[Köln] Hogesa 2.0? Siktir lan! - Eine Auswertung von "HoGeSa 2.0" der Roten Aktion Köln

Zur Erinnerung: Hogesa 2014

Ein spannendes Wochenende liegt hinter uns. Aus dem lang angekündigten Comeback der „Hooligans gegen Salafismus“ (kurz: HoGeSa) wurde dann wohl doch nichts. Tausende Menschen in Köln sind auf die Straße gegangen und haben dafür gesorgt, dass sich die Bilder von letztem Jahr nicht wiederholen. Stattdessen: eine Peinlichkeit nach der anderen für HoGeSa. Und gerade für die radikale, revolutionäre antifaschistische Bewegung ein sehr lehrreiches Wochenende, aus dem wir mit neuen Schlussfolgerungen in die Zukunft gehen können. Aber eins nach dem anderen…

 

Ein durch Ekel ausgelöstes Schaudern…

…und viel Hass überkam die AntifaschistInnen dieser Stadt, als sie von der geplanten „Neuauflage“ HoGeSas hörten. Dominik Roeseler wollte alles so wie im Jahr zuvor: die schöne Route mitten durch die Altstadt, den Breslauer Platz als zentralen Kundgebungsort, eine aggressive rassistische Stimmung (noch verschärft durch das hohe Maß an Bier und Sonstigem, das in den Fressen der HoGeSas landet…), eine Siegesatmosphäre für die von Faschisten angeführte Hool-Bewegung, der sich alle möglichen Verlierer dieser Nation anschließen, und natürlich die Bilder, die uns allen noch in den Köpfen sind. Angegriffene MigrantInnen, das zerstörte Restaurant am Eigelstein, überforderte Cops. Und irgendwo auf der anderen Seite des Bahnhofs: die überhaupt nicht vorbereiteten AntifaschistInnen, die das Problem völlig falsch eingeschätzt und dementsprechend reagiert haben. Der 26.Oktober 2014 war eine Schlappe für die antifaschistische Bewegung. Und ein Weckruf. Schönerweise haben wir daraus gelernt, und es dieses Jahr besser gemacht. Nicht nur, dass um einiges mehr Menschen auf die Straße gegangen sind, auch organisatorisch und inhaltlich konnte die antifaschistische Bewegung dem Abfall auf dem Barmer Platz etwas entgegen setzen. Seit dem letzten Oktober ist viel passiert, was auch an der antifaschistischen Bewegung nicht vorbei gezogen ist.

 

„Pegida hat in Köln mit gestochen“…

…lautete ein korrekter Kommentar des Tagesspiegels nach dem Messerangriff auf die (mittlerweile gewählte) Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker kurz vor dem diesjährigen HoGeSa-Aufmarsch. Das letzte Jahr war geprägt von einem Thema: „Flüchtlingskrise“. In allen uns denkbaren Facetten: rassistische Bewegungen wie PEgIdA und HoGeSa, regelmäßige und sich häufende Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, ein ekelhaft heuchelndes Deutschland (wir verweisen auf unseren zwar schon etwas älteren, aber von der Tendenz her weiterhin aktuellen Artikel „Deutschland, du Heuchler.“), Mauern um und in Europa, und gleichzeitig viele ehrenamtliche HelferInnen, die den Ankommenden das Leben in diesem Scheißsystem wenigestens etwas erleichtern wollen. Und auch das Motiv des Attentäters Frank S., ein in den 90ern gut organisierter Faschist (sehen wir ausnahmsweise mal ab von den Diskussionen, ob es sich zumindest um einen ehemaligen V-Mann handeln soll…), war nicht, dass die CDU eine Scheißpolitik macht, sondern dass die Reker eine „Volksverräterin“ sei, die die Überschwemmung Deutschlands mit zu lasse. Wir erinnern uns an Anders Breivik, der vor einigen Jahren aus einem ziemlich ähnlichen Ideologie-Gerüst dutzende Jugendliche der norwegischen sozialdemokratischen Partei erschossen hatte. HoGeSa agierte und agiert also in einem allgemein aufgeheizten Klima und versucht sich als Beschützer des kleinen Mannes vor der Islamisierung und den Flüchtlingsströmen darzustellen. Spätestens seit einem Mitte Oktober erschienenen Spiegel-Artikel war klar, dass der Staat im Aufbau, der Finanzierung und Lenkung der HoGeSa-Bewegung von Anfang an mitgemischt hat: der verstorbene HoGeSa-Mitbegründer Roland Sokol war V-Mann – und hat mehrmals relevante Informationen über die Einschätzung des 26.Oktober 2014 an die Behörden weiter gegeben. Im Laufe des letzten Jahres haben wir nicht nur abstrakt verstanden, sondern auch konkrete Ansatzpunkte gesehen, was es heißt, dass Antifaschismus nur gegen den Staat funktioniert.

