Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen begann am Mittwoch, den 28. April die Berufungsverhandlung gegen Alexandra R. vor dem Berliner Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft Alexandra vor, im Mai letzten Jahres in der Liebigstraße in Berlin-Friedrichshain, eine versuchte Brandstiftung an einem PKW begangen zu haben. Das Amtsgericht Tiergarten hatte sie im vergangenen November nach 156 Tagen Untersuchungshaft von dem Vorwurf freigesprochen. Der Auftakt des Berufungsprozesses förderte wenig Neues zu Tage.
Zu Beginn verlas Richter Jung die ersten drei Absätze des
erstinstanzlichen Urteils. Er betonte dabei, dass sich der Verdacht
gegen Alexandra seinerzeit nicht erhärtet habe und das Gericht
"durchgreifende Zweifel an der Täterschaft der Angeklagten“ hatte.
Polizeikommissar (PK) Schulze - Anfängliche Aussage
Vor
Aufruf des Hauptbelastungszeugen Schulze - des festnehmenden
Polizeibeamten - teilte Richter Jung mit, er wolle ein Experiment
durchführen: Alex solle sich in den Zuschauerraum setzen, um
festzustellen, ob Schulze sie in diesem Rahmen erkennen würde. Jung
betonte, dass falls Schulze sie erkennt, dies kein Beweis wäre, dass er
sie tatsächlich in Tatortnähe gesehen hätte. Bei Nichterkennen
bestünden jedoch Zweifel an der Erinnerungsfähigkeit des Zeugen
Schulze. Der Zeuge PK Thomas Schulze, 28 Jahre, erschien in grünem
Kapuzenpullover und kurzer Hose, was Jung dazu veranlasste, den Zeugen
wegen "unangemessenem Auftretens" zu rügen: "Für’s nächste Mal: wir
sind hier nicht am Strand“.
Beim anschließenden Test erkannte
Schulze die im Zuschauerraum sitzende Alexandra. Schulze gab an, in
jener Nacht vom 17. auf den 18. Mai 2009 während einer Streifenfahrt in
der Liebigstraße eine jugendliche Person rechts von einem geparkten
Fahrzeug gesehen zu haben. Er sei noch ein Stück weiter gefahren und
anschließend gewendet, wonach er auf dem Reifen eines geparkten Autos
etwas habe brennen sehen. Darauf hin sei er ausgestiegen und habe mit
seinem Tonfa mehrere brennende Grillanzünder vom Reifen des Fahrzeugs
abgekratzt. Anschließend sei er in die Richtung gefahren, in welcher er
die zuvor in Tatortnähe gesehene Person vermutete. Dabei habe er seine
Kollegin POM Stefanie Lütz aus den Augen verloren, da sie die
Verfolgung zu Fuß aufnahm. Er habe Lütz am Ende der Liebigstraße, in
einer Sackgasse auf der Treppe des Durchgangs zum Frankfurter Tor
wieder gefunden. Auf Hinweis von Lütz habe er von dort aus eine Person
erblickt, die er anhand ihrer Bekleidung als die wieder erkannt habe,
die er zuvor am Fahrzeug gesehen hatte. Nach Schulzes Auffassung habe
sie sich ihre Jacke zwischenzeitlich ausgezogen, trug aber noch das
Basecap, welches er am Tatort gesehen haben wollte.
Zusammen
mit Lütz sei er der Person bis in einen Spätkauf gefolgt, wo er sie vor
einem Kühlregal kniend gestellt habe. Darauf hin hätten er und Lütz
Alexandra durchsucht und ihr die Hände mit Handschellen auf den Rücken
gefesselt.
Polizeikommissar (PK) Schulze - Befragung durch den Richter
Bei
der anschließenden Befragung durch das Gericht insistierte Richter Jung
nachdrücklich darauf, dass Schulze nach einen Angaben zunächst einen
Jugendlichen, also eine männliche Person gesehen haben wollte. Schulze
konnte zu diesem Widerspruch keine richtige Erklärung liefern. Er gab
an, dass das Gesicht von seinem Standpunkt aus "männlich" ausgesehen
habe.
