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Erstveröffentlicht:
17.05.2011
Beim Ordungsamt verstauben derzeit 13 Trommeln: Ein halbes Jahr nach dem Deutsch-Französischen Gipfel hat die Freiburger Sambagruppe Sambasta ihre beschlagnahmten Instrumente immer noch nicht wieder. Jetzt ziehen die Demo-Trommler vor das Verwaltungsgericht um prüfen zu lassen, ob der Polizeieinsatz rechtsmäßig war.
Was eigentlich an jenem verschneiten Dezembertag, an dem Angela Merkel und Nicolas Sarkozy in Freiburg zusammentragen wirklich im Bermudadreieck passiert ist, das scheint keiner so genau zu wissen. Bis auf das: Die Freiburger Sambagruppe Sambasta wollte in der Innenstadt laut gegen den deutsch-französischen Gipfel protestieren. Die Polizei ging dazwischen und beschlagnahmte die Instrumente.
Ob die Trommelei verfassungsrechtlich geschützes Demonstrationsverhalten, eine "Ruhestörung", oder gar eine „Körperverletzung durch Musikinstrumente“ war, ist noch unklar. Klar scheint jedoch, dass die Stadt an diesem politisch wichtigen Tag unliebsame Zwischenfälle vermeiden wollte. Sambasta strengt nun eine Fortsetzungsfeststellungsklage an: Das Verwaltungsgericht soll klären, ob der Polizeieinsatz rechtmäßig war.
Warum hat die Stadt die Trommeln kassiert?
Es ist die neueste Etappe in einem Streit, den die Sambastas seit sechs Monaten mit der Stadtverwaltung austragen. Die Instrumente verstauben derweil beim Ordnungsamt. Bis die Gebühren für das Verwaltungsverfahren feststehen, könnten sie für eine Kaution von 50 Euro pro Instrument abgeholt werden. Sambasta hat in einem Eilantrag vom Verwaltungsgericht prüfen lassen, ob der Gebrauch dieser Kautionsforderung rechtmäßig ist, ob ein Musikinstrument gleich behandelt werden darf wie ein falsch geparktes Auto. Ist die Stadt gleichzustellen mit einem Abschlepp-Unternehmer, der von den Gebühren lebt und auf die Kaution angewiesen ist? Darf sie die Kaution verlangen? Das Schnellverfahren hat ergeben: Sie darf.
Seit Dezember hat die Stadt aber keinen Gebührenbescheid geschickt. Katja Barth, die Anwältin einer der Trommlerinnen von Sambasta, vermutet dahinter einen bestimmten Grund: „Wahrscheinlich ist sich die Stadt gar nicht mehr so sicher, ob ihr nicht doch ein Fehler unterlaufen ist“, sagt die Juristin.
Edith Lamersdorf, Sprecherin der Stadt Freiburg, erklärt, dass die Höhe der Gebühr noch nicht festgelegt wurde, weil man sich mit Sambasta habe einigen wollen. „Das letzte Gespräch fand am 8. März statt. Darin wurde vereinbart, dass die Sambastas sich wieder bei der Stadt mit Vorschlägen melden – was nicht passiert ist.“ Stattdessen hat Sambasta die Klage eingereicht. „Wir warten nicht mehr auf einen Gebührenbescheid, der könnte auch erst in zwei Jahren kommen. Wir wollen jetzt klären, was wirklich passiert ist“, sagt Anwältin Barth.
So laut wie eine Kettensäge
Zunächst ist nicht einmal sicher, vor welches Gericht der Fall gehört. Selbst das Polizeiprotokoll gibt darüber keinen genauen Aufschluss: Handelt es sich bei der Beschlagnahme um eine spontane „Beweissicherung“ im Verdacht auf Körperverletzung durch Musik, muss die Sache strafrechtlich verfolgt werden. Ist es jedoch eine Anordnung der Stadt Freiburg gewesen, bei der die Instrumente gezielt entfernt werden sollten, muss der Fall vor ein Verwaltungsgericht.
Zu den Beweisen, die bei der Prüfung eine Rolle spielen, gehört ein Messprotokoll der Polizei. 110 Dezibel sollen die Trommeln erreicht haben. Das ist so laut wie eine Kettensäge. „Seltsam ist, dass einer der Messzeitpunkte erst nach der Beschlagnahme liegt“, sagt Anwältin Barth. „Da kann doch irgendetwas nicht stimmen.“
Außerdem habe die Polizei die Demonstrierenden nicht verwarnt, sondern sofort die Instrumente einkassiert. „Man muss doch bei Demos trommeln dürfen“, sagt Barth. Als Argument dient ihr das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar, das Demos in Flughäfen erlaubt. Damals wurde festgelegt, dass Flughäfen besondere Ort sind, an denen man nicht trommeln darf.
Katja Barths Gedanke: „Im Umkehrschluss heißt das doch, dass es an allen anderen Plätzen erlaubt ist.“ Außerdem gelte die Lärmregelung, auf die sich die Polizei bezieht, nur im Alltag und für Industrielärm und technische Anlagen. Nicht jedoch für Musikinstrumente und Ausnahmesituationen wie Demonstrationen. Bei dem Polizeieinsatz sei eindeutig gegen die Versammlungsfreiheit verstoßen worden, so Barth.
In was für einer Stadt leben wir eigentlich?
Den Sambastas geht es längst nicht mehr nur darum, vor Gericht Recht zu bekommen. Ihr Anliegen ist politisch: „Wir machen mit Veranstaltungen, Flyern und Konzerten darauf aufmerksam, was uns passiert ist. Wir fragen die Freiburger: Wollt ihr in einer Stadt leben, in der solch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit möglich ist?“, sagt Sambasta-Aktivist Jens, 30.
Unterstützung kommt aus den unterschiedlichsten Richtungen. Nikolaus von Gayling, 69, FDP, hat im Stadtrat Unterschriften gesammelt für die Herausgabe der Trommeln. Nicht einmal die Hälfte hat unterschrieben. „Ich glaube den Leuten ist gar nicht bewusst, dass es nicht um Geld, sondern um ein wichtiges Prinzip geht. Die Stadt sollte souveräner sein und mehr Humor beweisen“, sagt der Politiker. Oberbürgermeister Salomon könne Sambasta doch einmal einladen, vor dem Stadtrat zu spielen - als Gage gäbe es dann die Trommeln zurück.