu an: Unbeschadet der Frage, ob A.S. in der Sache Recht hat, sagt der re­volutionär-dekonstruktivistische Feminismus u.E. nicht nur „unter jetzigen Bedingungen“, sondern „überhaupt“, – und in einem Postpatriarchat stirbt die Einteilung der Individuen in Männer und Frauen ab. Dagegen fordert der linksliberale „Queerfeminismus“ eine Vervielfachung der Geschlechter, sodaß es wei­terhin eine (Selbst-)Einteilung der Individuen in Ge­schlechter gibt.

Da am Anfang von Nr. 1 steht, „Wir haben keine ge­meinsame Position zur de-konstruktivistischen Phi­losophie und dem de-konstruktivistischen Feminis­mus“, ist die Frage jedenfalls nicht, ob wir drei ge­meinsam das, was wir beide (DGS & P.N.) für de-konstruktivistischen Feminismus halten (und richtig finden), auch gemeinsam richtig finden..., sondern was der de-konstruktivistischen Feminismus tat­sächlich sagt.

 

6 „Während sie [die BDS-Kampagne] nicht der einzi­ge Weg ist, gegen die zionistische Besatzung Wider­stand zu leisten, und alle andere Mittellegitim sind und unsere Solidarität haben, es ist ein einfaches und effektives Mittel, den Zionismus zu bekämpfen und den Menschen, die gegen dieses Regime von Innen Widerstand leisten, praktische Solidarität an­zubieten.“ (http://for-palestine.org/de/uber-uns-4/ – unsere Hv.)

 

7 heutige deutsche Schwesterorganisation: Sparta­kist-Arbeiterpartei.

 

10 Die IRA befürwortete ein bürgerliches Gesamt-Irland als „Zwischenetappe auf dem Weg in eine de­mokratische und sozialistische Republik. Dabei ist zu bemerken, dass die Haltung gegenüber weltan­schaulichen Fragen von Pragmatismus geprägt ist. Sozialistisches Ideengut spielte eine große Rolle in­nerhalb der Führung der IRA, insbesondere dann, soweit sie sich mit ideologischer Nähe zu internatio­nalen Unabhängigkeitsbewegungen Vorteile erhoff­te. Sobald ein Linksruck jedoch die katholische Be­völkerung oder Unterstützer aus den Vereinigten Staaten vor den Kopf zu stoßen drohte, wurden allzu antikapitalistische Thesen jedoch auch revidiert.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%Bcnes_Buch_(IRA)#Ziele).

 

11 Ab 1969 war das Ziel der PLO die „Errichtung ei­nes säkularen“ – hinsichtlich der sozial-ökonomi­schen Ordnung nicht näher bestimmten – „Staates Palästina in den Grenzen des alten britischen Man­datsgebiets von 1920 (das schließt die Gebiete des heutigen Israel, den Gazastreifen, das Westjord­anland, einen Teil der Golanhöhen und das König­reich Jordanien mit ein)“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stinensische_Befreiungsorganisation#Weitere_Entwicklung_und_Losl.C3.B6sung_vom_Panarabismus). Für den 1988 ausgerufenen Staat Palästi­na wurde dann nur noch das „Westjordanland und de[r] Gazastreifen mit Ostjerusalem als Hauptstadt des Staatsgebiets“, also die 1967 von Israel besetz­ten Gebiete, beansprucht (https://de.wikipedia.org/wiki/Staat_Pal%C3%A4stina); auch ein später veröffentlichter Ver­fassungsentwurf bezieht sich auf die Grenzen von 1967 (https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stinensische_Befreiungsorganisation#Die_Nationalcharta).

 

12 LW 20, 19: „Der Grundsatz der Nationalität ist in der bürgerlichen Gesellschaft unvermeidlich, und der Marxist, der mit dieser Gesellschaft rechnet, erkennt die geschichtliche Berechtigung nationaler Bewegungen durchaus an.“ Dies gilt sowohl für den jüdischen als auch den palästinensischen als auch jeden anderen Nationalismus; aber LeninistInnen machen sich den Nationalismus nicht zu eigen, sondern bekämpfen ihn als Teil des Kampfes für die sozialistische Revolution und den Kommunismus.

