Protest gegen staatliche Entwicklungshilfe-Agentur: In Bonn beginnt heute Prozeßserie gegen Kriegsgegner. Ein Gespräch mit Melanie Ruf
Interview: Frank Brendle
Melanie Ruf gehörte zu einer Gruppe, die im vergangenen Jahr die Räume der »Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit« in Bonn besetzte
Die »Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat sich unter Minister Dirk Niebel (FDP) zunehmend auf das Konzept der »Vernetzten Sicherheit« und der »Zivil-Militärischen Kooperation« mit der Bundeswehr eingelassen. Worin drückt sich diese Zusammenarbeit konkret aus?
Entwicklungspolitik wird immer stärker mit Kriegspolitik verschränkt und
für das Militär instrumentalisiert. Das ist auch in einem
Kooperationsabkommen zwischen GIZ und Bundeswehr so vereinbart. Gerade
in Afghanistan gibt es mittlerweile eine enge Zusammenarbeit zwischen
Soldaten und Entwicklungshelfern.
Die GIZ kann beispielsweise das Feldpostwesen und das
Geoinformationssystem der Bundeswehr nutzen, also von militärischen
Aufklärungsfähigkeiten profitierten. Umgekehrt übernimmt die GIZ die
Verwaltung von Bundeswehrliegenschaften. Vor allem aber erwartet die
Armee von der GIZ Informationen über die Lage in den Einsatzgebieten.
Das Wissen, das »Entwicklungshelfer« durch ihre Arbeit und ihre Kontakte
mit der einheimischen Bevölkerung erlangen, sollen sie an die
Bundeswehr weitergeben. Das betrifft vor allem die soziale und
politische Lage in den Dörfern und die Einstellungen der Bevölkerung.
Diese Politik ist ja nicht unumstritten.
Viele Nichtregierungsorganisationen positionieren sich anders. Als 2010 die Vergabe von zehn Millionen Euro Fördermitteln an die Bedingung gekoppelt wurde, Informationen mit der Bundeswehr auszutauschen, haben viele von ihnen protestiert. Die Welthungerhilfe hat zwar das Geld genommen, aber erklärt, sie werde trotzdem nur insoweit mit dem Militär kooperieren, wie sie es selbst für notwendig hält. Der Protest war zumindest teilweise erfolgreich, Niebel hat keine weiteren Vorstöße in diese Richtung gemacht.
Am 2. Dezember 2011 besetzten Antimilitaristen die GIZ-Büros in Bonn. Wie haben die Beschäftigten darauf reagiert?
Sehr unterschiedlich. Einige fühlten sich zu Unrecht kritisiert, weil ihre Projekte unabhängig vom Militär seien. Aber es gab auch Angestellte, die unseren Protest sehr befürwortet haben. Das waren unter anderem Leute, die zuvor beim Deutschen Entwicklungsdienst waren, der ja in der GIZ aufgegangen ist. Manche sind sehr unzufrieden damit, wie Entwicklungspolitik mittlerweile in Kriegsstrategien eingebunden wird.
Die Aktion lief unter dem Motto »War starts here«. Was verbirgt sich dahinter?
Das ist eine internationale Kampagne, die im Sommer vergangenen Jahres begonnen hat. Der Ansatzpunkt besteht darin, konkrete Orte zu markieren, an denen Militarisierung nach außen und nach innen stattfindet. Es gibt in der Bevölkerung zwar eine große, wenn auch eher diffuse Unzufriedenheit mit der Kriegspolitik, aber relativ wenig konkrete Bewegung dagegen. Deswegen wollen sichtbar machen: Wo wird Rüstung produziert, wo werden Auslandseinsätze des Militärs geplant, wo werden Schüler für die Bundeswehr rekrutiert? Kurz gesagt: Von welchen Orten geht Krieg aus? Das zeigen wir, damit darüber diskutiert wird und Möglichkeiten entwickelt werden, es zu behindern und zu sabotieren.
Acht Teilnehmer der GIZ-Besetzung müssen sich jetzt vor Gericht verantworten – am heutigen Montag beginnt in Bonn der erste Prozeß. Sie selbst sind zwar nicht angeklagt – aber was erwarten Sie?
Politisch wollen wir die Gerichtsverfahren dafür nutzen, unsere Kritik
daran zu äußern, wie Entwicklungshilfe für die Kriegführung
instrumentalisiert wird. Gegen den Afghanistan-Krieg zu sein heißt auch,
die zivil-militärische Zusammenarbeit in neokolonialen
Interventionsstrategien zu bekämpfen.
Prozeßinfos: www.bundeswehr-wegtreten.org