Suicidal Tendencies im NaO-Prozess – oder:

nao-frosch_ungeküsst

SIB und ARAB bald im Ehebett? Der NaO-Prozess scheint – so oder so – seinem Ende zuzugehen: sei es in Form der schließlichen Gründung einer Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO) durch ein paar handvoll Genoss_innen und/oder durch einen Neustart unter neuem Namen und mit belastbareren Grundlagen. Der NaO-Prozess ist ein Diskussionsprozess, der seit März 2011 (1) überwiegend zwischen Trotzkist_innen, zwei Gruppen vom Rande der (post)autonomen Szene in Berlin ([pæris] und InterKomm) sowie einigen (Ex-)ML-ern stattfindet.

 

Angestrebt wurde ursprünglich eine neue spektrenübergreifende, revolutionäre Organisation in der Spannbreite von Postautonomie bis Marxismus. Wie nun auf der Webseite nao-prozess.de zu lesen ist, streben die Gruppe Arbeitermacht (Liga für die 5. Internationale) und die Sozialistische Initiative Berlin (SIB) jetzt die Gründung einer NaO – zunächst in Berlin – noch in diesem Herbst an, die nach der neuen Konzeption sowohl für revolutionäre als auch nicht-revolutionäre Antikapitalist_innen offen sein soll (2).

 

Mindestens vier Gruppen ([pæris], InterKomm, der Revolutionär Sozialistische Bund [RSB] / IV. Internationale (3) und die Internationale Bolschewistische Tendenz [IBT]) halten dagegen eine jetzige Organisationsgründung für wenig erfolgsträchtig und schlagen stattdessen zunächst die Gründung eines Blocks revolutionärer Gruppen vor. Auch ein Genosse der Revolutionären Initiative Ruhrgebiet (RIR) sprach im März 2013 von einem Bündnis der antikapitalistischen und revolutionären Linken“ (Hervorhebung im Original) – und noch nicht von einer Organisation/NaO.

Die weiteren drei beteiligten Gruppen internationale sozialistische linke (isl) – ebenso wie der RSB ein Teil der trotzkistischen IV. Internationale –, Revolution – die Jugendorganisation der GAM – und Sozialistische Kooperation (SoKo) haben sich noch nicht zu den beiden Vorschlägen geäußert. Die SoKo hatte allerdings erst im Jan. ihre Beteiligung am NaO-Prozess von einer Vollbeteiligung zu einer bloß beobachtenden Rolle zurückgestuft (4); auf der homepage der SoKo heißt es sogar: „Mittlerweile, im Januar 2013, ist für die SoKo das Engagement in der Trägerschaft der nao-Initiative beendet.“ Da SoKo und RIR in Berlin nicht existieren, wäre deren Beteiligung an einer Berliner NaO-Gründung schon allein faktisch unmöglich.

 

Im Spätsommer/Herbst des vergangenen Jahres standen sich im NaO-Prozess noch vor allem intersektionale (5) und klassenkämpferisch-antinationale Positionen (6) einerseits sowie Verfechter von Volksfront-Strategien (7) und  der Geschichtsphilosophie des Marxismus-Leninismus (Marke ‚Das Proletariat IST DAS revolutionäre Subjekt’) (8) andererseits gegenüber (9).

Nun scheinen sich beide Seiten des damaligen Streits einig zu sein, dass die von SIB und GAM im NaO-Prozess praktisch vorangetriebene Linie endgültig zu einer sektiererischen Einengung des NaO-Prozesses auf ein Teilspektrum des Trotzkismus führe. („Teilspektrum“ deshalb, weil die SIB/GAM-Linie nicht nur vom RSB und der linkstrotzkistischen Gruppe IBT abgelehnt wird, sondern sich auch die eher linkstrotzkistischen Gruppen RIO und RSO (10) einerseits und die Linkspartei-Entrismus betreibende SAV andererseits gar nicht erst am NaO-Prozeß beteiligten.)

