In diesen Tagen schaut die ganze Welt mit angehaltenem Atem auf den Nahen Osten. Blutige Auseinandersetzungen fordern Opfer auf beiden Seiten. Längst ist der Konflikt hierzulande angekommen und findet seinen Niederschlag in zahlreichen Demonstrationen. Für die Neonazi-Szene eine willkommene Gelegenheit, um ihrem antisemitischen Weltbild freien Lauf zu lassen. Über das „Wie“ allerdings gibt es Unstimmigkeiten.
Große Teile der Neonazi-Szene sind sich in ihrer Abneigung gegen Israel einig, sie ergreifen Partei für die Palästinenser und ihren „Befreiungskrieg“. In Dortmund reihten sich Anhänger Der Rechten in eine anti-israelische Demonstration ein und protestierten gemeinsam mit Islamisten oder Hamas-Sympathisanten „gegen die jüngste Aggression des israelischen Kriegstreibers gegen die Bevölkerung des Gazastreifens“ – so der Wortlaut einer parteinahen Internetseite. Die Unterstützung des Protestzuges blieb nicht der einzige medienwirksame Auftritt der Truppe um Dennis Giemsch, der kürzlich für Siegfried Borchardt in den Rat der drittgrößten Stadt Nordrhein-Westfalens nachgerückt war. 14 Neonazis störten ein Fußballspiel des israelischen Zweitligisten Maccabi Netanya gegen eine Lütgendortmunder Stadtteilauswahl. Die Aktivisten hatten einzeln Zutritt erhalten und anschließend gemeinschaftlich antisemitische Parolen gerufen. In der Halbzeitpause führte die Polizei die Störer aus dem Stadion. Beobachter zeigten sich ob des „grenzenlosen Judenhasses“ entsetzt.
Unterdessen unternimmt die Propaganda-Abteilung der politisch bedeutungslosen Splitterpartei den Ritt auf der publizistischen Rasierklinge, um dem eigenen Anhang ihre Aktionen näher zu bringen. „Innerhalb des rechten Spektrums sorgt die Haltung zur Israel-Palästina-Frage immer wieder für Diskussionen“, konstatieren die Verfasser eines Internetartikels. Oder anders ausgedrückt: Dem rassistischen Fußvolk sind gemeinsame Demonstrationen mit den sonst als „Asylanten“ oder„Testosteron gesteuerten Kulturbereicherern“ diffamierten Muslimen ein Dorn im Auge. Deshalb lassen die Querfront-Verfechter eine Hintertür offen und mahnen, innen- und außenpolitische Themen nicht zu vermischen. Es sei kein Widerspruch „auf der einen Seite die Masseneinwanderung nach Deutschland abzulehnen, aber auf der anderen Seite an Demonstrationen teilzunehmen, die auch von in Deutschland lebenden Palästinensern mitgetragen werden“.
NPD braucht Wahlkampfmunition
Im NPD-Lager ruft diese Interpretation eine starke Abwehrhaltung hervor. „Wer sich für seine Landsleute und sein Vaterland stark machen will, soll vor Ort für sein Recht streiten und nicht die Marktplätze Deutschlands belagern“, greift Bundespressesprecher Frank Franz die Organisatoren der pro-palästinensischen Kundgebungen, deren Teilnehmer er „vagabundierende Demonstranten“ nennt, an. Die Aufzüge, denen Beobachter ein neues Maß an Hass, Gewaltbereitschaft und Aggressivität attestieren, presst die Partei in ihr Wahlkampf-Korsett, das voll und ganz auf die bereits aus den achtziger Jahren hinlänglich bekannte „Ausländer raus“-Thematik zugeschnitten ist. Im Spätsommer diesen Jahres bangt die angeschlagene NPD um den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag, in Thüringen ist trotz großer Wahlkampfanstrengungen der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde keinesfalls sicher. Und in Brandenburg spuckt die Partei unter Klaus Beier zwar große Töne, Chancen auf den Bänken des neugebauten Potsdamer Parlamentsgebäudes Platz nehmen zu können, werden ihr aber nicht eingeräumt.
Punkten möchte die NPD mit Hetze gegen Flüchtlinge und Asylbewerber. Mit ihrer Kampagne hofft sie, an eine in der Bevölkerung weit verbreitete skeptische Stimmung anzudocken, die sich mancherorts massiv aus rassistischen Vorurteilen speist. Deshalb auch der Schwenk in der NPD-Erklärung in Richtung Innenpolitik. Niemals werde sich die NPD, so Franz weiter, mit „randalierenden Ausländern solidarisieren“, um im gleichen Atemzug eine massive Ausweisung von über einen längeren Zeitraum arbeitslosen, straffälligen bzw. „in unser Sozialsystem eingewanderten“ Ausländern zu beschwören. Die NPD kann eben doch nicht aus ihrer nationalistischen Haut.
Islamhasser sehen ihre Stunde gekommen
Einen vollkommen anderen Kurs schlägt die anti-islamische Webseite „PI News“ ein. Dort fordert der kürzlich am Einzug in der Münchner Stadtrat gescheiterte Michael Stürzenberger, Israel solle die Hamas „unschädlich“ machen. Der Chef der Mini-Partei Die Freiheit, der als Vorbild u. a. Geert Wilders angibt, sieht dies als einen ersten Schritt einer „umfassenden Ent-Islamifizierung“.
Auf der Straße soll die „PI-Community“ nach der Plänen der Seitenbetreiber Druck machen. Jeden Sonntag um 12.00 Uhr sollen die Leser des vor Hass triefenden Blogs vor bundesdeutsche Rathäuser ziehen, um „die verantwortlichen Hintermänner hinter den islamischen Judenhassern“ anzuklagen: die deutschen Politiker.
Am Wochenende zeigte in Berlin auf einer pro-israelischen Gegendemonstration zum alljährlichen Aufmarsch zum Al-Kuds-Tag, den der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1979 als anti-israelischen Aktionstag ausgerufen hatte, ein Vertreter der „German Defence Leauge“ (GDL) im wahrsten Sinne Flagge (Bilder bei Sören Kohlhuber). Ideologisch wandelt die Kleinstgruppierung auf ähnlichen Pfaden wie „PI News“. Kein Wunder, das auf deren Webseite eine Anzeige der selbsternannten „überparteilichen, selbstständig agierenden und unabhängigen Menschenrechtsorganisation“ zu finden ist. Aber auch auf der Gegenseite hatten sich Neonazis eingefunden. Einer von ihnen trug ein T-Shirt mit einem eisernen Kreuz und der Losung „Gott mit uns“.
Bilder der anwesenden Nazis
Unter den etwa 1500 Teilnehmern waren auch Neonazis aus dem Umfeld der Neonaziszene Südbrandenburgs und der JN Brandenburg. Auch Reichsbürger, sowie Personen aus dem salafistischen Spektrum waren anwesend. Die Neonazis wurden nicht aus der Demonstration entfernt.
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