Pamphlet: Rebellisches Griechenland

fledermäuse

In Anbetracht der Diskussion über die soziale Auflehnung in Griechenland am Samstag 12. Mai im FERMENTO in Zürich, publizieren wir hier drei Texte bezüglich Griechenland als Pamphlet, die in der 3. Ausgabe der internationalen anarchistischen Zeitschrift "A Corps Perdu" im September 2010 erschienen sind. Die ganze Ausgabe der 3. Nummer dieser Zeitschrift wird im Juni 2012 auf Deutsch erscheinen.

 

Rebellisches Griechenland

Der Spiegel des sozialen Friedens beginnt Risse aufzuweisen. Das Haltbarkeitsdatum der sozial-demokratischen Verwaltung Europas scheint überschritten und, eine nach der anderen, nehmen dies die nationalen politischen Klassen zur Kenntnis. Während die gesetzlichen Grundlagen für diese Wende in einigen Ländern bereits in relativer Ruhe durch die Parlamente gewählt wurden, haben die Feindschaften in Griechenland ein unerwartetes Ausmaß angenommen. Obwohl diese Konfliktualität in die Kontinuität von Kämpfen gegen den Abbau des „Sozialstaates“ gestellt werden kann, an die wir bereits gewöhnt sind, hat sie die Tendenz einen beträchtlich anderen Charakter anzunehmen – während sie von vergangenen Erfahrungen, wie jener der Revolte vom Dezember 2008 genährt wird. Eine Übereinkunft mit dem Staat im Sinne des alten sozialen Paktes scheint immer unwahrscheinlicher, weil die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Grundlagen dafür nicht mehr existieren. Wir stehen also vor neuen Ausgangsbedingungen. Daran gewöhnt, Kämpfe zu führen, die darauf abzielen, die soziale Befriedung und den Konsens zu durchbrechen, der ihn umgibt, könnten wir bald mit einer neuen Form von Verwaltung konfrontiert sein, die eher darauf abzielt, ein Kriegsklima einzuführen. Darum ist es umso notwendiger, neue Perspektiven zu entwickeln, uns darauf einzulassen, einige neue Hypothesen für den sozialen Krieg zu formulieren.

Dies ist, wieso wir hier zunächst noch einmal auf die Revolte vom Dezember 2008 zu sprechen kommen wollen. Der erste Text, der einige Zeit vor den aktuellen Erschütterungen in Griechenland verfasst wurde, entspringt dem Willen, diesen Dezember 2008 zu evaluieren und seine Grenzen zu umreissen, aber vor allem, entlang der insurrektionellen Perspektiven zu reisen.

Zwei Jahre später scheint eine gewisse Unzufriedenheit breite Schichten der griechischen Gesellschaft in Bewegung zu bringen. Diejenigen, die 2008 nicht ohne große Sympathien, aber dennoch „alleine“ dastanden, um die Flammen der Revolte kräftig zu schüren, indem sie sie weit über den anfänglichen Funken hinaustrugen, können heute spüren, wie um sie herum etwas anzuwachsen beginnt, das versucht, sich gegenüber der vorprogrammierten Verschlechterung des Lebens so vieler Menschen zu äussern.

Man könnte diese Verschlechterung, die für einige bereits Realität ist und sich bei anderen gerade ankündigt, einer gründlichen sozio-ökonomischen Analyse unterziehen. Man könnte vom Ende eines Zyklus von Umstrukturierung, Liquidierung und Wiederaufbau sprechen. Und seien wir ehrlich, es wäre nicht ganz uninteressant. Es gibt aber auch eine andere Art und Weise, auf die man versuchen kann, auf die Realität Einfluss zu nehmen, in sie einzudringen, um die Subversion in sie hinein zu tragen. Diese andere Art und Weise, ein Spiel zwischen Theorie und Praxis, eine permanente Provokation von Herausforderungen, versucht eine gewisse Analyse der Situation auf das Terrain der Hypothese und des Experiments zu bringen. Nicht, weil wir Fanatiker des Handelns um des Handelns willen oder des Täumens um des Täumens willen wären, sondern weil wir von einem Willen angetrieben werden, unsere Ideen ins Herz der sozialen Konfliktualität zu tragen. Dieser Wille gibt sich nicht damit zufrieden, ein Zuschauer zu sein, sondern sucht permanent nach Anhaltspunkten, um – à corps perdu* – ins Getümmel zu springen. Und wir haben keine Lust, diese Sprünge blind und unüberlegt zu machen. Und eben dies war der Anlass für den zweiten Text.



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* Diese französische Redewendung bedeutet wortwörtlich mit verlorenem Körper und steht in etwa für ungestüm, voller Elan, ohne Berechnung.

 

 




Die Pfade der Revolte vom Dezember 2008


Diese Revolte war eine freiwillige Bewegung, eine bewusste Wahl, auch wenn sie größtenteils eine Reaktion war. Sie war Ausdruck der Tatsache, den Kampf in erster Person zu leben.



Die Wut und der Aufstand

Sagen wir es, ohne all zu viel zu zögern: die Revoltierenden, die wütenden Proletarier treten vor allem ausgehend von konkreten Situationen in Aktion, wenn sich ein mir reicht’s Gefühl breit macht. In konfliktreicheren Momenten stellen sie sich, um es so zu sagen, ins Negative gegenüber der Wirklichkeit, die sie umgibt. Da dieses Negative mit der gelebten Realität in einem dialektischen Verhältnis bleibt, hatte es schon immer Schwierigkeiten, sich von den Ketten der Realität zu lösen, der es sich gegenüberstellt. Oft ist es vielmehr aus diesem Grund, als aus einem tief verwurzelten Reformismus, dass die Revolten der Unterdrückten sich nach einer gewissen Zeit in einer Sackgasse wiederfinden, in der die Kraft fehlt, um den qualitativen Sprung zu wagen, sich bereits im Jetzt eine völlig andere Welt vorzustellen. Es ist kein Zufall, dass Revolutionäre sich die Frage dieses Sprungs oft gestellt haben, denn eben in ihm liegt der ganze Unterschied zwischen „seine Wut ausdrücken“ und „eine Insurrektion machen“. Von den leninistischen Vorstellungen angewidert und kaum an das Gespenst des großen Tages der Revolution glaubend, der durch den Generalstreik eingeleitet wird, zögern wir, uns diese Frage zu stellen... und so haben wir jene Fähigkeit verloren, die andere noch aufrecht hielten: die Frage der Insurrektion, ihrer Methoden und ihrer Ziele zu stellen.
Im Dezember 2008 versetzt die Wut die Stadtzentren von Griechenland in Feuer und Flamme. Die Verbreitung der zerstörerischen Praxis war beeindruckend, eine Frucht jahrelanger Kampferfahrungen und jahrelanger Verteidigung der Notwendigkeit der direkten Aktion. Dennoch ist diese Revolte im Allgemeinen eine Reaktion geblieben, eine wilde Reaktion ja, aber dennoch eine Reaktion. Und selten in der jüngsten Geschichte waren die Revolutionäre so gut vorbereitet, dass sie unmittelbar die Insurrektion voranstellen (und in ihre Richtung drängen) konnten, innerhalb einer Situation, in der die Antwort auf die Brutalität der Herrschaft die Form einer sich generalisierenden Revolte annahm. Denn wir müssen zugeben, wir hätten fast vergessen, dass es in der Vergangenheit Kameraden gab, und nicht nur eine Handvoll, die sich ganz bewusst der insurrektionellen Methode bedienten.
Wäre es, wenn wir die subversiven Potenziale in Betracht ziehen, die heute in Griechenland vorhanden sind, nicht denkbar, die Frage der Insurrektion in einem überlegteren Sinn auszuarbeiten, eine Insurrektion, die darauf abzielt, bestimmte Ziele zu erreichen und dabei gleichzeitig den notwendigen Raum zu befreien, um die bestehenden sozialen Verhältnisse zu untergraben? Werden wir jene Fähigkeit wiedererlangen können, die wir im Laufe des Niedergangs des Klassenkampfes und der revolutionären Initiativen verloren haben? Die Revolte vom Dezember 2008, sowie auch andere jüngste soziale Explosionen, die wir uns nur schwer vorstellen konnten, machen deutlich, wie sehr es noch immer möglich ist, gegen die beste aller Welten* in den Kampf zu ziehen. Ohne einem Optimismus zu verfallen, der in einen Kontext, in dem sich die Reaktion auf die Unterdrückung eher um reaktionäre Ideologien als um befreiende Emanzipation zu kristallisieren scheint, nicht angebracht wäre, scheint es dennoch, dass wir, so wenige wir auch sind, mehr tun können, als bloß von Zeit zu Zeit ein paar Schläge auszuteilen oder schlicht die sozialen Strohfeuer mit subversiven Vorschlägen zu begleiten.
Wenn wir in die Zukunft blicken, müssen wir uns die Frage stellen, ob der qualitative Sprung von den generalisierten Krawallen, die die Fassaden der Herrschaft beschädigen, zur Insurrektion, die ihre Fundamente erschüttert, noch immer möglich ist, und falls ja, wie wir diesen Sprung herbeiführen können. Dies hat nichts mit einem Avantgardismus zu tun, wie einige denken könnten, und auch nichts mit einem aktualisierten Blanquismus, wie ihn andere bereits predigen, sondern mit einem Drang, weiter zu gehen, um wieder insurrektionelle Hypothesen aufzustellen und in die Praxis umzusetzen.
Anhand der griechischen Erfahrung machen wir uns auf die Suche, weniger, um kristallklare Antworten zu finden, sondern, um mögliche und denkbare Wege aufzuspüren.


