Stuttgart/Heilbronn - Die Verwicklungen baden-württembergischer Sicherheitsbehörden mit dem rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) haben eine größere Dimension als bisher angenommen. Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes habe den Leiter des KKK in Schwäbisch Hall darüber informiert, dass dessen Telefongespräche abgehört würden, berichteten die „Stuttgarter Nachrichten“ am Mittwoch. Informierte Kreise bestätigten diese Angaben auch der Nachrichtenagentur dpa. Zudem berichtete der „Tagesspiegel“ (Donnerstag), dass das besagte KKK-Mitglied als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet habe.
Der V-Mann („Verbindungsmann“) des Nachrichtendienstes habe die rassistische Organisation „European White Knights of the Ku Klux Klan - Realm of Germany“ im Oktober 2000 gegründet und von da an geleitet, schreibt der „Tagesspiegel“. Innenminister Reinhold Gall (SPD) wollte an diesem Mittwochnachmittag den geheim tagenden Innenausschuss des Landtags informieren.
Bereits im Sommer war bekanntgeworden, dass zwei Polizisten vor zehn Jahren Mitglieder einer KKK-Sektion mit Sitz in Schwäbisch Hall waren. Die Ermittlungen rund um den Mord an der Polizistin Michele Kiesewetter aus dem Jahr 2007 hatten die dubiose Nähe der beiden Beamten aus Böblingen zum KKK aufgedeckt (wir berichteten).
Der Mord an Kiesewetter in Heilbronn wird der Neonazi-Terrorzelle NSU zugerechnet. Einer der beiden Polizisten im KKK war Kiesewetters Gruppenführer. Die Bundesanwaltschaft hatte aber erklärt, es gebe keine Hinweise, dass andere an dem Mord beteiligt gewesen seien.
Überwachung
Zu den neuen Vorwürfen schreiben die „Stuttgarter Nachrichten“, dass ein Verfassungsschutzmitarbeiter den Schwäbisch Haller Klanchef Achim S. darüber informiert habe, dass sein Telefon überwacht werde. Nach Informationen von SWRInfo wurde ein internes Verfahren gegen den Verräter in Gang gesetzt und der Mann aus dem Amt geschmissen. Jedoch sei es nie zu einem Strafverfahren gekommen, weil die ganze Aktion zu heikel gewesen sei. Deshalb sei sie bis heute geheimgeblieben.
Nach Angaben der „Stuttgarter Nachrichten“ führte die Polizei vor zwölf Jahren ein Ermittlungsverfahren gegen Achim S., der in der Klu-Klux-Klan-Szene unter dem Tarnnamen „Ryan Davis“ aktiv gewesen sei. Bei einer Hausdurchsuchung im Dezember 2000 hätten die Ermittler Beweise gefunden, die die Rolle von Achim S. beim KKK belegt hätten. Zudem sei Achim S. mehrfach bei Veranstaltungen der rechtsextremen NPD sowie den Jungen Nationaldemokraten als Redner aufgetreten.
Wegen der neuen Erkenntnisse hatte Minister Gall seine Teilnahme an einer Reise mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in die Türkei abgesagt. Die Vorgänge fallen aber nicht in Galls Amtszeit, sondern in die Regierungszeit von CDU und FDP.
Hintergrund: Ku-Klux-Klan
Die rassistische Terrorvereinigung Ku-Klux-Klan wurde 1865 im US-Bundesstaat Tennessee gegründet. Mit Morden an Schwarzen und Attentaten auf Politiker kämpfte der Geheimbund gegen die Abschaffung der Sklaverei. Bei nächtlichen Überfällen trugen seine Mitglieder weiße Kutten mit Kapuzen und verbreiteten mit brennenden Kreuzen Angst und Schrecken. Der Klan wurde für verfassungswidrig erklärt und 1882 aufgelöst. Ein 1915 gegründeter zweiter KKK soll 1920 in den USA vier Millionen Mitglieder gezählt haben.
In den 1960er Jahren erregten seine Aktivisten mit Aktionen gegen Mitglieder der schwarzen Bürgerrechtsbewegung Aufsehen. Seit den 1990er Jahre greift der KKK gezielt schwarze Kirchengemeinden an. Nach Schätzungen von Experten zählt der Bund in den USA heute bis zu 8000 Mitglieder in rund 150 unabhängigen Ortsgruppen. Er knüpfte Kontakte zu Rechtsextremisten im Ausland, darunter auch Deutschland. Die „Europäischen weißen Ritter vom brennenden Kreuz“ (European White Knights of the Burning Cross) gelten als europäischer Ableger. red/lsw