Auf weitere Rückfragen schilderte er nochmals die
Situation der Sichtung am Tatort. Der PKW, an dem er die Person sah,
habe links von ihm gestanden. Die Person sei komplett dunkel gekleidet
gewesen und habe ein Basecap getragen. Auf Nachfrage des Richters
konnte er sich allerdings nicht erinnern, ob die Person das Basecap mit
dem Schirm nach vorne oder nach hinten getragen hatte, genauso wenig,
ob die Person eine Brille getragen hatte. Das Basecap findet sich weder
im Beschlagnahmeprotokoll, noch bei den Beweismitteln. Richter Jung
befragte Schulze darauf hin eindringlich, wo das Basecap geblieben sei:
„Daran haben Sie es doch erstmal festgemacht, dass Sie sie erkennen"
Schulze konnte dazu keine Angaben machen und fuhr fort mit der
Schilderung. Mit Schrittgeschwindigkeit sei er gefahren, die
Lichtverhältnisse in der Liebigstraße beschrieb er dabei als "mäßig
beleuchtet". Die Person habe auf Höhe der Motorhaube des PKW gestanden,
im Nahbereich sei dort keine Laterne vorhanden. Die Person habe ihn
direkt angeschaut und ihre Blicke hätten sich getroffen.
Auf
die Frage, wieso ihm die Situation verdächtig vorgekommen sei, was ihn
zu der anschließenden Wendung veranlasst habe, wiederholte er
entsprechend seiner erstinstanzlichen Aussage, dass sich auf dieser
Seite der Liebigstraße kein Gehweg befände, stattdessen nur ein
schmaler Grünstreifen, „da läuft eigentlich keiner lang“. Eine Angabe,
die seine Kollegin Lütz bereits am ersten Verhandlungstag der ersten
Instanz bestritten hatte, als sie aussagte, dass sich dort ein ganz
normaler Gehweg befände, auf dem sie schon öfter Menschen habe lang
gehen sehen.
Zum Moment der Sichtung sagte er noch aus, dass die
Person vom Scheinwerfer seines Einsatzwagens nicht direkt angestrahlt
worden sei. Zwar hätte die Person in diesem Moment zu ihm geschaut,
Haare oder andere Merkmale hätte er aber nicht erkennen können. Auch
ihre Größe könne er nicht einschätzen, da sie erhöht auf dem Bordstein
gestanden habe. Als Richter Jung sich darüber irritiert zeigte, woran
Schulze die Person dann später erkannt haben wollte, erklärte Schulze,
dass er dies nicht an der Größe der Person fest gemacht hätte. Auf
weitere Nachfragen gab er an, dass er sie „nur an der Kleidung" erkannt
und später „auf Grund der Erscheinung im Spätkauf ausgemacht“ hätte.
Schulze gab an, er habe die Haare der Person erst im Spätkauf gesehen,
wobei er auch auf weitere Rückfragen hin nicht sagen konnte, ob
Alexandra im Spätkauf ein Basecap getragen hatte oder nicht. Als
Schulze schließlich angab, im Spätkauf ihr Gesicht wieder erkannt zu
haben, wurde ihm Seitens des Richters vorgehalten, dass er ja noch
nicht einmal wisse, ob die Person in die Liebigstraße bzw. Alexandra im
Spätkauf ein Brille aufgehabt hätte oder nicht.
Außerdem führte
Schulze aus, dass zwischen Anhalten, Aussteigen, Abkratzen der
Grillanzünder und Wiedereinsteigen keine Minute Zeit vergangen sei. In
diesem Zeitraum habe er auf der Liebigstraße keine Person mehr erkennen
können, auch nicht bevor er anhielt. Richter Jung legte dar, dass es
mindestens drei Möglichkeiten gebe, von der durch Schulze bezeichneten
Stelle aus die Liebigstraße zu verlassen. Schulze konnte keine Angabe
dazu machen, welchen der Wege die verdächtige Person genommen hatte, er
wiederholte bloß, dass er die Person am Frankfurter Tor wieder erkannt
haben möchte. Auch auf die Frage, warum er und seine Kollegin sich
angesichts der verschiedenen Wege, die vom Tatort weg führten, nicht
aufgeteilt hätten, fiel ihm keine Erklärung ein.