Die Frage des Winterpalastes

Es ist eine alte Metapher, aber manchmal sind selbst die ältesten Geschichten die Mühe wert, wiederholt und erneut interpretiert zu werden. Die Macht sitzt nicht – zumindest wenn wir für einen sozialen und nicht für einen politischen Wandel kämpfen – in irgendeinem Winterpalast, den es zu erobern gilt. Es stimmt, um eine banale politische Veränderung zu bewirken, würde es genügen, durch Wahlen oder mit Gewalt den Sitz der Macht einzunehmen, um sie dann auf eine andere Weise fortbestehen zu lassen. Die Fundamente der Macht und der Ausbeutung sind aber die sozialen Beziehungen, und darum muss die revolutionäre Aktivität darauf ausgerichtet sein, diese Beziehungen zu untergraben. Jede insurrektionelle Strategie, die sich dies nicht zur Kernfrage des Problems macht, droht schnell putschistischen Vorstellungen zu verfallen.
Die Revolte vom Dezember 2008 in Griechenland hat sich in den paar Wochen, die sie andauerte, so weit ausgebreitet, dass sie fast alle großen und kleinen Städte umfasste, dass der Benzingeruch in fast allen Vierteln zu riechen war und es schwer noch möglich war, ihren Schrei nicht zu hören. Aber die Ausbreitung der Revolte war nicht nur das Resultat eines quantitativen Wachstums der Bewegung. Der Grund dafür, dass mehr Strukturen angegriffen wurden, war nicht so sehr, dass sich tausende Menschen an die Seite der Revolte geschart haben. Vielmehr war es die Frucht einer sehr wertvollen Entscheidung, nämlich derjenigen, sich in keinster Weise zentralisieren zu lassen. Und diese Entscheidung war nicht die Anweisung irgendeines Zentral- oder Führungskomitees, sondern das Resultat der fruchtbaren Kreuzbestäubung zwischen den Erfahrungen der Vergangenheit und den antiautoritären Ideen. Ebenso war ein Wille anwesend, einen einheitlichen und massenorientierten Ausdruck der Revolte, der sich auf einen Ort oder ein Viertel konzentrieren würde, abzulehnen, und sich stattdessen für eine Vielzahl an nicht aufeinander abgestimmten und zerstreuten Initiativen zu entscheiden.
Die Entscheidung für die Dezentralisierung der Revolte, für eine Bewegung, die sich lieber vertreut als bündelt, ist eine Entscheidung, die inspiriert ist von der Zurückweisung der Politik, von einer Repräsentation, die nach Referenzmomenten strebt, wie die Großdemonstration oder den landesweiten Streiktag,... Sie ist auch ein Ergebnis der Gewohnheiten von Informalität, die in der anarchistischen Bewegung von Griechenland fest verankert sind, welche sich schon immer geweiger hat, sich um eine Synthesenorganisation (wie zum Beispiel eine anarchistische Föderation) oder um eine Organisation anarchosyndikalistischen Typs aufzubauen, welche das Spektrum der sozialen Subversion auf den Kampf rund um die Produktionsstätten reduzieren würde. Die „Stärke“ der Anarchisten in Griechenland liegt auch an der Tatsache, dass sie sich nach Affinitäten organisieren, in einem sich kontinuierlich ausweitenden Archipel aus Verbindungen zwischen Individualitäten und kleinen Gruppen, und dass sie – auch in ihrem Innern – das Aufkommen von dominanten Gruppen oder Repräsentanten innerhalb des sozialen Kampfs bekämpfen.
Diese Revolte strebte also nicht danach, sich eine Repräsentation zu erkämpfen. Sie hat, in der Praxis, jeglichen Dialog mit der Macht und ihren Konkurrenten verweigert. Sie hat sich geweigert, sich in das Spiel der Forderungen hineinziehen zu lassen, sich in der Suche nach einem Kräftemessen mit dem Staat und seinen Bullen dort zu verlieren, wo sie ihr auflauern.
Die Revolte vom Dezember 2008 war nicht zentralisiert, auch wenn das eine Frage ist, die sich vor allem die Teilnehmer an den Versammlungen in der Polytechnischen Schule, gleich neben Exarchia, gestellt haben. Während es den Revoltierenden im Laufe der ersten Tage nach dem 6. Dezember gelang, die Ordnungskräfte aus Exarchia und aus der Umgebung der besetzten Universitäten zu verjagen, hat der Staat nicht gezögert, diese erneut zu organisieren und zu versuchen, die Revolte in einem Umkreis von einem Quadratkilometer rund um Exarchia einzudämmen. Den Kameraden war sehrwohl bewusst, dass eine Revolte, die sich territorial isolieren lässt, dazu verurteilt ist, in einem Blutbad zu enden. Nach diesen ersten Tagen begann die allgemeine Stimmung also wieder umzuschlagen, um sich einer Rückkehr in die anderen Viertel der Metropole zuzuwenden und so die Initiative – das einzige Mittel gegen das vorhersehbare Ersticken – zu behalten.
Diese Zerstreuung stellt sich dem klassischen Konzept der Befreiung von Territorien, das heißt, Bollwerke zu errichten, indem man die Bullen und Ordnungsvertreter aus ihnen vertreibt, und hofft, beziehungsweise versucht,

dass sich dies wie ein Ölfleck ausweitet, de facto entgegen. Obwohl die Rebellen zahlreich und entschlossen waren, wäre es unmöglich gewesen, einen solchen Stellungskrieg zu halten. Tatsächlich haben es die Bullen bereits in der ersten Woche schnell geschafft, sich neu zu organisieren, um die Straßen und Plätze von Exarchia und die Straßen rund um die besetzten Universitäten vorläufig wieder einzunehmen – womit sie die Revoltierenden einluden, sich in einem Kampf nach militärischen Regeln zu verlieren, den sie niemals gewinnen könnten.
Ohne Stützpunkte, ohne „Brückenköpfe“, ist jeder Versuch einer Insurrektion zum Scheitern verurteilt, das bedeutet jedoch nicht, dass diese Stützpunkte per se fixiert oder territorial definiert sein müssen. Die „Brandherde“ der Revolte vom Dezember 2008 befanden sich in der Aktion selbst, in der spontan oder informell organisierten Koordination zwischen den Rebellen. Sie haben sich mit Instrumenten zur Diskussion und Koordination, wie den oft kurzlebigen Versammlungen, ausgestattet. Nur in einigen Fällen sind diese Versammlungen zu permanenten Organen geworden, womit sie sich de facto immer weiter von den wirklichen Fragen der Revolte entfernten.
Obiges gilt umso mehr, da die Revoltierenden, auch in den zerstörerischen Aktionen, nicht darauf beharrt haben, immer am selben Ort oder dieselben Ziele anzugreifen. Es fällt daher auch schwer, zu verstehen, wieso so viele Artikel und Analysen über den Dezember 2008 so sehr auf der Anzahl Versuche insistieren, den Christbaum auf dem Syntagmaplatz erneut anzuzünden. Während all dieser Wochen haben die Revoltierenden ihre Fähigkeit bewiesen, dort anzugreifen, wo sie nicht erwartet wurden, sich zu zerstreuen, wenn es notwendig wurde und sich nicht in eine Konfrontation verstricken zu lassen, die die diffusen Angriffe in einen Grabenkrieg verwandeln würden. Diese Form der Revolte zeugt darüber hinaus von ihrem zu tiefst antiautoritären Charakter: sie überließ jedem und jeder die Verantwortung, autonom zu handeln, nach den eigenen Vorstellungen und Einschätzungen, anstatt auf eine Erwartungshaltung auf die nächste Krawalldemonstration abzuzielen. Es ist die Spannung eines Strebens nach Dezentralisierung, nach Autonomie und nach der Verantwortung eines jeden kämpfenden Individuums, die dieser Revolte ermöglichte, sich auszuweiten und mehrere Wochen lang anzudauern.


