Die CSU begrüßt Merkel kühl

Erstveröffentlicht: 
21.11.2015
Beim Parteitag in München brechen die Differenzen zur Flüchtlingspolitik auf Von Christoph Trost

 

München. Im unionsinternen Streit um Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen hat die CSU ihrem Vorsitzenden Horst Seehofer den Rücken gestärkt. Der CSU-Parteitag in München verabschiedete am Freitag mit sehr großer Mehrheit einen Leitantrag, in dem es heißt, Deutschland müsse ein Signal aussenden, dass die Kapazitätsgrenzen bereits erreicht seien. „Deshalb soll Deutschland für nächstes Jahr ein Kontingent für Bürgerkriegsflüchtlinge entsprechend seiner leistbaren Kapazitäten festlegen.“

 

Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Abend vor die rund 1000 Delegierten trat, lehnt das Festlegen einer Obergrenze ab. Seehofer verlangte von Merkel eine Kurskorrektur. „Es wird an einer Begrenzung und damit einer Obergrenze für die Zuwanderung kein Weg vorbeiführen“, sagte Seehofer. „Es fehlt die zentrale Antwort: die Begrenzung generell.“ Allerdings nannte kein CSU-Politiker eine konkrete Zahl, wie viele Flüchtlinge Deutschland aufnehmen soll. Nach Ende von Merkels Rede zitierte Seehofer eine frühere Äußerung der CDU-Vorsitzenden: „Horst Seehofer und Angela Merkel haben immer eine Lösung gefunden.“ Dies, so Seehofer, werde jetzt auch gelten. Merkel quittierte diese Bemerkung scherzhaft mit einem skeptischen Gesichtsausdruck – was vom Parteitag humorvoll aufgenommen wurde.

 

Zu Beginn der Debatte auf dem Parteitag sprach CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer von einer „Völkerwanderung“. „Und diese Völkerwanderung macht nicht vor den Toren Europas halt.“ Seehofer verwies auf jüngste Meinungsumfragen. Danach sinkt die Beliebtheit der Kanzlerin in Bayern, während Seehofers Werte auf ein Rekordhoch gestiegen sind. „Wir sind von dem Sinkflug der Union nicht erfasst“, sagte Seehofer. „Die Basis denkt wie wir.“

 

Der CSU-Chef hatte vor Beginn des Parteitags die Order ausgegeben, Merkel „anständig“ zu empfangen. Bei Merkels Ankunft gab es Applaus und nur vereinzelt Pfiffe, nach ihrer Rede allerdings ebenfalls nur spärlichen Beifall. In ihrer Rede blieb die Kanzlerin betont sachlich: Angesichts der „Mega-Herausforderung“ der „vielen, vielen Flüchtlinge“ müsse alle Kraft auf eine europäische und internationale Lösung konzentriert werden, sagte sie und fügte hinzu: „Wir brauchen eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas.“

 

An der CSU-Basis ist der Ärger über Merkels Entscheidung zur Grenzöffnung für Flüchtlinge so groß, dass manche CSU-Politiker vorher mit einer weitaus kühleren Begrüßung der Kanzlerin gerechnet hatten. Auch die Debatte über den Leitantrag verlief kurz, sachlich und ohne Angriffe auf Merkel. Lediglich ein Delegierter aus dem Bezirksverband Oberbayern warf der CSU-Spitze und den Bundestagsabgeordneten der Partei vor, in Berlin zu wenig Widerstand zu leisten: „Wir sind nicht dazu da, unserer Kanzlerin die Steigbügel zu halten.“

 

Die CSU begann den Parteitag mit einer Schweigeminute für die Opfer der Pariser Terroranschläge. In einer einstimmig beschlossenen Resolution verurteilten die Delegierten die Attentate als „Anschlag auf unsere Freiheit, auf unsere Werte, auf die gesamte freie westliche Welt“. Zweites dominierendes Gesprächsthema auf dem Parteitag sind die Spannungen zwischen Seehofer und seinem potenziellen Nachfolger Markus Söder. Beide waren allerdings bemüht, betont freundlich und zuvorkommend miteinander umzugehen.


 

 

SPD: „Das ist Pippi-Langstrumpf-Politik“

Die rund 1000 CSU-Delegierten haben während des CSU-Parteitags verschiedene Beschlüsse gefasst. Bayern trage die Hauptlast der Flüchtlingskrise, heißt es in dem Leitantrag, der auf eine Obergrenze der Flüchtlingskontingente abzielt. „Deutschland muss jetzt ein Signal aussenden, dass unsere Kapazitätsgrenzen bereits erreicht sind.“

 

Die Vollverschleierung von Frauen durch Burka und Niqab soll in Deutschland verboten werden. Der Parteitag forderte die Landesgruppe im Bundestag auf, darauf hinzuwirken. SPD-Vize Ralf Stegner rügt die CSU-Beschlüsse gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: „Die CSU beschließt die Maut, das Betreuungsgeld und jetzt Obergrenzen für Flüchtlinge. Vielleicht demnächst auch noch eine eigene Zeitzone für Bayern. Nichts davon hat mit der Realität zu tun. Das funktioniert nicht, es sei denn, man schafft das Asylrecht ganz ab. Das ist Pippi-Langstrumpf-Politik.“