Dick, doof und gefährlich...

9. Neubrandenburger Fight Night

Seit mehr als einem Monat marschiert im kleinen Burg Stargard die regionale NPD-Szene mit einer schwankenden Anzahl sogenannter besorgter Bürger_innen beziehungsweise Verwandschaft zu rassistischen Kundgebungen auf. Nachdem gleich zu Beginn gewohnt deutlich spürbare Gegenwehr zu verzeichnen war, hat sich das Trauerspiel auf dem Markt der Rosenstadt mittlerweile eingeschliffen und neue Züge angenommen. Nebenbei werden Neonazis überall im Landkreis – beziehungsweise im gesamten Bundesland – immer agiler, hetzen gegen Flüchtlinge, greifen deren Unterkünfte und Unterstützer_innen an. Die Polizei, welche überfordert und teilweise nicht fähig oder willens ist, Übergriffe auf Teilnehmer_innen der Gegenveranstaltung zu unterbinden, sieht zu und steuert sehenden Auges in den Notstand. Der Nordkurier hat die Berichterstattung gänzlich eingestellt. Grund genug und höchste Zeit für eine Bilanz der vergangenen Wochen aus Neubrandenburger Sicht.

 

Chronologie

 

Nachdem Neubrandenburg in den vergangenen Jahren lediglich von den üblichen NPD-“Infoständen“ und hier und da einem größeren Neonaziaufmarsch heimgesucht wurde, hat sich die Lage mit der politisch provozierten Krise der Unterbringung von Geflüchteten verändert. Angefangen hat es mit einer NPD-Kundgebung in Burg Stargard am 21. August, die einen mehr oder weniger „klassischen“ Verlauf nahm. Etwa 40 Neonazis sahen sich eine knappen Überzahl von Gegendemonstrant_innen gegenübergestellt und bekamen die Füße nicht wirklich auf den eigenen Boden. Von den Protesten in die Enge gedrängt, gingen sodann einige der Neonazis, darunter auch der Friedländer Hannes Welchar (NPD MSE) auf Konfrontationskurs mit den Gegendemonstrant_innen. Die NPDler versuchten, Transparente zu entreißen und traten zum Teil auf die Protestierenden ein. Außerdem versuchte ein Nazi-Sympathisant einen Protestierenden mit seinem Auto anzufahren und streifte diesen.   (mehr siehe http://nbnazifrei.blogsport.eu/ ).

 

Diese Situation stellte jedoch keine wirklich neue Entwicklung dar. Die NPD in der Region war es gewohnt, in Neubrandenburg einer Überzahl an motivierten Protestierenden gegenüber zu stehen und öffentlich wenig bis kaum wahrgenommen zu werden.

Der Anlass war in der Region jedoch neu da es sich um die bisher erste nennenswerte Aktion von Neonazis zum Thema Flüchtlinge in der Mecklenburgischen Seenplatte seit Beginn der rassistischen Mobilisierungswelle Anfang des Jahres handelte. Einstieg bot die kurzzeitige Unterbringung 30 syrischer Flüchtlinge in der örtlichen Jugendherberge. Für den politisch wenig profilierten NPD-local Norman Runge Grund genug, auf den rassistischen Zug aufzuspringen.

 

Besorgt um die Situation im Ort machten sich bereits am Tag darauf zwei Busse mit Teilnehmer_innen des Alternativen Jugendcamps auf den Weg in die Rosenstadt, die sich binnen kurzer Zeit einer mit Steinen und Bierflaschen ausgerüsteten Gruppe lokaler Neonazis gegenüber sahen. Über den versuchten Angriff wurde auf Kombinat-Fortschritt ausführlich informiert. Doch noch lange kein Grund für die lokale Presse, darüber zu berichten, oder für die Polizei, Ermittlungen aufzunehmen. Der Nordkurier ist sogar gänzlich aus der Berichterstattung über die rechten Umtriebe in Burg Stargard ausgestiegen.