Die Fassaden und die Infrastruktur

Während der ersten Tage der Dezemberrevolte gelang es den Revoltierenden, einen Teil der Warenzirkulation lahmzulegen, indem sie unzählige sichtbare Strukturen der Herrschaft angriffen, plünderten und in Brand steckten. Im Verlauf der drei Wochen, die die Revolte andauern sollte, wurden mehr als 500 Geschäfter, Banken und Regierungsgebäude niedergebrannt.
Sehr bald ging es nicht mehr nur darum, anzugreifen, um seine Wut über den Mord an Alexis und gegen dieses soziale Gefängnis auszudrücken, in dem wir alle eingesperrt sind. Die Revolte ließ die Möglichkeit erkennen, viel weiter zu gehen. Es stellte sich also die Frage, wie man eine Rückkehr zur Normalität verhindern konnte, um so den Raum und die Zeit zu kreieren, die notwendig sind, um gewisse Fragen auf den Tisch zu werfen und die Diskussion und Auseinandersetzung mit allen Ausgebeuteten zu fördern, auch mit jenen, die sich noch in einer „Zuschauerrolle“ befanden, eine Rolle, in die sie der Staat um jeden Preis zu drängen versuchte.
„Es ist unmöglich, im Schatten einer Kirche frei zu denken“, und eben diese Feststellung ist es, die uns veranlasst, eine Triebkraft in Richtung von Brüchen zu sein. Und dann müssen wir in den Spiegel schauen und uns fragen, wie es möglich wäre, die Adern dieser Gesellschaft trocken zu legen. Nicht um ein sogenanntes Kräfteverhältnis mit dem Staat und seinen Repräsentanten zu entwickeln, nicht um Druck auf die „passiven“ Massen auszuüben, sondern eben um, wenn auch nur vorübergehend, die alltäglichen Klauen der Autorität etwas zu lösen und den Raum zu schaffen, der in dem Bruch entsteht, um die richtigen Fragen zu stellen.
Im Spanien vor 1936 versuchten es die Revolutionäre mit einer Insurrektion nach der anderen. Es wäre sicherlich interessant, auf diese Periode genauer einzugehen, um die Entwicklung insurrektioneller Hypothesen, ihre praktische Umsetzungen und ihre Auswirkungen zu verstehen. Hier aber wollen wir nur einen Aspekt anführen, der uns sehr zutreffend scheint: trotz der Tatsache, dass die Technologien damals viel weniger entwickelt waren als heute, versuchten die Aufständischen bereits ab der ersten Stunde der Insurrektion (ja sogar schon ein kleines bisschen vorher...) alle Kommunikations- und Transportmittel zu unterbrechen. Im Laufe der Vorbereitungen und während der Insurrektion in Asturien von 1934 hatten sich die Aufständischen organisiert, um die Eisenbahnlinien abzuschneiden, denn diese stählernen Monster konnten in wenigen Stunden hunderte Soldaten herbeischaffen oder, umgekehrt, Waffen und Fertigprodukte, die von gewisser Nützlichkeit waren, aus der kaum eroberten Stadt herausschaffen
Ebenso wie es willkommen wäre, wenn das Fernsehen während einer Revolte, die sich generalisiert, einmal eine Zeit lang schweigen würde, so wäre es auch nützlich, wenn die Produktion, falls sie nicht durch Streiks oder Sabotagen am Arbeitsplatz blockiert wird, etwas unterbrochen wird und die Zirkulation sich auf die Bewegungen der Aufständischen reduziert. Im Grunde sind Kommunikation und Produktion von der Infrastruktur, das heißt, von der Elektrizität, den Telefonverbindungen, den Verkehrsadern und dem unaufhörlichen Informationsfluss derart abhängig geworden, dass man kein großartiger Spezialist sein muss, um diese lahm zu legen.

Die zwei Jahrzehnte verstreuter Revolte in Griechenland und ihre soziale Verteidigung haben im Dezember 2008 ihre Früchte getragen. Im Laufe der Jahre wurden, sowohl auf der Ebene der Gegeninformation als auch auf der Ebene des Angriffs, die Strukturen des Feindes identifiziert und für die Augen aller sichtbar gemacht, die noch sehen wollen. Wichtiger als jede Vorbereitung oder Strategie, war es diese bewusste und willentliche Entscheidung für den Angriff, hier und jetzt, die dieser Revolte die notwendige Luft zum Atmen gegeben hat, ein Sauerstoff, der sie ebenfalls beflügelte, um über die Grenzen hinaus zu fliegen. Es bleibt dennoch nicht weniger wahr, dass die Frage, in Momenten, die solche Möglichkeiten öffnen und in denen alles auf dem Spiel stehen kann, nicht darauf reduziert werden darf, möglichst viele Fassaden der Herrschaft zu zerstören, sondern eben darauf abzielen sollte, Schritte in Richtung des Angriffs auf die Infrastrukturen zu machen. Denn in seinen Kellern bewahrt der Staat ganze Kartographien der Bevölkerung auf und in den Forschungszentren gewinnen die künftigen tödlichen Projekte der Herrschaft Stück für Stück an Form. Ohne uns Illusionen darüber zu machen, dass die Zerstörung von auch all dem ebenfalls die bestehenden sozialen Verhältnisse umwälzen würde, könnten wir zumindest versuchen, den Weg für die Subversion offen zu halten, indem wir jene Projekte behindern, welche die Möglichkeit dieser Subversion für immer belasten können.
Die Tatsache, dass eine Generalisierung der Revolte Brüche ermöglicht, die tiefer gehen, als in Zeiten des „Friedens“, bedeutet nicht, dass sie deswegen als etwas betrachtet werden kann, dass von allen anderen, oft spezifischen oder partiellen Kämpfen, die bis dahin geführt worden sind, losgelöst ist. Wir könnten das Ansteigen der sozialen Temperatur und die wachsende Stärke ausnutzen, um die Möglichkeiten zu evaluieren, diese Kämpfe zu einem Endpunkt, zu einem Ziel zu bringen. So würden wir noch immer zu einer Ausweitung der Revolte beitragen, indem wir die Subversion in Gebiete bringen, in denen bereits gekämpft wird. Indem wir beispielsweise den wachsenden sozialen Groll mit dem kleinen Bisschen verbinden, das oft noch fehlt, um den Bau irgendeines schädlichen Projektes zu verhindern. Dies würde uns ermöglichen, zwischen dem was vor, während und nach der Intensivierung des sozialen Krieges stattfindet, ein Band zu schmieden.

Die Besetzungen

Eine der wesentlichen Fragen, die sich sowohl die Revoltierenden als auch diejenige gestellt haben, die versuchten, die Bewegung zu analysieren, lautet: Wie wäre es möglich, mehr Menschen mit einzubeziehen? Nicht nur im quantitativen Sinn, sondern vielmehr in Bezug auf die sozialen Kategorien. Wie beispielsweise die Kluft schließen, die die Randalierenden auf der Straße von den Arbeitern in den Produktionsstätten oder von den Migranten in den Vierteln trennte?
Zuallererst, und mit dem Risiko, pessimistisch zu sein, was die „historischen Missionen“ der Arbeiterklasse, der Prekären oder der Migranten betrifft, sollt gesagt sein, dass oft vergessen wird, dass es für die befreiende Revolte unentbehrlich ist, aus den sozialen Rollen herauszutreten. Es ist wahr, dass die Revolte von dort ausgehen muss, wo wir stehen, sie muss sich aber auch, um insurrektionelle Allüren anzunehmen, gerade gegen da richten, wo wir stehen. Und wenn es von größter Wichtigkeit ist, aus seiner sozialen Rollen herauszutreten, wie können wir unsere Perspektiven dann darauf stützen, die Ohren irgendeiner sozialen Kategorie zu öffnen? Wir würden nichts anderes tun, als diese zu reproduzieren. Wäre es im Gegenteil nicht denkbar, eine Entwicklung von Perspektiven anzugehen, die jeden auffordert, die tägliche Knechtschaft und deren Rollen zurückzulassen? Nicht wenige Kameraden waren überrascht, als sie sahen, wie sich hunderte „Migranten“, obwohl sie mit aktivistischer Viktimisierung bombardiert wurden, der Bewegung der Revolte anschloßen und sich an den Krawallen, Plünderungen, etc. beteiligten.
Ein Versuch, um zur territorialen und sozialen Verbreitung der Revolte beizutragen, war im Dezember 2008 das Besetzen von Gebäuden und die Verwandlung dieser in Orte der Begegnung und der Diskussion. Die Kameraden hatten es sich bereits zur Gewohnheit gemacht, in Momenten wachsender Konfliktualität verschiedene Universitäten zu besetzen. Dies war auch Anfang Dezember 2008 nicht anders. Während die ersten Versammlungen in diesen besetzten Universitäten stattfanden, wurden in allen Ecken Griechenlands auch dutzende Schulen besetzt. Diese Schulbesetzungen dienten weniger als Bezugspunkte und Diskussionsräume, sondern waren Ausgangspunkte, um gemeinsam wilde Demonstration zu starten oder, um Blockaden oder Angriffe vorzubereiten. Sie waren sozusagen beinahe technische Werkzeuge, die zur Koordination und Organisation der Initiativen notwendig waren.
Später wurden in verschiedenen Vierteln von Athen Verwaltungsgebäude und Rathäuser besetzt. Während diese einerseits eine Antwort auf die materiellen Nöte der Revoltierenden boten, waren sie auch dazu berufen, eine andere Rolle zu spielen: eine Rolle der Selbstverwaltung. Dies war beispielsweise bei der Besetzung des Rathauses von Halandri der Fall, wo die Besetzer die Gemeindeangestellten gebeten haben, ihre Tätigkeiten zur Unterstützung von Bürgern und Migranten (hauptsächlich das Ausstellen von Aufenthaltsbewilligungen) fortzusetzen und ihre „schädlicheren“ Tätigkeiten niederzulegen. Hier taucht eine interessante Frage auf, die sich fast ausschließlich in einem Kontext einer generalisierten Revolte stellt: Was anfangen mit dem Bestehenden, wenn man seine Aufmerksamkeit bereits auf das richtet, was nach der Revolte, sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne, kommen wird? Einerseits gibt es die Möglichkeit, die neuralgischen Infrastrukturen der Herrschaft zu zerstören (wie beispielsweise in den Rathäusern die Grundbücher und Bevölkerungsregister, die ganze Steuerbürokratie, ausstehende Bezahlungen, Melderegister, etc.), wodurch eine schnelle Rückkehr zur Normalität erschwert wird. Andererseits könnte man meinen, dass ein gewisser Pragmatismus, falls die Revolte nicht plötzlich in die Revolution mündet, einer insurrektionellen Logik nicht per se schaden würde. Wenn Geld verbrannt wird, dann ist das, um gewisse Fragen auf den Tisch zu bringen, aber wäre die Aneignung von Geld während einer Revolte nicht schlichtwegs eine Vorbereitung auf die nächste Insurrektion? Gilt dies dann nicht auch für alle Arten von Ausweispapieren? Das Terrain ist vielleicht heikel, aber diese Fragen drängen sich auf und können schwerlich, sei es auf rein ideologische oder auf rein strategische Weise, außerhalb von bestimmten Kontexten beurteilt oder geklärt werden.
Aber kommen wir zurück auf die Besetzungen. Die meisten Versammlungen [frz.: assemblées] fanden innerhalb dieser Besetzungen statt, was jedoch nicht bedeutet, dass sie vor faulen Mechanismen gefeit wären, nur weil sie im Kontext eines Kampfes stattfinden. Die Repräsentations- und Delegationsmechanismen wuchern während Versammlungen, bei denen mehr als hundert Menschen anwesend sind, fröhlich vor sich hin, vor allem wenn es darum geht, zu einer gemeinsamen Entscheidung zu gelangen. Nun, wie können wir vermeiden, dass Versammlungen, die notwendige Instrumente zur Koordination und Begegnung sind, zu kleinen antagonistischen Parlamenten werden? Wie kann verhindert werden, dass sie sich die Macht verschaffen, Beschlüsse zu fassen und im Namen ihrer Teilnehmer zu sprechen? Können wir uns Versammlungen nicht als Diskussions-Momente vorstellen, anstatt als entscheidungstreffende Instanzen? Lasst uns deutlich sein: auch wenn die „Resolutionen“, die im Dezember 2008 von den Versammlungen angenommen wurden, überwiegend einen anti-autoritären Charakter hatten, so ändert das im Grunde nichts am Problem, wie man verhindern kann, dass die Repräsentations- und Delegationsmechanismen reproduziert werden. Denn ein Miniparlament, das für eine anarchistische Resolution stimmt, wird immer ein Parlament bleiben, ein Quell von Mediation und ein Hemmschuh für die freie Assoziation und die freie Initiative. Man könnte sich also auch fragen, wie es möglich ist, dass Texte erscheinen konnten, die von solchen Versammlungen unterzeichnet sind. Es scheint mir fast undenkbar, dass hunderte Menschen sich in einer freien und horizontalen Art, gemeinsam, über Texte von zwei Seiten ausdrücken konnten... Wie man es auch dreht und wendet, verschwiegen und verborgen oder nicht, es ist der Abstimmungs und der Delegationsmechanismus, der dies ermöglicht. Wäre es stattdessen nicht denkbar, alle zu ermutigen, das niederzuschreiben, was er oder sie denkt, ohne es durch irgendeinen Stempel legitimieren zu müssen (wie die Unterzeichnung mit „Versammlung von...“), und einen Text in dem Masse zu beachten, wie er anspricht, inspiriert oder auf bestimmte Fragen antwortet? Eine freie Zirkulation von Ideen zu ermutigen, die nicht nach irgendeiner Repräsentation streben?
Eine der Besetzungen, die in gewissen Milieus viel kommentiert und manchmal auch verherrlicht wurde, war jene des Gewerkschaftssitzes der GSEE. Dieses Gebäude wurde von Basissyndikalisten, autonomen Kommunisten und anti-autoritären Kameraden besetzt. Sie veröffentlichten mehrere Texte, die mit „die Besetzer“ unterzeichnet waren, Texte, die vor allem zur Selbstorganisation aufriefen (es ist nicht ganz klar, ob sie damit die Selbstorganisation des Kampfes ausserhalb jeglicher Repräsentation, oder schlicht das Organisieren von „Basisgewerkschaften“ meinten) und eine große „proletarische“ Beteiligung anstrebten.Ich gehe davon aus, dass es auch für die Besetzer offenkundig war, dass die Gewerkschaften und der Syndikalismus Hilfsstrukturen der kapitalistischen Verhältnisse sind. Warum also sollte man ihre Gebäude besetzen? Weil ihre Zerstörung von den Gewerkschaftlern schlecht aufgefasst würde? Weil eine Besetzung beweisen würde, dass ein Kampf ausserhalb der Gewerkschaften möglich ist – obwohl dies auf der Strsse bereits für jeden sichtbar war, der Augen hat und sehen will? Oder etwas, weil es der Bewegung eine gewisse Legitimität geben würde, wenn Strukturen des Feindes erobert werden? Dies scheint mir dasselbe Paradox zu sein, wie jenes, das Parlament zu besetzen, um die Selbstorganisation zu verkünden. Vergessen wir auch nicht, dass sich ein Teil der Besetzer des GSEE physisch gegen Kameraden widersetzte, die die Archive und das Material der Gewerkschaft zerstören wollten; und dass sie sogar die Türen des Gebäudes verschlossen hielten, als Menschen draussen auf der Straße versuchten, einem Polizeiangriff zu entkommen. Auch die besten Absichten verhindern nicht, dass es zu Abrutschern in die Politik kommt und diese die Revolte Stück für Stück von innen anfrisst.