 

Problem erkannt…

…und direkt ging’s los mit einer breiten Mobilisierung in der Stadt. Ein Versuch der Polizei, die HoGeSa-Geschichte komplett zu verbieten, endete darin, dass der Abfall auf dem wohl hässlichsten und sinnlosesten Platz Kölns gelandet ist: dem Barmer Platz hinter dem Deutzer Bahnhof. Gähnende Lerre, Bahngleise, die Köln-Messe und seit neustem ein riesiges „Fuck Hogesa“-Graffiti zieren die Umgebung.

Die Bündnisse Köln gegen Rechts, Köln stellt sich quer und Arsch Huh / Birlikte rufen zu verschiedenen Aktionen gegen HoGeSa auf. Was in anderen Städten mit Schwierigkeiten verbunden ist, klappt in Köln ganz gut: die verschiedenen Bündnisse arbeiten im Großen und Ganzen nicht gegeneinander, sprechen ihre Klientel an und können verschiedenen Menschen verschiedene Formen des Widerstandes präsentieren. Das Wochenende war ein buntes Potpurri aus einer antirassistischen Vortagsdemonstration, der super zahmen Köln stellt sich quer-Demonstration vom Heumarkt zum Ottoplatz (hier trafen sich die verschiedenen Bündnisse zu ihren Kundgebungen und Aktionen), dem großen Birlikte-Festival („schunkeln, Currywurst und Kölsch gegen Rechts“), symbolischen Blockade-Aktionen auf den Gleisen des Deutzer Bahnhofs und Versuche, zum Barmer Platz zu kommen, sowie direkte Abreibungen für an- oder abreisende Faschos und Hools. Anstatt sich hier über „linke Gewaltexzesse“ zu echauffieren, sollte man sich lieber die Frage stellen, wieso es sein kann, dass trotz des massiven Polizeiaufgebots (über 3500 Cops in der Stadt, mehrere Wasserwerfer und Räumpanzer, Hunde, Pferdestaffel etc.) immer wieder Hools völlig unbehelligt durch die Viertel und durch die antifaschistischen Kundgebungen laufen konnten und von AntifaschistInnen rausgefischt werden mussten, um Schlimmeres zu verhindern. Zwar konnten die Hools nicht mehr völlig ungesteuert durch die Innenstadt randalieren (da war dem Polizeipräsidenten Albers sein Amt vielleicht doch zu wichtig), Antifaschismus bleibt für uns aber eben Handarbeit. Ob nun Verbot, Auflagen oder sonstwas: wir verlassen uns beim Kampf gegen faschistische Bewegungen nicht auf den Staat, sondern sind da, wo es anzupacken gilt. Dass von der Birlikte-Bühne immer mal wieder schallte, wie super toll der friedliche Widerstand ist (was soll diese staatliche finanzierte Veranstaltung auch anderes tun?), ändert auch nichts daran, dass diese friedliche Kundgebung von den AntifaschistInnen letztlich beschützt wurde, die selber Hand angelegt und Faschos und Hools vertrieben haben.

Aber auch aus der Menge der ‚Köln gegen Rechts‘-Blockaden gab es immer wieder gegenüber der Polizeirepression die laut ausgedrückte Haltung „Wir sind friedlich, was seid ihr?“; unabhängig davon, dass man sich allgemein dieser unterwürfigen Geste gegenüber dem Staat einfach mal entledigen und mit einer trotzigeren austauschen kann, sollte man sich schon Gedanken über den Ausdruck machen, den dies nach außen vermittelt. Wir müssen uns gar nicht darüber beschweren, dass die bürgerliche Presse uns in „friedliche, gute Demonstranten“ und „böse Linksautonome“ spaltet, wenn wir das selber verbal immer wieder tun! Die Blockade verlief vielleicht friedlich, vielleicht auch nicht; ist letztlich auch egal, unser Widerstand gegen Faschisten ist legitim und dass die Cops uns nicht einfach irgendwas blockieren lassen ist auch klar. So oder so blieb ihr der größte Stress aber erspart, weil sich Menschen an den Rändern dieser Blockade die Hände schmutzig gemacht haben. Auch wenn man das vielleicht nicht mit bekommen hat, wenn man inmitten tausender Menschen steht. Spätestens seit dem völlig sinnlosen Wasserwerfer-Einsatz könnte man das mal sein lassen mit der tausendfachen Betonung, dass man sich völlig friedlich mit Wasser oder Pfeffer abschießen und verprügeln lässt.

 

Und das Ende der Geschichte?

