NIEFERN-ÖSCHELBRONN/PFORZHEIM. Wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt der Staatsschutz gegen zehn Pforzheimer Gymnasiasten. Sie wurden gegen einen jüdischen Mitschüler ausfällig.
Es machte Siegfried Sonnenberg fassungslos, was der Rektor des
Kepler-Gymnasiums da Stück für Stück aus einem 17-jährigen Schüler
herausbekam. Der hatte sich zunächst lediglich mit der Bitte an ihn
gewandt, die Schule wechseln zu können.
Einen vorläufigen Höhepunkt fanden die Vorgänge offensichtlich am
zweiten Weihnachtsfeiertag des vergangenen Jahres. Wie die Polizei erst
gestern mitteilte, tauchten sieben Jugendliche im Alter von 17 Jahren
gegen 0.50 Uhr von einer Party kommend vor dem Elternhaus ihres
jüdischen Mitschülers in Niefern-Öschelbronn auf. Dort zündeten sie
einen Feuerwerkskörper, der einen Fensterrahmen beschädigte.
Anschließend schrie die Gruppe antisemitische Parolen. Nach einer
Meldung des SWR soll einer der Jugendlichen vor das Elternhaus uriniert
haben. Nach Informationen der PZ war der 17-Jährige auch an der Schule
antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt.
Unmittelbar nach Weihnachten habe der Staatsschutz mit den Ermittlungen
gegen die Schülergruppe begonnen, sagte Oberstaatsanwalt Christoph
Reichert gestern: „Die Polizei war gleich am nächsten Tag am Tatort.“
Die einzelnen Tatbeiträge der Schüler müssten aber noch festgestellt
werden, so Reichert. Polizei und Staatsanwaltschaft Pforzheim würden
die antisemitischen Beleidigungen „nicht verniedlichen“. „Bisher
zeichnen sich jedoch keine organisierten Umtriebe einer
rechtsextremistischen Gruppe ab“, sagte Christoph Reichert. Die Familie
des Opfers hat in der Zwischenzeit einen Anwalt eingeschaltet.
Die israelitische Kultusgemeinde wollte sich auf Anfrage gestern nicht
äußern. Man habe auf der einen Seite kein Interesse daran, dass die
Taten aufgebauscht würden, lege aber dennoch Wert darauf, dass die
Öffentlichkeit angemessen informiert werde. Mit Informationen hat
Siegfried Sonnenberg in der Zwischenzeit seine Schule versorgt. Lehrer,
Eltern und Schüler wissen Bescheid, was passiert ist. Die Schüler
organisierten gestern spontan erste Solidaritätsbekundungen für ihren
17-jährigen Mitschüler. Für Sonnenberg ist es unerklärlich, was in den
Köpfen derjenigen Kepler-Gymnasiasten vorgegangen ist, die derzeit für
die Taten verantwortlich gemacht werden. Ursachen und Folgen des
Antisemitismus würden an der Schule in den Fächern Deutsch, Geschichte,
Religion und Ethik mit den Schülern besprochen.
Besonders erschüttert ist Sonnenberg davon, dass es keinerlei Anzeichen
für die Vorgänge gegeben habe: „Da lege ich für jeden meiner Kollegen
die Hand ins Feuer.“ Auch wenn die Schlagzeilen dem Image der Schule
zunächst schaden könnten: Mauern will Sonnenberg nicht. Dazu gehört für
den Rektor, jetzt auch professionelle Hilfe von außen in Anspruch zu
nehmen. Denn eines ist für ihn klar: „Wiederholen darf sich das nicht.“
erl/rst