Die Plünderungen

Ab dem dritten Tag nach der Ermordung von Alexis begannen sich die Plünderungen zu verbreiten. Viele andere Leute, die sich nicht nur mit der Polizei konfrontierten, sondern auch versuchten, sich einiger Waren zu bemächtigen, schlossen sich den Revoltierenden an. der Zauber des Respekts vor dem Eigentum anderer schmolz weg wie Schnee in der Sonne. Dass sich die Ausgebeuteten auf einmal selbst bedienen, ohne einen Zwischenhändler mit einzubeziehen, ist ein schöner Kontrast zur Gewohnheit der freiwilligen Untertänigkeit, zum üblichen Loblied auf die Arbeit und zum „man muss sich sein Leben verdienen“.
Als auf einmal Menschen mit den Händen voller Mobiltelefone, Computer, Radios, etc. zur besetzten Polytechnischen Schule zurückkamen, fanden dort Diskussionen von mehreren Stunden darüber statt, was damit angefangen werden sollte. Letztendlich wurden die geplünderten Waren verbrannt. Auch wenn dies nur eine kurze Episode war (der Großteil der geplünderten Waren wurde natürlich mit nach Hause genommen), öffnet sie den Weg für eine interessante Fragestellung. Wenn es zwar stimmt, dass der Respekt vor dem Privateigentum während Plünderungen dahinzuschmelzen scheint, so handelt es sich dabei nicht per se um Angriffe gegen die kapitalistische Akkumulation oder die Warenlogik. Der Unterschied zwischen einer Plünderung, die sich aneignen will, und einer Plünderung, die enteignen will, liegt wahrscheinlich in ihrem Warum, in ihrer Intention. Genauso wie alle anderen, können auch Revolutionäre, durch die Möglichkeiten, die sich konkret ergeben, die Gelegenheit einer Revolte ausnutzen, um an die Zukunft, an das Danach zu denken und sich im Hinblick auf kommende Kämpfe materiell zu versorgen. Es wäre eher traurig, wenn man aus einem insurrektionellen Moment mittelloser herauskommt, als man es vorher war. Hier unterscheidet sich das Warum jedoch sehrwohl von denjenigen, die plündern, um die Waren anschließend auf dem Markt weiterzuverkaufen, und somit die kapitalistische Akkumulation innerhalb einer Intensivierung der Subversion fortführen. Ja, es gibt einen Unterschied: Plünderungen sind illegal, während die Lohnausbeutung legal ist, was jedoch verändert das in Bezug auf den Angriffe gegen die kapitalistischen Verhältnisse? Vielleicht wäre es besser, davon abzusehen, die Plünderungen zu verherrlichen (im Stil von einer „legitimen Wiederaneignung der Ausgebeuteten, um sich ein Stück des „Produkts ihrer Arbeit“ zurückzuholen“); ebenso, wie es fehl am Platz wäre, die Plünderungen zu verurteilen (im Stil von “die Ausgebeuteten wollen nur selbst Kapitalisten werden). Vielleicht können wir einfach sagen, dass Plünderungen normal sind, und dass sich die Tiefe der Subversion proportional zur Veränderung der Haltung gegenüber den Waren, zum Warum der Plünderung und zum konkret Werden der Enteignungsfrage verhält.
„Auf dass jeder nach seinen Bedürfnissen nehme“ war eine alte Devise der sozialen Revolution. Sie bleibt noch immer gültig, sowohl zu Zeiten einer Insurrektion als auch zu Zeiten des sozialen Friedens, sowohl in kollektiver als auch in individueller Hinsicht. Doch angesichts des immer tieferen Eindringens der Warenlogik, müssen wir aus der Dialektik zwischen kapitalistischer Enteignung und einfacher Aneignung heraustreten, insbesondere, wenn man die Entwicklung von immer schädlicheren Technologien in Betracht zieht. Wie können wir die Frage der Bedürfnisse von dem loslösen, was uns die kapitalistische Gesellschaft als unsere Bedürfnisse einhämmert? Eine Insurrektion, die nicht fähig ist, sich diese Fragen zu stellen, wird sich schnell in einer Sackgasse wiederfinden, in der die Revolte unvermeidlich durch den Kapitalismus absorbiert wird. Es wäre mutiger, sich diese Fragen zu stellen, ohne in einen asketischen Moralismus zu fallen, anstatt einfach das „jeder nach seinen falschen Bedürfnissen“ zu bejubeln.