 

Anders reagierte die Freiwillige Feuerwehr Burg Stargards, die auf den Fotos mit John Austermann einen der ihren wiedererkannte und ihn kurzerhand suspendierte. Eine Konsequenz, die leider in vergleichbaren Landstrichen leider nicht alltäglich ist.

 

Steine und Bierflasche  

Steine und Bierflasche


Darauf wiederum reagierte die rechte Szene am 28. August mit der zweiten Kundgebung. Handelte es sich bei der ersten Veranstaltung in der Vorwoche noch um eine "klassische" NPD Kundgebung, die standardmäßig von NPDlern und Kameradschaftlern seit Jahren zusammen durchgeführt werden, suchte man am 28.09.2015 vergebens nach offentsichtlicher Werbung, der Neonazi-Partei. Stattdessen schmückten sich die Rechten lediglich mit einem falsch geschriebenem Transparent, welches wohl die Tatsache bejammern sollte, dass ein Feuerwehrmann, der Kinder und Jugendliche mit Steinen anzugreifen versucht, nicht als Identifikationsfigur oder zum Brandschutz taugt. Nach Nazi-Lesart doch ein Opfer der Meinungsdiktatur. Oder so. Für Außenstehende war jedoch kaum erkennbar, was der abendliche Auflauf zumeist junger Männer zu bedeuten hatte. Unterstützung bekam die Stargarder Rechte Szene diesmal auch von Warener und Friedländer Neonazis. Den knapp lustlosen 80 Rechten standen mehr als das Doppelte an Gegendemonstrant_innen gegenüber, die die Eroberer der Straßenmacht aus der Vorwoche sichtlich niedergeschlagen stimmten.

 

So reagierte NPD-Mann Runge am 4. September mit Unterstützung aus Parteikreisen, stellte den von rechten Aufmärschen bekannten Transporter als Lautsprecherwagen auf und versuchte erstmals eine Rede zu halten, die jedoch in einer Mischung aus schlechter NPD-Technik, Kirchengeläut, Trillerpfeifen und Getrommel unterging. Personelle Unterstützung gab es diesmal auch aus Neubrandenburg, in persona der NPD-Aktivisten Jens Blasewitz (Stadtvertreter) und dem Telekom-Mitarbeiter Erik Uhlmann.

 

Erik Uhlmann

Erik Uhlmann

 

Inhaltlich hat man offensichtlich bemerkt, dass die Botschaft der Vorwoche niemand so wirklich verstehen konnte. Oder die knapp 50 Neonazis konnten sich selbst nicht ganz erklären, was an der Suspendierung eines gewaltbereiten Feuerwehrmannes, der eine Gruppe Jugendlicher mit Steinen angreift, zu bemängeln wäre. So gab es ein neues, nur wenig solidere Motto: "Aufstehen, einreihen, mitstreiten! Für die Zukunft unserer Kinder!“

 

Bei der 4. Kundgebung am 11. September folgten nur noch überraschend wenig der besorgten Nazi-Sympathisant_innen dem Aufruf. Die Rede Norman Runges verlor sich abermals im Lärm der Protestierenden auf der anderen Straßenseite, was sichtlich für Frustration der rechten Bürger sorgte. Diese endlud sich in der Folge in konkreten Bedrohungen von Unterstützer_innen der Flüchtlinge in Burg Stargard und Neubrandenburg durch Teilnehmer der rechten Kundgebung.

 

Zur 5. Veranstaltung am 18. September traten die ca. 60 Anwesenden das erste mal mit Fackeln in Burg Stargard auf. Die früher eintretende Dunkelheit verleiht dem bis dato eher mitleiderregenden Auftreten der Stargarder Bildungselite und der regionalen Neonaziszene ein martialischeres Erscheinungsbild. Das Polizeiversagen, mit dem die Nazigruselgeschichte im August in Burg Stargard begann setzt sich nunmehr fort: Das Zeigen des sogenannten Hitlergrußes durch einen sichtlich betrunkenen Teilnehmer der rassistischen Kundgebung bleibt ungeahndet.

