Verschiedene Nachrichten aus dem Baskenland: Neonazistische Umtriebe, Polizeirepression, Illegalisierungen, Medienverbote, Demonstrationen, Pogromnacht, Europa-Wahlen.
Strafantrag gegen Faschisten
Die Staatsanwaltschaft des spanischen Strafgerichts Audiencia Nacional hat sieben Jahre Gefängnis gefordert gegen drei Faschisten (José Ignacio Irusta, Javier López Monreal und Borja Pérez Illera) der ultrarechten Gruppe Falange y Tradición (Falange und Tradition), der verschiedene “terroristische Bedrohungen und Beschädigungen“ in Form von Attentaten, Misshandlungen, persönlichen Drohungen und Sachbeschädigungen im Jahr 2009 in Navarra vorgeworfen werden.
Polizisten angeklagt
Auf den Tag 19 Monate nach dem Tod des Fußball-Fans Iñigo Cabacas durch eine aus nächster Nähe abgefeuerte Gummikugel hat eine Richterin in Bilbo Anklage erhoben gegen vier Polizisten der baskischen Ertzaintza-Polizei. Drei von zehn in Frage kommenden Schützen hatten Schüsse am Tatort eingeräumt, der vierte Angeklagte ist der Gruppenführer, der auf Anordnung von oben den Schußbefehl erteilt hatte. Die Eltern von Cabacas hatten eine Anklage gegen alle 10 Schützen gefordert, sowie gegen den Einsatz-Verantwortlichen, der sich nicht vor Ort befand. Nach mehr als einem Jahr stagnierender Untersuchungen waren Aufnahmen aus dem Polizeifunk öffentlich geworden, die den völlig unsinnigen Einsatzbefehl deutlich machten. Die Eltern des getöteten Jugendlichen legten nun Einspruch ein, der Einsatzleiter müsse ebenfalls angeklagt werden. “Ohne Einsatzbefehl, kein Aufmarsch, ohne Aufmarsch keine Schüsse, ohne Schüsse kein Toter“, fasste die Anwältin zusammen.
Prestige Urteil
Auf den Tag 11 Jahre nach der verheerenden Öltanker-Katastrophe (“Prestige“) in Galicien hat ein Gericht der Region sein Urteil gesprochen. Keine der beteiligten Parteien – weder die Reederei noch die spanische Regierung – trifft nach dem Urteil eine Schuld für die Katastrophe. Der Tanker war bei schwerer See nahe La Coruña in Seenot geraten und auf Anweisung der Küstenbehörden ins offene Meer geschleppt worden. Dort war er im Sturm zerbrochen, die Öl-Ladung lief aus und verseuchte Küstengebiete zwischen Galicien und Frankreich. Auch das Baskenland war betroffen. Zu Beginn war in der Presse von einer Ladung von 120 Millionen Tonnen Öl die Rede, im Urteil nur noch von 70 Millionen. Freie Journalisten hatten gemutmaßt, dass nicht nur Öl geladen war, sondern auch illegale Waffen, in deren Deal auch der spanische König verwickelt sei. Auf Grund des Freispruchs ist niemand für die Schäden in Milliardenhöhe verantwortlich. Verurteilt wurde lediglich der Kapitän der Schiffs, weil er den Behörden angeblich nicht Folge geleistet habe. Galicische Umweltverbände “Nunca Mais“ (Nie wieder) laufen Sturm gegen das Urteil.
Internet-Portal geschlossen
Das spanische Sondergericht Audiencia Nacional hat verfügt, das seit zwei Jahren existierende Internet-Portal Ateak Ireki (Offene Türen) zu schließen. Der übliche Vorwurf: Verherrlichung von Terrorismus. Ateak Ireki war im Laufe seines kurzen Bestehens mit Berichten und Videos zu einem wesentlichen Medium nicht nur in Navarra, sondern in ganz Euskal Herria geworden. Platz fanden politische, kulturelle und soziale Initiativen. Die Schließung, gegen die Einspruch möglich ist, reiht sich in eine lange Serie von Schließungen von linken populären Medien im Baskenland, EGIN, EGUNKARIA, Egin-Irratia und andere.
Tantaz Tanta
Die Organisation für die Freiheit der politischen Gefangenen im Baskenland, HERRIRA, ist seit Oktober illegal, ihre Lokale wurden nach den Razzien geschlossen. Das heißt jedoch nicht, dass die von HERRIRA in den vergangenen Jahren durchgeführten Groß-Demonstrationen in Bilbao künftig ins Wasser fallen. Im Gegenteil. In Gernika hat sich am geschichtsträchtigen 9.November eine Plattform vorgestellt, die am 11.Januar 2014 die Mobilisierungs-Erfolge der vergangenen Jahre wiederholen will. 2011 waren 90.000, im laufenden Jahr 110.000 den Aufrufen gefolgt. Tantaz Tanta heißt die Plattform, Tropfen für Tropfen wird am 11.1. erneut ein Meer von Solidarität gefüllt.