Das Warum artikulieren

Wenn es der Revolte nicht gelingt, die Rollen, die uns diese Gesellschaft auferlegt, umzustürzen, wird sie schnell sterben. Würden wir denken, dass die Domestizierung der Individuen durch ihre Umgebung und ihre soziale Rolle unumstößlich sei, würde dies das Ende des Traumes von der sozialen Revolution und allgemeiner von jeglicher Emanzipation bedeuten. Aber glücklicherweise widerlegt die Realität der Revolte solch düstere Gedanken, die ein fruchtbarer Boden sind für einen Zynismus, der letzten Endes die Möglichkeit der Subversion negiert, oder für eine aristokratische Selbstverherrlichung, die die Ausgebeuteten so sehr verachtet, dass sie diese gleichermaßen als Feinde betrachtet, wie die Ausbeuter.
Das ändert aber nichts daran, dass es, solange sich die Ausgebeuteten weiterhin als solche definieren und ihre Revolten weiterhin auf die soziale Rolle abstimmen, die ihnen auferlegt wird, keiner Explosion, wie groß diese auch sein mag, gelingen wird, die sozialen Verhältnisse umzustürzen und mit dem Rollenspiel dieser Gesellschaft reinen Tisch zu machen. In den zahlreichen Kommuniqués, die im Dezember 2008 das Licht der Welt erblickten, ließen Migranten, Soldaten, Schüler, revoltierende Jugendliche, wütende Arbeiter, etc., ihre „Zustimmung“ zur Revolte erkennen, indem sie ihre soziale Bedingung in den Vordergrund stellten. Natürlich kritisieren sie ihre Bedingung, doch fanden es fast alle wichtig, sich zu definieren, sich dieses oder jenes Etikett zu geben und auf diese Weise die auferlegten Kategorien auf sich zu nehmen. Natürlich sagt es viel aus, wenn nicht nur ein spezifischer „Sektor“ in Bewegung gerät und die anderen sich anschließen, aber das wichtigste sind nicht die „Sektoren“, sondern die Motivationen, die Warum‘s, die Verlangen nach dem Umsturz ihrer Bedingung. Es ist dieser qualitative Sprung, der als Zeichen einer insurrektionellen Perspektive betrachtet werden kann, vielmehr als die Tatsache, dass sich „andere Kategorien“ dem Kampf hinzufügen.
Die Frage bleibt allerdings noch immer dieselbe. Wie und auf welchen Grundlagen können die Revoltierenden einander begegnen und sich in der Revolte zusammenschließen? Reicht es, die Wut zu teilen oder einander im gemeinsamen Angriff gegen die Strukturen dieser Welt zu begegnen? Oder ist der insurrektionelle Prozess eben jener qualitative Sprung heraus aus der Dialektik zwischen der unterdrückenden Realität und der rein zerstörerischen Negation davon?
Es ist lange her, dass wir so massenhafte Solidaritätsbekundungen gesehen haben, wie während dieses Dezembers 2008. Überall auf der Welt mussten die Strukturen von Staat und Kapital Schäden erleiden, nicht nur mit der Solidarität im Herzen, sondern auch der Entschlossenheit, das Feuer der Revolte auch im eigenen Kontext zu schüren. Die Revolte in Griechenland hat Revoltierende von anderswo inspiriert, im Bewusstsein, dass es einen sozialen Sturm braucht, um in einer gemeinsamen Spannung nach Freiheit Komplizen zu finden und Banden zu schmieden. Vielleicht können wir aus den Spuren dieser internationalen Solidarität einen Versuch herauslesen, ein bestimmtes Warum zu artikulieren. Über die Grenzen und sozialen Kategorien hinaus, haben sich die Rebellen woanders in der Möglichkeit wiedererkannt, alles auf eine Karte zu setzen.

Der Wille

Viele Analysen (und hauptsächlich nicht diejenigen, die aus Griechenland kamen) schieben unaufhörlich die „Krise“, die „besondere Brutalität der griechischen Polizei“ oder auch die „Korruption und Schwäche des griechischen Staates“ in den Vordergrund. Über diejenigen, die ewig auf der Suche nach „objektiven Bedingungen“ sind, könnten wir uns amüsieren, indem wir dutzende Gegenbeispiele nennen, bei denen praktisch niemand auf den Mord durch einen Polizisten reagiert hat und bei denen die „Antwort des Proletariats“ auf eine Krise vor allem darin zu bestehen schien, sich so schnell wie möglich anzupassen. Ich will hier nicht den Einfluss der sozialen und ökonomischen Situation auf mögliche Revolten abstreiten, doch es gibt schlicht kein Ursache-Wirkungs Verhältnis zwischen Unterdrückung und Revolte, und genauso wenig gibt es eine „Bewegung des Kapitals“, welche die Ausgebeuteten per se revoltieren lässt.
Es wäre eine Mystifizierung, die Revolte vom Dezember 2008 als eine automatische Konsequenz der verschlechterten Lebensumstände darzustellen. Sie war eine freiwillige Bewegung, eine bewusste Wahl, auch wenn sie größtenteils eine Reaktion war. Sie war Ausdruck der Tatsache, den Kampf in erster Person zu leben – und nicht als Spielstein der historischen Entwicklung. Und darüber hinaus können wir sagen, dass sie das Ergebnis jahrelanger, hartnäckiger Kämpfe von Anarchisten und anderen sozialen Rebellen war. Diese Revolte zeigt einmal mehr, dass die revolutionäre Aktivität, in all ihren Aspekten, auch in Zeiten geringerer sozialer Konfliktualität ebenso wichtig ist, und dass sie jederzeit Früchte tragen kann, auch wenn die sozialen Explosionen manchmal sehr weit entfernt scheinen.





[Text geschrieben im November 2009]




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* Der französische Begriff “Le meilleur des mondes” wurde 1710 von dem Philosophen Leibniz geprägt, der behauptete, dass Gott die “beste aller möglichen Welten” geschaffen hat. Es ist auch der französische Titel des dystopischen Romans Brave New World (Schöne neue Welt) von Aldous Huxley.

 




 



Reise ins Herz einer Möglichkeit


Auch wenn die Überraschung ein ganz angenehmes Gefühl sein kann, so sollten wir doch alles daransetzen, dass wir den gegenwärtigen Herausforderungen nicht als hilflose Kommentatoren beiwohnen, ertränkt in der Passivität, die uns die Herrschaft einflössen will.



Die Umstrukturierungen, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges oder in anderen Ländern nach der Zeit der Diktaturen unternommen wurden, setzten jahrelang auf einen Sozialstaat, der imstande war, diese Neubegründung des Kapitalismus zu begleiten und dessen soziale Spannungen zu verwalten. Seit den 80er Jahren sind die sogenannten „sozialen Errungenschaften“ jedoch stark in Beschuss geraten und im Laufe der 90er Jahre beschleunigte sich ihr Abbau und Zerfall auf ein Tempo, das vom internationalen Kontext und von den lokalen Kräfteverhältnissen bestimmt wurde. Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, der Abbau der sozialen Fürsorge und des Rentensystems, die Liberalisierung und anschließende Privatisierung des Energie-, Kommunikations- und Transportsektors erschütterten das, was viele lange Zeit für Sicherheiten hielten.
Im Grunde ist die „Finanzkrise“ des vergangenen Jahres keine Krise, sondern eine Konsequenz dieser neuen Umstrukturierungen. Jenseits der enormen Summen, die von vielen Staaten provisorisch bereitgestellt wurden, um einige Banken zu „retten“, wurden vor allem die Verkäufe von Unternehmen und „öffentlichen“ Industrien fortgesetzt. Infolgedessen verbleiben die Staaten massiv verschuldet und einige der Rezepte, die ihre Kassen hätten wiederauffüllen können, wurden bereits ausgeschöpft. Sie werden also weiterhin ins Fleisch der Menschen schneiden müssen. Die heutige Situation in Griechenland liefert uns ein Vorgeschmack dessen, was uns auch in anderen Ländern erwartet.
Die Sparpläne, die heute schon in England, Spanien, Italien, Griechenland und vielen anderen europäischen Ländern eingeführt werden, sind dem, was jahrzehntelang eines der Paradigmas des „Sozialstaates“ war – der Erhöhung des Konsums auf dem Binnenmarkt – diametral entgegengesetzt. Einerseits reduziert der griechische Staat den Zugang zum Konsum (mit Lohn- und Rentensenkungen) und andererseits erhöht er die direkten und indirekten Steuern drastisch, um noch etwas Geld in die Taschen zu kriegen. Das deklarierte Ziel ist nicht länger die in Europa so gepflegte „Integrierung der Armen“, es wird offen hingenommen, dass sich eine ganze Bevölkerungsschicht, die bereits dem Elend ausgesetzt ist, nun einer verstärkten Ausbeutung unterordnen muss und sich damit glücklich schätzen soll. In groben Zügen wurde diese Richtung schon seit Jahren auch von der europäischen Migrationspolitik eingeschlagen. Angesichts einer kontinuierlich anwachsenden Migration, verwaltet die sogenannte Festung Europa die Flüchtlingsströme schon immer durch Regularisierungen und Erhöhungen der Abschiebekapazität, jedoch eng verbunden mit immer prekäreren Arbeitsverträgen. Die Existenz einer Unterschicht in der Bevölkerung wird also ausdrücklich, je nach Anforderungen des Marktes, akzeptiert und erwünscht.
Gewisse Konflikte der vergangenen Jahre (Argentinien 2001 oder Bangladesch vor allem 2006) waren bereits Zeichen einer Verschärfung des ökonomischen Krieges. Die heutigen Ereignisse in Griechenland sind die europäische Bestätigung davon. Obwohl sich immer dunklere Zeiten ankündigen, und die gegenwärtige Schwäche der sozialen und revolutionären Kritik wird dies nicht widerlegen, verspüren wir die Intuition, dass auch für uns neue Zeiten anbrechen können, Zeiten, die Möglichkeiten eröffnen könnten, die wir lange Zeit aus den Augen verloren. Aber dies sicherlich nicht, indem wir uns nach Begründungen im Stil von „je schlimmer desto besser“ richten. Auch wenn die Überraschung ein ganz angenehmes Gefühl sein kann, so sollten wir doch alles daransetzen, dass wir den gegenwärtigen Herausforderungen nicht als hilflose Kommentatoren beiwohnen, ertränkt in der Passivität, die uns die Herrschaft einflößen will.


