Nachtrag zum eAsTtEk 2013

eAsTtEk 2013

Die letzten Nischen im Visier? Polizei attackiert das eAsTt3K 2013

Es hätte so schön werden können. Hunderte von Menschen aus allen möglichen Ländern, die auch mal ihr Zuhause auf Rädern mitbringen, finden sich an einem Ort zusammen, um gemeinsam jenseits der herrschenden Spielregeln mal richtig Party zu machen. Das eAsTtEk steht dabei nicht nur für sich selbst, sondern ist ein Teil der international stattfindenden teknivals und der damit einhergehenden Kultur - Unangemeldet, unkommerziell, friedlich, laut.

 

Diesmal sollte das eAsTtEk auf einer Waldlichtung bei Goyatz in Südbrandenburg stattfinden. Aber noch bevor die zahlreichen soundsystems in Betrieb waren, überfielen nun am Freitagabend ab ca. 23.30 Uhr, nach Aufklärung der Lage mittels eines Helikopters, Einheiten der "BFE" aus Brandenburg das Gelände. Diese "Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten" sind seit Ende der Neunziger Jahre schrittweise bundesweit eingeführt worden und sind für brutales Vorgehen gegen alles bekannt, wo die jeweilige Polizeiführung gewalttätige Auseinandersetzungen, vor allem zwischen großen Menschengruppen, vermutet...oder braucht.

Seit etwa zwei Jahren lässt sich in Brandenburg (aber auch z.B. in Sachsen) eine schleichende Zunahme der martialischen Einsätze beobachten die nicht nur Demonstrationen, Fußball o.ä. betreffen, sondern auch einfache Ordnungswidrigkeiten oder wie die Bullen diesmal gegenüber der "Lausitz aktuell" einen Tag nach dem Überfall argumentieren:

 

"Durch Amts- und Vollzugshilfe der Polizei für das Ordnungsamt Lieberose / Oberspreewald wurde die Veranstaltung sowie die Verwendung jeglicher Tontechnik untersagt. Die rechtliche Grundlage dafür begründete sich in der Verhinderung einer Brandgefahr, dass widerrechtliche Einfahren in den Wald und die Belästigung der natürlichen Umwelt."

 

Also nun mit dem Auftrag die Umwelt zu schützen, getreu nach dem Motto "Umweltschutz ist Heimatschutz" und mit Pfefferspray voran gingen nach eigenen Angaben etwa 120 BFE-Bullen gegen die sich gerade aufbauende Party vor und konstruierten sich die Eskalation zurecht, wie es für diese Einheiten typisch ist. Dabei wurden mehrere partypeople durch Pfefferattacken und Faustschläge verletzt.

Die sonst auf Demonstrationen "gut" zu beobachtenden Dokumentations- und Greiftruppentaktiken

wirkten, angesichts des Zustandes vieler Leute und der ursprünglich ziemlich ungefährlichen Absicht zu tekkno zu feiern, umso absurder und bizarr.

Vier Menschen wurden brutal festgesetzt und ins Gewahrsam abgeführt und kassierten Anzeigen wegen versuchter Körperverletzung auf Polizeibeamte unter Verwendung von Schlag- und Wurfgegenständen. 70 Personalien wurden, teilweise unter Anwendung massiver Gewalt und Absonderung vom Partygeschehen (also irgendwo Nachts im Wald bei den Einsatzfahrzeugen...) erzwungen. Zusätzlich wurden Platzverweise erteilt. Doch genau hier ergab sich für die Bullen ein Problem: Da ist ein äußerst abgelegener Wald mit ca. 450-500 Leuten, zum Teil unter erheblichem Einfluss von Substanzen von denen die Hippies in 60ern geträumt hätten, und den dazu mitgebrachten LKW`s, Bussen und Kleinwagen in allen möglichen Formen, Farben, Größen und Führerscheinklassen, die definitiv und das für einige Zeit, nirgendwo hinfahren konnten!

Also war eine Situation geschaffen, ein künstlicher, repressiver Raum, der die Nacht über durch BFE-Kräfte, später bis zum Samstagnachmittag durch Einheiten der Direktion Südbrandenburg aufrechterhalten wurde.