 

Im Editorial der Ausgabe 7/2013 der online-Zeitung trend, die im NaO-Prozess als Verfechterin der ML-Geschichtsphilosophie in Erscheinung trat, hieß es kürzlich: „Nach dem …] Koopangebote an Spektren jenseits des trotzkistischen Lagers –  begleitet von Mitgliederschwund in den eigenen Reihen – gescheitert sind, organisiert die ‚Initiative für eine neue antikapitalistische Organisation’ (NaO)  heute lieber plakative Veranstaltungen, z.B. solche mit trotzkistische[n] Großkopferten als Zugpferde, und freut sich riesig, dass ihr trotzkistisches Fußvolk für einen Abend einen mittelgroßen Raum füllt.“ (http://www.trend.infopartisan.net/trd0713/edit0713.html)

 

Samstag vor einer Woche wurde im NaO-Prozess-blog von einer_m Vertreter_in der intersektional-antinationalen Linie unter der Überschrift „Dann doch lieber IL“ eine ähnliche Kritik vorgebracht:

 

++ „Was ist denn mehr an ‚männlichen Ritualen und Platzhirschgehabe’ denkbar als die ganze eitle, Hinz und Kunz vereinnahmende Wichtigtuerei auf der nao-prozess.de-Startseite: ‚Eine ganz besondere Veranstaltung in Berlin’“ (http://www.nao-prozess.de/blog/dann-doch-lieber-il-eine-antwort-an-micha-pruetz/)

Die auf nao-prozess.de als „ganz besondere Veranstaltung“ gefeierte Veranstaltung ist die mit den nämlichen „trotzkistische[n] Großkopferten“ (trend).

 

+ „Während es der SoKo in der Vergangenheit nie populistisch genug sein konnte, kommt Frank Braun nun zu der Einsicht: ‚Wo aber die Widersprüche im Substanziellen erheblich sind, ist die bloße Deklaration von Antikapitalismus nicht hinreichend für eine Organisationsplattform.’ Wie lange die Einsicht hält und wo hin sie Frank führt, bleibt abzuwarten; und zum Thema ‚NaO’ schreibt er: ‚auf dem besten Wege, sich zu einem trotzkistisch orientierten Nischenkonstrukt zu profilieren’ – in der Tat (!), falls SIB und GAM ihr kurzfristiges Gründungsprojekt unter dem Namen ‚NaO’ durchziehen.“ (http://www.nao-prozess.de/blog/dann-doch-lieber-il-eine-antwort-an-micha-pruetz/)

 

Zu den weiteren Perspektiven des NaO-Prozesses schreibt DGS_TaP im „blog für Kunst, Poeisie und Politik“ Ästhetik und (R)evolution außerdem: „die Überlegungen von einigen GenossInnen im NaO-Prozeß [gehen] genau in die von Dir angedeutete Richtung: eine Fortsetzung des Diskussionsprozesses zwischen RSB, IBT, [paeris] und InterKomm, hoffentlich auch RIR – gerne auch mit den anderen sich als RevolutionärInnen verstehenden Kräften im NaO-Prozeß, sofern sie denn bereit sind, noch etwas anderes als NaO-Gründung im Alleingang zu machen, bzw. sich nicht einfach zurückziehen.

Du hast Recht: Wenn auch daraus später mal eine Organisationsgründung werden soll, müsste sich ‚schon sehr um eine annäherung bemüh[t]’ werden. Aber das Gute an dem von uns vorgeschlagenen Weg, zunächst nur einen Block revolutionärer Gruppen und noch keine Organisation zu gründen, scheint mir zu sein, dass er heute weniger inhaltliche Einigkeit erfordert als eine Organisationsgründung, aber die Möglichkeit eröffnet, in einem geduldigen Diskussionsprozeß mehr Gemeinsamkeiten zu erarbeiten, die dann tatsächlich eine Organisationsgründung tragen.“

(http://systemcrash.wordpress.com/2013/07/29/organisation-als-mythos-nachtrag/#comment-4475)

 

Am Mittwoch vergangener Woche hat sich Martin Suchanek (Mitglied der Gruppe Arbeitermacht) zu Wort gemeldet. Auch er gibt eine skeptische Einschätzung des Standes des NaO-Prozesses: „Wir wollen an dieser Stelle aber auch nichts beschönigen. Der NAO-Prozess ist im letzten Jahr insgesamt deutlich hinter seinen Vorhaben und Erwartungen zurückgeblieben. Ein weiteres Jahr in diesem Schneckentempo wird er kaum überleben.

