Die Deutsche Burschenschaft steckt in der Krise. Der Dachverband traf sich deshalb am vergangenen Wochenende in Stuttgart.
von Maximilian Schöhnwiese und Hannes Soltau
Der Pressereferent der Deutschen Burschenschaft (DB), Walter Tributsch, hatte zum Abschluss des »Außerordentlichen Burschentags«, der am vorigen Wochenende in Stuttgart stattfand, gleich doppelten Grund zur Freude. Einerseits erklärte sich überraschenderweise doch noch eine Verbindung dazu bereit, den Vorsitz des maroden Dachverbands zu übernehmen, zudem handelte es sich dabei um die Wiener Burschenschaft Teutonia, bei der Tributsch Mitglied ist.
Die als ultrakonservativ geltende Teutonia ist seit 2006 Teil der »Burschenschaftlichen Gemeinschaft«, einer Initiative innerhalb der DB, welche den liberalen Strömungen im Dachverband den Kampf angesagt hat. So wundert es nicht, dass sie über das »Ostdeutsche Kartell« eng mit den skandalträchtigen Burschenschaften Raczeks zu Bonn und Danubia zu München verbunden ist, beide haben sich hervorgetan, wenn es um die Forderung nach einer »Arisierung« des Verbands ging. Erst jüngst offenbarten die Bundesbrüder aus Wien dem geneigten Betrachter aufs Neue ihre Gesinnung, als auf Aufklebern an Wiener Laternenmasten der Slogan »Menstruation ist Mensurneid! Aktiv gegen Zecken, linkes Gesocks, Gutmenschen, Egalitarismus, Feminismus, und ›Antifaschismus!‹« zu lesen war. Soviel Humor lässt beinahe vergessen, dass sich bekennende Neonazis wie Franz Radl aus den Reihen der Teutonia rekrutierten.
Spätestens seit dem Burschentag 2011 sind die Konflikte, die sich bei der DB abspielen, bekannt. In regelmäßigen Abständen werden interne Papiere und Mails veröffentlicht, in deren Folge die deutsche Öffentlichkeit derzeit nicht gerade wohlwollend über die Forderung einiger Burschenschaften nach rassistischen »Arierparagraphen« und die Verunglimpfung von NS-Widerstandskämpfern diskutiert.
Da ist es nicht überraschend, dass sich die Burschen mittlerweile auch außerhalb des Paukbodens die Köpfe einschlagen. Die vorab geleakten Tagungsunterlagen des außerordentlichen Burschentags dokumentieren die tiefen Zerwürfnisse, die zwischen den Bundesbrüdern bestehen. Bezeichnenderweise sorgt der Vorwurf, dass einzelne Protagonisten mit Neonaziskandalen in den vergangenen Jahren den Ruf des Verbands geschädigt hätten, für den meisten Unmut. Angesichts der Tatsache, dass die DB ein ultrarechter, reindeutscher Männerbund ist, der ein deutsches »Vaterland unabhängig von staatlichen Grenzen (…)« fordert, hat dieser Befund schon fast schizophrene Züge.
Dass bei dem Sonderburschentag in Stuttgart letztlich doch beschlossen wurde, Norbert Weidner, den Redakteur der Verbandszeitschrift Burschenschaftliche Blätter, abzusetzen, wurde in der Berichterstattung der Medien als liberaler Richtungswechsel verkauft. Weidner hatte in der Verbandszeitschrift den Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als »Landesverräter« und dessen Hinrichtung durch die Nationalsozialisten als »rein juristisch« gerechtfertigt bezeichnet. Im Juni dieses Jahres wurde er sogar, trotz großer öffentlicher Empörung, im Amt bestätigt. Nun frohlockte der Spiegel: »Burschenschaften schassen rechtsextremen Funktionär«. Die Welt attestierte den Liberalen, die Absetzung Weidners sei ein »Erfolg«.
Es ist durchaus besorgniserregend, dass sich einige Berichterstatter des Burschentags so viel Schönfärberei erlauben, denn Weidners Amtsnachfolger ist Michael Paulwitz. Er ist als Mitglied der völkischen Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) bekannt und Beisitzer im baden-württembergischen Landesverband der Republikaner. Derzeit reist er zusammen mit dem neurechten Verleger Götz Kubitschek durch Deutschland, um das gemeinsame Buch »Deutsche Opfer, fremde Täter« vorzustellen. Zudem ist er profilierter Autor der rechten Jungen Freiheit, in der er Deutschland bereits an prominenter Stelle »als Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft« definieren durfte. »Die deutsche Geschichte«, so Paulwitz, sei »kein Verbrecheralbum«. Und so beklagte er während des Eklats um Weidner »die Diffamierungstrommel«, die »im gleichgeschalteten Bildungsbetrieb der linksgedrehten Antifa-Republik« erklinge.
Zum Glück gibt es aber noch die Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ), der »liberale Flügel« (FAZ) in der Deutschen Burschenschaft, die »progressiven Burschen« (Die Zeit). Ihren Vertretern trauen die Medien anscheinend zu, den Rechtsruck des Dachverbands zu verhindern. Abgesehen davon, dass die Mehrheit der vermeintlich liberalen Verbände bereits ankündigte, die DB verlassen zu wollen, lohnt sich ein Blick hinter die Fassade. Denn bei Weidners Tiraden handelte es sich keineswegs um einen einmaligen Fauxpas, sie zeugen vielmehr von der ideologischen Kohärenz und Kontinuität innerhalb der DB. Bereits in den sechziger Jahren war die Verstrickung von Mitgliedern der Wiener DB-Burschenschaft Olympia in rechtsterroristische Aktivitäten bekannt geworden. Die Beherbergung eines rechtsextremen Straftäters durch die Münchner Burschenschaft Danubia nach einem rassistischen Überfall und die Verurteilung des Holocaustleugners und Alten Herren der DB, Herwig Nachtmann, sind weitere Beispiele. An die Lernfähigkeit des Verbandes kann wohl nur appellieren, wer dessen Vergangenheit ausblendet. So hatte die besagte Olympia bis 2010 den Vorsitz innerhalb der Burschenschaftlichen Gemeinschaft inne und Nachtmann war von 2005 bis 2008 Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter.
Eigentlich hätte man erwarten können, dass dieser Rechtstümelei schon zu einem früheren Zeitpunkt konsequent begegnet worden wäre. Stattdessen lobte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) den Verband für die »Stärkung des Geschichtsbewusstseins« und die Bundesregierung entsandte noch Mitte der neunziger Jahre einen parlamentarischen Staatssekretär zum Burschentag nach Eisenach. Prominente Alte Herren wie der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl (CDU) oder Berlins ehemaliger Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) verleihen der Deutschen Burschenschaft noch heute mit ihrem Namen einen seriösen Anstrich. Zwar rechnen sich auch deren Burschenschaften dem national-liberalen Flügel zu, doch was »liberale Bünde« in der Deutschen Burschenschaft bedeuten, bewies jüngst die Freiburger Burschenschaft Teutonia. Die Verbindung, deren Altherrenschaft Gründungsmitglied der reformistischen Initiative Burschenschaftliche Zukunft ist, und die sich selbst »in der Mitte des demokratischen Spektrums« verortet, schmückte ihr Programm zum aktuellen Wintersemester mit einem pathetischen Vers von Michael Regener, dem ehemaligen Sänger der bekannten Naziband Landser. Ende November äußerte Rolf Piechowicz, Vorsitzender der Alten Herren der Teutonia, gegenüber der Badischen Zeitung Bedauern über die Verwendung des Zitats.