„Pegida“-Stimmung in Gera - 2600 Unterschriften gegen Flüchtlingsheim

Erstveröffentlicht: 
08.03.2015

Gera. Im Süden Geras rumort es gewaltig. Seit knapp einer Woche ist bekannt, dass das Land im Ortsteil Liebschwitz bis zu 500 Asylbewerber unterbringen will. „Herr Lauinger, Sie geben unserem Ort den Todesstoß“, mahnt ein aufgebrachter Bürger bei einer Versammlung am Freitagabend. Andere machen mit Transparenten wie „Nein zum Heim“ oder „Asylflut nicht auf Kosten der Bürger“ ihrem Unmut Luft.

 

Es herrscht „Pegida“-Atmosphäre in Gera-Liebschwitz. „Herr Lauinger“ ist seit Dezember Thüringens Minister für Migration. Wegen dieser Aufgabe weht dem Grünen nun nicht nur kalte Geraer Abendluft entgegen, sondern auch geballte Wut. 1900 Menschen sind laut Polizei auf den Sportplatz gekommen. Warum, das stellt einer von ihnen unter tosendem Beifall klar: „Weil wir diese Einrichtung verhindern wollen.“

Dass der Protest anschwillt, ist seit Tagen im Internet abzusehen. Auf mehr als 1500 Mitglieder ist binnen kurzer Zeit eine Facebook-Gruppe gegen das Flüchtlingsheim gewachsen. Dort tummeln sich auch bekannte Rechtsextreme aus der Region. Zudem wurden bereits 2600 Unterschriften gesammelt. Ortsteilbürgermeister Michael Schleicher wird nicht müde, zu betonen, 500 Flüchtlinge seien für einen Ort mit gut 1400 Einwohnern zu viel.

Nun versucht Dieter Lauinger stoisch, einen Fragenkatalog abzuarbeiten. Immer wieder unterbrochen von Zwischenrufen à la „Sie lügen uns an“ und höhnischem Gelächter, schildert der Grüne die Situation in den beiden Erstaufnahmeheimen in Eisenberg und Suhl. Sie platzen wegen der steigenden Flüchtlingszahlen aus allen Nähten.

Nach Angaben des Ministers sollen in dem ehemaligen Berufsschulinternat in Gera-Liebschwitz maximal 500 Menschen untergebracht werden. Lauinger verspricht ein Sicherheitskonzept der Polizei, um den Bürgern Ängste vor steigender Kriminalität zu nehmen. Und er verteidigt die Entscheidung der Landesregierung pro Gera: „Zeigen Sie mir, welches andere Objekt besser geeignet wäre.“

Viele erhitzte Gemüter kann er damit nicht besänftigen. Eine junge Frau stürmt das Podium und schnappt sich ein Mikrofon. „Wollen Sie sich über alle diese Köpfe hinwegsetzen?“, ruft sie. „Ja oder nein?“ Lauinger windet sich, doch die Frage „Ja oder nein?“ schwillt zum Sprechchor aus Hunderten Kehlen an, gemischt mit „Wir sind das Volk“-Rufen. Ein anderer erklärt, die Veranstaltung sei aus seiner Sicht nur ein „demokratisches Deckmäntelchen“. Als später eine Frau um Verständnis für die Not vieler Flüchtlinge wirbt, wird sie gnadenlos ausgebuht.

Es sind nicht alle gegen das Heim an diesem Abend, doch die Gegner sind eindeutig in der Überzahl. Nach mehr als zwei Stunden ist Schluss - vorerst. Denn die Diskussion geht weiter. Am 19. März will sich der Geraer Stadtrat mit dem Thema befassen, mit Sicherheit begleitet von weiterem Bürgerprotest. Doch, selbst wenn er es wollte, gibt es nach Einschätzung der Stadtverwaltung kaum Handhabe gegen das Vorhaben des Landes.

„Mir scheint, dass bei den meisten Menschen hier keine bestimmte politische Einstellung hinter dem Protest steht, sondern vielmehr eine große persönliche Betroffenheit“, sagt der Jenaer Politikwissenschaftler Torsten Oppelland nach der Runde. Aber viele würden Demokratie missverstehen, wenn sie reklamierten, ein solches Flüchtlingsheim dürfe nicht kommen, wenn die Mehrheit im Ort dagegen sei. Und Minister Lauinger verspricht, den Dialog mit den Menschen vor Ort nicht abreißen zu lassen: „Ich komme auch noch mal.“