Der Islam und die Integration: Große Skepsis vor allem im Osten

Erstveröffentlicht: 
04.01.2016

Leipzig. Zum Zusammenleben mit Muslimen haben die Deutschen eine klare Position. Drei Viertel in Ost wie West sagen, das gelinge nur dann, wenn sich die hier lebenden Menschen muslimischen Glaubens an die Werte des Gastlandes anpassen, die Gesetze achten und die demokratischen Spielregeln einhalten. Obwohl über diese Basis der Integration in Politik und Gesellschaft weitgehend Konsens herrscht, erfuhr das Thema neue Brisanz. Der CSU-Vorstoß, Flüchtlinge schriftlich zur Integration zu verpflichten, heizte die Debatte um die Jahreswende neu an. Diese Forderung kann jedoch schnell zum Bumerang werden, weil es gar nicht genügend Kurse für die Geflüchteten gibt. Zudem funktioniert Integration nur als Prozess und nicht per Unterschrift.

 

Eine deutliche Mehrheit in Ost wie West sieht das Verhältnis zu den Muslimen entspannt. Über 50 Prozent verweisen darauf, dass die Deutschen schon lange friedlich mit Muslimen zusammenleben und gehen davon aus, dass auch der neuerliche Zustrom von einer Million Flüchtlingen vor allem aus islamisch geprägten Ländern nichts daran ändern wird. Ein gutes Drittel teilt diese Zuversicht allerdings nicht, darunter im Osten mit 39 Prozent noch mehr als im Westen mit 34 Prozent.

 

Kulturelle Unterschiede

 

Nur acht Prozent finden, dass aus dem Miteinander erst dann etwas wird, wenn sich auch die Deutschen an die islamische Kultur anpassen. Für dieses Aufeinanderzugehen plädieren von den Altersgruppen vor allem die 30- bis 49-Jährigen und von den sozialen Gruppen die Studenten. Befragte mit abgeschlossenem Studium sind deutlich weniger dieser Ansicht.

 

Das ergab eine Umfrage des Leipziger Instituts Uniqma, das dafür Mitte Dezember 1007 repräsentativ ausgewählte Erwachsene im gesamten Bundesgebiet telefonisch befragte.

 

„Die Antworten zeigen insgesamt eine große Skepsis in der Bevölkerung. Zwar sieht gut die Hälfte der Bevölkerung das bisherige Verhältnis zu den Muslimen in Deutschland in normalen Bahnen. Die andere Hälfte der Bevölkerung teilt diesen Optimismus nicht. Hier sieht man deutliche kulturelle Unterschiede und fürchtet Ärger und Probleme. Jeder Fünfte geht sogar so weit, dem Islam die Fähigkeit zu einem friedlichen Miteinander abzusprechen“, ordnet Uniqma-Chef Andreas Czaplicki die Ergebnisse ein.

 

Vor allem die Ostdeutschen sind sehr zerrissen bei diesem Thema. So glauben im Osten mit 52 Prozent mehr als im Westen mit 45 Prozent, dass die kulturellen Unterschiede so groß seien, dass ein gedeihliches Miteinander für sie nur schwer vorstellbar ist. Noch skeptischer sind ein Viertel im Osten und ein Fünftel im Westen. Sie schreiben dem Islam aggressive Züge zu und halten ein friedliches Zusammenleben kaum für möglich. Ihr Bild wird offenbar dominiert von den islamistischen Terroristen. Darunter sind von den Altersgruppen vor allem die über 65-Jährigen (jeder Dritte) sowie Befragte mit geringem Bildungsabschluss. Am wenigsten ist eine derartige Abwehrhaltung bei den 18- bis 29-Jährigen im Westen verbreitet. Von ihnen denken nur zwölf Prozent so, bei ihren Altersgefährten im Osten sind es dagegen 25 Prozent.

 

Ein Muslim als Bundeskanzler? Ist das im Jahr 2030 vorstellbar? Zwei Drittel der Bundesbürger bezweifeln, dass es trotz aller Integration auf absehbare Zeit so weit kommen wird. „Die Westdeutschen hätten mit einem muslimischen Bundeskanzler scheinbar weniger Probleme als die Ostdeutschen“, meint Czaplicki. Der Blick in die Analysetabellen verrät, dass es im Westen vor allem die 18- bis 29-Jährigen sind, die sich zu 47 Prozent in15 Jahren einen muslimischen Kanzler vorstellen können. Im Osten ist die Ablehnung in allen Altersgruppen stärker, am meisten ausgeprägt bei den über 65-Jährigen: Für 84 Prozent der Älteren im Osten liegt ein Muslim als Regierungschef in Berlin fern jeder Vorstellung.

 

Auf die Frage, wer die Flüchtlingsprobleme am besten löst, vereint die Kanzlerin zwar keine Mehrheit auf sich. Aber dennoch sehen die Bürger bei Angela Merkel (CDU) die Flüchtlingspolitik in den besten Händen. Mit 37 Prozent trauen die Befragten ihr mit großem Abstand vor Politikern anderer Parteien zu, dass sie es schafft. Dabei stärken ihr im Westen mit 38 Prozent mehr den Rücken als im Osten mit 32 Prozent. Horst Seehofer, der als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident härtere Töne anschlägt als Kanzlerin Merkel und diese auch gern mal vorführt, kann damit beim Wahlvolk nicht punkten. Obwohl die meisten Befragten auch für eine reglementierte Aufnahme plädieren, sehen sie ihr Anliegen bei Seehofer nicht besser aufgehoben. Sie entscheiden sich doch eher für die Kanzlerin, die zwar an „Wir schaffen das“ festhält, dies aber inzwischen auch mit diversen Einschränkungen versieht. Auch Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel überzeugt die Bürger nicht. Sein Kurs ist dicht an dem von Merkel, da wählen die Leute lieber das Original. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bekommt keinen großen Beifall. Die Rezepte der Bundestagsfraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, werden ebenso kaum als heilsam empfunden wie die von Grünen-Parteichef Cem Özdemir.

 

Wenig Punkte für Petry

 

Überraschend ist, dass die Bundessprecherin der Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry, in Ost wie West nur von zwei Prozent der Befragten als die ideale Problemlöserin benannt wird. Immerhin hat die Flüchtlingskrise der rechtskonservativen AfD mit ihrer restriktiven Zuwanderungspolitik bundesweit Umfragewerte zwischen acht und zehn Prozent beschert. „Die Frage nach der Person bevorzugt jene Politiker, die eine klare und bekannte Haltung haben, wie in diesem Fall die Kanzlerin. Welche Haltung Frauke Petry im Einzelnen hat, dürfte vielen nicht bekannt sein; das macht die Gefolgschaft schwieriger. Dieses Problem haben auch Gabriel, Wagenknecht und Özdemir, deren persönliche Werte auch unter den Parteiwerten liegen“, erklärt dazu Czaplicki. Zudem benenne die AfD zwar die Probleme und Ängste und erfahre dafür Zustimmung. Aber welche Lösungen sie habe, das bleibe diffus, so der Institutschef.

Nachdenklich an diesem Umfragekomplex stimmt, dass mehr als jeder Vierte keinem Vertreter der etablierten Parteien eine Lösung zutraut.