Antifaschistische Kampagne // Wuppertal 2015: Das Handeln der Polizei

Demo 02.10

Die Demo am Freitag (Auftaktkundgebung um 18 Uhr an den City Arkaden in Wuppertal-Elberfeld) richtet sich auch gegen Polizeigewalt. Deshalb veröffentlichen wir hier eine (unvollständige) Kritik an der Polizei in zwei Schwerpunkten: Das Handeln der Polizei in Wuppertal (gewaltätige Hunderschaftseinheiten, eine Täter-Opfer-Umkehrung und eine Polizei-führung – die trotz täglicher Pöbeleien vor Geflüchtetenunterkünften und dem HoGeSa-Mordanschlag kein Problem mit rechter Gewalt sieht – dafür aber antifaschistisches Handeln wo es nur geht kriminalisiert) ist leider kein Einzelfall, sondern trauriger Alltag in der Arbeit der Polizei weltweit.

 

Polizei & Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit


Schikanöses bis gewaltätiges Handeln der Polizei trifft bevorzugt bestimmte Gruppen in der Gesellschaft. Beschäftigt man sich abgesehen von den strukturellen Ursachen mit den diesem Handel zu Grunde liegenden Motiven trifft man immer wieder auf Haltungen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder auch Sozialchauvinismus.


Was all diese unterschiedlichen Haltungen verbindet ist sogenannte “gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit”, also ein Denken in Gruppen, das nicht prinzipiell von der Gleichwertigkeit der Interessen der verschiedenen Gruppen ausgeht und so in seinem Kern immer auch die Feindschaft zwischen Menschen bestimmter Gruppen beinhaltet. Symptome gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit begleiten ständig die Arbeit der Polizei und führen dazu, dass diese vielen Gruppen in der Gesellschaft alltäglich praktisch feindlich eingestellt gegenübertritt.


Ein häufiges Motiv ist dabei Rassismus in all seinen Ausprägungen, der sich aus aktuellem Anlass anbietet die Mechanismen dieser Gruppenbezogenen Menschfeindlichkeit in der Arbeit der Polizei exemplarisch für all die anderen Formen näher zu erörtern.

 

Individueller Rassismus mag bei der Polizei nicht mehr oder weniger verbreitet sein als im Rest der Gesellschaft, auf Grund der großen Macht die der Polizei als Träger des staatlichen Gewaltmonopols im Alltag über Menschen zufällt, hat er hier aber besonders drastische Konsequenzen für die Betroffenen.
Zum Beispiel bei der Bundespolizei Hannover, wo der 39 jährige Torsten S. wiederholt brutal Geflüchtete im Gewahsam misshandelte und davon Bilder und Berichte über Handy an seine Kolleg*innen schickte. Auf den Bildern war neben Torsten S. die Anwesenheit mindestens einer weiteren Person an den Stiefeln zu erkennen und aus den verschickten Nachrichten ging hervor, dass auch die Vorgesetzten von den Misshandlungen wussten.


Die Sache fiel letztendlich nur auf, weil Torsten S. auch Kolleg*innen mit gezogener Waffe bedrohte, woraufhin sich diese anonym an die Presse wandten. Es ist davon auszugehen, dass diese Fälle, wie vermutlich viele andere auch, niemals öffentlich geworden wären, hätte sich Torsten S. darauf beschränkt seinen Sadismus weiterhin nur an den rassistisch und sozial Marginalisierten dieser Gesellschaft auszuleben.


Im Fall der Bundespolizei Hannover wurde dann auch sehr deutlich, welche Strukturen es sind, die Menschen wie Torsten S. ermöglichen ihren Rassismus dermaßen brutal und offen auszuleben.

 

Kurze Zeit nach dem Auffliegen der Misshandlungen wurde eine Facebook-Gruppe bestehend aus Mitgliedern der Bundespolizei Hannover öffentlich bekannt, in der Hetzkommentare durch die Beamt*innen veröffentlicht wurden. Hier nur einige der Kommentare, die einen Eindruck geben mögen vom internen Diskurs der

 

Bundespolizei Hannover:
“Oh ja, Fußball. Rüstung an, Knüppel frei. Wir sind bereit”,
“Asoziales Pack!!! Wann kriegen wir endlich Pumpgun und Taser!”,
“Armes Deutschland! Ich hoffe das man sich irgendwann mal besinnt und die Gesellschaft diesem kriminellen Migrationsmob zeigt, wo es langgeht.”
Laut NDR hatte diese Gruppe ca. 150 Mitglieder, darunter auch die Vorgesetzen der Kommentierenden, die mit solchen Kommentaren aber scheinbar keine Probleme hatten, ermittelt die Staatsanwaltschaft doch erst nachdem Wissen über die Gruppe durch NDR-Recherchen an die Öffentlichkeit gelangte und nicht etwa auf Grund einer internen Anzeige durch Kolleg*innen oder Vorgesetzte.


