Landgericht Freiburg
Im Prozess gegen einen Neonazi, der in Riegel einen politischen Gegner mit dem Auto umgefahren hat, haben die drei Nebenkläger ausgesagt. Über die Geschehnisse. Und ihre Motivation, damals vor Ort sein zu wollen.
Anders als die Nebenkläger, schweigt sich der 29 Jahre alte Angeklagte bisher über die Vorgänge am 1. Oktober 2011 aus. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag vor. Von seinem Auto erfasst und über das Dach geschleudert worden war der 21-jährige Auszubildende Alex K.. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und wurde in der Uniklinik Freiburg behandelt. Der schmächtige junge Mann aus Stuttgart ist nach eigenen Angaben auch nach einer Reha noch traumatisiert und hat Wortfindungsschwierigkeiten. Alex K. war am Nachmittag zusammen mit Freunden in Offenburg bei einer Demonstration, die sich gegen den Neonaziauflauf wandte, der für den 22. Oktober angemeldet war. Exakt zur Finanzierung dieses Vorhabens versammelten sich am gleichen Abend in Bahlingen am Kaiserstuhl die "Kameradschaft Südsturm Baden" zu einer "Soli-Party", bei der die Neonazis Geld sammeln wollten.
"Einfach mal zu schauen, wer da ist"
Vermutlich über entschlüsselte Facebook-Ankündigungen bekamen die Linken in Offenburg Wind von der Party und dem Schleusungspunkt für auswärtige Kameraden. Acht Antifaschisten beschlossen spontan, mit zwei Wagen nach Riegel zu fahren. "Teils aus Neugier", um "einfach mal zu schauen, wer da ist" und "ihn stören" und "um antifaschistische Präsenz zu zeigen". So Aussagen von vier Beteiligten im Gerichtssaal.
"Einen genauen Plan und so, hatten wir nicht", räumt einer von ihnen ein. Zumindest einer von den acht Ortsunkundigen erkannte am Pendlerparkplatz den heute Angeklagten Florian S. "Ich kannte ihn vom Panzergraben und anderen Fascho-Aufmärschen", sagt Markus S. Der Panzergraben bei Rheinau-Membrechtshofen ist eine ehemalige Wehrmachtsbastion, an der Neonazis Heldengedenkfeiern und Antifaschisten Gegendemos Aug’ in Aug’ veranstalten.
Die aus Offenburg nach Riegel gereisten jungen Linken versammelten sich auf einem Parkplatz gegenüber der Leopoldstraße, und fünf von ihnen gingen über eine Brücke zum Pendlerparkplatz, im Gehen zogen sie Sturmhauben, Ninja-Mützen oder T-Shirts über die Köpfe. Einer hatte in einem Auto eine Flasche mit Pfefferspray gefunden und mitgenommen, "zum Selbstschutz", wie er sagt. Eingesetzt hat er sie nicht.
Das unschlüssige Grüppchen war kaum am Parkplatz gelangt, da schoss der silberne Mitsubishi-Colt des Angeklagten ihnen schon entgegen. "Mir war klar, dass es einen erwischen wird", sagte eine 19-Jährige, die zuletzt hinzukam. Möglicherweise hatte noch einer geschrien: "Da ist er!" Florian S. hatte jedenfalls erkannt, dass die Vermummten nicht seine Partygäste waren. Statt nach rechts zu fliehen, fuhr der Party-Lotse mit Vollgas in die Gruppe und hob Alex K. über das Autodach. Dieser schlug hart auf der Straße auf. Der Autofahrer fuhr zunächst davon und ließ die schockierten Antifas bei ihrem schwer blutenden und krampfenden Freund zurück. "Ich hatte Angst, dass er stirbt", sagte seine Freundin.
Kinderkrankenschwester leistet Erste Hilfe
Der Angriffsfahrer kam mit zwei Beamten der Kripo, Abteilung Staatsschutz, später zurück. Eine zufällig anwesende Kinderkrankenschwester leistete Erste Hilfe, bis der Notarzt kam. "Es war ziemlich planlos", räumt ein Antifaschist ein, man habe nicht einmal gewusst, wie viele Neonazis man antreffen würde. Wie lebensgefährlich es ist, einem – wie Vorstrafen und Prahlereien im Internet nahe legen – gewaltbereiten Publikum "einfach mal so" entgegenzutreten, hatte man sich vorher nicht überlegt. Der Prozess wird am 2. Juli fortgesetzt.