Eine Chronologie über politische Gefangene in Wien

imprisoned

politischer Gefangener?

Es gibt einiges an Kritik an dem Begriff „politischer Gefangener“, da Knast selbst ein politisches Instrument ist, und es somit keine „unpolitische Gefangene“ gibt. Auch die Frage, welche Delikte politisch sind, ist nicht zielführend. So kann Diebstahl beispielsweise auch als individuelle Widerstandsstrategie gegen Kapitalismus, Deklassierung und Arbeitszwang gesehen werden. Und selbstverständlich sind die (Nicht-)Prozesse gegen IslamistInnen, Nazis und gegen Grasser & Co. politisch.

 

Dennoch wird in diesem Bericht der Begriff „politisch gefangen“ sehr eng verwendet. Dies soll nicht der Entsolidariserung dienen. Vielmehr sollen damit Dynamiken und Entwicklungen der Repression gegen politische Bewegungen beschrieben werden. Diese Liste ist nicht vollständig. Es gibt Menschen, die keine Öffentlichkeit wollen, und es gibt Menschen, die kein solidarisches Netz haben. Ihre Geschichten erfahren wir meist über Gerüchte und unbestätigte Meldungen. Dies mag im Einzelfall unbefriedigend sein, dennoch gibt es den Wusch der Betroffenen zu respektieren.

 

Jahrtausendwende

 

Die letzte größere Repressionswelle gab es um die Jahrtausendwende1. Doch seit 2001 war das Thema Repression eher ein theoretisches als ein praktisches. Internationaler Solidarität war die ganze Zeit über ein Dauerbrenner. Umso überraschender kamen die Verhaftungen vom 21.Mai.

 

Tierrechtsprozess

 

Am 21.Mai 2008 wurden 10 Personen völlig überraschend festgenommen, in 23 Wohnungen und Büros werden Hausdurchsuchungen durchgeführt. Ihnen wurde §278,Beteiligung an einer kriminellen Organisation, vorgeworfen. Erst nach 110 Tagen kamen sie wieder frei. Der Prozess,der am 2,März 2010 startete, dauerte 14 Monate. Das Ergebnis war eine vollkommene Blamage der Anklage. Ihre Anschuldigungen wurden als billige Farce enttarnt. Dennoch ging der StA in Berufung, wodurch es zu neuerliche Prozesse kam und es endgültige Freisprüche erst im Mai diesen Jahres gab. Staatsanwalt und lügende Polizisten wurden befördert, während die Betroffenen auf Schulden sitzen bleiben und ihnen Jahre ihres Lebens geraubt wurde. Es ist einer der bekanntesten Justizskandale in Österreich.

 

noWKR 2009

 

Die Proteste gegen den WKR-Ball fanden zum zweiten Mal statt und wurde zu einem regelmäßigen Fixpunkt im Demokalender. Doch auch die polizeiliche Repression wurde zu einem Fixpunkt. In diesem Jahr gab es 9 Festnahmen, eine Person wurde in die U-Haft gebracht. Sie gehört wohl zu jenen Menschen, die wenig Support hatten bzw. keine Öffentlichkeit wollten. Über Anschuldigungen, Urteil, Dauer der U-Haft ist deswegen nichts konkretes bekannt.

 

Good Night Daddys Pride!

 

 Am 12.Juni 2010 gab es eine profeministische Demo gegen Väterrechtler. Bei einem Polizeiangriff wurde S. Festgenommen und musste 2 Wochen in U-Haft verbringen. Ihm wurde Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Über den Ausgang des Prozesses ist nichts bekannt.

 

J., A., I., B.

 

Es brannte ein Mistkübel vor dem AMS, dazu gab es ein Bekennerschreiben. Grund genug für die Justiz am 6.Juli 2010, 4 Menschen für 7 Wochen in U-Haft zu stecken, sie wegen §278, diesesmal „nur“ wegen Betieiligung in einer kriminellen Gruppe,anzuklagen und eine Hausdurchsuchung in einem linken Freiraum zu machen. Das inzwischen übliche Repertoire an Überwachung wurde eingesetzt, brachte aber keine Ergebnisse. Dies ist kein Wunder, war doch die Polizei mehr an Rache/“Aufklärung“ der #unibrennt- Proteste interesiert, als an Aufklärung von vermeintlichen Strafratten. So gab es im Prozess im März und Juli 2012 zu Freisprüchen.2