Vor diesem Hintergrund überrrascht es dann auch nicht mehr, wenn ein Insider dem NDR die Zustände bei der Bundespolizeidirektion Hannover, die dem “kriminellen Migrationsmob” mal “zeigt wo es langgeht”, wie folgt schildert:


“Es gab öfter lautes Geschrei in den Gewahrsamszellen. Und wenn das zu nervig war, dann wurde nicht nachgeschaut. Es wurde einfach die Tür geschlossen, damit nichts nach außen drang. Das habe ich selbst einmal gesehen. Geschlossen wurde die Tür auch vom Dienstgruppenleiter.”
Denn vom Diensgruppenleiter bis zu einfachen Beamt*innen herrscht offensichtlich Einigkeit darüber wie man mit “asozialem Pack” und “kriminellem Migrationsmob” zu verfahren hat.


Und das nicht nur bei der Bundespolizei Hannover, erinnert sei hier an die rassistischen Morde an Oury Jalloh, der am 7. Januar 2005 mit den Händen gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte, an Laya Condé, der am gleichen Tag nach einem Brechmitteleinsatz im Polizeigewahrsam in Bremen starb oder Christy Schwundeck, die am 19. Mai 2011 in einem Frankfurter Jobcenter von der Polizei erschossen wurde.

 

Wenn individuell rassistische Weltbilder und der in dieser Gesellschaft tief verwurzelte institutionelle Rassismus zusammenkommen, insbesondere im Handeln der Polizei, dann hat das katastrophale Folgen für die Betroffenen, die von Freiheitsentzug bis hin zum Mord reichen.

 

Strukturell rassistische Ausländer- und Asylgesetze, die Straftaten schaffen, die nur von Migrant*innen begangen werden können, und damit den Kontrollbereich der Polizei gegenüber Migrant*innen ständig erweitern kommen zusammen mit einem allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs der Migrant*innen als Gruppe in der Regel irgendwie konträr zur Mehrheitsgesellschaft sieht und hauptsächlich als Belastung und Gefahr, bestenfalls Herausforderung für diese darstellt.
Es ist dieses gesellschaftliche Klima in dem sich die Polizei in Hannover dann als eine Art Avantgarde der Mehrheitsgesellschaft fühlen darf, die an vorderster Front gegen “Asoziales Pack” und “kriminellen Migrationsmob” kämpft und im Sinne des Allgemeinwohls dabei eben auch mal hart durchgreifen muss.
Wofür es dann Menschen wie Torsten S. gibt, denen man im Bedarfsfall hinter verschlossenen Türen freie Hand lässt.


Abgesehen von den vielen Fällen extremer Gewalt scheint es darüber hinaus bei der Polizei erfahrungsgemäß weit verbreitet zu sein Migrant*inen nicht als zu schützende Mitglieder der Gesellschaft, sondern als unter generalverdacht stehende Gruppe von Menschen am Rand der, aus einer Perspektive der vemeintlichen Mitte heraus betrachteten, Gesellschaft zu sehen.


Und wenn die Bundesregierung im Juli 2015 auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag bezüglicher ihrer Einschätzung zu institutionellem Rassismus im Handeln der Polizei antwortet, es gäbe „keinen Ansatz für die Feststellung eines Strukturproblems“ und „im Einzelfall” enstehe “fälschlicherweise der Eindruck“ von “subjektiv als unberechtigt empfundene(n) polizeiliche(n) Maßnahmen“, dann können sich einzelne Beamt*innen, trotz NSU, auch weiterhin der Rückdeckung von ganz Oben sicher sein, wenn er beim Racial Profiling am Bahnhof Menschen nach Haut- und Haarfarbe aussortiert und sich dannach, schärfere Gesetze fordernd, darüber mockiert der “kriminelle Migrationsmob” begehe soviele Straftaten.


Wobei ihm die politzeiliche Kriminalitätstatistik recht zu geben scheint, womit man zum nächsten Punkt kommt: Der Rolle der Polizei im öffentliche Diskurs der bürgerlichen Gesellschaft.