Einige Fahrzeughalter*innen wurden durch die lang andauernde und teilweise eben brutale Vorgehensweise der Polizei gezwungen wegzufahren - und das unter dem Einfluss von Alkohol und psychedelischen Substanzen und damit als Gefahr für sich und für andere. Das war in der Situation jeder/jedem bewusst, der Party und den Bullen. Nur das betroffene Fahrer*innen darauf hinwiesen, dass es nicht möglich ist zu fahren - was der Polizei aber egal war. Wo hier die Prioritäten sind...

Alles wirkt verzehrt. Utopie trifft Dystopie und der Rechtsstaat lässt natürlich keinen Spielraum, das "Problem" als keines auftreten zu lassen... bzw. erzeugt erst durch seine Intervention faktische Probleme.

Selbst der Einsatzleiter der Direktion Südbrandenburg in Königswusterhausen war nach einem Telefonat mit einem Rechtsanwalt entsetzt über die Durchführung des Einsatzes und fuhr zum Gelände, um sich ein Bild zu machen. Allerdings erst, als der Platz restlos geräumt war.

Die drohende Gefahr von Unfällen, auf die ein erheblicher Anteil der Partyteilnehmer*innen hingewiesen hat, bewahrheitete sich leider auf einem Ausweichplatz am Schwielochsee, ein paar Kilometer von der ursprünglichen Waldlichtung entfernt. Dabei wurde ein auf der Wiese liegender Partyteilnehmer von einem anderen mit einem sogenannten "Pick Up" überfahren, wobei dieser u.a. der Frakturen am Oberschenkel und Becken sowie Platzwunden u.a. am Kopf erlitt. Der Fahrer hatte einen Alkoholwert von 0,14 Promille und stand unter Schock. Angesichts, des durch Polizeikräfte induzierten Stress auf die Menschen, ist es verwunderlich, dass nicht noch mehr passiert ist. Das dieses Thema auch für die Polizeiführung etwas heikel ist, zeigt sich in zwei Artikeln zum Wochenende im online-Auftritt der "Lausitzer Rundschau". Hier gibt es zwar eine Meldung über einen polizeilich aufgenommenen Unfall am Schwielochsee und eine über die Räumung der Party ein paar Kilometer entfernt. Ein Zusammenhang jedoch wird von den Pressestellen der brandenburgischen Polizei nicht hergestellt und die Artikel stehen zusammenhangslos nebeneinander.

Das die Aktion gegen das, über die Jahre mehrmals in Südbrandenburg stattfindende, eAsTtEk als solches offensichtlich länger geplant war, wird durch die auffällig schnelle Arbeit der polizeilichen Pressebüros, deutlich, die sofort am Sonntag ihre Pressemitteilungen zum eAsTtEk über den

dpa - Verteiler also bundesweit streuten.

In einem online-Artikel der "Welt" vom 14.07. heißt es z.B.:

 

"In den vergangenen Tagen hätten sich Informationen verdichtet, dass eine derartige illegale Party geplant war, sagte der Sprecher des Brandenburger Polizeipräsidiums, Rudi Sonntag, am Sonntag. Im Vorjahr hatte sich mehrere tausend Menschen im Landkreis Teltow-Fläming verabredet.

(...) Die Polizisten seien diesmal besonders sensibilisiert worden, um konspirative Hinweise zu entdecken, sagte Sonntag. Üblicherweise werden die illegalen Treffpunkte per SMS oder übers Internet an Techno-Anhänger (sic!) verbreitet."

 

Angesichts der immer weiter übergreifenden polizeilichen Gier nach Daten und diese miteinander zu verknüpfen ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Behörden Funkzellenauswertungen benutzt haben, um Konzentrationen von Mobiltelefonen und damit der partylocation in den üblicherweise größtenteils menschenleeren Wäldern zu orten.

Für die Polizei wäre das technisch bequem - allerdings selbst innerhalb des rechtlichen Rahmens der ihnen vorgegeben wird mehr als fragwürdig und unter Datenschutzaspekten sowieso eine Frechheit. Das ist allerdings noch zu prüfen.