 

Yusuf Tas & Özgur Aslan

 

Am 26.Juni 2013 wurden mehrere Wohnungen in Wien und Niederösterreich gemeinsam von deutschen und österreichischen PolizistInnen durchsucht. Dabei wurden Yusuf Tas und wenig säter auch Özgur Aslan festgenommen. Vorgeworfen wird ihnen, Teil einer terroristischen Gruppe zu sein. Der konkrete Vorwurf lautet, dass sie Gelder für Terrorgruppen sammelten, indem sie bei Grup Yorum-Konzerten die Kassa machten. Es gab einige Solidaritätsaktionen, die beiden machten einen wochenlangen Hungerstreik, doch dies half wenig. Die beiden wurden Ende Oktober nach Deutschland ausgeliefert. Dort droht ihnen jahrelange Haft sowie eine Abschiebung in die Türkei.

 

Refugee Protest

 

Es erinnert stark an „Operation Spring“. Als Antwort auf eine selbstorganiserte antirassitische Bewegung, die durch die Besetzungen von Votivpark und Votivkirche auffiel, gibt es Polizeirepression. Im Juli 2013 wurden AktivistInnen des RefugeeProtest abgeschoben. Gegen andere wurde der Vorwurf de Schlepperei erhoben, mediale Vorverurteilung und U-Haft für 8 Personen inklusive. Zu Beginn eines langen Prozesses im März 2014 wird klar, dass die Anklage eine Farce ist. Doch statt Freispruch wird der Prozess nur verschoben, damit die Polizei neue Beweise bringen kann. Immerhin wurden die Verhafteten nach 8 Monaten freigelassen. Imoment läuft die Neuauflage des Prozesses, die höchstwahrscheinlich bis im Herbst dauern wird.

 

Josef

 

 Josef wurde bei den Protesten gegen den WKR-Ball im Jänner dieses Jahres festgenommen und sitzt seitdem in U-Haft. Ihm wird Rädelsführerschaft bei Landfiedensbruch, schwere Körperverletzung und schwere Sachbeschädigung vorgeworfen. Beim 1.Prozeßtag ist die Anklage in sich zusammengebrochen, dennoch meint der Richter, dass sich die Beweislage verhärtet hat, womit auch die U-Haft aufrecht bleibt. Die nächsten Prozesstage sind am 21. und 22.Juli.

 

Pizza, not controlls!

 

Am 25.April 2014 intervenierten einige Leute bei einer rassistischen Kontrolle vor der Pizzeria Anarchia. Die Folge war, dass die Polizei durchdrehte und 3 Leute festnahm. Sie wurden erst am 2.Mai freigelassen. Über einen bevorstehenden Prozess etc, ist bisher nichts bekannt.

 

identitäre Demo

 

Der antifaschistische Protest gegen die neurechte identitäre Bewegung wurde zu einem Prügelfest der Polizei. Dabei kam es auch zu einigen Anzeigen und Festnahmen. Eine Person sitzt nach wie vor in U-Haft.3

 

Hüseyin

 

Im Anschluss im Anschluss an den Protest gegen das burschenschaftliche „Fest der Freiheit“ so brutal festgenommen, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. Vorgeworfen werden ihm Straftaten bei den „noWKR“-Protesten, es sind die gleichen Anklagepunkte wie bei Josef. Im Moment befindet er sich in U-Haft.

 

Fazit

 

Diese unfertige Auflistung zeigt, wie sehr die Häufigkeit von Kanst in Verbindung mit politischen Protest zugenommen hat. Die U-Haft wird leichter und länger verhängt. Es zeigt sich auch, dass viele der Anklagen beim Prozess in sich selbst zusammenbrechen. Dennoch sind diese Repressionsschläge erfolgreich: Sie kosten Zeit, Geld und Nerven. Im sozialen und politischen Umfeld der Betroffenen lösen sie Angst aus und fordern eine Fokussierung auf die Repression, während andere politische Themen dadurch zu kurz kommen. Es zeigt sich auch, dass diese Freiheitsberaubungen ziemlich wenig mit Häufigkeit, Größe oder Gefährlichkeit von sozialen Bewegungen zu tun hat. Menschen ohne österreichischen Pass sind in dieser Liste übermäßig oft vertreten, obwohl sie in den „linken Szenen“ eine untergeordnete Rollle spielen. Es zeigt aber auch, wie wichtig Solidarität ist. Nicht nur für Betroffene, sondern auch bei der öffentlichen Meinung sind breite Solidaritätsaktionen wichtig.

