Zum Sieg von Conchita Wurst

Nationalismus geht auch mit Kleid und Bart

Dieser Tage zeigt sich an einer Dragqueen, das moderner Nationalismus ganz ohne "wehrhafte Mannlichkeit" (1) geht. Im "Standard" ist zu lesen: "Österreich gewann. Eine Community gewann. Eine Haltung gewann. Europa gewann." (2) Jan Feddersen schreibt auf seinem Blog Eurovison.de: "sie hatte eine Message, sie war eine Missionarin für die queere Sache, für Respekt und Toleranz. Und: Sie war auf der Bühne großartig in Form. Österreich kann stolz auf sie sein." (3) Und Österreich ist Stolz auf sie: "ich hab schon nicht mehr gewusst, wie sich Nationalstolz anfühlt - DANKE!!!" (4).

 

Seit sich Europa in Feindschaft mit Russland befindet haben sich die Österreicher stark gewandelt. Aus einem Volk von 8 Millionen potenziellen Fußballtrainern, die 40 von 183 Nationalratsmandaten der FPÖ anvertrauen - welche nicht die größte Freundin queerer Partys ist - wurde über Nacht ein Volk der Dragqueen und -kings, dass sich nur wundern kann über die Zurückgebliebenheit der russisch-asiatischen Barbaren.

 

Wie es sich allerdings gehört für ein deutschsprachiges Land geht es hier nur um den guten Patriotismus und die Heimatliebe, die zwar Sachlich das gleiche ist wie der Nationalismus, der aber für die Vaterlandsliebenden dann doch den bösen Russen überlassen wird. So wird die antirussische Stimmung im Lande weiter vorangetrieben, dieses mal mit dem Fingerzeig auf die Intoleranz und Schwulenfeindlichkeit in mütterchen Russland, wohin dieser Tage alle Schwulenfeinde geflüchtet zu sein scheinen: "Unsere Empörung ist grenzenlos, das ist das Ende Europas", sagte der nationalistische Abgeordnete Wladimir Schirinowski im russischen Fernsehen" (3). Wo es möglich ist gegen Russland zu hetzen lässt auch der Spiegel nicht lange auf sich warten und Titelt: "ESC-Triumph Conchita Wursts: Russische Politiker beschwören das Ende Europas" (5).

 

Wurst selbst lässt sich dabei nicht nur verwenden für den höheren nationalen Zweck, sondern ist auch selbst dabei: "Zugleich sei ihre Botschaft für eine "Zukunft ohne Ausgrenzung und Diskriminierung" auch "an einige uns bekannte Politiker gerichtet" gewesen. Rückfrage: "An Putin?" – "Ja." (3). Schon auf dem Musikfest der Toleranz war klar wer der Feind ist: "Die russischen Tolmatschow-Zwillinge wurden bei der Punktevergabe immer dann ausgepfiffen, wenn Russland eine hohe Punktezahl erhielt. Starken Applaus gab es für die ukrainische Vertreterin Maria Jaremtschuk, die mit dem Liedchen "Tick-Tock" angetreten war. Am Ende landete die Ukraine vor Russland auf Platz sechs." (2)

 

Bei so viel Zusammenhalt in der Nation durch die gemeinsame Toleranz, die einen vom niederen Slawen trennt, will auch die FPÖ nicht lange gegenhalten: "Bei aller Unterschiedlichkeit von Auffassungen, die Menschen im Hinblick auf "Kunstfiguren" wie Conchita Wurst durchaus berechtigt haben können: Ich gratuliere Tom Neuwirth alias Conchita Wurst zur künstlerischen Leistung und zum Sieg beim diesjährigen Song Contest!" (6).

Es scheint fast so, als würde die Regenbogenfarbe dieser Tage Rot-Weiß-Rot tragen. "Wären da nicht die vielen Regenbogenfahnen gewesen, man könnte durchaus von Länderspielatmosphäre sprechen." (2). Natürlich mit aufgeklebten Bärten und Konfettiregen (2) statt mit Dosenbier und Bockwurst - aber eben das macht die Länderspielatmospäre auch nicht aus, oder?

