"Für die ARGE nur das Beste!": Prozess in Wuppertal

Schikana Hartz IV

Nach 6-monatiger U-Haft und drei Prozesstagen wird am kommenden Dienstag, 20. März 2012, im Wuppertaler Landgericht das Urteil gegen Holger W. verkündet. Während der Verhandlung wurden mehr als 20 Zeug_innen vernommen. Es sollte geklärt werden, ob W. schuldig ist, in Wpt. das Jobcenter an der Uellendahlerstraße in Brand gesteckt hat und ob er für die (angeblichen) 10.000 Euro Sachschaden aufkommen müsse. Ihm droht eine hohe Haftstrafe.

 

"Alle Mann raus - ich zünde die Bude jetzt an!", so soll der Beschuldigte angekündigt haben, was ihm nun von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird. Dem Feuer am Nachmittag des 1. Septembers 2011 war ein Streit voran gegangen, zwischen W. und den ARGE-Mitarbeiter_innen. Es herrschte Unklarheit über seine neue Arbeitsstelle (für welche ihm noch kein Lohn ausgezahlt wurde). Die Sachbearbeiter_innen nahmen dies zum Anlass, statt 124 € nur 45 € auf sein Konto zu überweisen. W. pochte darauf, dass eine angemessene Auszahlung an ihn getätigt werden solle. Statt ihm den Rest auszuhändigen, vertrösteten ihn die Angestellten und versuchten ihn mit einer langen Wartezeit ruhig zu stellen. Als er das Gefühl bekam, dass ihm nun mehr gar keine Beachtung mehr geschenkt würde, da sein Anliegen weiterhin konsequent ignoriert wurde, zog auch er Konsequenzen. Er ging zur nächsten Tankstelle und kaufte 5 Liter Super Benzin. Wieder in der ARGE-Außenstelle, rief er, dass er Feuer legen werde und wies die Menschen im Gebäude, auch die Angestellten, an, das Gebäude zu verlassen. Dann leerte er den Kanister und setzte den Flur in Brand und flüchtete. Einen Tag später wurde er festgenommen, das Geschilderte beruht auf seiner Aussage gegenüber der Polizei und Zeug_innenaussagen. Er wollte keine Menschen verletzten, heißt es im Polizeiprotokoll weiter. Nach dem Brandbeschleuniger Super gefragt, gab er an :"Für die ARGE nur das Beste.".

 

Auch wenn mensch den politischen Hintergrund dieser Tat infragestellen mag, so soll dies nicht bedeuten, dass mensch sie ignorieren kann. Holger W. wurde durch soziale und ökonomische Zwänge so unterdrückt, dass er keinen Ausweg sah. Um zu verstehen, wie eine Person an einem ganz "normalen" Tag Benzin kaufen und ein Gebäude in Brand stecken kann, müssen wir die systhematische Unterdrückung und Ausbeutung von sogenannten "Jobcenter-Kunden" begreifen. Die ARGE betreibt Vereinzelung im großen Stil. Die Angestellten dieses Unternehmens geben den Druck dem sie ausgesetz sind an die eigenen Fälle (machmal kommen auf eine_n Betreuer_in hunderte Kund_innen) weiter, getreu dem Motto "nach oben buckeln, nach unten treten". Denn auch die Sachbearbeiter_innen sind davon. Wird ein bestimmtes Kontingent an Neuvermittelungen nicht erreicht, sind  sie bald selbst abhängig vom Amt. Das bedeutet, für den_die Sachbearbeiter_in lohnt es sich mehr, Menschen in kurzweilige Jobs zu vermitteln, als in ein unbefristetet Arbeitsverhältnis, da ihnen sonst das "Material" zur eigenen Existenzsicherung ausgehen würde. Nicht zu vergessen die Millionen von Pranktikant_innen und sogenannten "Aufstocker_innen", die trotz Arbeit sich nicht ohne ALG2 finanzieren können. Auch durch diese wird die Statistik reingewaschen, denn genau dafür hat der Staat das Jobcenter eingerichtet. Dieses System, das Menschen wie Gegenstände behandelt, kann nur ein repressives sein und ist in seiner derzeitigen Form und Funktion unreformierbar. Die Repression gegen Hilfsbedürftige beginnt bei der Kürzung des Geldes und dem Arbeitszwang einer  Maßnahme und endet in der Erschießung einer psychisch-labilen Afrodeutschen im Frankfurter Jobcenter (Außenstelle: Wohnungslose & Suchtkranke) durch Streifenpolizist_innen.

 

Holger W. vorzuwerfen, dass Feuer im Jobcenter sei Unrecht, ist falsch. Mensch kann W. höchstens vorwerfen, dass er die Vereinzelung nicht überwand und es alleine tat. Also lasst uns gemeinsam die Vereinzelung überwinden! Kommt zu Urteilsverkündung am Dienstag, 20.03.2012, um 8:30 Uhr zum Landgericht Wuppertal. Beobachtet das Prozessende, seid kreativ und schafft Öffentlichkeit für ihn und uns. 

 

Treffpunkt Köln: 07:10 Uhr im Hauptbahnhof, Gleis 2 / Zugabfahrt um 07:21 Uhr.

 

Quellen:

http://initiative-christy-schwundeck.blogspot.com/p/unsere-forderungen.html

http://jungle-world.com/artikel/2012/01/44608.html