Schulze fuhr
fort: Die Entfernung zwischen ihm und der verdächtigen Person habe vom
Durchgang aus ca. 40 Meter betragen. Die Person sei zügigen Schrittes
gelaufen aber nicht gerannt. Während sie die Person verfolgten, hätte
diese sich zwei Mal nach hinten umgeschaut, Schulze habe jedoch auf
diese Distanz das Gesicht nicht erkennen können. Vor dem Spätkauf
hätten sich dann noch weitere Person befunden. Dieser habe er aber
nicht weiter beachtet, so seien ihm Anzahl und Bekleidung der Gruppe
nicht bekannt. Auch die Gesichter dieser Gruppe habe er sich nicht
angesehen.
Die Frage Jungs, wieviel später er den Spätkauf nach
der verdächtigen Person betreten habe, beantwortet Schulze vage:
„Schwer zu schätzen, 5 Sekunden vielleicht“. Im Spätkauf habe er keine
weiteren Kunden festgestellt, Alexandra habe sich im Spätkauf „nicht
versteckt“ und ihn erst bemerkt, als er sie ansprach. Auf seine
Ansprache habe sie unaufgeregt reagiert. Schulze sagte aus, sie hätte
leicht außer Atem gesprochen, „wie nach einem kürzeren Sprint“. Richter
Jung hielt ihm darauf hin vor, dass er selbst ausgesagt habe, dass er
Alexandra zuvor nicht rennen gesehen habe. Da Schulze wohl nicht
wusste, was er dazu sagen sollte, sagte er dazu einfach gar nichts
mehr. Ob die Person im Spätkauf ein Basecap aufgehabt hatte? Schulze:
„Kann ich nicht sagen“. Auf Nachfrage, ob dies zum Zeitpunkt der
Sichtung am Frankfurter Tor der Fall war, vermutete Schulze „meines
Erachtens ja“. Auf die anschließende Frage, woran er denn dann die
Person im Spätkauf wieder erkannt haben wollte, konnte Schulze keinen
genaueren Angaben machen als: „Ich war mir über die Person sehr sicher“.
Vor
dem Spätkauf wurden Alex dann die Hände mit Handfesseln auf dem Rücken
fixiert. Schulze habe danach per Funk andere polizeiliche Stellen
(Referat Verbrechensbekämpfung 1 (VB1) der Direktion 5 und das
Landeskriminalamt) alarmiert. Alexandra sei dann zurück in die
Liebigstraße gebracht, und in den dort parkenden Einsatzwagen gesetzt
worden. Anschließend hätten Schulze und Lütz nochmals zu Fuß den Tatort
aufgesucht und dabei an einem in der Nähe geparkten PKW weitere drei
unangezündete Grillanzünder festgestellt. Als die Kollegen von VB1
eintrafen, seien Alexandras gefesselten Händen Papiertüten übergestülpt
worden. Aufgrund der anhaltenden Fesselung hätte sie keine Möglichkeit
gehabt, sich die Hände vorher zu waschen. Auch in der
Gefangenensammelstelle (GeSa) am Tempelhofer Damm, in die sie
anschließend verbracht wurde, sei sie in einem Raum untergebracht
gewesen, der über kein Waschbecken verfügt hätte.
Schulze fuhr
fort, dass Alexandra sich trotz angelegter Handfesseln auf der GeSa von
den Papiertüten gelöst hätte. Dies habe er jedoch nicht selbst gesehen,
sondern nur von Kollegen gehört. Ihr seien darauf hin neue Papiertüten
über die Hände gestülpt worden. Da er die Angelegenheit mit den
abgerissenen Papiertüten nur vom Hörensagen kenne, könne er sich nicht
mehr erinnern, ob er, seine Kollegin Lütz oder doch jemand anderes
Alexandra die neuen Papiertüten anbrachte. Die Befragung Schulzes durch
Richter Jung endete damit und Staatsanwältin Hoffmann übernahm.