 

Mehr auf www.keinort.de

 

(1) http://archiv.pressestelle.tu-berlin.de/tui/97feb/mann.htm
(2) http://derstandard.at/1399507152919/Conchita-Wurst-gewinnt-den-Eurovision-Songcontest
(3) http://www.queer.de/detail.php?article_id=21464
(4)https://twitter.com/proletin/status/465284974598692865/photo/1
(5) http://www.spiegel.de/kultur/tv/wurst-triumph-beim-esc-russische-politiker-werden-ausfaellig-a-968777.html
(6) Heinz-Christian Strache auf seinem FB Account

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und wenn sich der erste aktive fußballer outet und dafür applaus vom rest der republik erhält, werdet ihr wissend monieren wie nationalistisch und unpolitisch sich doch die schwule sache für den fußball prostituiert. natürlich ist auch die queere "sache" irgendwann mainstream, ebenso das frauen sich für die nation stark machen. und? gehts darum? oder geht es darum das an den rand gedrängte gruppen/bewegungen auch sowas wie eine freie wahl zusteht? als hardliner fördert ihr derzeit doch viel verträumtes zu tage. auch ich habe meine kritik an der antirussischen berichterstattung in diesen zeiten. doch mit keinem wort die sichtbare homophobe stimmung in russland zu erwähnen ist mir dann doch etwas zu fahnentreu. putin und consorten haben sich die biederen pfiffe vom fußvolk dann doch hart erarbeitet.

Eine Kritik des österreichischen Nationalismus ist nicht zu verwechseln mit einem Lob russischer Zustände. In den Kanon der Putinkritiker sollte man allerdings nicht einstimmen, auch wenn man nichts gegen jede Form des sich-liebhabens hat und auch extravagante Klamotten mag. Nicht, weil der Feind meines Feindes mein Freund wäre uns es sich in diesen Zeiten nicht ziemt Russland zu kritisieren, sondern weil die nationale Porniertheit dieser "Russlandkritiker" überhaupt nicht von ihren Argumenten zu trennen ist.

Fahnentreue zu Russland oder Putin habe ich mit Sicherheit nicht. Wenn Putin zitiert wird mit einem Satz der von jeden CDU Politiker gesagt werden könnte - "Es stellt sich heraus, dass der Patriotismus tief in uns steckt" (1) - und das Protest wegt, dann ist das allerdings nicht damit zu verwechseln, dass die Medien in diesem Lande plötzlich Gegner des Patriotismus seien. Ein weiterer Fehlschluss ist es, den Kritikern dieser Russlandhetze sympathien für Putin und die russische Vaterlandsliebe zu unterstellen.

weiter lesen: http://www.gmx.net/themen/nachrichten/ausland/ukraine-krise/02b8z0i-gross-schoen-unbesiegbar-russische-patriotismus-kehrt-zurueck

Wenn in Russland genau das Kritisiert wird was hier betrieben wird -  Nationalismus - dann ist das eben kein Anfang einer Kritik des Staates sondern ordinärster Chauvinismus. So lesen wir dieser Tage auf gmx.de: "Der international umstrittene Beitritt der Krim kurbelt in Russland den Nationalstolz an. Präsident Putin sitzt fester im Amt denn je, seine Zustimmungsraten brechen Rekorde. Aber Kritiker warnen vor einer "Sowjetunion 2.0" oder einer Rückkehr des Zarenreichs." (1) Wenn ein Präsident also eine Politik betreibt, die dem Wahlvolk gefällt und überdies die Nation wieder an Macht gewinnt, dann muss man schon mal vor dem Zarenreich 2.0 warnen - was ganz nebenbei irgendwie das gleiche sein soll wie eine Sowjetunion 2.0...