Es gibt drei wesentliche, miteinander verbundene Gründe, warum der NAO-Prozess im letzten Jahr nicht besser vorankam.

1. politische Differenzen;

2. unterschiedliche Vorstellungen über den Aufbau des NAO und darüber, was gegründet werden soll; 

3. die fehlende bzw. schleppende Umsetzung bundesweiter Aktivitäten.“

Trotzdem kommt der Autor schließlich zu dem Ergebnis: „es wichtige Übereinstimmungen …, die erlauben, einen Block, eine Organisation von revolutionär gesinnten Gruppen und Individuen zu formieren.“ (http://www.nao-prozess.de/blog/nao-prozess-am-wendepunkt/)

 

Inzwischen haben die Differenzen im NaO-Prozeß die linkssozialistische online-Zeitung scharf-links erreicht. Dort verteidigte am Dienstag Micha Schilwa (SIB) den Kurs auf eine schnelle NaO-Gründung, worauf wiederum der bloger systemcrash antwortete: „m e bestätigt M. Schilwa …: die SIB (GAM) hofft auf einen ‚ausstrahlungseffekt’, ohne ausreichende inhaltliche basierung.

‚Und wir hoffen natürlich, dass sich Andere in anderen Städten dadurch zu ähnlichen Aktivitäten ermuntern lassen.’

von daher erwarte ich vom NAO projekt nicht mehr viel; langfristig KANN der ganze laden nur baden gehen.“

(http://systemcrash.wordpress.com/2013/07/29/organisation-als-mythos-nachtrag/#comment-4503; vgl. auch http://systemcrash.wordpress.com/2013/08/07/spielen-wir-ein-bisschen-revoluzzen/)


 

 

Aber hoffen kostet ja zumindest nichts…

 

PS.:

Für Belustigung in Berliner Szenekreise dürfte eine Fußnote in dem „Dann doch lieber IL“-Text im NaO-Prozess-blog sorgen: „Tino P. [imaginierte] in Kassel: ‚Die SIB befindet sich in einem Prozeß der rasante Annäherung an Leute aus der Leitung von ARAB.’“ (http://www.nao-prozess.de/blog/dann-doch-lieber-il-eine-antwort-an-micha-pruetz/#footnote-1)

 

PPS.:

Auch unabhängig vom NaO-Prozess Lesenswertes:

 

++ Zur politischen Lage und unseren Aufgaben

http://www.nao-prozess.de/blog/zur-politischen-lage-und-unseren-aufgaben/

 

++ [pærıs] bei NaO

http://www.nao-prozess.de/blog/prs-bei-nao/

 

++ Feministische Politik in revolutionären Zusammenhängen

http://www.nao-prozess.de/blog/feministische-politik-in-revolutionaeren-zusammenhaengen/

 

++ Wieso die Bekämpfung von Sexismus für eine Antikapitalistische Organisation keine Zusatzaufgabe, sondern eine Notwendigkeit ist

http://www.nao-prozess.de/blog/wieso-die-bekaempfung-von-sexismus-fuer-eine-antikapitalistische-organisation-keine-zusatzaufgabe-sondern-eine-notwendigkeit-ist/

 

und

 

++ Diskussionsfragen an Um’s-Ganze-Gruppen

http://www.nao-prozess.de/blog/diskussionsfragen-an-ums-ganze-gruppen/

 

 



(1) Den Diskussionsprozeß eröffnete dieses Papier: http://www.nao-prozess.de/blog/neue-antikapitalistische-organisation-na-endlich-worueber-muessen-wir-uns-verstaendigen-und-worueber-nicht/

 

 

(2) http://www.nao-prozess.de/blog/dann-doch-lieber-il-eine-antwort-an-micha-pruetz/, siehe das PPS. am Ende (zur Gründungsabsicht) sowie Abschnitt 2.b) zur angestrebten Breite dieser NaO = http://www.nao-prozess.de/blog/latest/wordpress/wp-content/uploads/2013/07/Dann_doch_lieber_IL-FINAL.pdf, S. 5 f., 11

