Einmal im Jahr zum Knast – Und dann?

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Heute Nacht werden wieder in vielen Städten Menschen zusammen vor diversen Knästen ins neue Jahr feiern. In vielen Städten gibt es auch Demos. Grundsätzlich ist diese Geste der Solidarität sehr zu begrüßen. Leider aber stellen einige sich die Frage, ob das Reicht, oder für den Großteil der Szene dieses mittlerweile ritualisierte Reinfeiern der Sache eigentlich dienlich ist. Denn an den restlichen 364 Tagen im Jahr, interessiert die meisten die Situation der Gefangenen herzlich wenig.

 

Antirepressionsgruppen haben im Grunde immer mit den selben Problemen zu kämpfen. Zum einen ist die Katze meist schon in den Brunnen gefallen, also irgendwer ist hinter Gittern oder in der U-Haft gelandet und ausserdem muss auch ein ständiger Kampf nach innen geführt werden. Das ganze Jahr über werden Soli Partys organisiert, Plakate und Flyer gedruckt und unter die Leute gebracht und mit Infoverantaltungen versucht bestimmte Thematiken innerhalb der Bewegung zu thematisieren. Das Interesse ist an aktiver Gefangenenunterstützung oder zumindest dem aktiven Unterstützen von Gruppen die sich für die Belange von Gefangnen in den Knästen einsetzen, in den meisten Fällen ziemlich gering. Wenn das schlechte Gewissen plagt, wird irgendwoher etwas Solikohle rübergeschoben und dann passt das schon. Wenn keine Großevents organisiert werden, sitzen die meisten Antirep Gruppen fast allein in den Infoveranstaltungen, dass ist leider recht häufig...

 

Wir stellen uns deshalb die Frage, ob es nicht etwas heuchlerisch ist, an Sylvester sich wieder den Jahresfreifahrtschein in Form von „ich war ja bei der Knastdemo“ abzuholen. Wir fordern ein ganzjähriges aktives Arbeiten innerhalb der Bewegung was aktiven Gefangenen-Support angeht. Viele Beispiele der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass die Situation der Reppresion die uns evtl. in den kommenden Jahren entgegenschlägt nur noch schärfer wird und wir in stürmische Zeiten mit einer starken AntiKnast Bewegung dastehen sollten. Strukturen die jetzt aufgebaut werden, Kontakte in den Haftanstalten die jetzt schon gespannt wurden, nützen uns allen wenn viele von uns in den Knästen sitzen. Innerhalb der Knäste gibt es die verschiedensten Netzwerke die teilweise über Jahrzehnte gespannt wurden. Wir erfinden im Repressionsfall auch deshalb in jedem Zusammenhang das Rad wieder neu, weil nichts hinterlassen wird. Jedes KuhKaffNeonazinetzwerk ist hinter Gittern besser organisiert, als so manche Großstadt mit unseren Leuten.

 

Die meisten Insassen in den Knästen sind zwar gegenüber Linken Gefangenen eher positiv gestimmt, dass hat auch viel mit dem Anna und Arthur Kodex zu tun, aber als Netzwerk wird die Bewegung nicht wirklich war genommen. Nur in einem Punkt, dass sind halt spontane Aktionen an den Knästen, wenn mal wieder jemand von uns eingefahren ist. Aber das wars auch schon. Hier werden viele Chancen vertan sich besser drinnen zu organsieren. Die Leute drinnen müssen die restlichen 364 Tage die meisten konflikte mit sich allein austragen und z.B. Kämpfe mit der JVA führen, bei denen du ohne breiteren Support von draußen nur weiter in die Knastspirale eingesogen wirst. Fast alle Antirep-Beispiele mit grüßerer Öffentlichkeit zeigen, dass Staatsanwaltschaften, Gerichte und Knäste plötzlich in Bewegung kommen, wenn ersteinmal ständig Leute auf der Matte stehen und sie unter Druck setzen. So öffnete sich schon so manche Türe und gar das ein oder andere Tor.

 

Deshalb:

Nicht nur Sylvester zum Knast!

 

Grüße an alle hinter Gittern und alle die sich dem Zugriff davor unterziehen. Möget ihr immer etwas schneller sein... Die Nächte werden mit euch sein!

 

Einige von vielleicht vielen...

 

P.s.: An die AntirepGruppen da draußen: Versteht diesen Textbeitrag nicht als Angriff auf euch, ihr macht eine großartige Arbeit. Wir versuchen aber mit diesem Beitrag ein Bewustsein zu schaffen, dass die Arbeit über das Jahr sich auf mehr solidarische Menschen verteilen sollte. Das entspannt uns alle und für die die drinnen sind, bildet es auch ein sichereres Gefühl, eine breitere Bewegung hinter sich zu haben und ihre Haft besser durchstehen zu können.

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In Hamburg fand am 25.12. solch eine spontane (angemeldete) Kundgebung vor der Untersuchungshaftanstalt statt. Anlass war die noch immer andauernde Inhaftierung eines Menschen ohne deutsche Papiere, der im Laufe der eskalierten Demo am 21.12. festgenommen wurde. 