Ganz nebenbei: Wenn du selbst schreibst, dass der Schwulenhass in Russland sichtbar ist - warum sollte er dann noch einmal extra erwähnt werden? Gegen eine Erklärung desselben hätte ich nichts einzuwenden. Der alleinige Hinweis auf seine Existenz taugt indes mehr zu Stigmatisierung als zu seiner Kritik.

(1) http://www.gmx.net/themen/nachrichten/ausland/ukraine-krise/02b8z0i-gros...

Ich sehe das ähnlich wie Lila_Fee. Homophobie alleinig in anderen Ländern zu bennen, kann leicht nationalistischen Beigeschmack erhalten. Mag es in Russland eine starke staatliche Repression gegen über Homosexuellen geben, so wird damit jedoch gleichzeitig die Homophobie im "eigenen" Land überdeckt. Der Unmut gegen Homophobie wird zum Teil dann in Unmut gegen ein anderes Land umgewandelt. Es ist allerdings fraglich, inwieweit Unmut gegen Homophobie vorhanden ist, oder ob es nicht rein um die Aufwertung der eigenen Nation und um die Abwertung der anderen Nation geht. Und dies ist ein regelmäßig zu beobachtender Prozess zur Absicherung der eigenen Herrschaft, der gerne von Regierungen instrumentalisiert wird. Naja, in Österreich wird es wohl auch genügend homophobe Strukturen geben, die womöglich unter den Tisch fallen ...

Verstehe nicht warum du die Kritik mit dem Umgang mit Homosexuellen in Russland gleich in einen Topf mit Nationalismus wirfst.

Beschwörst du eine Gefahr von einer Art Euro Nationalismus?? Dazu ist gerade auch ein Artikel über die Europawahl auf linksunten. Der sagt das die meisten EU-Bürger die EU u.a. wegen dem neoliberalen Wirtschaftskonzept ablehnen.

In deinen Text ist jede Kritik an Russland gleich EUro Propaganda. Ey da kann ich nur sagen das Putins Russland noch lange nicht mein Freund ist nur weil es ein beschissen Kampf um Macht, Ressourcen und Land hat. Also bleib mal auf dem Teppich.

 

Zerschlagt die Herrschaft – überall!

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Wurst selbst lässt sich dabei nicht nur verwenden für den höheren nationalen Zweck, sondern ist auch selbst dabei: "Zugleich sei ihre Botschaft für eine "Zukunft ohne Ausgrenzung und Diskriminierung" auch "an einige uns bekannte Politiker gerichtet" gewesen. Rückfrage: "An Putin?" – "Ja."

Hätte Wurst sich nicht äußern sollen? Warum soll denn die berechtigte Kritik an der russischen Politik gegenüber Schwulen/Lesben/etc vermieden werden, wenn man als Künstler grade die Möglichkeit hat sich öffentlichkeitswirksam zu äußern? Wurst hat ja nicht gegen die russische Bevölkerung sondern  gegen Politiker geredet.

 

 

 

Wen es interessiert kann hier die Ranglisten nochmal sehen, jeweils nach Jury und Telefonvoting getrennt. In Rußland kam Wurst btw recht gut an!

 

http://www.eurovision.tv/page/results

"Wurst selbst lässt sich dabei nicht nur verwenden für den höheren nationalen Zweck, sondern ist auch selbst dabei: "Zugleich sei ihre Botschaft für eine "Zukunft ohne Ausgrenzung und Diskriminierung" auch "an einige uns bekannte Politiker gerichtet" gewesen. Rückfrage: "An Putin?" – "Ja." "

 

Ich sehe in dem Satz von Wurst keinen Nationalismus. Der Satz kann auch an Politiker_Innen der FPÖ, der CSU und sonstigen Parteien gerichtet sein. Der/Die Kommentatorin greift hier Putin raus und wenn dieser mit gemeint ist, hat Wurst auch vollkommen Recht.

 

Zwischen den Zeilen lese ich bei euch eine Haltung, welche besagt, dass Transgender nur cool sind, solange sie im Szenetümpel stecken..... traurig.