In Griechenland und Europa überschlagen sich derzeit die Ereignisse. Nach dem Abbruch der Verhandlungen über ein Memorandum und der Ansetzung des Referendums lief vor allem in Berlin und Brüssel die Propagandamaschinerie an und der Ausgang des Referendums wurde zu einer Frage über den Verbleib im Euro hochstilisiert, was aber in Griechenland nie zur Debatte stand. Durch das Referendum, das große Teile der griechischen Bevölkerung mobilisiert hat und das überwältigende OXI wurde zum ersten Mal seit über sechs Jahren die Hoffnung auf ein Ende der Austerität, ein Ende von Sparzwang und Verelendung, greifbar. Doch dies lockte auch die Verteidiger*innen der alten Ordnung aus der Reserve und am Ende stand ein drittes Memorandum, das die Verelendung und die soziale Katstrophe in Griechenland weiter verschlimmern wird. Mit dem angedrohten Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone soll ein Exempel statuiert werden, das auf ideologischer Ebene die Alternativlosigkeit der Unterordnung unter deutsche Interessen deutlich macht. Das zeigt sich auch in der Bewertung des OXI-Votums der griechischen Bevölkerung: Für fast alle deutschen Politiker*innen, Medien und alle die sich mit unserem Aggressor identifizieren, ist diese Entscheidung der griechischen Bevölkerung eine Frechheit. Sich nicht unterwerfen zu wollen, wird als Verlust des Urteilsvermögens betrachtet.
In der Situation, die wir seit Montag haben, ist es nun müßig zu
diskutieren, ob das alles nun politisches Kalkül von Syriza war, die
Sachzwänge zu groß wurden, oder ob Tsipras schlicht in den Verhandlungen
„eingeknickt“ ist. Die Frage ist vielmehr wie es nun weitergeht. Zwar
ist es keine neue Einsicht, das mit ein wenig Keynes, ein wenig Markt
und ein wenig Verhandlungen keine Revolution zu machen ist, doch in den
letzten Monaten wurden aus unterschiedlichsten Positionen Hoffnungen auf
Veränderung der Verhältnisse auf die linkssozialdemokratische Syriza
projiziert (was in Teilen auch geschehen ist, gerade im Hinblick auf
einen größeren Spielraum für soziale Bewegungen), die nun durch das
dritte Memorandum bitter enttäuscht wurden.
Die Aufgabe der
sozialen Bewegungen in Griechenland besteht nun darin, diese
Enttäuschung nicht in Resignation umschlagen zu lassen (was auch ein
gleichzeitiges Erstarken der faschistischen Option in Griechenland
bedeuten würde), sondern die Enttäuschung und Empörung auf die Straße zu
bringen und das Memorandum zu verhindern und das OXI zur Tat werden zulassen.
Gleichzeitig wird dadurch eine Situation geschaffen, in der die
Genoss*innen vermitteln können, dass man sich nicht auf Parteien und
Parlamente verlassen kann, sondern ein gutes Leben für alle nur durch
Selbstorganisierung in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft
möglich ist, dies aber nur durch den radikalen Bruch mit dem Bestehendem vollzogen werden kann.
Deutschland
will wieder Weltmacht sein. Was im letzten Jahrhundert gleich zweimal
zu der Verwüstung Europas und millionenfachem Tod geführt hat, wird nun
zwar nicht mehr (oder noch nicht?)
militärisch, aber dafür wirtschaftlich eingefordert. Für uns im Land der
Krieger*innen für das Bestehende ist es daher die Aufgabe an der
Heimatfront zum Dolchstoß auszuholen und Widerstand gegen das
europäische Krisenregime und deutsche Großmachtpolitik nicht nur
symbolisch, sondern auch praktisch zu artikulieren.
Bei der
Verhinderung der EZB-Eröffnung am 18.03. in Frankfurt wurde bereits
damit begonnen diesen Widerstand sichtbar zu machen. Doch die
Perspektive darauf alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein
erniedrigtes, ein geknechtetes Wesen ist, kann sich nicht nur auf
sporadische Riots und Gipfelhopping
beschränken. Stattdessen müssen wir dies in unsere alltäglichen Kämpfe
einbeziehen – in die aktuell stattfindenden Arbeitskämpfe, in die
Unterstützung der Kämpfe der Refugees usw. ebenso wie unsere Kämpfe egal
ob in Griechenland, Deutschland oder sonst wo untereinander vernetzt
und aufeinander bezogen werden müssen. Gelegenheiten bieten sich dazu
z.B. vom 18.-25.08. beim ersten Beyond Europe Camp in Chalkidiki,
Griechenland oder am 17./18.10. in Brüssel bei Protesten gegen einen
EU-Gipfel.
No to the memorandum, no to austerity, no to capitalism!