 

Polizei & Öffentlicher Diskurs


Als Exekutivorgan des Staates ist das Handeln der Polizei an die Politik gebunden, womit letztendlich der öffentliche Diskurs der bürgerlichen Gesellschaft über die Befugnisse der Polizei und den Grad der Akzeptanz von Polizeigewalt gegen bestimmte Gruppen der Gesellschaft entscheidet und damit den Rahmen für akzeptiertes polizeiliches Handeln setzt.

 

Immer wieder ist die Polizei daher bemüht Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen und diesen in ihrem Sinne zu beieinflussen, was meist die Forderung nach repressiveren Gesetzen, besserer Ausrüstung oder mehr Überwachung bedeutet.


Durch die Polizei erstellte Statistiken sind dabei immer wieder ein wichtiges Mittel um die öffentliche Meinung in die gewünschte Richtige zu lenken.
Zum Beispiel mittels fragwürdiger Kriminalitätsstatistiken, die systematisch die sogenannte “Ausländerkriminalität” überhöhen.
Da es sich um polizeiliche Statistiken handelt, sind es lediglich Anzeigestatistiken, die daher nur die Zahl der von der Polizei erstellten Anzeigen angeben, unabhängig davon ob diesen eine Verurteilung folgte.


Diese Statistiken sagen also letztendlich nichts aus, bis auf, dass die Polizei besonders häufig Menschen anzeigt die, zumindest in ihrem Ordnungssystem, in den Bereich “Ausländer” fallen.


Gern wird auch jeder Kratzer auf eigener Seite als verletzte*r Polizist*in gezählt und aus einem Tränengasangriff auf die eigenen Reihen wird schon mal ein “Angriff mit einer ätzenden Substanz” und 40 verletzte Beamt*innen, während man bei den Opfern der eigenen Taten oft erst bei den Schwerverletzten anfängt zu zählen.


Derlei Statistiken zusammen mit dramatisierenden bzw. beschwichtigenden Polizeimeldungen liefern dann die Munition für Scharfmacher in Politik und Polizeigewerkschaft, die das fordern, was die Beamt*innen in Hannover schon lange wollen: “endlich Pumpgun und Taser!”.

 

Momentan wird vorallem eine Zunahme der Gewalt gegen Polizeibeamt*innen behauptet um höhere Strafen zu fordern, zum einen mit besagten Statistiken, zum anderen mit reißerischen Polizeimeldungen von tatsächlichen oder angeblichen Angriffen auf die Polizei, immer abgeschlossen von einer dramatischen Warnung vor einer “neuen Qualität von Gewalt”.


Diese Berichterstattung in Form von Pressemitteilungen und Polizeiberichten ist neben der Statistik ein weiteres wichtiges Mittel in der Politik der Polizei.
Polizeimeldungen haben enormen Einfluss auf die öffentliche Meinung, gerade auf lokaler Ebene wo eine unkritische Presse die Meldungen häufig als Tatsachenberichte verbreitet, wie es die WZ in Wuppertal immer wieder tut, aber auch auf Bundesebene ist kein Krawall mehr denkbar ohne Horrormeldungen der Polizei über gestiegene Aggressivität gegenüber ihren Beamt*innen, gefolgt von Forderungen der Polizeigewerkschaft nach politischen Konsequenzen.

Während die Polizei in Wuppertal in ihrem Polizeibericht eine Täter-Opfer-Umkehr vornahmen, um ihr Handeln zu legitimieren, schrieb bespielsweise die Hamburger Polizei eine nächtliche Attacke von betrunkenen Fußballfans auf Polizist*innen in ihrem Bericht um zu einer organisierten und zielgerichteten Attacke von Autonomen auf die Polizei und nahm diesen selbst gefälschten Bericht dann zum Anlass fast die halbe Stadt als Gefahrengebiet mit Sondervollmachten für die Polizei auszuweisen.

 

Demo 02.10.2015

Antifaschistische Demonstration
Freitag, 02.10.2015  // Wuppertal
Gegen HoGeSa, Nazis und Rassist`innen!
Kein Bock mehr auf Polizeigewalt!

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Gelungener Text, super. Ich hoffe auf eine kraftvolle Demo.

Passend zum Thema hier eine statistische Auswertung von Polizei-Pressemeldungen in Wien:

https://correctiv.org/recherchen/stories/2015/08/26/polizeiberichte-verzerren-wirklichkeit/