 

(3) Zum RSB siehe: http://nao-prozess.de/nao-prozess-beteiligte/weitere-voll-beteiligte/rsb/ / http://www.nao-prozess.de/blog/rsb-zum-prozess-um-eine-neue-antikapitalistischen-organisation/ / http://www.rsb4.de/content/view/4938/88/ / http://www.nao-prozess.de/blog/zu-den-fragen-des-revolutionaeren-feminismus-heute/

 

(4) http://www.nao-prozess.de/blog/erklaerung-der-soko-zum-nao-prozess/

 

(5) Siehe zur Begriffserklärung http://de.wikipedia.org/wiki/Intersektionalit%C3%A4t

 

(6) Siehe z.B.: http://www.nao-prozess.de/blog/wie-die-sib-das-proletariat-entsorgte/ und http://www.nao-prozess.de/blog/poststrukturalismus-revision-oder-radikalisierung-des-revolutionaeren-marxismus/ sowie http://theoriealspraxis.blogsport.de/2012/08/17/fuenf-fragen-an-den-gen-khs/ und http://theoriealspraxis.blogsport.de/2012/08/17/einige-politische-fragen-an-den-akka/

 

(7) http://www.nao-prozess.de/blog/programmatische-essentials-ein-vorschlag-aus-der-soko/ und zur Kritik „NaO! – Nicht Volksfront“ (Teil I – III): http://www.scharf-links.de/266.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=30894&cHash=66a4da4cab, http://www.scharf-links.de/266.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=30895&cHash=0cd119a870 und http://www.scharf-links.de/266.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=30896&cHash=3e7d1d6c39

 

(8) z.B. http://www.nao-prozess.de/blog/kurzstatement-zum-begriff-subjektive-revolutionaere/#comment-1840 und http://www.nao-prozess.de/blog/5-prozent-sind-nicht-genug-einige-bemerkungen-zum-nao-prozess/#comment-2432 sowie http://www.trend.infopartisan.net/trd0812/160812.html und http://www.nao-prozess.de/blog/das-proletariat-als-historisches-subjekt-ergaenzende-persoenliche-anmerkungen-zum-akka-vorschlag/

 

(9) Zusammenfassend: http://www.nao-prozess.de/blog/philosophenstreit-im-nao-prozess/

 

(10) Die RSO wird zwar auf nao-prozess.de als Beobachterin geführt, war aber ein einziges Mal (vor mehr als 1 ½ Jahren) bei einem bundesweiten Treffen zum NaO-Prozess: http://nao-prozess.de/nao-prozess-beteiligte/beobachterinnen/rso/.

 

 


 

 

Nachbemerkung:

 

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Dieser Artikel wurde zunächst am Mittwoch bei indymedia Deutschland veröffentlicht, aber von der Moderation versteckt:

http://de.indymedia.org/2013/08/347447.shtml.

 

Ebenso wurde eine heute Morgen veröffentlichte, um die politisch-wertenden Stellen gekürzte Fassung versteckt:

http://de.indymedia.org/2013/08/347467.shtml.

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in der überschrift steht was von der arab, im text dann nichtmehr. außer im PS, da steht irgendwas (für mich als außenstehenden) wirres mit arab, in der quelle vom PS steht das es offenbar irgendwas wirres komplett ohne bedeutung war. was ein tino in kassel "imaginierte" hat doch eigentlich eher keine relevanz oder?

 

aber als anreißer hats funktioniert, vielleicht sollte die arab in mehr überschriften aufgenommen werden.

 

Ich stimme dir völlig zu: Ein Beitritt von ARAB zum NaO-Prozess ist eine völlig wirre Imagination. Trotzdem hat der Untertitel meines Bericht Berechtigung -

 

nicht weil er etwas über ARAB auszusagen, beanspruchen würde (das macht er nicht) -

 

sondern weil er etwas über die wirre Imaginationen einiger Akteure im NaO-Prozess aussagt. - Wenn ARAB diese wirren Imaginationen in aller Förmlichkeit dementieren würde, würde dies vielleicht zu revolutionärem Realismus in bestimmten Diskussionen führen.