 

Nachdem sich die TeilnehmerInnenzahl der rechten Kundgebung auf etwa 50-60 Personen eingependelt hatte, erschienen am 25. September zur nunmehr 6. Kundgebung überraschender Weise 80-90 Rassist_innen. Insbesondere die Gruppe um Rene Austermann, die sich im Hintergrund auf dem Kirchparkplatz versammelt hatte, und sich fast nur noch im Hintergrund bewegt, scheint sukzessive anzuwachsen.

 

Rene Austermann

Rene Austermann im Hintergrund


Im Zuge dieser Kundgebung, wurde versucht, durch beherztes Zugreifen eines der Nazi-Transparente als Souvenir zu sichern. Diese für wohl alle Beteiligten überraschende Intervention zog die Gewaltbereitschaft, der bislang nur johlenden und grölenden Meute binnen Sekunden an die Oberfläche. Aus der aufgeregten und wild agitierenden Menge heraus ging der Neubrandenburger Neonazi Enrico Stark, ohne auch nur ansatzweise durch anwesende Polizeikräfte gehindert zu werden, mehrere Meter in Richtung der Gegenveranstaltung und warf eine brennende Fackel in die Menschenmenge. Eine Gruppe Jugendlicher, die ein Stofftransparent hielt, wurde von der Fackel getroffen.

 

Enrico Stark

Enrico Stark

 

Die anwesenden Polizeibeamten gaben vor, nichts davon gesehen zu haben und nahmen lediglich die Personalien des vorbestraften Gewalttäters auf. Nach den vorausgegangen Bedrohungen wurde an jenem Abend deutlich, wie schnell die Stimmung umschlagen kann und wie schnell der Mob bereit ist, loszuschlagen, bekommt er nur einen Hauch von einem Anlass. Der Abend endete mit einer Hundestaffel, die die Nazikundgebung nach ihrem Ende aufhalten musste, damit die Gegendemonstranten halbwegs sicher nach Hause kommen.

 

Bei der 7. Kundgebung am 2. Oktober haben sowohl Neonazis als auch Polizei aufgestockt. Nachdem sich Einsatzleitung und NPDler Norman Runge freundlich abgeklatscht haben, beschäftigte man sich seitens der Polizei hauptsächlich damit, die Teilnehmer der Protestkundgebung zu drangsalieren und in einem eingeschränkten Bereich zu halten. Der Rest des Abends lief auf beiden Seiten, abgesehen von einigen Besoffenen Nazisympathisanten, die versuchten, sich der Gegenkundgebung zu nähern, nach der Routine der Vorwochen ab.

 

Am 09.10.2015 fand bereits die 8. Kundgebung der Neonazis in Burg-Stargrad statt. Diese war wie die letzten Veranstaltungen durch plumpe Neonazi-Musik unterlegt und wurde vom mitlerweile obligatorischem Redebeitrag von Norman Runge begleitet. Die anwesende Polizei wandte sich wie die Freitage zuvor, mehr den etwa 30 Gegenprotestierenden zu. Dennoch war sie nicht in der Lage, eine von der Kundgebung der Rechten kommende Person, welche versuchte hinter die Gegenprotestierenden zu gelangen und provozierte, abzufangen. Schlussendlich wurde die Person davon abgehalten noch weitere Antifaschist_innen zu provozieren, indem sich einige Leute in dessen Weg stellten und sie dadurch vom Rest der Menge abschirmten.

 

Um eine weitere Absurdität wird die Geschichte der Kundgebungen in Burg Stargard durch die neuerliche Anwesenheit von Medienvertretern ergänzt. An diesem Freitag gesellte sich Ron Bachmann dazu, der den meisten Neubrandenburger_innen von seinen Moderationen beim Regionalsender neu.eins oder des Senders MV1 bekannt sein dürfte. Was bisher nicht beleuchtet wurde und womöglich unbekannt ist, sind seine politischen Aktivitäten. Nicht nur, dass Bachmann bereits im März 2010 in einer Kundenkartei des Nazi-Klamotten-Labels "Thor Steinar" auftauchte, so ist der Penzliner auch strammer Unterstützer der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland (AfD)". Er organisierte Interviews für die PR des Landesverbandes M-V, "berichtet" über AfD-Veranstaltungen und garniert unzählige Beiträge von "Pegida" und ihren diversen Ablegern (z.B. "Anti islamische Allianz Abendland AiAA") mit Likes und teilt diese. Vergangenen Freitag war er nun als "Medienservice MV" für den NDR in Burg Stargard unterwegs.