 

1Als Antwort auf eine selbstorganisierte Flüchtlingsproteste gab es eine riesige rassisitische Razzia. Über 100 Menschen wurden am 27.Mai 1999 festgenommen, als Vorwand diente Drogenhandel. Später sollten einige von ihnen wegen Handel von „unbestimmter Menge“ zu „unbestimmter Zeit“ an „Unbekannte Personen“ verurteilt werde, Bei den Protesten gegen Schwarz/Blau gab es einiges an Repression, jedoch nur wenige Verhaftete. Am 2.März wurden 3 Menschen verhaftet,2 mussten über 1 Monat in U-Haft bleiben. Nach dem G8-Gipfel im Juni 2001 in Genua wurde 25 Menschen aus der Volxtheater Karawanne auch mit Hilfe von österrreichische Behörden verhaftet und mussten 1 Monat in U-Haft verbringen. Das verfahren wurde erst 2010 eingestellt. Sandra Bakutz wurde am 10.2.2005 in Istanbul verhaftet, während sie Prozessbeobachtung machte, da sie Verbindungen zu Terrororganisation haben sollte. Ende März wurde sie freigelassen, Ende Mai freigesprochen.

2 Eine Bemerkung am Rande: In etwa zur gleichen Zeit brannten zweimal Mistkübel in einem Haus, dass vor allem von MigrantInnen bewohnt wurde. Auf den Wänden gab es Drohungen gegen die BewohnerInnen. Der Täter aus der lokalen Naziszene wurde rasch gefasst, wurde jedoch „nur“ auf freien Fuß angezeigt.

3Die letzte Information gab es am 24.Mai . Seitdem gab es nur Gerüchte. Wir können jedoch davon ausgehen, dass wenn wir etwas erfahren sollen, es auch erfahren werden. 

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der verhaftung einer person bei der identitären demo ist fahrlässig. das nicht darüber reden schürt die gerüchteküche. es geht nicht darum wer die person ist. es geht auch nicht um mögliche anklagepunkte. es geht darum dass der staat sich noch eine geisel gekrallt hat und darüber muss gesprochen werden! bald 1 Monat U-Haft und keinerlei offizielle infos. bei nachfragen wird darauf verwiesen dass eh alle wüssten. dem ist aber nicht so!

 

die repression stört es jedenfalls nicht, dass nix bekannt wurde.

warum gibt es sowenig Infos:

ist es weil es zu wenig solidarische leute gibt und die soligruppe überfordert ist, dann wär das scheiße.

oder ist es, weil es die person das selber will, dann haben wir das zu akzeptieren.

es gibt viele verschiedene umgänge mit repression, die folgen muss die person selber tragen.

folglich haben wir solidarischen menschen draussen die entscheidung, die die person drinnen trifft, zu akzeptieren.

 

es gibt momentan sehr viele verschiedene wege, solidarisch zu sein:

über hüseyin ist momentan sehr wenig bekannt, auch auf der offiziellen hp von ogr is nix zu finden (auf doofbook und twitter schon).

die u-haft für puber wurde verlängert.

die prozessbeobachtung im refugee protest freut sich über motivierte leute.

 

mensch braucht sich also nicht an einem fall festkrallen, und kann hoffen, dass wenn die soligruppe hilfe braucht, sie dies auch kommunizieren wird.

freie entscheidungen gibt es nicht. schon gar nicht im knast.

 

dilemma bei abschiebungen. person möchte nicht dass aktiver widerstand geleistet wird. heißt dass wir dürfen nichts machen?

 

betrifft nicht nur den menschen im knast. ist ein angriff auf uns alle. wie gesagt geht es nicht um persönliche details, auch nicht um die herbeiphantasierten anklagepunkte.

