Anordnung der DB AG: Am "Zug der Erinnerung" wird die öffentliche Berichterstattung eingeschränkt

DB will der Presse Interviews verbieten/Der Zug erreicht Freiburg/Bürgerinitiativen erinnern an Deportierte und Sklavenarbeiter der "Reichsbahn" - Stuttgarter Innenministerium und Landeszentrale für politische Bildung: Keine Förderung, keinen Cent


 

FREIBURG/BERLIN - 

 

Die DB AG hat TV-Berichterstattern untersagt, auf den Haltebahnhöfen Interviews mit den Initiatoren des Gedenkens aufzunehmen. Dies berichten TV-Teams, nachdem sie bei der DB AG Drehgenehmigungen einholen wollten. Demnach ist es verboten, auf den Bahnsteigen bebilderte Stellungnahmen der Zugbegleiter aufzunehmen und auszustrahlen. Dieses Verbot, das die öffentliche Berichterstattung bewusst einschränken will und das Gedenken an die Deportationsopfer dem Belieben der DB-Zentrale unterwirft, beruft sich auf das Hausrecht. Offensichtlich sollen Kritiker der DB, die dem DB-Vorstand Geschichtsvergessenheit vorwerfen, mundtot gemacht werden (Verdrängen, Vergessen, Verleugnen). "Statt den 'Zug der Erinnerung' zu fördern, überschattet die Unternehmensführung das Gedenken, indem sie ständig neue Konflikte provoziert", heißt es auf Anfrage bei der Bürgerinitiative. Das Verbot hat bisher wenig genützt: Die Presseberichterstattung ist umfangreich (Medienberichte). Neben vielen regionalen Anstalten drehte France 3, das französische Fernsehen, eine Reportage über den Zugaufenthalt in Baden-Württemberg. Das Interesse ist begründet: Die NS-Verbrechen fanden auch im benachbarten Alsace (Elsass-Lothringen) statt. Im französischen Strasbourg und Natzweiler begingen die Deutschen Massenverbrechen, über deren Opfer in der Zugausstellung berichtet wird.


Nach einem viertägigen Aufenthalt in Offenburg, wo über 4.000 Menschen auf den Bahnhof kamen (DB-Bahnhof Offenburg: Kein Hinweis auf die "Reichsbahn"-Verbrechen), hat der Zug jetzt Freiburg erreicht. Dort wird er bis zum kommenden Mittwoch auf Gleis 8 stehen. Der Freiburger Trägerkreis hat ein umfangreiches Begleitprogramm vorbereitet: mehrere Stadtführungen zu den Stolpersteinen für Freiburger Deportationsopfer, Lesungen, Filme, Vorträge (Flyer Freiburg). Dem Gedenken an die aus Freiburg verschleppten Kinder und Jugendlichen sind regionale Exponate gewidmet. Sie erinnern an die 14-köpfige Familie Spindler oder an den jungen Heinrich Rosenberg. Heinrich wurde am 22. Oktober 1940 mit seiner Mutter nach Gurs deportiert (Worms, Ludwigshafen, Speyer: Die Spur der Verbrechen). Mit 18 Jahren zu alt für die Rettung durch eine Hilfsorganisation, kam er mit dem "Reichsbahn"-Transport Nr. 31 über Drancy nach Auschwitz-Birkenau. Heinrich Rosenberg kehrte nicht zurück. Die Sinti-Familie Spindler wohnte in Herbolzheim. 1943 wurden sämtliche Familienangehörigen nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Nur zwei, Franz Spindler (geb. 1926) und sein Bruder Lorenz (geb. 1928), überlebten.


Die Erinnerung gilt auch den nach Freiburg verschleppten Arbeitssklaven. Anna Djatschenko war 18 Jahre alt, als sie im November 1942 aus der Ukraine entführt wurde. Sie lebte in Freiburg im "Ostarbeiterlager", wo die "Reichsbahn" ihre Arbeitskraft ausbeutete. Wie das Freiburger Stadtarchiv rekonstruieren konnte, musste Anna zusammen "mit 30 weiteren Ukrainerinnen ... täglich unter Bewachung vom Lager zum Bahnbetriebswerk marschieren, um dort Waggons und Dampflokomotiven zu reinigen, die Feuerbüchsen auszuräumen, Rußfänger zu entleeren, Schlacken herauszuschlagen und Treibstangen von festgebackenem Schmutz zu befreien... Anna Djatschenko schlief im großen Fabrikgebäude des 'Ostarbeiterlagers' auf verwanzten Matten. Wachen mit Hunden patrouillierten nachts durch und um das Gebäude. Manche hatten Peitschen dabei und benutzten sie auch..."


Anträge auf finanzielle Unterstützung des Gedenkens haben die Landesregierung Baden-Württemberg und die Landeszentrale für politische Bildung abgelehnt (Baden-Baden: Gedenken hinter einer Betonmauer). Allein die Stadt Freiburg und zahlreiche gesellschaftliche Organisationen tragen zu den hohen Kosten zu bei. Das Verhalten der Landeszentrale ist kein Einzelfall: Wie der Freiburger Autor Andreas Meckel berichtet, lehnte es die Landeszentrale erst kürzlich ab, ein Gedenkbuch für zwei NS-Opfer zu bezuschussen.