Interview mit einigen AktivistInnen der Initiative für ein autonomes Zentrum in Esslingen

Demo für ein autonomes Zentrum in Esslingen am 26.06.2010

Seit einiger Zeit belebt sich in Esslingen die Auseinandersetzung um ein Autonomes Zentrum. Am 2. Juni wurde in Bahnhofsnähe ein leerstehendes Haus besetzt, das von den BesetzerInnen vorübergehend als provisorisches Gebäude akzeptiert worden wäre. Die Auseinandersetzung um Räume in Esslingen findet nicht in luftleeren Raum statt. Denn mit dem Argument der "leeren Kassen" stehen Veranstaltungshallen wie das Zentrum Zell wegen Streichung der städtischen Zuschüsse vor dem Aus: So hat der Kulturausschuss beschlossen, ab 2011 nur noch Veranstaltungen der Vereine zu bezuschussen, wenn sie im Neckar Forum, in der Osterfeldhalle oder im Alten Rathaus stattfinden. Damit verschärft sich die Raumnot für Veranstaltungsmöglichkeiten für Vereine, Initiativen, Jugendtreffs. Vor allem, wenn sie nicht auf der Zuschussliste oder dem parteipolitischen Kalkül der Verantwortlichen entsprechen, wie sich auch an einem jahrelangen Hin und Her in Zusammenhang mit der Finanzierung neuer Räumlichkeiten für das Kulturzentrum "Dieselstrasse" zeigte.
Diese Räumlichkeiten stellen keine Alternative für notwendige kulturelle und politische Freiräume dar. Diese werden seit Jahren gefordert, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Zu den Hintergründen und weiteren Plänen ein Gespräch mit einigen AktivistInnen der Initiative für ein Autonomes Zentrum.

Am 26.6. hat in Esslingen eine Demo für ein "autonomes Zentrum" mit ca. 60 Teilnehmern stattgefunden. Worum ging es da?

Benno: Die Demonstration war eine Reaktion auf das ignorante Verhalten der Stadt. Als wir am 02.06.10 das alte Güterabfertigungsgebäude am Esslinger Bahnhof besetzt haben, wurde uns von Seiten der Stadt Gesprächsbereitschaft signalisiert, die aber letzten Endes nur eine strategische Hinhaltetaktik war, um uns so schnell wie möglich los zu werden. Dies verdeutlichte sich dadurch, dass die Stadt auch nach mehrmaliger Nachfrage zu keinem Zeitpunkt zu Verhandlungen bereit war. Salvatore: Die Demonstration sollte unsere Forderung nach einem selbstverwalteten Freiraum   bekräftigen, außerdem war sie ein eindeutiges Zeichen unsererseits, dass wir uns nicht verarschen und ruhigstellen lassen.

Emma: Ein selbstverwalteter Freiraum bedeutet für uns, einen Raum zu haben, in dem wir uns weder Hierarchien noch Konsumzwang beugen müssen. Außerdem haben wir durch die anschließende, unangemeldete Spontandemonstration verdeutlicht, dass wir uns den Rahmen unseres Protestes nicht vorgeben lassen.

Offenbar hat Euch die Stadt ja mit dem Versprechen, Verhandlungen über einen Nutzungsvertrag zu führen, ja gelinde gesagt, verschaukelt. Wie seht Ihr das: Hat die Stadt überhaupt Interesse, mit Euch über ein solches Zentrum zu reden? Laut Rathaussprecher Karpentier gibt es ja unkommerzielle Alternativen? Warum reicht Euch das "Komma" nicht?


Alexander: Wir fühlen uns von der Stadt verarscht. Die mangelnde Gesprächsbereitschaft ist für uns ein Zeichen dafür, dass die Stadt kein Interesse an einem selbstverwalteten Projekt hat. Die Stadt wehrt sich übrigens seit wir uns erinnern können gegen politische, von ihnen nicht erwünschte Strömungen, beispielsweise ehemalige Antifagruppen oder feiernde Punks im Stadtpark. Im Gegensatz dazu werden Naziprobleme von der Stadt und der bürgerlichen Presse ignoriert und vertuscht. Die sogenannten Alternativen entsprechen nicht unseren Vorstellungen. Entweder haben sie hierarchische Strukturen, die einem emanzipatorischen Prozess der Selbstverwaltung im Weg stehen, oder man wird gezwungen zu meist übertriebenen Preisen zu konsumieren.

Salvatore: Speziell zum Fall Komma: Anfangs bot uns das Komma eine annehmbare Plattform, wurde dann jedoch politisch umstrukturiert, was im Interesse der Stadt war, wodurch es zu andauernden Konflikten kam. Hierbei ging es z.B. um den Umgang mit Neonazis, der uns nicht konsequent genug ist.

In den Städten, in denen es autonome Zentren gibt sind diese ja meist mit einer linken und alternativen Community verbunden. Diese ist in Esslingen ja eher eine Randerscheinung, oder? Bezieht sich das von Euch geforderte autonome Zentrum nur auf diese "Szene" oder habt Ihr auch andere Gruppen im Visier - zum Beispiel MigrantInnen?

Benno: Die Forderung nach einem selbstverwalteten Freiraum wird von vielen getragen. Hierbei spielen Herkunft, Alter oder auch der (sub)kulturelle Hintergrund keine Rolle, solange man an linker, herrschaftsfreier Politik interessiert ist. Im Klartext: Wer keinen Bock auf Rassismus/Sexismus/Homophobie usw. hat ist willkommen und kann sich beteiligen.

Wie positioniert Ihr Euch zu anderen Initiativen und Projekten in Esslingen - z.B. der "Dieselstraße"? Diese ist ja seit Mitte der 1980er finanziell unterstützt von der Stadt.

Alexander: Die Dieselstraße, die aus einer uns naheliegenden Motivation entstanden ist, ist ein gutes Beispiel dafür, dass selbstverwalteter Raum in Esslingen geschaffen werden kann, jedoch hat die Geschichte der Dieselstraße gezeigt, dass die Stadt erfolgreich im Bestreben war und ist, selbstverwaltete, alternative Projekte für ihre Interessen zu vereinnahmen. Die heutige Situation in Esslingen ähnelt der vor der Entstehung der Dieselstraße, allerdings ist es für uns keine Option, uns in finanzielle Abhängigkeit durch die Stadt zu begeben oder uns für Wahlkampfzwecke missbrauchen zu lassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Menschen, die aus entsprechenden Initiativen oder Gruppen kommen, uns nicht unterstützen können/ sollen.

Wie kann man euch unterstützen? Wo trefft Ihr Euch?


Emma: Das Nächste, das wir organisieren werden, ist eine Vortragsveranstaltung über Freiräume allgemein, sowie den bisherigen „Kampf“ in Esslingen, in deren Anschluss wir gemeinsam mit allen Interessierten diskutieren wollen, wie wir weiter agieren werden bezüglich der Aktionsplanung, Schaffung einer Initiative, Einrichtung einer Kommunikationsebene etc. Dieses Treffen wird am Sonntag, den 25.07. ab 15 Uhr in der "Dieselstraße" in Esslingen stattfinden.

Alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen. Ein Flyer folgt!

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!