Polizeikommissar (PK) Schulze - Befragung durch Staatsanwältin Hoffmann
Hoffmann
wollte wissen, ob Schulze in der Liebigstraße noch weitere relevante
Gegenstände gesehen hätte, außer den Grillanzündern. Hoffmann wollte
damit vermutlich auf die Farbsprühdosen hinaus, die ebenfalls als
Beweismittel geführt werden. Schulze konnte dazu jedoch keine Angaben
machen. Anschließend fragte Hoffmann, ob es möglich sei, dass die
Kleidung der verdächtigen Person in der Liebigstraße andersfarbig war.
Schulze meinte dazu, dass dies möglich wäre und relativierte den Gehalt
seiner Aussage sogleich mit dem Satz: „Wenn ich das so gesagt habe,
war das so." Dann hielt die Staatsanwältin ihm noch vor, dass er in der
ersten Instanz ausgesagt hatte, Alexandra hätte im Spätkauf versucht,
sich vor ihm und seiner Kollegin zu verbergen, was er nun nicht mehr
behaupte. Schulze machte dazu keine Angaben. Überhaupt waren Schulzes
Aussagen mittlerweile davon gezeichnet, dass er kaum einen Satz ohne
„nehme mal an...", „meines Erachtens..." und „wenn ich das so gesagt
habe …“ zu Ende brachte.
Polizeikommissar (PK) Schulze - Befragung durch die Rechtsanwältinnen Arndt und Weyers
Auf
Nachfrage der Verteidigung gab Schulze an, dass er am Tag nach der
Festnahme von Bernhard Kufka, dem Leiter der Direktion 5 vorgeladen
worden sei. Dieser habe sich persönlich Bericht erstatten lassen
wollen. Ein Vorgehen, welches für Kufka ungewöhnlich sei.
Weitere
Fragen der Verteidigung zielten auf Schulzes Prozessvorbereitung.
Schulze gab an, er habe sich vor dem dem Gerichtstermin nochmals die
Strafanzeige durchgelesen, die er in der Tatnacht schrieb. Andere
Bestandteile der Akte kenne er nicht. Die Anwältinnen haken nach und so
sagt Schulze aus, dass er sich außerdem noch über die Presse und die
Homepage "Freiheit für Alex" über das erstinstanzliche Verfahren und
den Freispruch informiert habe. Auf Vorhaltung, dass auf dieser
Homepage auch seine eigenen Zeugenaussagen dokumentiert seien, gab
Schulze an, dass ihn diese beim Lesen der Homepage nicht interessiert
hätten, weshalb er sie überlesen hätte. Er habe auch keine Gespräche
mit Kollegen über den Freispruch geführt. Generell sei
"was-ist-da-schief-gelaufen" auf seiner Dienststelle kein Thema
gewesen. Weder mit Kollegen, noch mit Vorgesetzten. Bezüglich des
Falles sei er nach dem Freispruch auch nicht noch ein mal von der
Staatsanwaltschaft oder dem LKA angesprochen worden.
Das LKA,
genauer Kriminaloberkommissar (KOK) Michalek vom polizeilichen
Staatsschutz beim LKA 5, hatte ihn kurz vor Alexandras Inhaftierung zu
einer zweiten Vernehmung zitiert. Schulze erklärte, dass ihm der Grund
dieser Vernehmung unklar sei. Weyers warf ein, dass die Vernehmung zur
Mittagszeit des Tages stattgefunden habe, an dem Alexandra abends in
Untersuchungshaft genommen wurde und dass die Zusammenkunft mit dem
Staatsschutz dringlich gewesen sein müsse, da sie immerhin an Schulzes
freiem Tag stattgefunden habe. In Bezug auf die Vernehmung hielt Weyers
ihm vor, dass darin festgehalten wurde, dass er das Gesicht der
verdächtigen Person in der Liebigstraße gesehen hätte, dies jedoch
nicht in dem Bericht auftauche, den er unmittelbare nach dem Vorfall
verfasst hatte. Schulze erklärte diesen Umstand damit, dass er im
ersten Bericht schlicht vergessen hätte, dies zu erwähnen. Auf die
Frage, ob KOK Michalek ihm während der Vernehmung Fragen gestellt
hätte, da sich das Protokoll lese, als sei es an einem Stück hinunter
geschrieben worden, gab Schulze an, dass er dies nicht mehr genau
wisse, dass aber zu vermuten sei, dass er Fragen gestellt bekam.
