Doppelter Ärger wegen eines dubiosen Gartenbauers

Erstveröffentlicht: 
20.12.2012

Ein fragwürdiges Geschäftsmodell beschäftigt das Arbeitsgericht / Zielgruppe sind Senioren, die Akquise erfolgt an der Haustür.

 

Arbeitsrichter Wolfgang Gundel geht zur Sicherheit nochmal raus auf den Gang und ruft lauthals den Namen des Beklagten. Wobei gar nicht so sicher ist, wie dessen Name wirklich lautet. Der Kläger, ein mittelloser Mann mittleren Alters, der offenbar schon länger ohne feste Beschäftigung war und schließlich beim Beklagten als Gartenbauhelfer angeheuert hat, kannte ihn nach eigenen Angaben nur als Herrn Günther. Doch so heißt er nicht.

Durch Nachfragen bei Kunden seines Ex-Chefs und mittels Internetrecherchen hat der etwas abgerissen wirkende Kläger später einen anderen Namen und eine Firmenadresse im Elsass herausgefunden. Diesen selbst ermittelten Namen ruft der Richter nun über die Flure des zweiten Obergeschosses im Arbeitsgericht Freiburg an der Habsburgerstraße. "Ich stelle damit sicher, dass die andere Prozesspartei wirklich alle Chancen hatte, dabei zu sein", erklärt Richter Gundel – doch es taucht niemand auf, weder der Beklagte noch dessen Anwalt.

Kein schriftlicher Arbeitsvertrag, nur eine Handynummer

Beim Gütetermin, der nun beginnen kann, ist folglich nur die Klägerseite vertreten. Der Kläger hat zur Unterstützung Freunde und Vertreter der Basisgewerkschaft FAU, der Freien Arbeiterinnen-Union, mitgebracht – insgesamt drei Mann. Die Geschichte, die er vorträgt, lautet kurzgefasst wie folgt: Der Kläger habe ihn als Aushilfe für seine Gartenbaufirma eingestellt – ohne schriftlichen Arbeitsvertrag und ohne dass er sich über die wahre Identität seines neuen Chefs groß Gedanken gemacht habe. Er habe lediglich Herrn Günthers Handynummer gehabt – und die Aussicht auf 14 Euro netto pro Stunde. Der Herr Günther habe ihn immer abends auszahlen wollen.

Gemeinsam sei man dann morgens zur Kundschaft gefahren – einer alleinstehenden älteren Dame in einem von Freiburgs sogenannten besseren Stadtvierteln. "Dort haben wir den Weg durch den Garten zur Haustür hin neu gemacht und gepflastert", berichtet der Kläger – wobei die Arbeit vorwiegend an ihm hängen geblieben sei, während sein Chef sich aufs Rumstehen und den Kundenkontakt verlegt habe. "Ich selbst sollte mit der Kundin gar nicht sprechen", sagt der Kläger.

Am ersten Abend gab es dann allerdings kein Geld vom Herrn Günther, am zweiten Abend auch nicht. "Da hab ich gesagt, ich komm’ nicht mehr", so der Kläger weiter. Nach zähem Ringen habe er den Herrn Günther dazu bringen können, ihm wenigstens 70 Euro auszuhändigen. Ihm stünden aber weitere 160 Euro zu. Im Übrigen bestehe das Geschäftsmodell des Beklagten wohl generell darin, einerseits Habenichtse von der Straße anzuheuern, sie um ihren Lohn zu prellen und andererseits älteren, leicht manipulierbaren Leuten überteuerte Arbeiten am Haus aufzuschwatzen. Dies sei zumindest sein Eindruck. Richter Gundel erlässt schließlich ein Versäumnisurteil zugunsten des Klägers. Da der Beklagte unentschuldigt nicht erschienen und die Klage schlüssig sei, bekomme der Arbeitnehmer Recht. Das Urteil sei im Prinzip sofort rechtskräftig, es gebe lediglich noch eine einwöchige Einspruchsfrist. Spätestens danach könne der Kläger das Urteil problemlos vollstrecken lassen und die 160 Euro kassieren – theoretisch.
Das praktische Problem in diesem Fall: Die Anschrift des Beklagten ist ebenso unsicher wie seine wahre Identität. Falls die Adresse in Frankreich stimme, könne die Vollstreckung zusätzlich problematisch werden, räumt Richter Gundel ein. "Dort hat halt der deutsche Gerichtsvollzieher keine Handhabe", so der Jurist. Es kann also gut sein, dass der Kläger am Ende zwar Recht bekommt, das ihm zustehende Geld aber dennoch nie erhält. Sollte es wider Erwarten erneut zu einem persönlichen Zusammentreffen kommen, solle er doch nochmals mit größtem Nachdruck auf Zahlung pochen, rät Gundel zum Abschluss dem Kläger. Dies sei vielleicht am aussichtsreichsten.

Auf Anfrage der BZ bestätigt eine Kundin des dubiosen Gartenbauers später, dass sie an der Haustür zur unmittelbaren Auftragsvergabe gedrängt worden sei – und man auch gleich mit den Arbeiten begonnen habe, sodass es kein Zurück mehr gab. Pro Stunde habe die Firma dann zwei Mann voll abgerechnet und jeweils 90 Euro kassiert, obwohl meist nur einer wirklich gearbeitet habe. Mehrmals habe man sie noch zu Folgeaufträgen gedrängt. Am Ende habe sie mehrere tausend Euro bezahlen müssen. Nun mache sie sich schwere Vorwürfe, übers Ohr gehauen worden zu sein.

Der fragliche Gartenbauer hat offenbar auch mit Flugblättern Werbung gemacht, die den Titel tragen "Für Senioren und allein stehende Mitmenschen haben wir uns zusammengeschlossen!!!" – ohne Namen, ohne Firmennamen, nur mit einer Handynummer zur Kontaktaufnahme (eine Kopie liegt der BZ vor). Geboten werden allerhand Dienste – von Dacharbeiten bis zu kompletten Wohnungssanierungen.