Gemkow: Beleg für weitere Verrohung

Erstveröffentlicht: 
26.11.2015
Noch keine Spuren nach Anschlag auf Justizminister
VON MARTIN FISCHERUND BJöRN MEINE

 

Dresden/Leipzig. Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) sieht in dem Buttersäure-Anschlag auf seine Privatwohnung in der Leipziger Südvorstadt einen weiteren Beleg für die zunehmende Verrohung in der politischen Auseinandersetzung. Schon in den vergangenen Monaten sei deutlich geworden, „wie der Ton rauer wird“, sagte er gestern in Dresden. „Insofern sehe ich das, was jetzt hier ganz konkret mir passiert ist, als einen kleinen Baustein von vielen, die ein Bild verdichten von einer Gesellschaft, die zunehmend auch auf die gewalttätige Auseinandersetzung setzt.“ In seinem persönlichen Verhalten wolle er sich aber nicht einschränken. „Ich bin nicht gewillt, mein Leben davon beeinflussen zu lassen.“ Erkenntnisse, aus welchem Umfeld die Täter stammten, lägen ihm noch nicht vor. Auch das für Extremismus zuständige Operative Abwehrzentrum, das die Ermittlungen übernommen hat, machte keine weiteren Angaben zu möglichen Motiven.

 

Unterdessen sorgt ein Tweet des Grünen-Landeschefs Jürgen Kasek für Aufruhr. Bei Twitter hatte er unter anderem geäußert, es gehe ihm „auf den Senkel“, dass jetzt so getan werde, als sei „das jetzt besonders schlimm, nur weil es der Justizminister ist“. Später entschuldigte sich Kasek, twitterte: „Das war unnötig. Keine gute Formulierung.“ Die CDU zeigte sich empört: „Herr Kasek sollte, gemäß der hohen Ansprüche, die er an andere stellt, umgehend zurücktreten“, sagte Frank Tornau, erster Stellvertretender Kreisvorsitzender der Leipziger Union.

 

Für weniger Wirbel sorgte eine Bemerkung des Leipziger AfD-Kreisverbandes. „Wir wünschen dem Justizminister, dass er den Angriff auf seinen persönlichen Bereich gut wegsteckt und hoffen zugleich auf eine Erkenntnis bei ihm“, so Kreischef Siegbert Droese. Schließlich sei die Staatsanwaltschaft Leipzig „scheinbar besonders mit der Einstellung von Verfahren beschäftigt, als Täter zu ermitteln“, erklärte Droese. „Nach Übergriffen auf Politiker der AfD, auf unsere Büros, auf Infostände, folgte jeder Anzeige am Schluss die Einstellung des Verfahrens. Das sollte sich in Zukunft ändern.“

 

Angesichts der zunehmenden Bedrohung fordern die Linken, Privatadressen von Politikern in Wahlbekanntmachungen nicht mehr zu verzeichnen. In Zeiten, „in der immer häufiger zu Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung gegriffen wird“, entwickelt sich die Veröffentlichung der Adressen „zum Sicherheitsrisiko für die Kandidierenden“, sagte die Landesgeschäftsführerin Antje Feiks. Zwar sehe die Landeswahlordnung bereits jetzt im Einzelfall Ausnahmen vor. Die seien jedoch ungenügend. „Wir sollten den generellen Verzicht auf die Veröffentlichung von Meldeadressen daher dringend prüfen.“ Auch SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe sprach sich dafür aus, eine entsprechende Änderung der Landeswahlordnung zu prüfen. „Vor der Wohnungstür ist Schluss“, sagte sie. „Rathäuser, Parlamente und Büros sind der richtige Ort für Demonstrationen. Bei uns zu Hause hat niemand etwas verloren.“