Ebenfalls
unbeantwortet blieb die Frage, wieso in den durch ihn gefertigten
Protokollen zwischen Festnahme- und Tatzeit eine Differenz von rund 30
Minuten klaffe, die vermeintliche Verfolgung jedoch nur wenige Minuten
dauerte. Schulze erklärte dazu wörtlich: „Ich weiß nicht, wie ich
darauf gekommen bin.“
Im weiteren Verlauf der Befragung durch
die Verteidigung gab Schulze an, dass er die verdächtige Person sah,
als er direkt auf gleicher Höhe mit ihr war. Die Person habe hinter der
Motorhaube eines geparkten PKW gestanden. Er wäre zu diesem Zeitpunkt
Schrittgeschwindigkeit gefahren, vielleicht 7 bis 9 km/h. Nach der
Sichtung, wobei sie sich gegenseitig ins Gesicht geschaut hätten, sei
er weiter gefahren und habe sich auch nicht nach ihr umgedreht. Ob er
auch ihre Hose gesehen hätte, konnte er nicht mehr sagen.
Als
Schulze es doch für möglich hält, dass die Person durch die
Scheinwerfer seines Einsatzwagens angestrahlt wurde, fragte die
Verteidigung, auf welcher Höhe sein Fahrzeug abstrahlt. Weyers wollte
wissen, wie der Scheinwerfer seines Wagens eine Person anstrahlen
könne, die sich neben ihm auf gleicher Höhe befindet. Schulze konnte
die Frage nicht beantworten und sagte, er sei sich nicht sicher, ob das
Gesicht der Person beleuchtet war. Weyers hakte nach, denn in der
ersten Instanz hatte Schulze ausgesagt, dass er das Gesicht der Person
höchstens 1 Sekunde gesehen hätte. Schulze strengte sich an und sah nun
„vor seinem geistigen Auge“ nur noch Basecap und Hose. Wie die Hose
durch die Motorhaube hindurch gesehen haben wollte, blieb jedoch
ungeklärt.
Rechtsanwältin Weyers stellte Schulze noch ein paar
Fragen zu der Gegend um das Frankfurter Tor. Schulze gab an, dort sähe
man viele junge Menschen, manchmal auch dunkel gekleidete. Er kenne die
ehemals besetzten Häuser in der Liebig- und in der Rigaer Straße. Vor
diesen säßen häufig Menschen und konsumierten Bier. Sauber sei es da
nicht, so Schulze.
Als die Verteidigung keine Fragen mehr hat,
wollte Staatsanwältin Hoffmann noch einen Vermerk unterbringen, dass
Schulze Alexandra im Gerichtssaal ohne Brille erkannt hatte.
Rechtsanwälting Weyers erklärte, dass Schulze sie im Gerichtssaal
erkannt habe, nachdem er im Anschluss an die Festnahme drei Stunden
lang am Frankfruter Tor und auf der GeSa mit ihr zu tun hatte und sie
in der ersten Instanz sah.
Schulze blieb unvereidigt und wurde als Zeuge entlassen.
Polizeiobermeisterin (POM) Lütz - Aussage und Fragen des Richters
Als
nächstes wurde Polizeiobermeisterin Stefanie Lütz (37) aus Berlin
gehört. Lütz berichtete, sie habe die verdächtige Person in der
Liebigstraße überhaupt nicht gesehen. Nachdem Schulze das
Einsatzfahrzeug gewendet hatte, hätte auch Schulze die Person nicht
mehr ausmachen können. Nach dem Aussteigen und Entdecken der brennenden
Grillanzünder sei sie zu Fuß die Liebigstraße in Richtung Frankfurter
Tor hinunter gerannt. Auf dem ganzen Weg sei ihr keine weitere Person
begegnet. Erst vom Durchgang zum Frankfurter Tor aus sah sie eine
Person mittig des Platzes. Als Schulze zu ihr aufgeschlossen sei, habe
er die Person wieder erkannt. Gemeinsam seien sie der Person
anschließend in den Spätkauf gefolgt, wo sie die Person, die vor einem
Kühlschrank kniete, festnahmen.