 

Außerdem

 

In den vergangenen Wochen wurde die selbsternannte "Demminer Bürgerwehr" von Neonazis aus Neubrandenburg unterstützt. Unter den fast 300 Rassist_innen, die durch die Hansestadt zogen, befanden sich unter anderem Enrico Stark und Norman Runge. Ein spürbarer Gegenprotest blieb leider aus. Zeitgleich fand ein Neonaziaufmarsch in Wismar statt, wo der ehemalige Schweriner MVGIDA-Zweig nach dem einschlafen der "Bewegung" Anfang des Jahres als "Wismar wehrt sich" auftrat und 200 Menschen mobilisierte.

 

Auf Facebook beginnt eine Seite mit dem originellen Namen "Neubrandenburg wehrt sich", die Stimmung auch in der Vier Tore Stadt einzuheizen. Nach dem bekannten Muster posten die Seiteninhaber schlecht montierte Bilder mit patriotischen Sprüchen. Eine längere Betrachtung des Kommentariats der Seite und derjenigen Profile, die "Gefällt mir" unter den Beiträgen klicken, macht es schwer, nicht in überhebliche Muster zu verfallen und den "Pöbel" zu belächeln. Doch in diesem bunten Blumenstrauß der geistig abgehängten finden sich stramme Neonazis wie Stefan Engelmann (Fachmann für Fäkalien bei der Kanalreinigungsfirma Rohrpaul) oder Dean Krautner, ein schwermilieugeschädigter Ex-Skinhead vom Datzeberg.  

 

Auf der Facebookseite von "Neubrandenburg wehrt sich" tritt außerdem ein Ralf Ziegler als Organisator auf. Der ehemalige lokale Vize der "Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit" (WASG) fällt nicht zuletzt durch seine Beteiligung an den sogenannten Montagsdemos in Neubrandenburg mit politisch wirren Kommentaren auf. Als Mitorganisator der vermeintlichen Friedensdemonstrationen brüstete er sich auch auf seiner Facebookseite mit Kommentaren wie: "Hier gehts die Tage los. ...davon ab habe ich letztes Jahr Monate auf Straße gestanden mit 30 Menschen und ich bin 400 km zu pegida gefahren nicht nur einmal ...das zur info". Kürzlich forderte er auch die Todesstrafe für Angela Merkel. Ziegler ist zudem persönlich mit illustren Figuren der Neubrandenburger Grauzone, wie dem Chef des rechtsoffenen Kampfsportklubs "First Fight Team", Ronny Schindhelm befreundet. Kurioserweise ist ebenjener Ralf Ziegler auch Unterstützer des Jugendclubs T.O.N.I e.V. von Dauerwutbürger Steve Lehmann - Der Verein war bisher zwar nur durch Geldsammelaktionen in Erscheinung getreten, war jedoch auch kürzlich für die in Fünfeichen kasernierten Flüchtlinge aktiv. Zieglers Weltbild scheint davon jedoch wenig irritiert und so verkündet er auf der Seite "Neubrandenburg wehrt sich" bei jeder Gelegenheit nebulös "was in Planung" zu haben. In anderen Kommentaren der Seite ist von einem Aufmarsch für den 24. Oktober in Neubrandenburg die Rede. Bislang scheitere es jedoch an Spendengeldern. Möglicherweise ist neben Geltungsdrang wohl auch ein schmaler Taler Motivation der Administratoren... demonstrieren bleibt kostenlos.

