Vorfall von Riegel: Anklage wegen versuchten Totschlags?

Erstveröffentlicht: 
17.05.2012

Extremismus in Südbaden

Im Oktober 2011 hat ein Rechtsradikaler einen Linksradikalen auf einem Parkplatz bei Riegel angefahren. Die Staatsanwaltschaft will ihn wegen versuchten Totschlags vor Gericht stellen. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.

 

Geht es nach der Einschätzung der Staatsanwaltschaft Freiburg, dann muss sich der Rechtsradikale wegen versuchten Totschlags vor dem Schwurgericht verantworten. Allerdings wird beim Landgericht Freiburg derzeit noch geprüft, ob die Anklage zu gelassen wird.

Rückblende: Am Abend des 1. Oktober 2011, einem Samstag, kommt es auf dem Pendlerparkplatz nahe der Autobahnausfahrt bei Riegel zu einem gewaltsamen Aufeinandertreffen von Mitgliedern der linken Antifa-Szene mit einem damals 29-Jährigen aus der Ortenau, der als Wortführer der dortigen Neonazi-Szene gilt. Der Mann soll als Schleuser Gleichgesinnten den Weg zu einem Neonazitreffen weisen; die Antifa will ihn angeblich beobachten, um den Treffpunkt auszukundschaften. Doch dann kommt es offenbar zum Angriff der Linksextremen auf den Neonazi. Der rast mit dem Auto auf die Gruppe zu und verletzt einen Angreifer schwer.

Langwieriges Verfahren

Panikreaktion oder Vorsatz? Mit dieser Frage müssen sich in der Folge die Beamten von Kriminalpolizei und Staatsschutz bei ihren Ermittlungen auseinandersetzen. Die Linken sehen den Vorfall als Beleg für die Gewaltbereitschaft und Gefährlichkeit der rechtsradikalen Szene, zumal der Autofahrer sich wenige Tage zuvor auf Facebook gebrüstet habe, er warte nur darauf, eine "Zecke" – so der rechtsextreme Jargon für Antifaschisten – "die Klinge fressen lassen" zu können.

Die Ermittlungen und Zeugenvernehmungen ziehen sich über Monate hin. Ende Januar 2012 schließt die Kripo ihre Ermittlungen ab. Sie legt bei der Staatsanwaltschaft Freiburg gegen den rechtsradikalen Autofahrer Strafanzeige wegen des Verdachts des versuchten Totschlags vor und gegen die linksextremen Angreifer Strafanzeigen wegen des Verdachts der versuchten gefährlichen Körperverletzung. Die Behörde in Freiburg prüft den Sachverhalt und hört vor einer Entscheidung über eine mögliche Anklage auch die Anwälte aller Beteiligten. Auch deren Akteneinsicht braucht einige Zeit.

Staatsanwalt: "Den Tod des Mannes zumindest billigend in Kauf genommen"

Inzwischen hat sich die Staatsanwaltschaft Freiburg bei ihrer Bewertung festgelegt, wie Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier auf Nachfrage der BZ bestätigt: "Wir gehen von einem Verbrechen aus." Die Anklagebehörde kommt nach Aktenlage zu der Einschätzung, dass der Neonazi den Tod des jungen Mannes "zumindest billigend in Kauf genommen" habe, als er mit dem Auto auf ihn zugefahren sei. Deshalb soll sich der Mann wegen versuchten Totschlags vor dem Schwurgericht, der für Kapitalverbrechen zuständigen großen Strafkammer des Landgerichts, verantworten.

Hinzu kommen laut Oberstaatsanwalt Maier noch weitere Vorwürfe: gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und gefährliche Körperverletzung.

Ob es auch zur Anklage in all diesen Punkten kommt, muss nun das Landgericht Freiburg entscheiden. Die Anklage sei dem Beschuldigten Mitte April zugestellt worden, erklärt Richter Klaus-Dieter Stark, Pressesprecher des Landgerichts, auf Anfrage. Die Anwälte des Beschuldigten und des Nebenklägers haben nun erneut die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu erklären. Dann entscheide das Gericht über die Zulassung der Anklage. Vor Pfingsten werde das aber wohl nicht mehr geschehen.

Verfahren gegen linke Aktivisten abgeschlossen

Die gesonderten Verfahren gegen die Antifa-Aktivisten sind derweil bereits abgeschlossen. Die Verfahren wegen des Verdachts der versuchten Körperverletzung wurden nach Paragraf 153 a der Strafprozessordnung eingestellt, gegen Zahlungen an eine gemeinnützige Einrichtung. Das ist möglich, wenn die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht. Einzig gegen den Geschädigten, der bei dem Vorfall schwer verletzt worden war, wurden keine Auflagen verhängt, da er persönlich genug gelitten habe. Der junge Mann tritt laut Auskunft der Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen den rechtsradikalen Autofahrer als Nebenkläger auf – und als Zeuge, wie alle anderen Beteiligten auch.