Klar ist, dass eine Ausweitung repressiver Maßnahmen gegen jedes Auftreten von"Störer*innen" geschieht und nun mit der tekkno-Bewegung auch eine der letzten Nischen aus der Deckung geholt wird, in denen es noch möglich war, das Experiment von so weit wie möglich freier Kultur, wenigstens für ein paar Tage umzusetzen und zu leben, ohne das Gefühl haben zu müssen, sich im gesellschaftlich verordneten Normalzustand zu befinden - auch wenn das natürlich nur zeitlich begrenzt ist und die Protagonist*innen sehr unterschiedliche Positionen und Anschauungen vertreten und auch im Alltag verschiedene Wege beschreiten.

Das offensive Verhalten der Polizei bedroht diese Freiräume mit dem Versuch, diese auf lange Sicht komplett zu unterbinden und keine Normabweichung zuzulassen. Mit allen Mitteln. Die in Gewahrsam genommenen Personen müssen wahrscheinlich mit Strafverfahren rechnen, bei denen

es um keine leichten Sachen geht. Angriffe auf Bullen - und sind sie noch so konstruiert - werden zunehmend härter bestraft, um nach dem großen "kollektiven" Ereignis die einzelnen Individuen zu entanonymisieren und langfristig durch bspw. Strafbefehle und -verfahren die Motivationen zu brechen. Auch die nach offiziellen Angaben 70 Personen, die polizeilich festgestellt wurden, müssen mit Post und Beschuldigten- / Zeug*innen rechnen bzw. Strafbefehlen oder Bußgeldern.

In diese Zuge muss erwähnt werden, dass die Bullen ihre Videoaufnahmen auswerten werden, um daraus weitere Strafverfahren ableiten zu können. Auch Videos und Fotos im Internet, also etwa Indymedia, Facebook, Myspace usw. werden gezielt von Bullen durchsucht und gespeichert, wenn sie das für relevant halten. Also achtet darauf, was ihr wie veröffentlicht und das bei hochgeladenen Video- und Bilddateien Gesichter von Partyteilnehmer*innen unbedingt unkenntlich macht. Sinn macht die Verbreitung von Dateien, welche die Polizeigewalt dokumentieren aber den Cops bei polizeilichen Konstrukten nicht weiterhelfen.

Wir als soundsystems, artists, performancers und Leute die mal entspannt feiern wollen, dürfen uns durch diese Einschüchterungsversuche nicht unterkriegen lassen!

Falls ihr Post von der Polizei oder Staatsanwaltschaft erhaltet, meldet euch bei der Roten Hilfe in Dresden (dresden@rote-hilfe.de). Da können Fragen beantwortet und ggf. Anwält*innen vermittelt werden.

Um weiter handlungsfähig zu bleiben gilt es jetzt, umso energischer Beats in die Welt zu knallen und sich dabei als Bewegung zu verstehen, die sich nun mal als Gegenaspekt zur herrschenden Normalkultur entwickelt hat und aus dem stattfindenden Verdrängungsprozess heraus gemeinsame Konzepte zur Erhaltung der freetekkno-Idee entwickeln muss. Wenn die Methoden der Bullen weiter Schule machen, wird es auf ein lange Sicht zu einer Verunmöglichung der Durchsetzung von freeteks in der hiesigen Area kommen, die wir unbedingt verhindern müssen!

 

Nur gemeinsam gelingt der Betrieb mit dem guten beat!

 

the only good system is a soundsystem!

 

(A)lerta!!!

 

international tekkno syndicate (i.t.s.)

 

contact: international_tekkno_syndicate@riseup.net

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Funkzellenauswertung  war nicht nötig.
Die Infoline stand direkt unter und auf den Flyer-Postings im Failbook. Ein Anruf genügte :-)
Die initialen Facebookpostings zur Ankündigung stammten zu dem auch nicht von irgendwelchen Partykonsumenten, die nix beitragen ausser Müll, sondern von Leuten die es besser wissen müssen - and then it got viral. Da hätte man im Vorraus den Kontakt zur Roten Hilfe herstellen können. Oder die Anwälte gleich mit aufs Feld nehmen.

 

Kritik an Orga, Einzelpersonen und der "Szene" (in .de und international) selbst könnte man noch weiter ausführen - aber dafür fehlt mir die Lust. Vergebene Liebesmüh :|

 

mit besten Grüßen nach Dresden an das international tekkno syndicate