Die Fahrtgeschwindigkeit in der
Liebigstraße schätzte sie auf 7 - 10 km/h. Sie wären die Liebigstraße
abgefahren, weil es dort bereits des Öfteren zu Bränden gekommen sei,
auch Plastikmülltonnen seien dort schon mehrfach in Brand gesteckt
worden. Schulze habe zu ihr gesagt: „Guck Mal, da ist ein dunkel
gekleideter Jugendlicher", sie selber sah aber trotz des Hinweises
niemanden. Schulze sei erst weiter gefahren, sei dann aber gewendet und
hätte es dann im Radkasten eines PKW brennen sehen. Der Einsatzwagen
stoppte und Schulze kümmerte sich um das Feuer, ohne jemanden zu sehen,
sei Lütz dann los gelaufen zum Frankfurter Tor. Auf andere
Möglichkeiten die Liebigstraße zu verlassen, habe sie nicht geachtet.
Als
Schulze am Frankfurter Tor zu ihr aufschloss, habe sie ihn gefragt, ob
das die Person sei, die er gesehen habe. Schulze bestätigte dies. Die
Person sei zu diesem Zeitpunkt nur von hinten zu sehen gewesen. Sie
glaubt, dass die Person ein Basecap auf hatte, kann jedoch keine
Angaben darüber machen, ob der Schirm nach vorne oder nach hinten
zeigte. Die Person wäre normalen Schrittes gegangen, Lütz vermutete,
dass sie von der Frankfurter Allee her gekommen war.Weiter glaubte Lütz
sich zu erinnern, dass auf dem Platz sonst keine weiteren Personen
waren, ihrer Erinnerung nach befanden sich auch vor dem Spätkauf keine
Menschen, was im Widerspruch zu Schulzes Aussage steht.
Sie
habe Alexandra sofort als Frau erkannt, auch Kollege Schulze wäre nicht
verwundert gewesen, dass es sich bei Alexandra um eine Frau handelte.
Ob sie ein Basecap auf hatte, konnte Lütz nicht mehr sagen. Sie
erinnerte sich nur, dass Alexandra außer Atem gewesen sei, aber nicht
betrunken wirkte, als sie festgenommen wurde. Versuche, sich die Hände
zu reinigen, habe Alexandra nicht unternommen. Gerüche z.b. von Alkohol
oder Grillanzündern hätte Lütz nicht festgestellt.
Zurück in
der Liebigstraße fand sie neben dem Mazda zwei leere, deformierte
Farbsprühdosen, sie vermutete, ohne Sprühkopf. An Alexandras Hosen
stellte sie in der GeSa Straßenschmutz fest. Sie bestätigte nochmal,
dass es in Alexandras Zelle auf der GeSa keine Waschmöglichkeit gab.
Auch
Lütz konnte nicht erklären, was es mit der weiteren Vernehmung durch
das LKA am Folgetag auf sich hatte. Ebenso wie Schulze war sie vom
Staatsschutz vorgeladen worden. Richter Jung interessierte, woran
Schulze festgemacht habe, dass es sich bei der Person am Frankfurter
Tor, die er nur von hinten sah, um die verdächtige Person aus der
Liebigstraße handelte. Lütz führte Statur und Kleidung an.
Polizeiobermeisterin (POM) Lütz - Befragung durch Staatsanwältin Hoffmann
Staatsanwältin
Hoffman wollte von der Zeugin wissen, ob man sich an der Hose schmutzig
machen könne, indem man sich an einem Auto oder Büschen vorbei drückt.
Außerdem wollte sie noch wissen, wie oft es in der Liebigstraße brenne
und wie groß im Spätkauf der Abstand zwischen der hockenden Alexandra
und dem Kühlschrank war.
Polizeiobermeisterin (POM) Lütz - Befragung durch die Rechtsanwältinnen Arndt und Weyers
Rechtsanwältin
Arndt fragte Lütz nach der sozialen Mischung im Kiez. Lütz benannte
Studenten und Zugezogen. In der Liebig- und Rigaer Straße vorwiegend
linkes Publikum, keine Punks aber schwarz gekleidete, oft trinkend
"immer ein Bier in der Hand". Sie benannte außerdem das XB-Liebig, da
wären Linke, auch Radikale und es sei dort dreckig. Sie würde da nicht
hin gehen, auch wenn sie nicht Polizistin wäre.