Knüppel frei
Bei den Protesten gegen die Razzien gegen die Gefangenen-Hilfsorganisation HERRIRA im Oktober versuchte eine baskische Senatorin aus dem spanischen Parlament die Polizeigewalt bremsen. Den baskischen Polizisten, den sie dabei vor sich hatte, kümmerte das wenig, auch nicht, dass sie ihren Parlaments-Ausweis in die Höhe hielt. Mit dem Knüppel verabreichte er der Frau einen deftigen Hieb auf die Stirn und brachte ihr eine klaffende Wunde bei. Das hat ein Nachspiel, sogar auf Video wurde die Szene festgehalten und hat dem Schläger eine behördliche Untersuchung eingebracht. Auch Senatorinnen sind nur Menschen.
Bilbao erinnert an Pogromnacht
Eine Demonstration von ca. 400 Personen hat in Bilbao an die von den Nazis 1938 veranlasste Pogromnacht erinnert und gegen zunehmende Xenophobie, Homophobie protestiert. Erinnert wurde an die Opfer neofaschistischer Umtriebe. Im Baskenland selbst kam es in den vergangenen Jahren verstärkt zu neonazistischen Aktivitäten. – Vor wenigen Tagen kam es in Bilbo zur Vernehmung eines Antifaschisten, der von einem bekannten Faschisten verklagt worden war. Besagter Faschist hatte im Juni eine Demonstration gegen die Straffreiheit des Franquismus gestört und war von der Polizei festgehalten worden. Seine Reaktion war die Anzeige gegen den Demo-Anmelder. Die Anhörung endete mit der Einstellung der Untersuchung, die klagende Seite glänzte durch Abwesenheit. Es wird gemutmaßt, dass es dem klagenden Faschisten lediglich darum ging, die persönlichen Daten des Beschuldigten zu erlangen.
Karl und Vladidmir
Marx und Lenin sind vielerorts out, nur nicht in Bilbaos Stadtteil Otxarkoaga. Dort steht seit seit 20 Jahren eine Büste von den beiden Revolutionären. Zum Jahrestag werden sie in neuer Pracht erscheinen, neben einer öffentlichen Information-Veranstaltung ist ein Volksessen anberaumt. Samsatg, 16.11. zehn Uhr am zentralen Platz.
Kulturkampf
Weil der blutig-machistische Stierkampf immer mehr in die Kritik gerät, hat die spanische Regierung ein besondere Maßnahme zum Schutz des nicht zu verteidigenden ergriffen: Stierkampf, ohnehin Symbol der spanischen Rückwärtsgewandheit, wurde zum nationalen Kulturerbe erklärt. Als ob es nicht wichtigere Probleme gäbe. In Katalonien und Donostia (Baskenland) war das Spektakel verboten worden, nun stellt sich die Frage, ob die Verbote aufgehoben werden müssen, wegen höherer Gewalt. Fehlt nur, dass Korruption ebenfalls als Kulturgut definiert wird. Nicht wenige spanische Probleme wären damit auf einen Schlag gelöst.
Abgehört
Spitzeln und abhören ist in aller Munde. Nachdem die NSA zu ihrer Verteidigung verlautet hat, dass französische und spanische Geheimdienste mit von der Partie waren, konnte die baskische Linke ebenfalls einen Beitrag zum Thema leisten: in Donostia wurde in einer Baustelle gegenüber eines abertzalen Treffpunkts eine Film- und Abhöranlage gefunden.
Mehrheit in Katalonien
Nach Umfragen liegt die sozialdemokratische ERC (für Unabhängigkeit Kataloniens) in der Wählergunst mit 21% vor ihrem derzeitigen Koalitionspartner, der rechts-nationalistischen CiU (17%), der somit einen heftigen Abwärtstrend verzeichnet. Seit Ende der Diktatur war CiU stets stärkste Partei im Parlament und stellte bis auf zwei Ausnahmen die Ministerpräsidenten. Jedoch hat CiU, deren Präsident Artur Mas die spanische Einheit in Frage stellt, ein Problem: sie ist eine Koalition aus zwei Parteien, Convergencia und Unio. Der kleinere zweite Teil ist jedoch nicht auf Unabhängigkeit eingestellt, sondern hält es ähnlich wie die rechts-baskische PNV, mehr Rechte unter dem Madrider Dach.
Europa-Wahlen
Um sicher ins europäische Parlament zu kommen, geht die baskische Linkskoalition EH BILDU bei den im kommenden Jahr stattfindenden Wahlen einen Pakt mit der katalanischen Unabhängigkeits-Partei ERC ein. Bei den vergangenen Wahlen 2009 war die baskische Linke (illegalisiert) mit der Internationalistischen Initiative angetreten, mit unabhängigen Kandidat/innen zusammen mit Teilen der pro-baskischen spanischen Linken. Ein Verbotsversuch scheiterte genau deshalb, dafür wurde in einem bis dahin einmaligen Wahlbetrug (nachweislich falsche Stimmauszählungen) ein Sitz der II in Brüssel verhindert. Das wird sich 2014 ändern.