 

Mehr dazu hier: http://md-protestfotografie.com/2013/12/25/25-12-2013-hamburg-weihnachts...

ich stimme euch erstmal zu. nur denke ich auch, habt ihr einen falschen ansatzpunkt mit eurem text.


viele knastdemo-vorbereitungskreise haben/versuchen eine breite mobilisierung vor den demos. dabei handelt es sich oft um inhaltliche veranstaltungen und diskussionen. bsp. berlin: dort gabe es mind. 10 termine vorher.


ich sehe die demo eher als chance antiknastarbeit jährlich wieder in die köpfe zu rufen und neue menschen zu motivieren auf diesem bereich aktiv zu werden.

was die ritualisierung an geht, finde ich diese gar nicht so schlimm. an den feiertagen geht es den gefangenen oft besonders schlecht und es kann ein gutes gefühl sein zu wissen, dass es menschen gibt die an silvester nicht vorm brandenburger tor überteuerten glühwein saufen, sondern (auch wenn nur) symbolisch in ihrer nähe sind.


leider ist die antiKNASTbewegung im vergleich zur antiREPbewegung viel kleiner. wie ihr schon sagt, wenn ein mensch im knast sitzt hört die antiREParbeit meist auf. der kampf gegen knäste ist oft auch allgemeiner und nicht an betroffenen orientiert sonder gesellschaftlicher.


ich hätte mir gewünscht ihr hättet eure kritik in einem eigenen aufruf formuliert! und so das thema breiter gefächert.


also... heute zum knast und an anderen tagen sowieso!


PS: kleine rutine-unterbrechung!!!!!

in berlin geht die abendsdemo vom S-Bellevue los nicht von der Turmstraße :P

leider ist die antiKNASTbewegung im vergleich zur antiREPbewegung viel kleiner.

 

Leider ja, aber nicht verwunderlich. Viele Linke haben gar nichts gegen Knäste, im Gegenteil. Sie sind lediglich enttäuscht, dass sie nicht diejenigen sind, die entscheiden dürfen wär da rein kommt.

wahre worte. als beispiel drängt sich da ein teil der antifa-bewegung auf, in welche gejubelt wird, wenn mal wieder ein neonazi zu einer haftstrafe verurteilt wurde und abwandert. klar er ist dann weg von der strasse für eine bestimmte zeit, aber am strukturellen problem ändert es nichts.

Es stellt sich immer die Frage: Was tun? Je nach Blickwinkel gibt es immer und überall  unerwünschte Verhaltensweisen und sogar Denkweisen ("Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!"), die irgendwie sanktioniert werden sollen. Ein paar Vorschläge als Alternative zum Knast, quer durch die Historie: Geldstrafen, Verlust an (Bürger-)Rechten, Ehrenstrafen (vom Pranger bis zur Brandmarkung), Verbannung, Sklaverei, Arbeitslager, Körperstrafen (Hand ab), Todesstrafe usw. etc. Unter Berücksichtigung "Die Würde des Menschen ist unantastbar" mag mensch sich nun was aussuchen...

Berechtigte Kretik, auf jeden Fall, aber auch die wird schon seid Jahren disskutiert!

Für die Menschen, die in den Knästen sitzen ist es egal ob Ritual oder nur Gewissensbereinigung jede Solidaritätsbekundung vor Ort hilft!

 

Was die Antiknastarbeit anbelangt, gibt es leider auch gaaaanz viele Fälle, in denen von den Gefangenen selber jegliche politische Auseinandersetztung mit ihrer Haft abgeblockt wird, einfach n bissel KOhle reinkriegen um das ganze heil zu überstehen.

 

Trifft natürlich nicht auf alle zu abner auf doch zu viele.

Als Mitglied einer Antiknast Gruppe und aus vielen Solidaritätskampagnen für gefangene Genoss*innen kann  ich diesem Text nur teilweise zustimmen.

Es ist sicherlich zutreffend, dass der überwiegende Teil der "radikalen" Linken kein Verhältnis zu Knast und nur ein eher persönliches im Umgang mit Repression hat. Das ist ein schwerer politischer Fehler, der vermutlich in der allgemeinen Verfasstheit von uns allen liegt.

Sind wir wirklich überrascht, dass der Staat uns angreift, wenn wir laut und deutlich sagen, dass wir die Herrschaft der Konzerne und Banken beenden wollen?

Sind wir wirklich überrascht, dass Ausbeutung und Unterdrückung zahlreiche Menschen ausschließt, an den Rand drückt und Armut kriminalisiert?

Ich denke, dass eine erfolgreiche Anti-Knast und Anti-Repressionsarbeit nicht als weiterer Teilbereich der autonomen Bewegung ausgebaut werden sollte. Mein Eindruck ist, dass genau das in den vergangenen Jahren durch verstärkte Angriffe des Staates gegen unsere Zusammenhänge bereits passiert ist. Daher denken viele, dass es ja schon erfahrene Spezialist*innen in unserem Umfeld gibt.

Viel dringlicher wäre es meiner Meinung nach, Repression als Bestandteil von Kapitalismus und Patriarchat zu begreifen, genau wie z.B. auch Krieg, Rassismus u.a.

Ich meine, dass wir mehr Gefangene befreien und den Staat unter stärkeren Rechtfertigungsdruck setzen würden, wenn die Repression in allen Teilbereichsbewegungen wahrgenommen und entsprechend thematisiert würde – denn es ist wirklich so: getroffen sind einige, gemeint sind wir alle.