Castorschotterer Mischa Aschmoneit will sein Gerichtsverfahren politisch nutzen
Mischa Aschmoneit war Sprecher der Kampagne »Castor? Schottern!«, die im Herbst 2010 und 2011 durch Entfernen der Steine aus dem Gleisbett die Ankunft des Atommülltransports in Gorleben verhindern wollte. Der Aktivist der Interventionistischen Linken steht am 21. Mai in Lüneburg vor Gericht, weil er zu Straftaten aufgerufen haben soll. Mit Aschmoneit sprach Sven Gerner.
Aschmoneit: Ich glaube nicht, dass dieser Staat vernünftig im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung ist. Insofern sind die Gerichtsverfahren gegen mich und andere nur konsequent. Der zaghafte und halbherzige Atomausstieg war Ausdruck der Kräfteverhältnisse nach Fukushima, da konnte die Bewegung Erfolge erringen. Insofern ärgere ich mich nicht über das Verfahren, sondern freue mich, dazu beigetragen zu haben, dass wir ein paar Erfolge erkämpfen konnten.
Ordnungsgelder und Strafprozesse dienen der Einschüchterung. Ich
habe den Eindruck, Sie spornt diese Repression an und Sie freuen sich
regelrecht auf den bevorstehenden Prozess. Wie kommt das?
Naja, ich stehe nicht allein, und wir haben doch recht. Wir haben etwas
getan, was den Staat des Kapitals in Zugzwang gebracht hat. So ein
Erfolg macht anderen Mut und macht mir Mut. Der Prozess ist für mich
eine Gelegenheit, unsere Ansichten und Handlungen öffentlich zu
verteidigen. Die Justiz wollte es so, sie soll es bekommen.
Das offen angekündigte und organisierte Schottern von Tausenden war
2010 eine neue Aktionsform im Repertoire der Wendlandproteste. Vor allem
die Schotterer - und nicht die Sitzblockierer - wurden juristisch
verfolgt. Offensichtlich haben Sie den richtigen Nerv getroffen. Warum?
Zunächst: Geschottert wurde schon vor unserer Kampagne oft und
erfolgreich im Wendland. Wir haben das nicht erfunden. Das Neue war die
Breite des beteiligten Spektrums, die Strukturiertheit der Aktion und
der sie begleitenden Öffentlichkeitsarbeit. Ich freue mich sehr, dass
andere Aktionsformen nicht oder nicht mehr von Repression verfolgt
werden - das zeigt, dass es gelungen ist, sie gesellschaftlich zu
etablieren. Wir haben seinerzeit den Nerv getroffen, weil Tausende
Menschen über das passive Agieren bei der Sitzblockade hinausgehen
wollten und aktiv die Castor-Schiene unbenutzbar machen wollten. Nachdem
die CDU-FDP-Regierung den sogenannten Atomkonsens von SPD und Grünen
aufgekündigt hatte, wollten viele Menschen konsequent handeln. Unsere
Kampagne war anscheinend ein gutes Angebot für eine kollektive und
solidarische Aktion. Deshalb gibt es jetzt die juristische Quittung.
Braucht es mehr neue, offensive Aktionsformen, damit künftig Aktionen wie »Castor? Schottern!« nicht mehr bestraft werden?
Ob etwas kriminalisiert und bestraft wird, ist Ausdruck der
Kräfteverhältnisse. Um es mal auf ein anderes Feld zu übertragen: Erst
kam der Streik, dann das Streikrecht. Wenn viele Menschen eine
Aktionsform gut und richtig finden, dann kommt der Staat in
Schwierigkeiten. Entweder er legalisiert sie offen oder stillschweigend -
oder er kriminalisiert sie und erzeugt damit unter Umständen eine
Verbreiterung und Vertiefung des Widerstands. Grade deshalb ist es für
uns so wichtig, der Bevölkerung unsere Aktionen zu erklären, sie
nachvollziehbar zu machen und sie letztlich gesellschaftlich zu
legitimieren. Neue, offensivere Aktionsformen können dabei helfen,
sofern sie nicht abgehoben daher kommen und zur Isolierung führen. Wir
können im richtigen Maße avantgardistisch sein, aber wir dürfen niemals
elitär werden.
Die Interventionistische Linke hat nach »Castor? Schottern!« nicht
aufgehört, Aktionen des zivilen Ungehorsams zu organisieren. Für Ende
Mai ruft sie gemeinsam mit anderen zur Blockade der Finanzmetropole
Frankfurt am Main auf. Was erwarten Sie sich von Protest, der die
Grenzen der Legalität überschreitet?
Mag sein, dass Blockupy nach den Buchstaben des StGB nicht legal ist -
wichtig ist uns, dass sich Menschen ermächtigen, kollektiv Widerstand
gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu leisten. Letztendlich
möchten wir die Lohnabhängigen und ihre Verbündeten ermutigen, den
Kapitalismus zu überwinden und eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und
Unterdrückung aufzubauen. Mit unseren Initiativen versuchen wir zu
vermitteln, dass das Bestehende schlecht ist, wir aber kämpfen und
siegen können.
In den vergangenen Wochen wurden LINKE-Politiker wegen ihres Aufrufs
zu »Castor? Schottern!« zu Geldzahlungen verurteilt. Dabei ist der
Atomausstieg beschlossene Sache, das heißt die Geschichte hat Sie
bereits freigesprochen. Hinkt das Lüneburger Amtsgericht der Zeit
hinterher?
Offenkundig sind unsere Kräfte zu schwach, um die juristische
Repression zu verhindern. Die niedersächsische SPD-Grüne-Regierung
könnte ihrer Justiz formaljuristisch korrekt die Anweisung geben, die
Verfahren aus Mangel an öffentlichem Interesse einzustellen. Das machen
die Damen und Herren aber nicht, stattdessen heben sie die Immunität der
niedersächsischen Landtagsabgeordneten Christel Wegner auf, weil sie
die Schottern-Absichtserklärung unterschrieben hat. Und für die Justiz
gilt: Wie der Herr, so‘s Gescherr. Selten, dass darunter mal ein
Demokrat mit Rückgrat ist. Aber schauen wir mal, ich habe ja meinen
Prozess noch vor mir.