Hatte der Mann einen Anschlag auf ein Flüchtlingsheim geplant?

Erstveröffentlicht: 
01.12.2015

Die Polizei hatte Ende August bei einer Kontrolle im Auto eines Neonazis aus dem Raum Rosenheim eine Axt, ein Beil, ein verbotenes Messer, einen vollen Benzinkanister und ein Nachtsichtgerät entdeckt - und ließ ihn weiterfahren.

 

Zu der Polizeikontrolle war es in München auf der Putzbrunner Straße zwischen Neuperlach und Ramersdorf gekommen - ganz in der Nähe von zwei Flüchtlingsunterkünften. Die Polizeistreife hatte das Fahrzeug kontrolliert, weil der Fahrer sich ihrer Aussage nach auffällig benommen hatte. Die Polizeibeamten entdeckten in seinem Wagen brisante Fracht - quasi die perfekte Ausrüstung für einen Brandanschlag: eine Axt, ein Beil, ein verbotenes Messer, einen vollen Benzinkanister und ein Nachtsichtgerät.

In ihrem Computer sahen die Polizisten außerdem einen Eintrag zu dem Mann: Er ist als polizeibekannter Neonazi aus dem Raum Rosenheim verzeichnet, der schon mehrfach durch Gewalt- und Einbruchsdelikte aufgefallen ist.
Axt, Beil, Messer, Benzinkanister und Nachtsichtgerät

Der Mann wurde allerdings weder verhaftet noch auch nur vorrübergehend in Gewahrsam genommen. Die Polizeibeamten nahmen ihm lediglich das verbotene Messer ab. Denn das war eine Ordnungswidrigkeit. Außerdem wurde dem Mann eine sogenannte Gefährdetenansprache gehalten. Dabei wurde dem Mann vermutlich erklärt, dass er unter Beobachtung stehe. Danach durfte der stadtbekannte Nazi mitsamt seiner gefährlichen Fracht unbehelligt weiterfahren.


War der Polizei wirklich die Hände gebunden?

Mehr sei rechtlich nicht möglich gewesen, ein Benzinkanister im Auto sei schließlich nichts verbotenes, so die Münchner Polizei. Der Rechtsextremismus-Experte der SPD-Landtagsfraktion Florian Ritter aus München hatte daraufhin auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks erklärt, er finde das Verhalten der Polizei ziemlich verwunderlich.

 

"So ein Vorgang begründet zumindest einen Anfangsverdacht. Und es stellt sich schon die Frage, ob da die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden ist – also eigentlich hätte man sie einschalten müssen, um zumindest weitergehende Ermittlungen zu prüfen. Also man hätte sich das Ganze schon einmal deutlich genauer anschauen können, man hätte hier mit Sicherheit auch eine vorläufige Gewahrsamnahme bis zum Abschluss von Prüfungen auch vornehmen können."
Florian Ritter, Rechtsextremismus-Experte der SPD-Landtagsfraktion in München

 

Die Staatsanwaltschaft ist allerdings nicht eingeschaltet worden. Für den Neonazi wird das Ganze - bis auf eine kleine Geldstrafe für das verbotene Messer - wohl folgenlos bleiben.


Antifaschist mit Fahnenstange wurde im Sommer verhaftet

Fraglich ist nach Einschätzung von Kritikern, ob der Polizei tatsächlich die Hände gebunden waren - oder ob sie Gesetze so auslegen kann, dass es leichter für sie ist, Verdächtige dingfest zu machen: Im Sommer gab es den Fall eines Anti-Pegida-Demonstranten, ein junger Antifaschist - der verhaftet wurde, weil er auf einer Gegendemonstration eine Fahne mit Fahnenstange dabei hatte.

Die Argumentation von Polizei und Staatsanwaltschaft und Polizei war damals: Mit der Stange könnte er eventuell auch zuschlagen. Der junge Mann saß deshalb acht Wochen in Untersuchungshaft und wurde schließlich verurteilt. Da bleibt es fraglich, warum die Polizei solche Maßstäbe nicht bei einem bekannten Neonazi mit Waffen, Brandbeschleuniger und Nachtsichtgerät im Auto anwenden konnte.