Am 7. Januar 2005 verbrennt Oury Jalloh in der Zelle Nr. 5 im Dessauer Polizeirevier in der Wolfgangstraße. In kurzer Zeit steht der gesamte Körper von Oury Jalloh in Flammen. Die Hände und Füße von Oury Jalloh sind am Boden angekettet. Er liegt auf einer feuerfesten Matratze in einer vollständig gefliesten Zelle. Das Feuer ist so stark, dass die Finger der linken Hand durch die Hitze vollständig wegbrennen.
Das bedeutet:
10 Jahre rechtsstaatlicher Schutz der Mörder von Oury Jalloh
Das heißt aber auch:
10 Jahre Kriminalisierung derjenigen, die den Widerstand gegen rassistischen Staatsterror nicht aufgeben
Die Dessauer Staatsanwaltschaft erklärte der staunenden Öffentlichkeit bereits kurz darauf, Oury Jalloh hätte sich selbst verbrannt. Die Familie von Oury Jalloh und Initiativen forderten sofort ein Brandgutachten, weil sie nicht nachvollziehen konnten, wie ein Mensch ohne zusätzliche Brennstoffe so verbrennen, so verkohlen kann. Nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern alle beteiligten Gerichte und alle staatlich eingesetzten Experten vermieden und blockierten bisher jegliche ergebnisoffene Untersuchung, um die unwahrscheinlichste aller Hypothesen aufrechterhalten zu können. Ermittlungsbehörden und Gerichte haben in den letzten 10 Jahren gezielt Spuren ignoriert oder vertuscht, Beweismittel verworfen, vernichtet und manipuliert und Polizeizeugen kollektive Falschaussagen eingetrichtert, um die selbst geschaffene Lüge vor der Öffentlichkeit zu stützen. In diesen letzten 10 Jahren verrenkten sich Gerichte durch alle Instanzen, um etwas offiziell zu verkünden, was so nie stattgefunden haben kann. Es soll nicht offiziell bestätigt werden, was am 7. Januar 2005 in Dessau tatsächlich verbrochen worden ist.
Mit einem unabhängigen Brandgutachten im Auftrag der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh im Jahr 2013 wurde bewiesen, dass dieser Brand nicht ohne die Verwendung von Brandbeschleuniger hätte stattfinden können. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe setzte trotz der vorliegenden Beweislage einen höchstrichterlichen Schlussstein auf die Spitze jener deutschen Pyramide, welche die Mörder beschützt und gleichzeitig solche, die die Wahrheit ans Licht bringen, kriminalisiert und verfolgt.
Die ersten Stimmen, die Fragen stellten, gegen das Schweigen danach protestierten und die dann folgenden Antworten und Lügen nicht unwidersprochen akzeptierten, waren Freunde und Bekannte von Oury Jalloh aus der afrikanischen Community in Dessau, die seine Familie informierte und unterstütze. Daraufhin intensivierte der Staat Abschiebungen von Menschen aus dieser Community und entzog Moucthar Bah die Lizenz für sein Tele Café – dem Treffpunkt, wo der Widerstand gegen das mörderische Lügenkonstrukt begann. Doch die Community verbreitete die Nachricht überall: Oury Jalloh – das war Mord.
Die Staatsorgane versuchten schon von Anfang an erfolglos diesen Satz zu verbieten. Die ungewollte Wahrheit sollte mit Knüppeln, Tritten und Pfefferspray eingedämmt werden. Menschen sollten eingeschüchtert und davon abgehalten werden, eine Wahrheit zu verbreiten, die den Kern dieses Staates in seiner rassistischen Tradition offenbart und in Frage stellt. Aus diesem Grund wurde die Gedenkdemonstration 2012 in Dessau von Polizisten angegriffen und gleich mehrere Aktivisten der Initiative brutal und willkürlich verletzt. Und wieder werden die Täter geschützt und die Opfer vor Gericht gezerrt: Erst im Dezember 2014 hat ein weiterer Prozess gegen zwei Mitglieder der Initiative vor dem Dessauer Amtsgericht begonnen – und schon wieder wird der Polizeistaat als Drohkulisse aufgebaut, um sich durch gezielte Provokationen immer wieder neue Konstrukte für immer wieder neue Strafverfahren zurechtzuzimmern. Einerseits soll die Öffentlichkeit hierdurch vom eigentlichen Kern der ganzen Geschichte abgelenkt werden – dass ein Mensch in einer deutschen Polizeizelle verbrannte und dieses bisher von sämtlichen Institutionen vertuscht worden ist – andererseits sollen damit auch Zeit und Ressourcen der Aktivisten und Initiativen mit folgewidrigen Strafverfahren gebunden werden.
Erneute polizeiliche Übergriffe auf die kommende Gedenkdemonstration am 7. Januar 2015 könnten daher der Logik folgend ein bereits geplantes Szenario im Rahmen der Polizeistrategie sein. „Haltet die Verleumder“ schreien die Mörder und ihre Komplizen – lenken so die Blicke von ihren eigenen Taten ab und wollen aus den Opfern ihrer Polizeigewalt, den Familien und Freunden Täter machen. Seit nunmehr 10 Jahren wird auf allen Ebenen des Rechtsstaates alles daran gesetzt, diesen Mord zu leugnen und stattdessen einer rassistisch motivierten Selbstverbrennungslüge zu huldigen.
Doch die Einzigen, die die Wahrheit ständig suchen und verteidigen, sind gerade die Familie und Freunde von Oury Jalloh, sind die Flüchtlingscommunities. Im Kampf für die Aufklärung der Todesumstände von Oury Jalloh wurde die Wahrheit über die rassistischen Züge des Staates und seines Polizeiapparates offenkundig – nicht erst seit der NSU und auch für Menschen außerhalb der Communities. Für die Flüchtlings- und Migrantencommunities bestätigte sich erneut, was sie von jeher über die geschichtlichen Traditionen dieses sog. „Rechts-Staates“ wussten:
Rassistische Gewalt trägt gerade in Deutschland Uniform und Robe!
Wofür stehts DU?
Wir gedenken in unserem Herzen nicht nur Oury Jalloh, sondern auch Laye Kondé, Dominique Kouamadio, Mareame Sarr, Christy Schwundeck, Achidi John und all den zahlreichen anderen, von Staatsdienern kaltblütig ermordeten Schwestern und Brüdern.
Daher rufen wir alle auf, diesen Kampf für die Wahrheitsfindung und besonders die Gedenkdemonstration in Dessau mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Verbreitet die Wahrheit über den Mord an Oury Jalloh und dokumentiert mögliche Übergriffe der Polizei. Entlarvt die Lügen, die sie verbreiten. Unser Kampf für die Wahrheit ist gleichzeitig auch ein Kampf für eine menschliche Gesellschaft ohne Hass und Herrenideologie, ohne Unterdrückung und Ausgrenzung, ohne Abschiebung und Mord.
Nur unsere Communities als politisch bewusste, solidarische Basis sind Schutz und Selbstverteidigung.
Touch one - touch all
weitere Infos auf der Internetseite der Initiative: Initiative Oury Jalloh