LeninstInnen ziehen zwar große, multi-nationale Staaten auf demokratischer Grundlage der Kleinstaaterei vor, aber sie streben nicht die vor-kommunistische, nicht-konsensuelle Abschaffung einzelner (bestimmter) Nationalstaaten an, denn dies hieße nichts Anderes als positiv für konkurrierenden Nationalismus Partei zu ergreifen.

„Jedes feudale Joch, jede nationale Unterdrückung, jedwede Privilegien einer der Nationen oder Sprachen abzuschütteln, ist die unbedingte Pflicht des Proletariats als einer demokratischen Kraft, ist das unbedingte Interesse des proletarischen Klassenkampfes, der durch den nationalen Hader verdunkelt und gehemmt wird. Aber den bürgerlichen Nationalismus über diese streng gezogenen, durch einen bestimmten historischen Rahmen gegebenen Grenzen hinaus zu fördern, heißt das Proletariat verraten und sich auf die Seite der Bourgeoisie schlagen.“ (LW 20, 20)

Dieser Kampf gegen Nationalismus geht bis hin zur Befürwortung des Rechts als nationale Lostrennung unterdrückter Nationen (und unter Umständen auch der Ausübung dieses Recht), aber eine solche Lostrennung ist zu unterscheiden von der Abschaffung des Staates, von dem sich losgetrennt wird.

Eine solche Abschaffung des Staates, von dem sich losgetrennt wird, wird weder von LeninistInnen gefordert, noch wurde sie von einer der bisherigen nationalen Befreiungsbewegungen gefordert – außer von palästinensischen NationalistInnen, die die Abschaffung Israels (bereits) auf bürgerlicher Grundlage fordern.

Diese These wird auch nicht durch den britischen Fall widerlegt: Eine Lostrennung Nordirlands würde zwar das Ende des Vereinigten Königreichs bedeuten, aber nicht das Ende Großbritanniens; eine Lostrennung auch Schottlands und Wales’ auch ein Ende Großbritanniens, aber nicht ein Ende Englands.

Und in gleicher Weise ist – vom leninistischen Standpunkt aus gesehen – auch das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung in einer Weise auszuüben, die das jüdisch-israelische Recht auf Selbstbestimmung nicht negiert.

 

13 d.h.: ohne das Recht auf israelisch-jüdische Eigenstaatlichkeit zu negieren, sondern indem davon überzeugt wird, daß es sinnvoll ist, auf dessen Ausübung – zugunsten eines bi-nationalen, demokratischen Staates Israel/Palästina – zu verzichten.

 

14 Deshalb ist es auch nicht richtig zu sagen, daß sich die leninistische Position bloß dadurch von der Position von F.O.R. Palestine unterscheide, daß sie den Sozialismus noch hinzufüge (wie dies in dem Artikel von Wladek Flakin zum gleichen Thema impliziert zu sein scheint). Dieser Sichtweise würden wir zustimmen, wenn sie sich auf eine konsensuelle 1-Einstaaten-Lösung bezieht (die auf einer wechselseitigen Anerkennung des Rechts auf Eigenstaatlichkeit und einem wechselseitigen Verzicht auf dessen Ausübung beruht).

Wladek schreibt, „Die Gruppe [F.O.R. Palestine] tritt für einen einzigen Staat im historischen Palästina ein, in dem alle Menschen – unabhängig von Herkunft oder Religion – gleichberechtigt leben können. []. Demokratische Forderungen unterstützen wir immer.“, und fügt dann – im Unterschied zu F.O.R. Palestine – die ArbeiterInnenklasse als Subjekt der Durchsetzung dieser Forderungen hinzu und kommt so schließlich zum Sozialismus.

Dies übersieht, daß die Forderung (bzw. das Ziel) von F.O.R. Palestine keine demokratische ist, denn sie beruht nicht auf der wechselseitigen Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung beider Konfliktparteien, sondern erklärt die israelisch-jüdische Seite einseitig für illegitim und schließt zionistischen Juden und JüdInnen aus dem angestrebten Staat aus.