Zwar konnte nicht komplett verhindert werden, dass sich knapp 700 Hools im letzten Eck von Köln treffen und nach stundenlanger Suche nach Ordnern (es gab unter ihnen zu wenige, die nicht vorbestraft oder betrunken waren…) so etwas wie eine Kundgebung abhalten konnten. Aber immerhin wurde durch die direkte Aktion der antifaschistishen Bewegung den Hools der Tag unbequem gemacht – HoGeSa in Köln ist wohl Geschichte.

Was aber viel wichtiger ist: schätzungsweise 20000 Menschen waren auf der Straße und hatten keinen Bock auf Faschos. Sicherlich sind von diesen auch einige aus anderen Städten angereist. Aber tausende KölnerInnen sind bereit dazu, ihren erholsamen Sonntag zu opfern und „was gegen Nazis“ zu machen. Viele dieser Menschen sind auf die staatliche Birlikte-Veranstaltung gegangen und nicht auf die Blockaden des ‚Köln gegen Rechts‘-Bündnisses. Vielleicht weil sie Blockaden nicht gut finden, vielleicht weil sie Angst hatten, vielleicht weil sie einfach nichts davon mitgekriegt haben. Im besten Fall denken einige der BesucherInnen jetzt darüber nach, beim nächsten Mal nicht schunkeln zu gehen, sondern sich an den radikaleren Aktionsformen zu beteiligen. Das wäre ein Erfolg des Tages.

Die für die antifaschtische Bewegung interessanten Fragen sind wohl: Können wir längerfristig mit diesen Menschen arbeiten und das Potential nicht nur an einem einzigen Tag, sondern dauerhaft in Arbeit bringen? Wie schaffen wir es, dass beim nächsten Mal noch mehr Menschen der Currywurst gegen Rechts entsagen und auf die Blockade-Aktionen mit kommen? Wie schaffen wir es, über längerfristige Arbeit in den Vierteln aus „Antifa-Event-Politik“ eine dauerhafte, verstetigte Arbeit zu machen? Denn ganz ehrlich: jetzt bis zum nächsten Großevent oder bis zur kleinen pro-Deutschland-Kundgebung Urlaub zu machen ist für die antifaschistische Bewegung keinerlei Option. MigrantInnen haben ständig Stress mit Faschos auf der Straße. Flüchtlingen geht es hier jeden Tag Scheiße. Und Menschen haben jeden Tag keinen Bock auf Faschos und wollen was machen. Wir müssen ein umfassenderes Verständnis von antifaschistischer Politik erarbeiten und insbesondere die leider in der linken Bewegung so häufig existierende Trennung zwischen „politischer Arbeit“ und „Alltag“ aufheben. Wir müssen anfangen, uns in unserem Alltag über die kleinen Schweinerein dieses Systems mehr zu empören und Menschen dabei mit zu reißen; wenn wir uns langfristig als ernsthafte politische Kraft etablieren und den Menschen bekannt sind, dann können wir davon ausgehen, dass beim nächsten oder übernächsten Mal auch mehr Menschen mit kommen und sich den Faschos in den Weg stellen. Unser umfassendes Verständnis von Antifaschismus muss auch beinhalten, dass es nicht nur „deutsche Glatzen“ und solchen Abfall wie am Sonntag am Barmer Platz gibt, sondern dass der Faschismus verschiedene Gesichter hat und jedes gleichwertig bekämpft gehört (wir verweisen nochmal auf unseren Artikel „2000 türkische Faschos ziehen weitgehend ungestört durch Köln – was, wenn es deutsche Glatzen gewesen wären?“).

Also los, raus aus unseren Wohnungen, unseren Autonomen Zentren und Lieblins-linken-Kneipen; dahin, wo die Menschen wirklich Probleme haben, wo wir sie in ihrem Alltag ansprechen und sie dauerhaft für unsere Politik interessieren können. Mit einem Flyer und einem Plakat vor einer großen Aktion ist es eben leider nicht getan. Mit einer guten dauerhaften Arbeit in den Vierteln dieser Stadt können wir beim nächsten Mal, wenn der Abfall Köln einen Besuch abstatten will, wirklich verhindern, dass sich hier noch irgendwas bewegt.

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,, dahin, wo die Menschen wirklich Probleme haben" ... Ich verstehe das dann dahingehend, dass es in einigen Wochen ein Gruppenfoto der Roten Aktion aus Kobane gibt =) ...oder seid ihr nur irgendwelche Dauerstudierenden, die zu viel Marx gelesen haben und sich einen revolutionären Touch zulegen, um die Eltern zu shocken?

...für diesen Artikel.

Kein erhobener Zeigefinger, kein Geschwollenes Gequatsche.