Im Land von Prometheus

Wir müssen in die Geschichte ziemlich weit zurückgehen, um einen Moment und einen Ort zu finden, an dem die revolutionäre – und darüber hinaus größtenteils antiautoritäre – Bewegung fähig war, den sozialen Entwicklungen und dem sozialen Kampf so nahe zu stehen, wie dies momentan in Griechenland der Fall ist. Es ist das vorläufige Resultat von vielen Jahren Kreuzbestäubung zwischen der griechischen anarchistischen Bewegung, in ihrer ganzen Vielfalt, und einer bestimmten sozialen Kampfbereitschaft. Viele Male haben die griechischen Anarchisten an der Seite der sich auflehnenden Unterdrückten gestanden, während sie gleichzeitig bewiesen haben, imstande zu sein, auch in Zeiten zu kämpfen, in denen der Rest der Gesellschaft in die andere Richtung blickte. Unsere Feinde sind sich dessen mindestens ebenso bewusst wie wir. Griechenland war nicht nur das erste Land der Eurozone, das drastische soziale Maßnahmen gegen die Ausgebeuteten vornehmen musste; Griechenland war und ist nicht nur eine wichtige Basis für militärische Operationen hauptsächlich in Richtung der Balkanländer und gleichzeitig eine Pforte nach Europa für Migranten aus dem Osten; es ist auch ein Land, das sich mit großen sozialen Spannungen und einer hartnäckigen revolutionären Aktivität konfrontiert sieht.

Heute, da die institutionelle Linke an der Macht ist, kann sie nicht mehr auf althergebrachte Weise ihre Rolle als Rekuperateurin und Hemmschuh des sozialen Kampfes spielen. Diese Karte verspielte sie bereits, als sie auf der Basis eines „progressiven Programms“, infolge der Explosion vom Dezember 2008 in die Regierung gewählt wurde. Der Spielraum der griechischen politischen Klasse hat sich also beträchtlich verringert, und im Falle einer Ausbreitung und Verhärtung der Konflikte öffnen sich ihr zwei – historisch gesehen keineswegs neue – Wege: entweder es gelingt der harten Rechten, gestützt auf einen latenten Patriotismus und den Anforderungen des nationalen und internationalen Kapitals entgegenkommend, die Ordnung mit Hilfe einer technischen Regierung und eiserner Hand wiederherzustellen; oder es erscheint die Möglichkeit einer Insurrektion am Horizont. Es steht viel auf dem Spiel.
Fast das ganze Jahr 2009 über wurde Griechenland von einer langen Reihe von Streiks, Blockaden, Demonstrationen und Angriffen gegen die Strukturen der Macht erschüttert. Die Störung der Wirtschaft war groß, als Tausende Landwirte die Autobahnen und die Häfen blockierten und somit aufzeigten, das es möglich ist, den Kampf auf eine andere Art anzugehen, als die Streiks und die von den Gewerkschaften dirigierten Demonstrationen. Konfrontiert mit einer wachsenden Spekulation über die griechischen Staatsschulden (wobei angemerkt werden sollte, dass ein Großteil der griechischen Schulden in den Händen „griechischer“ Banken liegt) und mit dem explosionsartigen Anwachsen der Haushaltsdefizite, schaltete die sozialistische Regierung anfangs 2010 in den fünften Gang hoch, was auch eine Beschleunigung der Protestbewegungen provozierte. Es ist nicht übertrieben, von einem „Kriegsklima“ zu sprechen, sowohl auf wirtschaftlicher, wie auch auf politischer und sozialer Ebene. Ab Anfang 2009 bis heute hat die Regierung die Löhne und Renten schlagartig reduziert (mit Kürzungen von 10-30%), die direkten und indirekten Steuern erhöht, die Ausbildung umstrukturiert und das öffentliche Gesundheitswesen quasi abgeschafft. Um die Strukturen des Staates aufrechterhalten zu können, müssen die politische Klasse und die wirtschaftliche Elite Griechenland möglichst schnell in ein Paradies der Ausbeutung verwandeln, in eine Speerspitze der Eurozone. Der griechische Staat erklärt den unteren Klassen offen den Krieg und versucht bloß noch mittels des Patriotismus und des Spektakels des „revolutionären Terrorismus, der die Gesellschaft bedroht“, den Schein einer gewissen „Sorge um das Volk“ aufrechtzuerhalten.

Für die bestehenden Institutionen in Griechenland ist die Situation ziemlich kritisch und es ist lange her, dass ein europäischer Staat den heißen Atem einer möglichen Insurrektion in seinem Nacken verspürte. Aber lasst uns nichts überstürzen. Trotz bedeutungsvoller, aber begrenzter Konflikte (während der Demonstration vom 5. Mai 2010 in Athen konnte der Gewerkschaftsführer der GSEE kaum zwei Worte sagen, bevor er von hunderten Demonstranten verjagt wurde), halten sich die meisten Proteste an die Richtlinien der sozialdemokratischen Gewerkschaften, der stalinistischen Partei KKE und einiger linker Strukturen, wie etwa der PAME, hauptsächlich weil diese immer noch die Grundlage einiger formeller Initiativen wie der Generalstreiks bilden. Trotz zahlreicher praktischer Erfahrungen von Selbstorganisation in den Straßen (bei Demonstrationen, Besetzungen und Aufruhren), haben die Proteste die notwendige Bekräftigung ihrer Autonomie noch immer außer Acht gelassen. Kombiniert mit einer recht brutalen Polizeirepression und einem medialen Terror, besteht die Gefahr darin, sich in einen Verschleisskrieg verwickeln zu lassen. Ohne behaupten zu wollen, dass der unbeschränkte Generalstreik (im Gegensatz zu den 24-stündigen „Aktionstagen“) der Vorbote eines insurrektionellen Moments sei, steht dennoch außer Frage, dass die Lahmlegung der wirtschaftlichen Tätigkeit und der Warenzirkulation notwendig ist. Dazu müsste in Richtung einer Dezentralisierung der Initiativen, oder mit anderen Worten, einer bekräftigten Selbstorganisation des Kampfes gedrängt werden, um die Initiative den Gewerkschaften zu entreißen und einen Raum zu kreieren, der sich den Rückrufen zur Ordnung widersetzt. Eine Möglichkeit scheint darin zu bestehen, auf dezentralisierte und diffuse Weise auf die Lahmlegung der wirtschaftlichen Infrastruktur hinzuarbeiten. Und diese Angelegenheit geht nicht nur die revolutionäre Minderheit etwas an, wie es einige glauben mögen, es ist im Gegenteil ein praktischer Vorschlag, der sich an alle richtet, der sich von vielfältigen Erfahrungen nährt und bei dem Kreativität und Verbreitung jede wirtschaftliche oder militärische Auffassung überwiegen.

Es ist also klar, dass die Frage der Selbstorganisation weit über die Problematik hinausgeht, eine breite Lahmlegung der wirtschaftlichen Infrastruktur zu erreichen. Diese ist nur ein Teil, wenn auch ein notwendiger Teil des Weges, oder besser, der Wege, die die Subversion beschreitet. Zurzeit vermehren sich die selbstverwalteten Besetzungen und die Versammlungen in Vierteln, Schulen,... Die Herausforderung besteht nun darin, dass sie sich nicht als eine der möglichen Oppositionsoptionen gegen den Stand der Dinge innerhalb der gleichen Reihe wie die Gewerkschaften und Parteien verstehen. Die Herausforderung besteht darin, dass sie die Politik zurückweisen, dass sie sich mit einer kommunikativen Kraft gegenüber anderen Revoltierenden ausstatten, und mit einer stummen und feindseligen Kraft gegenüber allen Institutionen, selbst den „oppositionellen“. Ein Projekt wie die Errichtung von Basisgewerkschaften (was gegenwärtig zur Frage steht), läuft in diesem Sinne, abgesehen von den anderen Problematiken, die die anarcho-syndikalistische Logik aufwirft, Gefahr, ziemlich bald ins Netz zu gehen und sich – trotz allem – auf dem Terrain des Feindes wiederzufinden. Die Selbstorganisation stirbt, sobald sie als eine Form von Gegenmacht verstanden wird (egal, ob sie sich nun mit der alten Etikette der „Diktatur des Proletariats“, der etwas moderneren der „Klassenautonomie“ oder der jüngsten des „horizontalen Netzwerks“ schmückt). Nicht nur, weil sie schließlich sehr bald alle Mechanismen der Politik und der Autorität in ihrem Innern reproduzieren wird (die Repräsentation und die Hierarchie), sondern auch, weil sie dazu verleitet sein wird, die Strukturen des Feindes, die scheinbar vernachlässigbar seien und abgeschwächt wirken, intakt zu lassen. Diese Feststellungen sind nicht neu, sie können auch aus den Erfahrungen der Pariser Kommune 1871, der Arbeiterräte, der spanischen Revolution 1936 oder des jüngsten Volksaufstands in Argentinien 2001 gezogen werden. Halten wir uns auch bewusst, dass der Rückgang des Elans von Selbstorganisation schon immer Hand in Hand ging mit Fragen, die an das Überleben gebunden waren. Und wenn diese Fragen schon vor hundert Jahren komplex waren, so sind sie es heutzutage umso mehr, in einer Welt, in der die technologische und industrielle Abhängigkeit jede Perspektive einer sozialen Revolution schwer belastet. Dafür zu sorgen, dass diese Fragen auf den Tisch kommen, wenn Erfahrungen von Selbstorganisation gemacht werden, ist sicherlich nur ein erster Schritt.