LeninistInnen orientieren nicht bloß auf ein anderes Subjekt der Durchsetzung des gleichen Ziels, sondern sie haben ein anderes Ziel als F.O.R. Palestine: Sie ziehen eine sozialistische 1-Staaten-Lösung vor (und binden eine evtl. bürgerliche 1-Staaten-Lösung an den Konsens beider Konfliktparteien).

 

15 Wir befürworten generell eine Bündniskonzepti­on, die sich auf das beschränkt, was konkret von den Beteiligten geteilt wird. Wir halten es nicht für richtig, Formelkompromisse in strittigen ideolo­gischen Fragen zu suchen, die den tatsächlichen Dissens verdecken.


16 Wir würden zwar z.B. selbst nicht unter der Über­schrift „Solidarität mit Rojava“ mobilisieren, aber wir wären bereit, für eine gemeinsame Aktion unter dem Motto „Solidarität mit dem Kampf der YPG gegen den Islamischen Staat“ mit Gruppen zusammenzu­arbeiten, die ihrerseits die Parole „Solidarität mit Ro­java“ verwenden; und entsprechend im Prinzip auch in Bezug auf Palästina – freilich mit dem Unter­schied, daß es uns in Bezug auf Palästina darauf ankommt, ob der von der PLO 1988 in den 1967 be­setzten Gebieten ausgerufene Staat gemeint ist oder ein darüber hinausgehender Gebietsanspruch gegenüber Israel erhoben wird.

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...nur eines noch..der zionismus war nie ein linkes Projekt - und er sich als Geisteshaltung, auch in den schlimmsten Zeiten, immer völkischen Positionen angenährt (mein Volk an Ort X und deines an Ort Y - Hurra, Hurra) dabei allianzen mit den schlimmsten menschenfeinden geschlossen und antizionistische juden an die jeweilige bürgerliche staatsgewalt ausgeliefert. (die geschichte der einzelnen jüdischen gemeinschaften sind voll mit diesen schlimmen konflikten)

Mit der obigen Meßlatte gemessen könnten auch ein paar deutschstämmige Terroristen nach Königsberg / Kaliningrad rein, Bomben legen wie die Zionisten 1948 und sofort haben wir ein sog. "umstrittenes Gebiet" mit Selbstbestimmungsrecht für die deutschen Rückeroberer?

Interessante Denkweise. Oder gilt obiges nur für Juden?

"Wir sind vielmehr überzeugt, daß es prinzipiell möglich ist, eine 1-Staaten-Lösung auszuhandeln, die auch jüdisch-israelischen Interessen gerecht wird." Das ist doch mal ne Ansage. Wir bewegen uns hier also im praktischen, völlig unutopischen Rahmen von Realpolitik. Das ist genau der Rahmen in dem israelsolidarische Linke argumentieren, allerdings kommen sie eben genau zu dem entgegengesetzten Schluß: In einer Welt voller Antisemiten (insbesondere in diesem Gebiet) braucht es einen jüdisch dominierten Staat.

Wenn ihr also tatsächlich argumentieren wollt, dann müßt ihr das bitte auch tun und euch nicht hinter dem Geplänkel verstecken.  Wie und mit wem würdet ihr einen solchen Staat aushandeln und wie würde er aussehen?

 

Btw: Die Aussage, dass viele Juden nicht in Israel leben wollen stimmt, ist aber sehr verkürzt und zeugt von einer gewissen Ignoranz gegenüber heutiger jüdischer Identität. Für viele ist die Existenz eines solchen Staates nämlich auch unabhängig eigener Ausreisepläne extrem wichtig. Dies in erster Linie durchaus als Faustpfand, da Israel als relativ sicherer Staat sie im Falle von Flucht auf jeden Fall aufnimmt. Zum Anderen auch zum Durchbrechen des antisemitischen Bildes vom "ewigen Juden", der rastlos auf der Erde wandelt.

 

Es ist im Übrigen schön zu sehen, dass ihr wisst wie und wo der Jude heute sicher sein kann und darf.

Auch wenn der Kommentar etwas pampig ist, schätze ich, dass ihr diese Diskussion führt!

"Es ist im Übrigen schön zu sehen, dass ihr wisst wie und wo der Jude heute sicher sein kann und darf." ... und zwar kein bißchen auf Kosten der Palästinenser. Nein! Wer das behauptete, ist ja anti-semit!