Anschließend
wollte Arndt wissen, was auf dem Abschnitt zum Fall und dem
erstinstanzlichen Freispruch gesprochen wurde. Lütz konnte sich nicht
erinnern, ob sie von dem Freispruch aus den Medien oder von Gesprächen
aus dem Abschnitt gehört hatte. Allerdings sei dies auf dem Abschnitt
auch kein großes Thema gewesen. Sie sagte, sie sei überrascht, dass es
nun noch einmal zum Prozess gekommen sei.
Ihren ersten Bericht
im Anschluss an die Festnahme habe sie neben Schulze geschrieben und
mit diesem besprochen. Vernehmungen durch das LKA, wie sie sie am
folgenden Tag hatte, fänden gelegentlich statt, wenn es „erforderlich
"sei.
Sie wisse nicht mehr, womit ihre Vorladung beim
Staatsschutz begründet wurde, ihre erste zeugenschaftliche Äußerung in
Form ihres Berichts habe sie jedoch für ausreichend empfunden.
Sie
sagte aus, sie habe sich die Vorladung damit erklärt, dass Alexandra
auf einer Demonstration angetroffen worden sei und sich daraus neue
Erkenntnisse ergeben hätten. Hierüber muss Lütz sich jedoch geirrt
haben, denn ihre Vernehmung fand an diesem Tag bereits um 13:13 Uhr
statt. Die Demo, auf der Alexandra letztendlich festgenommen wurde,
fand aber erst ab 18:00 Uhr statt.
Rechtsanwältin Weyers fragte,
ob Lütz in der Liebigstraße eine hinter einem Auto geduckte Person
gesehen hätte. Lütz antwortete, dass wenn sie eine gesehen hätte, sie
diese verfolgt hätte. Auf erneute Nachfrage räumt Lütz ein, das sie
eine hinter einem Auto geduckte Person nicht unbedingt gesehen hätte.
Sie rannte die Liebigstraße runter, ohne hinter die geparkten Autos zu
schauen.
Die Verteidigung warf ein, dass die unbenutzten
Grillanzünder, die später in der Nähe des Tatortes gefunden wurden, an
einem PKW lagen, der vom Brandort aus in Richtung Rigaer Straße geparkt
worden war, Lütz und Schulze seien jedoch in Richtung Frankfurter Tor
gerannt bzw. gefahren. Lütz wurde unvereidigt entlassen.
Giscard Franke, Spurensicherung - Zeugenaussage
Franke
gab an, an den Fall nur noch wenig Erinnerung zu haben. Er entsinne
sich noch an „weiße Bröckchen“, die Grillanzünder hätten sein können.
Dies zu beurteilen, läge im Zuständigkeitsbereich des Labors. Ansonsten
verwies er auf seinen Bericht, nach dem sich die Bröckchen an zwei
verschiedenen Fundstellen befunden hätten. Der Zeuge Franke wurde
unvereidigt entlassen und die Hauptverhandlung für diesen Tag
unterbrochen.
Nächste Prozesstermine für Alexandra:
Mittwoch, 02. Juni 2010 - 9 Uhr
Landgericht Berlin (Saal 700)
Mittwoch, 15. Juni 2010 - 9 Uhr
Landgericht Berlin (Saal 700)
Prozess am Landgericht (2. Instanz):
6. Prozesstag, Alexandra (Kurzmitteilung)
5. Prozesstag, Alexandra: Prozessauftakt (Kurzmitteilung)
Alexandra: Berfungstermine (Kurzmitteilung)
Alexandra: Beschwerde eingelegt (Kurzmitteilung)
Prozess am Amtsgericht (1. Instanz):
4. Prozesstag, Alexandra (Bericht)
4. Prozesstag, Alexandra: Alex freigesprochen! (Kurzmitteilung)
3. Prozesstag, Alexandra (Bericht)
3. Prozesstag, Alexandra: Justiztheater in Berlin (Kurzmitteilung)
2. Prozesstag, Alexandra (Bericht)
1. Prozesstag, Alexandra (Bericht)
1. Prozesstag, Alexandra: Alexandras Anklage schwächelt (Kurzmitteilung)