Das Duell verweigern

Die Insurrektion ist nicht das Werk von Revolutionären und Anarchisten alleine. Sie ist sozial, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass sie einen großen Teil der Ausgebeuteten mit einschließt, sondern vor allem, weil sie die bestehenden sozialen Rollen untergräbt, indem sie die Strukturen zerstört, die sie aufrecht halten. Ebenso wie sie sich nicht gegen Ausgebeutete richtet, um der Ausbeutung ein Ende zu setzen, sondern gegen die Strukturen und Menschen, die die Ausbeutung ermöglichen, so darf sie sich auch nicht in die Ecke einer Verherrlichung des „Volkes“ oder „der Ausgebeuteten“ treiben lassen, deren Resignation, oder sogar Gutheißung, letzten Endes die Kräfte sind, die die Maschine am Laufen halten. Die Revolte vom Dezember 2008 hat diese Problematik wieder aktuell gemacht, und alle Vorschläge, die darin entstehen konnten, haben versucht, die Umzingelung der Resignation zu durchbrechen. Zwei Jahre später, mit einer Unzufriedenheit, die auf sozialer Ebene einiges verbreiteter scheint, bekommen diese Sorgen eine andere Wendung. Auch wenn es sicher stimmt, das die Resignation noch immer Verwüstungen anrichtet, scheint es dringender, andere Wege zu finden, Wege, die nicht zu einem Abbruch, einer Stagnation des Konfliktes führen, sondern ihn jenseits der Modelle der politischen Opposition ausbrechen lassen. In der Tat kann diese Stagnation die Form einer Unzufriedenheit annehmen, die in die Politik eintaucht (mit beispielsweise den Irrwegen irgendeiner Art von „Gegenmacht“, einschließlich jener der Versammlungen), sie kann aber auch, ungeachtet der Absichten der Anhänger des Paradigmas der Stadtguerilla, aus einer Militarisierung des Konfliktes entstehen,.
Der Staat hat in Zeiten, in denen die sozialen Spannungen explosionsartig anwachsen, alles Interesse daran, den Konflikt als Zweikampf, als Duell zwischen zwei „Fraktionen“ darstellen zu können (in diesem Fall der Staat gegen die Anhänger der „Stadtguerilla“, mit der Bevölkerung als Zuschauer). Nicht, dass er in einem gegebenen Moment nicht auch die anarchistische Bewegung als Gesamtheit für diesen Zweck gebrauchen und in einem großen Spektakel verschlucken lassen könnte – dies ist sogar ziemlich wahrscheinlich –, dennoch scheint es nicht sehr schlau, ihm die Sache zu erleichtern, indem wir selbst – mehr oder weniger explizit – Hierarchien unter den unterschiedlichen Angriffsformen gegen die Strukturen des Staates und des Kapitals aufstellen. Die Insurrektion hat keine Avantgarden oder Beschützer nötig, als Feindin aller Fetischismen fordert sie nichts anderes, als die Entschlossenheit, den Wind der Subversion durch die ganze Gesellschaft zu blasen. Wenn die Frage der Waffen aufkommt, sollte sie in der Perspektive einer Bewaffnung von allen, einer Generalisierung der Offensive gestellt werden; wir dürfen die bewaffnete Tat nicht auf diese oder jene Gruppe, Bezeichnung oder Fraktion abschieben lassen.

Der griechische Staat beginnt, auf einer raschen Militarisierung des Konfliktes zu insistieren, und er hofft darauf, dass die Anarchisten die Initiative dafür ergreifen werden. Er verstärkt also die spezifische Repression und den Terror gegen die anarchistische Bewegung; er hat mittlerweile klargestellt, dass es weiterhin Tote geben wird, dass er vor den Augen aller foltern wird, dass er nicht zögern wird, die militärische Besetzung (eines Viertels wie Exarchia zum Beispiel) weiter voranzutreiben, und dass er offen para-staatliche und faschistische Truppen benutzen wird. Der Staat will die Anarchisten nicht nur vom sozialen Kampf isolieren und ihre Dynamiken zerschlagen, sondern sie auch in eine Spirale zerren, worin die Logik des Auge um Auge, Zahn um Zahn herrscht, mit Konterschlägen seitens der Anarchisten, die sicherlich richtig und mutig sind, deren Preis jedoch das Zurückweichen der Subversion in breiten Schichten der Gesellschaft sein könnte. Der Staat benutzt die Medien bewusst in einem konter-insurrektionellen Blickwinkel, dessen Ziel es ist, den Terror zu verbreiten, die Bevölkerung in Angst zu versetzen (mit dem Schreckgespenst der „über Griechenland herfallenden Migrantenhorden“, der „anarchistischen Terroristen“, der „blutrünstigen Räuber“,…). Der Staat hält sich nicht mehr dadurch aufrecht, dass er den sozialen Frieden und die Versöhnung erkauft, sondern dadurch, dass er immer offener all jenen den Krieg erklärt, die kämpfen. Es ist nicht einfach, die Falle zu vermeiden, um nicht in die Netze eines militärischen Konfliktes verstrickt zu werden, der zweifellos der Totengräber für jedwelches Projekt von Subversion wäre. Lasst uns einander recht verstehen, denn die heutigen Zeiten erfordern es, reinen Wein einzuschenken: dies ist kein Plädoyer dafür, die Waffen zu senken, es geht hier nicht um einen Diskurs, der behauptet, die „insurrektionelle Gewalt verängstige die Proletarier und müsse daher eingeschränkt werden“. Es ist im Gegenteil eben der Moment für jeden und jede, alles daran zu setzen, sich die Waffen zu verschaffen, die er oder sie gebrauchen will; die Notwendigkeit des Angriffs möglichst breit mit all jenen zu teilen, die nicht länger vor dem Altar der Nation und der Wirtschaft niederknien wollen; dem Angriff den Platz zu geben, der ihm schon immer zukommen müsste: ein Akt der bewussten Zerstörung einer feindlichen Struktur, und nicht ein Medium der eigenen Selbstpromotion. Die Subversion weicht zurück, wenn die Kameraden nur sprechen, nachdem sie einen Schuss abgegeben haben.

Während dieser letzten Jahren ist in Griechenland, erst zaghaft und heute mit größerer Wucht, ein weiteres Phänomen aufgetaucht. Oder besser gesagt, hat es den subversiven Himmel mit unerfreulichen Wolken verdunkelt. Einige nannten es „Neo-Nihilismus“, und seine Anhänger selbst begraben uns unter einer ganzen Reihe von Adjektiven, die von „nihilistisch“, „anarchistisch“, „individualistisch“, „antisozial“… bis zu „terroristisch“ und „militaristisch“ gehen – Adjektive, deren gegenseitige Unvereinbarkeit das einzige zu sein scheint, was sie gemeinsam haben. Vielleicht wäre es hier zunächst angebracht, uns in Erinnerung zu rufen, wer die „russischen Nihilisten“ waren. Abgesehen von der Tatsache, dass der Nihilismus anfangs eine philosophische und literarische Strömung war, die vom Materialismus, vom Asketismus und vom Individualismus geprägt wurde, wird er sich später (um 1860-1890) vor allem durch Attentate gegen die hohen Persönlichkeiten des zaristischen Regimes ausdrücken. Oft opferten die Nihilisten ihr eigenes Leben, um einen besonders abscheulichen Machthaber zu beseitigen. Gleichzeitig unternahmen sie viele Anstrengungen, um ihre Ideen (die zu diesem Zeitpunkt eine manchmal seltsame Mischung aus Anarchismus und revolutionärem Sozialismus waren, aber stets verbunden mit dem philosophischen Nihilismus) unter dem Volk und vor allem unter den Bauern zu verbreiten. Auch dies taten sie oft unter einer Gefahr für ihr eigenes Leben, denn im Allgemeinen, wie Volin es gut beschrieben hat, verehrten die Bauern den Zaren, ihren „Großen Vater“ auf eine fast mystische und religiöse Weise. Die Fälle, in denen die Nihilisten und Revolutionäre von Bauern an die Polizei verraten oder gleich selbst gelyncht wurden, sind unzählbar. Aber trotz allem, und eben durch den Wunsch gestärkt, in einer Welt von Individuen und nicht von Untertanen zu leben, sind diese Revolutionäre weiterhin „auf das Volk zugegangen“. Die düstere russische Gestalt Netschajew, dessen Katechismus des Revolutionärs vor allem jegliche Art von Manipulation lobpreist, wird oft mit diesen Nihilisten gleichgestellt. So wurden sie alle über einen Kamm geschoren und es entstanden Missverständnise und Verwirrungen, deren Echos im heutigen Griechenland die schlimmsten Positionen hervorgebracht haben. Die Konsequenzen davon sind für all jene, die versuchen, die Idee einer befreienden Revolution voranzutragen, alles andere als nebensächlich. Denn die Revolution wird nicht, um ihre Sprache zu gebrauchen, gegen die Sklaven des Kapitalismus geführt, sondern gegen die Meister und gegen all jene, die gerne ihren Platz einnehmen würden. Aber das genügt diesen Protagonisten des „Nichts“ nicht, die von einer eher schlecht verdauten Lektüre Nietzsches getrieben werden: sie wollen überall Feinde haben, gegen alle Krieg führen, während sie die Kritik an den sozialen Verhältnissen (aus denen die Gesellschaft besteht) mit jener an Individuen verwechseln. Um die Zusammenarbeit der Ausgebeuteten mit dem System aufzuzeigen, können sie sich jeden beliebigen Arguments, auf jede beliebige Weise bedienen. Ein Dieb, der von „einem Bürger“ festgehalten wird, bringt sie dazu, Drohungen auszusprechen, die gegen die ganze Gesellschaft, in weniger verhüllten Worten, gegen die ganze Bevölkerung gerichtet sind. Ein Kampf von Arbeitern um bestimmte Forderungen wird in ihren Augen zu einer Beleidigung gegenüber der revolutionären Spannung. Für sie ist die Agitation nicht dafür da, den Humbug der Wahlen aufzudecken, diejenigen zu kritisieren, die an Wahlen glauben und zum Angriff gegen die Politik anzustacheln, sondern schlicht dazu, all jene, die zur Urne gehen, zu bestrafen, oder ihnen mit der Bestrafung zu drohen.
Die Kritik an der Resignation der Ausgebeuteten ist sicherlich ein Kern der anarchistischen Ideen und Aktivitäten, welche sich für die Revolte und die gewaltsame Insurrektion aussprechen, doch niemals indem die Ausgebeuteten mit den Ausbeutern auf eine selbe Ebene gestellt werden. Diejenigen, die denken, dass sie auf aristokratische Weise „frei“ sind, dies zu tun, sollten sich bewusst machen, dass eine tiefe Kluft sie von denjenigen trennt, die vom Traum von Freiheit für jeden und jede, und nicht von jenem der Freiheit gegen alle und alles angetrieben werden.


