BERLIN. "Wir wollen die Geschichte des BND nicht für uns behalten, sondern jemanden hineinschauen lassen" - das hatte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Ernst Uhrlau, im Juli 2006 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt. Er werde dazu ein entsprechendes Forschungsprojekt mit dem Historiker Gregor Schöllgen vereinbaren.
Vier Jahre später sind die braunen Wurzeln des BND, die bis weit in die 60er-Jahre hinein den Geheimdienst konzeptionell und ideologisch prägten, noch immer nicht erforscht und dokumentiert. Uhrlaus vollmundige Ankündigung hat sich in Wohlgefallen aufgelöst. An dem Erlanger Historiker Schöllgen lag das nicht. Er hatte zwei Jahre lang mit Kanzleramt und BND über die Ausstattung des Forschungsprojekts gerungen. 2008 warf er entnervt hin. Diejenigen in Regierung und Geheimdienst, die eine Aufarbeitung der BND-Geschichte verschleppen wollen, hatten sich durchgesetzt.
Dabei gibt es in der BND-Historie viel aufzuklären. Der Dienst und sein im Juni 1946 gegründeter, unter amerikanischer Regie geführter Vorläufer, die Organisation Gehlen (OG), hatten Hunderte ehemalige Mitarbeiter der nationalsozialistischen Geheimdienste übernommen. Aus den von der CIA jetzt freigegebenen Unterlagen über die Organisation Gehlen, die im Nationalarchiv in Washington einzusehen sind, geht hervor, dass im Sommer 1949 rund 400 OG-Mitarbeiter - die meisten von ihnen in leitenden Positionen - aus dem Sicherheitsapparat der Nazis stammten. Sie kamen aus der Wehrmachtsabteilung Fremde Heere Ost, dem Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht, aus der SS, dem Sicherheitsdienst oder der Gestapo. Noch Anfang der 60er-Jahre wurden bei einer internen Untersuchung rund 200 BND-Mitarbeiter als frühere Angehörige von NS-Sicherheitsbehörden identifiziert. Eine Reihe von ihnen war an Kriegsverbrechen beteiligt.
Der BND erklärte jetzt auf Anfrage, dass der Dienst "derzeit im Auftrag des Bundeskanzleramtes im engen Dialog und in Abstimmung mit diesem ein Konzept zur systematischen Aufarbeitung der Geschichte des BND" erarbeite. Zu konkreten Details wollte sich BND-Sprecher Stefan Borchert nicht äußern. Wahrscheinlich, weil es diese bislang nicht gibt. Dabei hatte sich Borchert vor zwei Jahren schon zu der Ankündigung hinreißen lassen, eine Entscheidung über die Art der Aufarbeitung stehe kurz bevor.
Offenbar haben sich in der Bundesregierung und beim BND jedoch die Bremser durchgesetzt, die von Beginn an dagegen waren, Historiker in die Akten des Geheimdienstes blicken zu lassen. Sie fürchten wohl auch, dass es durch eine Aufweichung der strikten Geheimhaltungsregeln für künftige Untersuchungsausschüsse leichter werde, an das BND-Archiv zu gelangen. Zudem soll das Projekt auch von einer Reihe von BND-Mitarbeitern abgelehnt worden sein, die zum Teil in dritter Generation im Dienst tätig sind und dadurch mit der Geschichte ihrer eigenen Familie konfrontiert werden könnten. (afö.)