 

Ralf Ziegler

Ralf Ziegler


Ralf Ziegler 2   Ralf Ziegler 3

Ralf Ziegler


Es bleibt spannend, wer derzeit noch seinen Kopf aus dem braunen Sump streckt. Der rassistische Backlash hat die rechte Szene für allerlei Frustrierte und Unterbelichtete geöffnet, die sich nun genötigt fühlen, ihre angebliche Meinung kundzutun. Wen wundert es, dass sich bei der Vorgeschichte des "First Fight Teams" auch direkt Sportler aus dem Dojo im rassistischen Kommentariat tummeln. Christian Mesekow, der im März auf der 9. Fight Night für das Neubrandenburger Team antrat ist einer der aktivsten Kommentatoren auf der Facebook-Seite "Burg Stargard sagt nein zum Asylantenheim" und hat am 19. September bei der Demo der ehemaligen "MVGIDA"-Veranstalter unter dem Motto "Deutschland wehrt sich" in Schwerin teilgenommen. Wenige Tage später griffen Rechte den Sicherheitsdienst der Notunterkunft in Schwerin-Lankow mit Latten und Flaschen an.

 

Am 29. September bei der Bürgerversammlung zum Thema Flüchtlingsunterbringung im Neubrandenburger Rathaus war Mesekow einer der lautesten rechten Störer und unterhielt sich angeregt mit dem Burg Stargarder NPDler Norman Runge (s.o.).

 

Ausblick: Alles Mist?

 

Christian Mesekow, Fight Night

Christian Mesekow, Fight Night


Screenshot

Screenshot


Ja. Für Burg Stargard wurden die Anmeldungen durch Norman Runge (NPD-MSE) kürzlich auf alle Freitage bis Ende diesen Jahres ausgeweitet. Außerdem will der von Woche zu Woche hitziger werdende Mob am 30.10.2015 auch durch das 5000 Einwohner_innen-Städchen ziehen. Und besonders brenzlig dürfte die Situation noch werden, wenn demnächst wieder in der Stadt selbst Flüchtlinge untergebracht werden sollten.

 

Neubrandenburg hat mit "Neubrandenburg wehrt sich" mittlerweile ebenso wie die meisten anderen Städte und Städtchen im Land eine Hetzseite auf Facebook, die mit ihrer nicht unwesentlichen Reichweite Gerüchte, Lügen und offene Neonazi-Hetze verbreitet, aber dennoch behauptet, nicht rechts, sondern patriotisch zu sein. An den ohnehin fragwürdigen Nuancen zwischen beiden Kategorien fehlt es freilich.

 

Und nein. Bislang hat die rassistische Mobilisierung nahezu bundesweit dafür gesorgt, dass Menschen auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam geworden sind und eine Welle der Hilfsbereitschaft losgetreten. Nicht nur, dass man ein riesiges Feigenblatt für die menschenverachtende Flüchtlingspolitik Deutschlands und Europas gebildet hat, tatsächlich wurde auch ein enormes Netzwerk praktischer Flüchtlingshilfe aufgebaut. Auch in Neubrandenburg und Burg Stargard, in Demmin und in Waren unterstützen Bürger_innen und Aktivist_innen Flüchtlinge möglichst zielgerichtet und unbürokratisch. Auch in Burg Stargard und dem Ortsteil Kreuzbruchhof, in dem wiederholt vorübergehend Unterkunft für nunmehr 60 Flüchtlinge gefunden wurde, gab es Willkommensgesten und Unterstützungsangebote. Hier gilt es nun vor allem, die Geflüchteten mit einzubinden und die Gefahr zu minimieren, sie allzu paternalistische Hilfe zu entmündigen.

 

Und möglicherweise besteht auch nicht die Gefahr einer rassistischen Massenbewegung, wie in den 1990er Jahren. Dafür sind die Akteure der Rechten Szene zu offensichtlich in ihrem – mitunter auch persönlichen – Versagen. Sind sie doch in der Regel recht klassische Verlierertypen, die nur ihresgleichen um sich geschart kriegen und deren Schar, die nichts aus der "Lügenpresse" glaubt, unreflektiert alles frisst, was die Einpeitscher ihnen vorwerfen. Eine wirkliche Strahlkraft geht von all den noch so einschüchternden Aufmarschen bisher nicht aus, Pogrome à la Heidenau scheinen hier nicht wahrscheinlich – ausschließen lassen sie sich dennoch nicht.