Von einem Hier und einem Dort

Heute, da in Griechenland lange aufgestaute Möglichkeiten mit aller Gewalt versuchen, in das Bestehende einzufallen, drängen sich auch für Kameraden anderer Länder Fragen auf, die keinen Aufschub zulassen. Nicht nur, weil das, was sich dort abspielt, mit größter Wahrscheinlichkeit einen Einfluss auf alle Anarchisten und Revolutionäre in Europa und darüber hinaus haben wird, sondern vor allem, weil die Möglichkeit einer Ansteckung täglich denkbarer wird. Wir wollen hier nicht eine Art Domino-Theorie wieder ausgraben, aber, angesichts der immer engeren und tieferen internationalen Verschachtelung der wirtschaftlichen und staatlichen Strukturen auf dem alten Kontinent (mit dem Projekt der Europäischen Union als eine ihrer formellen Strukturen), scheint uns klar, dass es eine Selbstverblendung wäre, die Grenzen der Gebiete, in denen wir wohnen, der Nationalstaaten, in denen wir unsere Kämpfe führen, als unüberwindbare Horizonte zu verinnerlichen. Die alte Frage des Internationalismus drängt sich wieder auf und verlangt nach neuen Antworten.
Größtenteils sind es dieselben Fragen, die schon im Dezember 2008 an den Türen der Gefährten angeklopft haben, nur, dass es heute noch um viel mehr geht. Auch wenn eine Reise nach Griechenland durchaus die Mühe wert sein kann, um Erfahrungen auszutauschen und zu teilen, bevorzugen wir es, uns die Frage zu stellen, wie wir in unseren eigenen Kontexten weiter gehen können, als das bloße Ausdrücken von internationaler Solidarität, und wie unsere Aktivitäten über ein ermutigendes und großherziges Klopfen auf die Schultern unserer griechischen Kameraden hinaus gehen können, die momentan so viel zu verlieren, aber vor allem so viel zu gewinnen haben.
Lasst uns in Betracht ziehen, dass alle Kämpfe und Gesten der Revolte, angesichts der Ausweitung des sozialen Krieges in Griechenland, eine größere Bedeutung erhalten werden. Nicht, weil sie auf die eine oder andere Weise einen direkten Druck auf die griechischen Institutionen ausüben würden, sondern eben, weil sie die gefürchteten Träger einer Ansteckung sein könnten. Teils objektiv und teils durch eigenes Bemühen, ist es möglich, die verschiedenen „lokalen“ Kämpfe mit dem sozialen Krieg in Griechenland zu verbinden, und vice versa, eben weil dies die logische Konsequenz einer sozialen Verknüpfung ist, einer Ähnlichkeit von Situationen, die sich, so suggeriert uns unsere Intention, bereits morgen auch in „unseren“ Gegenden ereignen könnten. Und es zeugt gewiss nicht von schlechtem Willen, festzustellen, dass die subversiven Kräfte in vielen Ländern viel schwächer sind als in Griechenland und mit der Allgegenwärtigkeit einer rabiaten Reaktion zu kämpfen haben (denken wir nur an Italien, wo der Rassismus und die politische Verwaltung durch eine erschreckende Zustimmung in breiten Bevölkerungsschichten totalitäre Konturen annehmen). Darum drängt sich die Notwendigkeit auf, über die Solidarität hinaus zu gehen, und wirklich zu versuchen, unsere Kämpfe international miteinander zu verknüpfen. Jeder Schlag, der heute ausgetragen wird, könnte eine Bedeutung haben, die über ihn hinausgeht. So könnte endlich, auch in unseren Perspektiven, der Logik eines Hier und eines Dort ein Ende gesetzt werden.
Obwohl es scheint, dass die laufende wirtschaftliche Umstrukturierung aus einer generalisierten Instabilität ihr neues Akkumulationsgebiet machen will (im Gegensatz zu vor einigen Jahrzehnten), ist auch eine andere Destabilisierung möglich, eine, die der Herrschaft nicht zu Gute kommt. Wir sollten darüber nachdenken, ernsthaft nachdenken. Wäre es nicht möglich, auf einige Analysen und Hypothesen zu kommen, die den lokalen Kontext mit dem verbinden würden, was wahrscheinlich die ganze Eurozone betreffen wird, und so die Fähigkeit zu entwickeln, die heute laufenden Kämpfe aufgrund ihrer potenziell destabilisierenden Auswirkungen zu evaluieren? Die Herausforderung scheint es uns jedenfalls wert, versucht zu werden. Um einander zu stärken, dort, wo ein gewonnener Kampf in diesem weiten sozialen Krieg über sein erstes konkretes Resultat hinausgehen kann; um zu versuchen, unsere Aktivitäten im Lichte ihrer Beziehung zu den Aktivitäten ein paar hundert Kilometer weiter entfernt zu sehen. Der Versuch, uns auf diese Pfade zu begeben, könnte uns vielleicht helfen, insurrektionelle Hypothesen zu entwickeln, zu vermeiden, allzu sehr überrascht zu werden und uns auf einen Weg zu begeben, der versucht, die gegenwärtige Unzufriedenheit und Wut, die in vielen Ländern präsent ist und sich manchmal auf verwirrte Weise ausdrückt oder ohne emanzipatorische Perspektiven bleibt, in Richtung des sozialen Krieges gegen jede Form von Ausbeutung und Autorität zu ziehen.


Der Traum

Eine insurrektionelle Hypothese braucht nicht nur Analysen und Aktivitäten. Sie bleibt tote Buchstaben oder ein Schlag ins Wasser, wenn sie ihr Warum nicht zu kommunizieren weiß. Obwohl sie eine Methode, ein praktischer Vorschlag an alle ist, kann sie in diesen Zeiten nicht auf die Anwesenheit einiger vager, aber diskutierter Konzepte von Befreiung zurückgreifen. Die Konzepte, die durch den sozialen Kampf vorangetragen, durch ihn kommunizierbar gemacht wurden, gibt es nicht mehr. Wir müssen es wagen, uns die Frage zu stellen, wie wir wieder einen Traum aufleben lassen können, nicht als Trugbild, nicht als Mythos, sondern als eine Gesamtheit von lebendigen Intentionen. Der revolutionäre Beitrag zum sozialen Kampf sollte sich nicht nur darauf reduzieren, destruktive Vorschläge anzubringen und zur Revolte anzustacheln. Sein insurrektioneller Charakter zeigt sich deutlicher, wenn es ihm nicht nur gelingt, den Feind zu identifizieren und eine Negativität in Gang zu setzen, die sicherlich allen Wütenden und all jenen Mut gibt, die die Ketten der Resignation zerschlagen wollen, sondern wenn es ihm auch gelingt, zu kommunizieren, wofür er kämpft, und dies bereits hier und jetzt in seinem Innern zu beleben.
In diesem Sinne haben zwei Jahrzehnte Ideo logisierung der revolutionären Ideen große Schäden angerichtet. Wir sind Waisen von Ideen, die ihre Denkbarkeit verloren zu haben scheinen. Wir müssen aus der Ecke herausbrechen, in die wir gedrängt wurden, und aufhören, diese Situation kläglich zu verherrlichen. Die Konfliktualität, die zur Zeit anwächst, und die einen ziemlich anderen Charakter annehmen könnte, als das, was wir bisher nur allzu gut kannten, bietet uns reelle Möglichkeiten, wieder zu experimentieren und die ideologische Umzingelung unserer Basis zu durchbrechen. Der Widerspruch der Subversion verbirgt sich in der Spannung zwischen der Annäherung an die Realität und dem Ausbrechen aus dem Rhythmus, um zu kommunizieren, was für unmöglich gehalten wird.

Vielmehr als eine akkurate Einschätzung der Situation, in der wir uns befinden, sind diese Worte eine Aufforderung, ja ein Aufruf, unsere Köpfe zu öffnen und zu versuchen, den sich anbahnenden Herausforderungen direkt in die Augen zu schauen. In den kommenden Zeiten könnte vieles auf dem Spiel stehen, und die einzige Sicherheit, die wir haben, ist, dass Trägheit und ideologische Verblendung noch schwerwiegendere Folgen werden haben können als sie bisher schon hatten.