+++ Leiche eines sudanesischen Flüchtlings unter mysteriösen Umständen in Kanal in Calais geborgen +++ Polizei verweigert Autopsie, obwohl es sich bereits um den dritten Fall dieser Art in den vergangenen 7 Monaten handelt +++ Familie, FreundInnen und UnterstützerInnen fordern Untersuchung des Todesfalls während sich Kritik an mutmaßlicher Verschleierungstaktik der Polizei erhärtet +++
Nachdem Noureddin Mohamend, ein 28-jähriger Flüchtling aus Darfur, um 3.30 Uhr morgens am Samstag,
den 03. Juli, tot in einem Kanal im Zentrum Calais geborgen wurde, kam es zu
internationalen Protestkundgebungen.[1].
Die Polizei behauptete zunächst, dass Noureddin zu Tode kam, als er in den
Kanal sprang um Personen abzuschütteln, die ihn verfolgten nachdem er
einer Frau ein Mobiltelefon gestohlen hatte. Noureddin’s FreundInnen erzählen
allerdings
eine andere Geschichte. Sie berichten, dass er und seine FreundInnen kurz vor
seinem Tod in eine Auseinandersetzung mit Polizeikräften gerieten, die in
Calais Tag und Nacht MigrantInnen kontrollieren, verfolgen und verhaften, die
keine gültigen Reisepapiere vorweisen können. [2][3][4]
Die mutmaßlichen Verfolger Noureddin’s wurden weder verhaftet, noch wurde
irgendetwas über sie bekannt. Die Polizei beruft sich auf drei unbekannte
Quellen um den Todesfall als Unglück darzustellen und will die Ermittlungen damit
abschließen. Augenzeugenberichte von Noureddin’s Freunden wurden von der
Polizei nicht berücksichtigt, eine Autopsie abgelehnt. Der Onkel des Opfers hat
bei der Staatsanwaltschaft nun einen offiziellen Antrag für Ermittlungen einer
Mordkommission gestellt.
Der Tod
Noureddin’s weckt Erinnerungen an zahlreiche ähnliche Fälle in Calais, die die
Polizei nicht weiter verfolgen wollte. Besonders schockierend sind die
Parallelen zum Tod Ismaels, einem jungen Eritreer, dessen Leiche am 22.
Dezember 2011 am Fuß einer Brücke nahe der mutmaßlichen Todesstelle von
Noureddin gefunden wurde. Ohne Beweise für diese Schlussfolgerung zu haben,
erklärte die Polizei den Todesfall zu einem Selbstmord und lehnte weitere
Ermittlungen ab. [5]
Noureddin war
seit vier Jahren in Calais und hatte dort viele FreundInnen. Erst vor kurzem
wurde er als Flüchtling anerkannt und erhielt Bleiberecht in Frankreich. Seine
Familie, FreundInnen und UnterstützerInnen vermuten, dass sein Tod nicht ernst
genommen wird, weil er ein Migrant ist. Sie kamen in der vergangenen Woche täglich
zusammen um ihren Protest kundzutun und eine Untersuchung seines Todes zu
fordern. Obwohl die Demonstranten von Bereitschaftspolizei mit Gummigeschossen erwartet
wurden, haben sie sich nicht einschüchtern lassen. Weitere Demonstrationen und
Solidaritätskundgebungen sind heute (13.07) und in den kommenden Tagen in Frankreich,
England, Deutschland und anderen Ländern geplant.
Kontakt für weitere Informationen und Bildmaterial zu den Protesten: calaisolidarity@gmail.com
0033 (0) 645 465 986
[1] Detaillierte Informationen sind hier erhältlich:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/63576(deutsch)
http://www.indymedia.org.uk/en/2012/07/497887.html(englisch)
http://calaismigrantsolidarity.wordpress.com/(deutsch/englisch)
[2] Französische Bereitschaftspolizei aus allen Départements Frankreichs kommen
in zwei-wöchigen Schichten nach Calais um dort MigrantInnen ohne Papiere zu jagen.
[3] Calais Migrant Solidarity hat zwei Jahre von Menschenrechtsverletzungen in Calais
in unserem Dossier ‘This Border Kills’ dokumentiert:
http://calaismigrantsolidarity.wordpress.com/this-border-kills-our-dossier-of-violence/
[4] Die systematische Inhaftierung von undokumentierten MigrantInnen und
sans-papiers einzig weil sie keine Papiere vorweisen können wurde von
Frankreichs höchstem Gericht erst kürzlich für rechtswidrig erklärt:
http://www.france24.com/en/20120706-police-lose-automatic-power-detain-illegal-immigrants-france-court(englisch/französisch)
[5] Blogeintrag vom 22. Juli:
http://calaismigrantsolidarity.wordpress.com/ (englisch)