 

Denn trotz allem kam es in den vergangenen Tagen und Wochen zu einer Vielzahl an Übergriffen, die eine neue Marke setzen. Buttersäureanschläge auf geplante Unterkünfte, wie in Sellin auf Rügen. Versuchte und vollendete Brandstiftungen, Bedrohungen von Flüchtlingshelfer_innen oder Angriffe auf Geflüchtete, wie erst kürzlich in Neubrandenburg. (http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/108770/3133712)

 

Ganz zu schweigen von dem alltäglichen Rassismus, dem Flüchtlinge und People of Colour in Neubrandenburg ausgesetzt sind. Erst kürzlich berichtete der Nordkurier von rassistischer Vertragspolitik beim Fitness-Center MAXX GYM. Bereits zum Jahreswechsel war unter Flüchtlingen zu vernehmen, dass die Diskothek Colosseum per se "schwarzen" Menschen den Einlass verwehren würde. Eine Praxis, die auch in der Rumpelkammer immer wieder angewandt wird, wohl um die ohnehin schwierige Klientel nicht herauszufordern.

 

Doch es geht für uns nicht mehr nur darum, Psychohygiene zu betreiben und sich mit gegenseitigem Schulterklopfen und Jubeldemos vor der Resignation zu bewahren. Es geht auch nicht darum, Zeichen zu setzen. Es geht immer öfter darum, uns selbst zu verteidigen. Es geht darum, Neonazis empfindlich zu stören und sie aus der Reserve zu locken. Die Gewaltausbrüche der vergangenen Tage haben gezeigt, wohin die Reise geht. Der rechte Mob wartet auf seine Gelegenheiten... der Wut- und Alkoholpegel wird gesteigert, bis es eines Tages knallt. Bis dahin gibt es kernige Worte vom lokalen, meist staatlich alimentierten NPD-Mann und dazu Bratwurst.

 

Wir müssen aufhören zu warten, bis man uns Nazitermine und Mitfahrgelegenheiten vorsetzt. Wir können nicht darauf warten, bis die erste bewohnte Unterkunft brennt, bevor wir handeln. Es gilt, jetzt aktiv zu werden, Neonazis zu entlarven, ihren Agitationen offensiv entgegen zu treten und sich nicht in guten und bösen Protest spalten zu lassen.

 

Diskutieren ist dabei zwecklos, in den Sozialen Netzwerken haben sich Gruppen wie "Neubrandenburg wehrt sich" ihre eigenen Klimazonen geschaffen, die sie durch das Löschen kritischer Kommentare verteidigen. Sie baden in der Illusion trotz klarer rassistischer Statements keine Nazis, sondern lediglich "ehrlich" zu sein. Behauptungen und Empörungen übertrumpfen sich von Beitrag zu Beitrag, der Realitätsverlust ist vorprogrammiert. Dazu kommt, so eine mögliche Bilanz nach 25 Jahren sogenannter Deutscher Einheit, dass insbesondere im Osten ein Neid kultiviert wurde, der in den Flüchtlingen nun endlich wieder ein Projektionsziel gefunden zu haben scheint. Was in den 90ern "wir Ossis" waren, die es so schwer gegenüber "den Wessis" hatten, sind nun "wir Deutsche" gegenüber "den Flüchtlingen". Flankiert wird all dies von rechten Sprücheklopfern quer durch die Parteienlandschaft, sei es die Hierarchisierung in Armuts- und Kriegsflüchtlinge, oder wie auch immer gearteten "Deutsche zuerst"-Statements. Worauf warten wir?

 

Nazis vertreiben, Flüchtlinge bleiben!

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Die Suspendierung von John Austermann durch die Freiwillige Feuerwehr Burg Stargard bestand nur kurz. Die Familie Austermann (Renè [Vater] und seine Söhne John & Tino) feiert, trainiert und chillt wieder fröhlich mit den alten Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Burg Asgard.