 

ich weiß nicht wie die schreiberin des vorposts auf "fest krallen an einem fall" kommt. die erwähnte soligruppe existiert? wie könnte ich ihr geld zu kommen lassen? oder wird keines benötigt? wie kann ich der person briefe schreiben? oder möchte sie keine erhalten - was nach meiner eigenerfahrung echt erstaunlich wär, weil alles was die monotonie durchbricht, noch die kleinste grußbotschaft lebensrettend sein kann. solche fragen könnten diskutiert werden, ohne dass die integrität der person drinnen angetastet wird.

 

ist es nicht auch ein etwas komischer umgang der person die eh schon im käfig ist. massivster gewalt ausgesetzt wird. dieser person jegliche verantwortung zu überschreiben? wir können nur dann etwas tun, wenn die person drinnen klar sagt was. ansonsten sind uns die hände gebunden?

 

es wird ein vertrauen in die soli strukturen vorausgesetzt, welches sich leider nicht durch erfahrungswerte der letzten monate und jahre rechtfertigen lässt. 

ich finde das ist ein wichtiger beitrag. allen betroffrenen koennen iwie unterstuetzt werden.

 

und das muesste viel besser funktionieren, dass opfer von repression und knast nicht so lange alleingelassen werden.  

solidaritaet ist die einzige rechtfertigung die es fuer eine "linke szene" gibt.

[Wien] U-haft und Prozess gegen Martin https://linksunten.indymedia.org/de/node/116614

 

Kommt am 23.06.2014 zum Prozess oder vor das Landesgericht und überlegt euch wie ihr euch solidarisch zeigen könnt.

 

Ihr könnt euch bei solidarityformartin@riseup.net melden, wenn ihr Martin Briefe schreiben wollt, Prozessbeobachtung machen könnt oder andere Unterstützung anzubieten habt.

 

Kundgebung eine Woche vor dem Prozessbeginn:

Montag, 16.Juni 2014

17:00 Landesgericht Wien

Wickenburggasse 24

 

Kundgebung und Prozessbeobachtung am Tag der Verhandlung:

Montag, 23. Juni 2014

09:00 Landesgericht Wien

Wickenburggasse 24, 1080 Wien

 

Freiheit für Martin! Freiheit für Hüseyin! Freiheit für Josef!

Freiheit für alle Gefangenen!

kleingeschrieben, fußnote 1. auch wenn der name "operation spring" nicht genannt wird, ist es das mit der riesigen rassistischen razzia gemeint.

Vielen Dank für diesen kurzen Überblick - einige Dinge fehlen wie zb kontinuierliche Repression gegen AntifaschistInnen auf den seit 2008 stattfindenden Demos gegen den WKR- bzw. Akademikerball, FPÖ-Versammlungen oder andere rechte Treffen, polizeiliche Schikanen und gewaltsame Auflösungen von Tekknopartys inklusive Prügeln + Festnahmen, diverse Hetzjagten auf SprayerInnen, PlakatierInnen oder sonst wie in der Stadt Unangepassten, die dutzende Male in den letzten 15 Jahren zu Vorladungen, Verwaltungsstrafen und Gerichtsverhandlungen geführt haben.

 

Gemeinsam gegen Solidarität - solidarisch kann man aber nur sein, wenn man davon weiß.

Sicher gibt es immer Gründe aktuell nicht zu berichten, allerdings lohnt auch im Nachhinein eine Zusammenfassung der Ereignisse zur Dokumentation, als Information für andere kämpfende GenossInnen und Aufklärung für Wechselwirkungen von Repression.

 

Gut, dass die Leute aus der Pizzeria wieder draußen sind, das zb wußte ich bis dato nicht.

... der von Wiener Linien Mitarbeitern niedergeschlagen wurde und jetzt im Koma(?) liegt? Mir ist schon klar dass das nicht Polizeigewalt im engeren Sinn, doch sorgt die Polizei für eine Straffreiheit der TäterInnen, und es handelt sich um Repräsentanten der offiziellen Stadt Wien die hier gegen einen Subversiven tätlich wurden. Die haben ihn fast umgebracht, mitten in Wien, wir müssen darüber reden!

.. der *Täter meinte ich, die Gewohnheit..

das hilft den ueberlblick ueber den wahnsinn zu behalten.